Aktenzeichen 8 AZR 885/08
§ 613a Abs 5 BGB
§ 613a Abs 6 BGB
§ 242 BGB
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Solingen, 14. November 2006, Az: 5 Ca 924/06 lev, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 20. August 2008, Az: 7 Sa 127/07, Teilurteil
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. August 2008 – 7 Sa 127/07 – aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Solingen vom 14. November 2006 – 5 Ca 924/06 lev – wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Abweisung der Feststellungsklage richtet.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz darüber, ob zwischen ihnen über den 1. November 2004 hinaus ein Arbeitsverhältnis fortbesteht.
2
Die Klägerin war seit 1976 bei der Beklagten im Geschäftsbereich C I (CI) beschäftigt.
3
Dieser Geschäftsbereich verzeichnete seit mehreren Jahren Umsatzrückgänge, welche die Beklagte zu Personalabbaumaßnahmen veranlassten.
4
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 informierte die Beklagte die Klägerin über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH. In diesem Schreiben heißt es ua.:
„…
die A-G AG plant, den Geschäftsbereich C I (CI) mit Wirkung zum 1. November 2004 auf die A GmbH zu übertragen.
Für die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, die dem Geschäftsbereich CI zugeordnet sind, führt diese Übertragung zu einem automatischen Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse. Dies ist in § 613 a BGB geregelt, dessen Bestimmungen auf den Übergang zwingend anwendbar sind. § 613 a Absatz 5 BGB sieht eine schriftliche Information des von einem solchen Übergang betroffenen Arbeitnehmers vor, der nach § 613 a Absatz 6 BGB dem Übergang auch widersprechen kann.
Diese Bestimmungen lauten:
‚Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:
1.
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
2.
den Grund für den Übergang,
3.
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
4.
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.’
Ihr Arbeitsverhältnis ist dem Geschäftsbereich CI zugeordnet und würde deshalb mit dem 1. November 2004 auf A GmbH übergehen.
…
1.
Zum geplanten Zeitpunkt des Übergangs:
Das Datum des geplanten Übergangs ist der 1. November 2004.
2.
Zum Grund für den Übergang:
Grund des Übergangs ist die rechtliche Verselbständigung des Geschäftsbereichs CI in der A GmbH und deren anschließende Veräußerung an N GmbH.
A GmbH mit Sitz in L umfasst das gesamte bisherige CI-Geschäft der A-G AG, also die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte. A GmbH übernimmt das Vermögen von CI. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.
…
Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe Liquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.
3.
Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer:
Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs CI tritt A GmbH in die bestehenden, unveränderten Arbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten haben A-G AG, A GmbH, Gesamtbetriebsrat der A-G AG sowie die örtlichen Betriebsräte am 24. September 2004 eine Überleitungsvereinbarung ‚zur Klärung der rechtlichen Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse betroffener Arbeitnehmer, auf die kollektiv-rechtlichen Regelungen sowie auf die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen’ abgeschlossen, die davon geprägt ist, so weit wie möglich Kontinuität zu wahren:
–
Die bei der A-G AG verbrachten und/oder von ihr anerkannten Dienstjahre werden als Dienstzeit bei A GmbH anerkannt.
–
Die Zugehörigkeit zu den Arbeitgeberverbänden der Chemischen Industrie wird auch bei A GmbH bestehen, d.h. es bleibt bei den Chemie-Tarifen.
…
…
5.
Zu Ihrer persönlichen Situation:
Ihr Arbeitsverhältnis wird nach unserer Planung von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4 nicht betroffen sein.
6.
Zum Widerspruchsrecht:
Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH binnen einer Frist von einem Monat ab Zugang dieses Schreibens schriftlich zu widersprechen. Die Erklärung kann nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden. Sie kann auch nicht an eventuelle Bedingungen geknüpft werden.
Sollten Sie dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen wollen, müsste das schriftlich mit einer von Ihnen unterschriebenen Erklärung innerhalb dieser Frist erfolgen. Eventuelle Widerspruchsschreiben richten Sie bitte ausschließlich an:
…
7.
Zu den Folgen eines Widerspruchs:
Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr Arbeitsverhältnis bei der A-G AG und geht nicht auf die A GmbH über.
Da nach dem Übergang des vollständigen Geschäftsbereichs CI auf A GmbH Ihr bisheriger Arbeitsplatz bei A-G AG nicht mehr vorhanden sein wird und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht, müssen Sie daher im Falle der Ausübung Ihres Widerspruchsrechts mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses durch A-G AG rechnen.
Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass nach der eindeutigen Regelung in der mit dem Gesamtbetriebsrat der A-G AG und den örtlichen Betriebsräten vereinbarten Überleitungsvereinbarung in diesem Fall kein Anspruch auf eine Abfindung besteht, weder gegenüber der A-G AG, noch gegenüber A GmbH. Im Falle eines Widerspruchs müssen Sie deshalb damit rechnen, Ihren Arbeitsplatz ohne jede finanzielle Leistung zu verlieren. Außerdem sind bei einer eventuellen Arbeitslosigkeit nach einem Widerspruch Ihre Ansprüche auf Leistungen der Agentur für Arbeit in Frage gestellt.
Wir empfehlen Ihnen daher dringend, von einem Widerspruch abzusehen.
…“
5
Mit Wirkung zum 1. November 2004 wurde der Geschäftsbereich CI ausgegliedert und auf die neu gegründete A GmbH übertragen. Die Klägerin widersprach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf diese GmbH zunächst nicht, teilte der Beklagten aber mit Schreiben vom 4. Juli 2005 ua. Folgendes mit:
„Ich erwarte von Ihnen eine vollständige und wahrheitsgemäße Information über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für mich (§ 613 a Abs. 5 Ziffer 3 BGB). Hierauf habe ich einen Rechtsanspruch.
Nach deren Eingang werde ich die Entscheidung treffen, ob ich dem Übergang widerspreche.
Für den Fall einer fehlerhaften Information behalte ich mir weitergehend Schadensersatzansprüche vor.“
6
Dieses Schreiben, dessen Eingang die Beklagte bestätigt hatte, ließ sie allerdings unbeantwortet. Bis zum 31. Oktober 2005 arbeitete die Klägerin auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz weiter. Danach wurde sie von der A GmbH unter Anrechnung ihres Resturlaubsanspruchs und ihrer Ansprüche aus dem Arbeitszeit- bzw. Gleitzeitkonto freigestellt.
7
Die A GmbH kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 23. November 2005 betriebsbedingt. Gegen diese Kündigung erhob die Klägerin keine Kündigungsschutzklage.
8
Die Klägerin widersprach mit Schreiben vom 20. Dezember 2005 gegenüber der Beklagten dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH wegen nicht ausreichender Unterrichtung über den Betriebsübergang.
9
Bereits im Mai 2005 hatte die A GmbH Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt, welches am 1. August 2005 eröffnet worden war.
10
Die Klägerin meint, sie habe dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH noch im Dezember 2005 wirksam widersprechen können, weil sie bis dahin nicht ordnungsgemäß iSd. § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang unterrichtet worden sei. So rügt sie insbesondere eine falsche Information über die wirtschaftliche Situation der Betriebserwerberin.
11
Die Klägerin hat – soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist – beantragt:
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Anstellungsverhältnis besteht.
12
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
13
Sie beruft sich darauf, ihr Informationsschreiben vom 22. Oktober 2004 habe den Erfordernissen des § 613a Abs. 5 BGB genügt. Der Widerspruch der Klägerin sei verspätet, da er nicht innerhalb der einmonatigen Widerspruchsfrist nach Zugang des Unterrichtungsschreibens erhoben worden sei. Zumindest sei das Widerspruchsrecht der Klägerin jedoch verwirkt.
14
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht durch Teilurteil festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Anstellungsverhältnis besteht. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.