Arbeitsrecht

Ablehnung eines Altersteilzeitantrags nach Anl 17 § 2 DCVArbVtrRL – Ermessensprüfung – Gleichbehandlungsgrundsatz

Aktenzeichen  9 AZR 730/10

Datum:
24.1.2012
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
Anl 17 § 2 Abs 1 DCVArbVtrRL
Anl 17 § 2 Abs 2 DCVArbVtrRL
Anl 17 § 2 Abs 3 DCVArbVtrRL
Anl 17 § 5 Abs 6 DCVArbVtrRL
§ 315 Abs 1 BGB
Art 3 Abs 1 GG
Spruchkörper:
9. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Krefeld, 9. Juni 2010, Az: 3 Ca 2811/09, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 3. November 2010, Az: 7 Sa 1280/10, Urteil

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 3. November 2010 – 7 Sa 1280/10 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Abschluss eines Altersteilzeitdienstvertrags (Altersteilzeitarbeitsvertrag).
2
Die am 11. Oktober 1953 geborene Klägerin ist seit dem 1. Januar 1984 bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte in der Betriebsstätte J beschäftigt. Nach § 2 Abs. 2 des Dienstvertrags der Parteien sind die „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes“ (AVR) Bestandteil des Dienstvertrags. Hierzu gehört auch die Anlage 17 Altersteilzeitregelung (im Folgenden: Anlage 17 AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung. Dort heißt es, soweit maßgeblich, wie folgt:
        
„§ 2   
Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit
        
        
(1) Der Dienstgeber kann mit Mitarbeitern, die
        
        
        
a) das 55. Lebensjahr vollendet haben,
        
        
b) eine Beschäftigungszeit (§ 11 AT AVR) von fünf Jahren vollendet haben und
        
        
c) innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit mindestens 1.080 Kalendertage in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden haben,
        
die Änderung des Dienstverhältnisses in ein Altersteilzeitdienstverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes vereinbaren; das Altersteilzeitdienstverhältnis muss ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sein.
        
        
(2) Mit Mitarbeitern, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllen, soll auf deren Antrag ein Altersteilzeitdienstverhältnis vereinbart werden. Der Antrag ist drei Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitdienstverhältnisses zu stellen; von dieser Frist kann einvernehmlich abgewichen werden.
        
        
(3) Der Dienstgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeitdienstverhältnisses ablehnen, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen; diese liegen insbesondere vor, wenn durch das Altersteilzeitdienstverhältnis finanzielle Mittel Dritter (kirchliche und öffentliche Zuwendungen, Leistungen der Sozialleistungsträger) gemindert werden oder die Grenze des § 3 Abs. 1 Nr. 3 ATG überschritten wird.
        
        
(4) Das Altersteilzeitdienstverhältnis soll mindestens für die Dauer von zwei Jahren vereinbart werden. Es muss vor dem 1. Januar 2010 beginnen.
        
        
…       
        
        
        
        
§ 5     
Aufstockungsleistungen
        
        
…       
        
        
        
(6) Die Regelungen der Absätze 1 bis 5 gelten auch in den Fällen, in denen eine aufgrund dieser Anlage geschlossene Vereinbarung eine Verteilung der Arbeitsleistung (§ 3 Abs. 2) vorsieht, die sich auf einen Zeitraum von mehr als sechs Jahren erstreckt.
        
        
…“    
        
3
Mit Schreiben vom 27. Dezember 2006 bot die Klägerin der Beklagten an, mit ihr für die Zeit vom 1. November 2009 bis zum 31. Oktober 2015 ein Altersteilzeitdienstverhältnis im Blockmodell zu vereinbaren. Mit Schreiben vom 3. Mai 2009 „beantragte“ sie die Vereinbarung eines Altersteilzeitdienstverhältnisses für die Zeit vom 1. November 2009 bis zum 31. Oktober 2016.
4
Die Beklagte lehnte es mit Schreiben vom 9. September 2009 ab, mit der Klägerin einen Altersteilzeitdienstvertrag zu vereinbaren. Im Mai 2008 hatte sie einen Altersteilzeitdienstvertrag mit dem am 18. Mai 1951 geborenen und ordentlich unkündbaren Oberarzt Dr. S geschlossen und im April 2009 mit dem am 3. Februar 1950 geborenen Chefarzt Dr. M Altersteilzeit vereinbart. Beide Altersteilzeitdienstverträge hatten eine Laufzeit von nicht mehr als sechs Jahren. Im Oktober 2003 hatten die Beklagte und ihr Mitarbeiter Mo einen Altersteilzeitdienstvertrag über eine Laufzeit von acht Jahren geschlossen.
5
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei gemäß § 2 Abs. 1 Anlage 17 AVR verpflichtet, mit ihr einen Altersteilzeitdienstvertrag zu schließen. Danach habe der Dienstgeber über den Abschluss eines Altersteilzeitdienstvertrags nach billigem Ermessen zu entscheiden. Da die Beklagte ihr Ermessen offensichtlich nicht ausgeübt habe, sei ihrem Antrag schon aus diesem Grund stattzugeben. Die Beklagte habe zudem keine dem Anspruch entgegenstehenden berücksichtigungsfähigen erheblichen Umstände schlüssig vorgetragen. Offensichtlich habe die Beklagte mit der Entscheidung über den Antrag gewartet, um in einem für sie richtigen Moment sämtliche Anträge abzulehnen. Die Beklagte könne sich auch nicht auf eine angeblich verschlechterte Finanzlage berufen, da die wirtschaftliche Situation der Betriebsstätte seit Jahren schlecht sei, ohne sich noch weiter dramatisch verschlechtert zu haben. Der Anspruch folge zumindest aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Im Hinblick auf die mit dem Mitarbeiter Mo getroffene Altersteilzeitregelung könne die fehlende Förderung aufgrund der beantragten Dauer von mehr als sechs Jahren keine Ablehnung rechtfertigen. Es läge auch kein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung hinsichtlich der noch in den Jahren 2008 und 2009 abgeschlossenen Altersteilzeitvereinbarungen vor.
6
Die Klägerin hat beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, mit ihr einen Altersteilzeitvertrag nach Maßgabe der Bestimmungen der Anlage 17 zu den Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in Form eines Blockmodells nach § 3 Abs. 2 Buchst. a iVm. § 2 der Anlage 17 zu den Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes abzuschließen mit der Maßgabe, dass das Altersteilzeitverhältnis am 1. November 2009 beginnt und bis zum 31. Oktober 2016 einschließlich andauert.
7
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, aufgrund der erheblichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in der Betriebsstätte J im Jahr 2009 habe sie im August 2009 entschieden, dort keine Altersteilzeitdienstverhältnisse mehr zu begründen. Der von der Klägerin begehrte, sechs Jahre überschreitende Zeitraum begründe eine besondere Kostenlast, die schon allein als Ablehnungsgrund ausreiche. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht verletzt. Eine Vergleichbarkeit mit den beiden Ärzten scheide aus, weil bei diesen die Förderungshöchstdauer nicht überschritten würde. Bei dem Mitarbeiter Mo sei die Altersteilzeitvereinbarung einige Jahre vor dem Antrag der Klägerin abgeschlossen worden. Ihre wirtschaftliche Situation sei damals besser gewesen.
8
Das Arbeitsgericht hat sein klageabweisendes Versäumnisurteil aufrechterhalten. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin verfolgt mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision ihren Klageantrag weiter.

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