Aktenzeichen 10 AZR 198/11
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Frankfurt, 14. April 2010, Az: 14 Ca 8942/09, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 13. Dezember 2010, Az: 7 Sa 879/10, Urteilnachgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 20. August 2012, Az: 7 Sa 157/12, Urteil
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2010 – 7 Sa 879/10 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über eine Bonuszahlung für das Jahr 2008.
2
Der Kläger war auf Grundlage des Arbeitsvertrags vom 20./26. November 2003 seit dem 1. März 2004 als „Senior Salesman“ im Bereich „Investor Solutions Group“ in der Investmentsparte (DKIB) der D AG beschäftigt.
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Die D AG wurde auf die Beklagte, die zuvor Alleinaktionärin an der D AG geworden war, mit Wirkung vom 11. Mai 2009 verschmolzen.
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Der Arbeitsvertrag enthält ua. folgende Regelungen:
„2.
Bezüge
Der Mitarbeiter erhält folgende Bezüge, durch die zugleich Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung abgegolten sind:
a)
G e h a l t
Ein Bruttomonatsgehalt von € 6.920,00
…
b)
V a r i a b l e V e r g ü t u n g
Eine zusätzliche Vergütung, die unter Berücksichtigung der Ertragslage des Corporate & Markets Geschäftes der Bank individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festgelegt wird. …
…
11.
Sonstige Vereinbarungen
Bis zum Abschluss einer gesonderten Betriebsvereinbarung über die variable Vergütung beträgt die zusätzliche Vergütung nach Ziffer 2 b dieses Vertrags mindestens 2 Monatsgehälter. …“
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Zum Abschluss einer solchen Betriebsvereinbarung ist es nicht gekommen.
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Der Kläger erhielt für das Geschäftsjahr 2007 einen Bonus in Höhe von 300.000,00 Euro.
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Am 12. August 2008 wurde auf einer Vorstandssitzung der D AG die Notwendigkeit der Festlegung eines Minimum-Bonuspools in Höhe von 400 Mio. Euro für das Geschäftsjahr 2008 für den Bereich DKIB Frontoffice erörtert, um die Mitarbeiterstabilität aufrechtzuerhalten. Es wurde ein entsprechender Vorstandsbeschluss gefasst.
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Am 18. August 2008 teilte das zuständige Vorstandsmitglied Dr. J im Rahmen eines sog. Business-Updates den Mitarbeitern des Bereichs DKIB Frontoffice die Bildung des Bonuspools mit. Die Bildung des Bonuspools ist in der Folgezeit wiederholt verlautbart worden.
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Mit E-Mail vom 20. Oktober 2008 wurden die Mitarbeiter des Bereichs DKIB Frontoffice darüber informiert, dass die Benachrichtigung über die Boni am 19. Dezember 2008 erfolgen werde.
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Am 28. Oktober 2008 veröffentlichte die D AG im Intranet eine Mitteilung an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit folgendem Wortlaut:
„Bonusvolumen 2008
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass der Vorstand für das Kalenderjahr 2008 ein Bonusvolumen in Höhe von 100 % des Bonusvolumens 2007 – angepasst an den Mitarbeiterbestand 2008 – pro Funktion und Division (exclusive DKIB Frontoffice) zugesagt hat.
Mit dieser Entscheidung verbunden ist der Dank für Ihr Engagement und Ihren Einsatz für unsere Bank im laufenden Jahr, auf den wir auch in Zukunft vertrauen.
Die Festsetzung der individuellen Bonusbeträge erfolgt wie in den vergangenen Jahren leistungsabhängig. Über die individuelle Bonusfestsetzung werden die Führungskräfte ihre Mitarbeiter rechtzeitig in einem persönlichen Gespräch informieren.
Die Auszahlung des Bonus erfolgt im Frühjahr 2009.
Ihr
H
W“
11
Diese Mitteilung basierte auf einer Vorstandsentscheidung vom 2. Oktober 2008 und ist mit den Namen des damaligen Vorstandsvorsitzenden und des damaligen Personalvorstands unterzeichnet.
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Am 19. Dezember 2008 erhielt der Kläger folgenden „Bonusbrief“:
„…
wir können Ihnen heute mitteilen, dass Ihr Bonus für das Jahr 2008 im Sinne von Ziffer 2 b) i. V. m. Ziffer 10/11 Ihres Arbeitsvertrages nach Maßgabe der nachstehenden Regelung vorläufig in Höhe von
EUR 375.000,00 brutto
festgesetzt wurde.
Die vorläufige Bonusfestsetzung steht unter dem Vorbehalt eines Reviews für den Fall, dass im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses 2008 weitere wesentliche negative Abweichungen in Ertrag und Ergebnis von DKIB zum Forecast für die Monate November und Dezember 2008 festgestellt werden, d. h. die Ergebnissituation in DKIB sich in diesem Zeitraum wesentlich verschlechtert. Dieser Review wird im Januar 2009 unter der Führung von Herrn Dr. J durchgeführt. Sollten solche weiteren wesentlichen negativen Abweichungen festgestellt werden, behält sich die Bank das Recht vor, Ihre vorläufige Bonusfestsetzung zu überprüfen und, falls erforderlich, den Betrag der vorläufigen Bonusfestsetzung zu reduzieren.
Im Februar 2009 erhalten Sie eine detaillierte Aufstellung Ihrer für das Kalenderjahr 2008 zustehenden Zahlung der endgültigen variablen Vergütung gem. Ihres Arbeitsvertrages.
Eine Auszahlung des Bonus erfolgt nur, wenn zum Auszahlungszeitpunkt des Bonus ein ungekündigtes Arbeitsverhältnis besteht. Eine Auszahlung des Bonus erfolgt im Rahmen Ihrer üblichen Gehaltszahlung für den Monat Februar 2009.
…“
13
Am 18. Februar 2009 teilte die D AG nach einer entsprechenden Vorstandsentscheidung vom Vortag ua. mit, dass die Mitarbeiter des Bereichs DKIB Frontoffice eine um 90 % gekürzte Zahlung erhalten sollten, mindestens aber ein Bruttomonatsgehalt. Dementsprechend erhielt der Kläger im März 2009 einen Betrag von 37.500,00 Euro brutto.
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Die D AG hat im Geschäftsjahr 2008 ein negatives operatives Ergebnis von 6,56 Mrd. Euro erreicht. Die Beklagte hat ihr zusätzliches Kapital im Umfang von 4 Mrd. Euro zugeführt; selbst hat die Beklagte in zwei Tranchen 18,2 Mrd. Euro aus dem Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) in Anspruch genommen. Die DKIB erzielte im operativen Geschäft des Jahres 2008 ein vorläufiges negatives Ergebnis von 5,751 Mrd. Euro und ein endgültiges negatives Ergebnis von 6,275 Mrd. Euro.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe einen Anspruch auf Bonuszahlung in Höhe der vorläufigen Festsetzung aus dem Schreiben vom 19. Dezember 2008. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe offiziell und mehrfach wiederholt ein Bonusvolumen für das Jahr 2008 in Höhe von 400 Mio. Euro bekannt gemacht. Damit sei der Bonustopf ohne Einschränkungen fest zugesagt worden. Mit dem Schreiben vom 19. Dezember 2008 sei sodann die individuelle Bonushöhe verbindlich festgesetzt worden. Ein etwa dort enthaltener Vorbehalt sei unwirksam. Der Kläger habe seine individuellen Ziele erreicht, wie sich auch aus dem „Bonusbrief“ ergebe. Im Februar 2009 sei die gleiche Berechnungs- und Verteilungsmethode wie im Schreiben vom 19. Dezember 2008 angewandt und lediglich eine pauschale Kürzung vorgenommen worden. Diese Kürzung widerspreche billigem Ermessen; die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe sich ihrer Pflicht zur Verteilung des Bonustopfes nicht wieder entziehen können. Auch seien die wirtschaftlichen Gründe hierfür nicht schlüssig dargelegt worden.
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Im Übrigen seien in der Vergangenheit ausschließlich individuelle Leistungsgesichtspunkte berücksichtigt worden, eine ertragsabhängige Festsetzung sei nicht erfolgt. Der Kläger habe im Jahr 2008 objektiv gute Leistungen erbracht.
17
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 337.500,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. April 2009 zu zahlen.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Für das Geschäftsjahr 2008 habe die D AG zunächst einen Bonuspool für die Mitarbeiter des Bereichs DKIB Frontoffice festgelegt. Das zum damaligen Zeitpunkt zuständige Vorstandsmitglied Dr. J habe die Vorstandsentscheidung über die Bildung des Bonuspools im August an die Mitarbeiter des Bereichs kommuniziert. Aussagen über die individuelle Bonushöhe seien nicht getroffen worden, vielmehr sei klargestellt worden, dass die Festsetzung der individuellen Boni weiterhin im Ermessen der Bank stehe. Zu diesem Zeitpunkt sei die Bank für die DKIB im Geschäftsjahr 2008 von einem negativen operativen Ergebnis in Höhe von 1,31 Mrd. Euro und positiven operativen Erträgen in Höhe von 0,89 Mrd. Euro ausgegangen.
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Eine Prognose mit Stand vom 20. November 2008 habe ergeben, dass sich der Verlust aus dem operativen Geschäft für das Geschäftsjahr 2008 auf 2,97 Mrd. Euro ausweiten werde. Am Ende des Jahres 2008 hätten noch keine endgültigen Zahlen und Ergebnisse für die Monate November und Dezember vorgelegen, da die Zusammenstellung der Monatszahlen im vierten Quartal 2008 aufgrund der Besonderheiten der Finanzmarktkrise einen erheblichen Zeitraum in Anspruch genommen habe. In Vorstandssitzungen Ende November 2008 sei daher diskutiert worden, entweder den in Aussicht gestellten Bonuspool erheblich zu reduzieren oder für alle Mitarbeiter des Bereichs DKIB Frontoffice Vorbehalte in die „Bonusbriefe“ aufzunehmen. Man habe sich für Letzteres entschieden. Die tatsächliche Geschäftsentwicklung in den Monaten November und Dezember 2008 sei desaströs gewesen. Allein in diesen Monaten hätten sich ein operatives Ergebnis von minus 3,481 Mrd. Euro und operative Erträge von minus 2,207 Mrd. Euro ergeben. Das vorläufige operative Ergebnis für 2008 habe minus 5,751 Mrd. Euro betragen sowie operative Erträge der DKIB in Höhe von minus 2,298 Mrd. Euro ausgewiesen. Der Jahresabschluss habe sich dann noch einmal auf minus 6,275 Mrd. Euro verschlechtert. Vor dem Hintergrund dieser dramatischen wirtschaftlichen Entwicklung und der öffentlichen Diskussion sei im Februar 2009 die Entscheidung getroffen worden, die Boni für das Geschäftsjahr 2008 nur in Höhe von 10 % des unter Vorbehalt gestellten Betrags zu erbringen, mindestens aber in Höhe eines Bruttomonatsgehalts. Dabei habe auch die kritische Entwicklung der Kernkapitalquote der Bank eine Rolle gespielt, die bei einer vollständigen Auszahlung der Boni noch weiter belastet worden wäre. Ohne finanzielle Unterstützung Dritter sei die D AG nicht lebensfähig gewesen. Durch die Zuführung des zusätzlichen Kapitals in Höhe von 4 Mrd. Euro habe sichergestellt werden sollen, dass die Kernkapitalquote dauerhaft die aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen erfülle.
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Mit dem Schreiben vom 19. Dezember 2008 sei keine endgültige Ermessensausübung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten erfolgt. Selbst wenn man aber eine Willenserklärung annehmen wollte, enthalte das Schreiben einen zulässigen Vorbehalt. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Verschlechterung sei die Arbeitgeberin berechtigt gewesen, im Februar 2009 eine neue Leistungsbestimmung vorzunehmen. Die individuellen Leistungen der Mitarbeiter seien berücksichtigt worden, da die bereits vorgenommene individuelle Leistungsbeurteilung im Hinblick auf die 10 %-Quote Einfluss auf die endgültige Bonusfestsetzung genommen habe. Im Übrigen entspreche die Ermessensausübung der wirtschaftlichen Situation. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Mitteilung des Bonuspools. Es handle sich dabei nicht um eine Gesamtzusage der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Diese habe keine neben die vertraglichen Regelungen tretende weitere Rechtsgrundlage schaffen wollen.
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Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.