Aktenzeichen 8 AZR 152/08
§ 613a Abs 5 BGB
§ 613a Abs 6 BGB
§ 242 BGB
§ 4 S 1 KSchG
Verfahrensgang
vorgehend ArbG München, 9. März 2007, Az: 39 Ca 4856/06, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München, 10. Januar 2008, Az: 2 Sa 397/07, Urteil
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 10. Januar 2008 – 2 Sa 397/07 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht, nachdem die Klägerin gegen dessen Übergang infolge eines Betriebsübergangs Widerspruch eingelegt hat.
2
Im Oktober 2004 war die Klägerin bei der Beklagten beschäftigt, ihr Teilzeit-Arbeitsverhältnis (30 Wochenstunden) war dem Geschäftsbereich C I (CI) zugeordnet. Sie verdiente zuletzt monatlich brutto 2.950,73 Euro.
3
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 informierte die Beklagte die Klägerin über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH. Darin wurde der Klägerin ua. mitgeteilt:
„Die A-G AG plant, den Geschäftsbereich C I (CI) mit Wirkung zum 1. November 2004 auf die A GmbH zu übertragen.
Für die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, die dem Geschäftsbereich CI zugeordnet sind, führt diese Übertragung zu einem automatischen Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse. Dies ist in § 613 a BGB geregelt, dessen Bestimmungen auf den Übergang zwingend anwendbar sind. § 613 a Absatz 5 BGB sieht eine schriftliche Information des von einem solchen Übergang betroffenen Arbeitnehmers vor, der nach § 613 a Absatz 6 BGB dem Übergang auch widersprechen kann.
Diese Bestimmungen lauten:
…
Ihr Arbeitsverhältnis ist dem Geschäftsbereich CI zugeordnet und würde deshalb mit dem 1. November 2004 auf die A GmbH übergehen.
…
1.
Zum geplanten Zeitpunkt des Übergangs:
Das Datum des geplanten Übergangs ist der 1. November 2004.
2.
Zum Grund für den Übergang:
Grund des Übergangs ist die rechtliche Verselbständigung des Geschäftsbereichs CI in der A GmbH und deren anschließende Veräußerung an die N GmbH.
A GmbH mit Sitz in L umfasst das gesamte bisherige CI-Geschäft der A-G AG, also die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte. A GmbH übernimmt das Vermögen von CI. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.
…
Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe Liquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.
3.
Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer:
Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs CI tritt A GmbH in die bestehenden, unveränderten Arbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten …
…
5.
Zu Ihrer persönlichen Situation:
Ihr Arbeitsverhältnis wird von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4 nicht betroffen sein.
6.
Zum Widerspruchsrecht:
Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH binnen einer Frist von einem Monat ab Zugang dieses Schreibens schriftlich zu widersprechen.
Die Erklärung kann nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden. Sie kann auch nicht an eventuelle Bedingungen geknüpft werden.
Sollten Sie dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen wollen, müsste das schriftlich mit einer von Ihnen unterschriebenen Erklärung innerhalb dieser Frist erfolgen. Eventuelle Widerspruchsschreiben richten Sie bitte ausschließlich an:
…
7.
Zu den Folgen eines Widerspruchs:
Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr Arbeitsverhältnis bei der A-G AG und geht nicht auf die A GmbH über.
Da nach dem Übergang des vollständigen Geschäftsbereichs CI auf A GmbH Ihr bisheriger Arbeitsplatz bei A-G AG nicht mehr vorhanden sein wird und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht, müssen Sie daher im Falle der Ausübung Ihres Widerspruchsrechts mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses durch A-G AG rechnen.
Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass nach der eindeutigen Regelung in der mit dem Gesamtbetriebsrat der A-G AG und den örtlichen Betriebsräten vereinbarten Überleitungsvereinbarung in diesem Fall kein Anspruch auf eine Abfindung besteht, weder gegenüber der A-G AG, noch gegenüber A GmbH.
Im Falle eines Widerspruchs müssen Sie deshalb damit rechnen, Ihren Arbeitsplatz ohne jede finanzielle Leistung zu verlieren. Außerdem sind bei einer eventuellen Arbeitslosigkeit nach einem Widerspruch Ihre Ansprüche auf Leistungen der Agentur für Arbeit in Frage gestellt.
Wir empfehlen Ihnen daher dringend, von einem Widerspruch abzusehen.
…“
4
Mit Wirkung zum 1. November 2004 wurde der Geschäftsbereich CI ausgegliedert und auf die neu gegründete A GmbH übertragen. Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf diese GmbH zunächst nicht.
5
Anfang Mai 2005 stellte die A GmbH Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit einem auf den 19. Juli 2005 datierten Formschreiben rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten, das Informationsschreiben enthalte offensichtlich unzutreffende Informationen, entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen und löse den Lauf der Widerspruchsfrist nicht aus. Sie, die Klägerin, erwarte nunmehr eine vollständige und wahrheitsgemäße Information, nach deren Eingang sie eine Entscheidung über den Widerspruch treffen werde. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. August 2005 arbeitete die Klägerin bis 31. Dezember 2005 weiter für die A GmbH i. L., wurde von dieser ab dem 1. Januar 2006 freigestellt und erhielt keinen Lohn mehr. Sodann kündigte die A GmbH i. L. unter dem 12. Januar 2006 das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 30. April 2006. Gegenüber der Beklagten widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 20. Januar 2006 dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH.
6
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe im Januar 2006 dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die A GmbH noch wirksam widersprechen können, weil infolge der nicht ausreichenden Unterrichtung durch die Beklagte im Schreiben vom 22. Oktober 2004 die einmonatige Widerspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nicht in Gang gesetzt worden sei.
7
Soweit von Bedeutung für die Revision hat die Klägerin beantragt
festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.
8
Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages hat die Beklagte die Auffassung vertreten, die Unterrichtung der Klägerin genüge den gesetzlichen Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB. Mit der Revision hat die Beklagte zusätzlich darauf verwiesen, die Klägerin habe ihr Widerspruchsrecht verwirkt, weil sie durch die widerspruchslose Weiterarbeit bei der Betriebserwerberin diese als Arbeitgeberin akzeptiert habe.
9
Das Arbeitsgericht hat der Klage, Zahlungsanträge eingeschlossen, stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem Landesarbeitsgericht weitgehend erfolglos, die mit der Anschlussberufung von der Klägerin geltend gemachten weiteren Zahlungsansprüche wurden dagegen zugesprochen. Mit der für sie zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin das Ziel einer Klageabweisung, wobei sie Revisionsrügen hinsichtlich der Höhe der ausgeurteilten Zahlungsansprüche nicht vorbringt.