Aktenzeichen 8 AZR 242/11
§ 241 Abs 2 BGB
§ 280 Abs 1 BGB
§ 313 Abs 1 BGB
§ 275 Abs 1 BGB
§ 326 Abs 2 BGB
§ 611 Abs 1 BGB
§ 612 Abs 1 BGB
§ 615 S 1 BGB
§ 75 Abs 1 BetrVG
Art 3 Abs 1 GG
§ 1 AGG
§ 3 Abs 1 AGG
§ 3 Abs 2 AGG
§ 65 HGB
§ 87 Abs 1 S 1 HGB
Verfahrensgang
vorgehend ArbG München, 20. Januar 2010, Az: 36 Ca 17298/08, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München, 20. Dezember 2010, Az: 8 Sa 297/10, Urteil
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 20. Dezember 2010 – 8 Sa 297/10 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Schadensersatz und die Verpflichtung der Beklagten, einem Aufhebungsvertrag zuzustimmen.
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Die Beklagte betreibt ein Versicherungsunternehmen. Ihr Vertrieb ist heute in 15 Regionaldirektionen gegliedert. Dort wird jeweils zwischen dem Zielgruppenvertrieb und der Bestandsorganisation unterschieden.
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Im Zielgruppenvertrieb arbeitet die Beklagte mit der D (D), dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) und dem Bund der Steuerzahler (BdSt) zusammen.
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Der Kläger ist seit dem 1. Oktober 1970 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, der H AG (im Folgenden: H) beschäftigt. Seit 1982 ist er im Außendienst im Zugangsweg BdSt eingesetzt.
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Die Zusammenarbeit mit dem BdSt gestaltet sich derart, dass sog. Beauftragte, die auch als Vorwerber bezeichnet werden und entweder als Angestellte oder als selbständige Mitarbeiter in vertraglicher Beziehung zur Beklagten stehen, auf der Grundlage öffentlich zugänglicher Adresslisten von Umsatzsteuerzahlern neue Mitglieder für den BdSt werben und mit diesen gegebenenfalls einen Beratungstermin für ein umfassendes Beratungsgespräch durch einen Mitarbeiter der Beklagten vereinbaren.
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Die von den Beauftragten generierten Beratungstermine werden in einen bei der Beklagten bestehenden Terminpool gegeben und auf Berater wie den Kläger verteilt. Diese Berater, die entweder angestellte Mitarbeiter der Beklagten oder selbständige Handelsvertreter sind, versuchen in einem oder mehreren Beratungsterminen die Versicherungsprodukte der Beklagten zu vertreiben. Kommt es zu einem Geschäftsabschluss, wird die für die Dauer von zwei Jahren erzielte Provision im Verhältnis 70 : 30 zwischen Berater und Beauftragtem aufgeteilt.
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Am 28. März 2002 schlossen die H und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich zur Neuordnung der Geschäftsstellen- und Niederlassungsstrukturen der Stammorganisation sowie zur Neuordnung der Bereichsverwaltungen, die ua. die Reduzierung der damals bestehenden Geschäftsstellen von 102 auf 69 vorsah.
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Im Arbeitsvertrag des Klägers vom 19. August 2002 wurde vereinbart, dass er unter Beibehaltung seiner bisherigen Aufgabe und der gewährten Bezüge ab dem 1. September 2002 der neuen Filialdirektion M unterstehe. Das Einsatzgebiet werde auch weiterhin das ehemalige Gebiet der Filialdirektion M sein, zur Wahrnehmung von Terminen außerhalb des ehemaligen Geschäftsbereichs der Filialdirektion sei der Kläger nicht verpflichtet. Die bisher vermittelten und derzeit betreuten Verträge würden ihm wie bisher zugeschlüsselt. Ein Bezirks- oder Kundenschutz entstehe dadurch nicht. Ein auf den 30. Januar 2007 datierter Arbeitsvertrag enthielt im Wesentlichen eine Bezugnahme auf die aktualisierten Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB), in denen ua. Folgendes bestimmt ist:
„I. Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis
…
2.
Werbetätigkeit
Ihre Werbetätigkeit erstreckt sich auf die Vermittlung von bestandsfähigen Versicherungs- und Bausparanträgen und andere Finanzdienstleistungen für die HM und die mit ihr vertraglich verbundenen Gesellschaften (im Nachfolgenden zusammenfassend Produkte/Produktgeber/H genannt). Fondsprodukte dürfen Sie nur nach einer entsprechenden Schulung und unter Beachtung der Vertriebsrichtlinien vermitteln.
Ihre Aufgabe ist es auch, Kunden der H hinsichtlich der von Ihnen vermittelten Versicherungsverträge laufend zu betreuen, und zwar so lange, wie der Kunde die Prämien noch nicht für drei Jahre entrichtet hat. Zu Ihren Betreuungsaufgaben gehören insbesondere regelmäßige Kontaktbesuche, Maßnahmen zur Rettung stornogefährdeter Verträge, Unterstützung und Hilfe bei Kundenanfragen und in Leistungsfällen sowie bei der Klärung von Bankrückläufern.
7.
Kunden- und Vermittleranschriften/Abwerbung von Vermittlern/Kundenausspannungen
Ihnen übergebenes Adressmaterial darf nur für den bestimmungsgemäßen Zweck verwendet werden.“
9
Die Vergütung des Klägers umfasste zuletzt ein Grundgehalt iHv. 1.820,00 Euro brutto, eine Reisekostenpauschale (562,42 Euro brutto), eine Sozialzulage (46,00 Euro), einen Organisationszuschuss (255,65 Euro brutto), Bestandsboni sowie eine erfolgsabhängige Vergütung. Diese wurde zuletzt mit 17,90 Euro brutto pro erreichter Umsatzeinheit berechnet, wobei die Grundvergütung und die Reisekostenpauschale sollkostenpflichtig waren, dh. die erzielte erfolgsabhängige Vergütung wurde auf diese Positionen gegengerechnet. Das Einkommen des Klägers entwickelte sich in folgenden Größenordnungen, wobei die Einzelheiten zwischen den Parteien strittig geblieben sind und die Angaben pro Jahr bis zu über 9.000,00 Euro differieren:
Jahr 1999:
333.199,57 Euro
Jahr 2000:
303.923,35 Euro
Jahr 2001:
299.812,00 Euro
Jahr 2002:
284.531,00 Euro
Jahr 2003:
312.941,00 Euro
Jahr 2004:
363.390,00 Euro
Jahr 2005:
290.027,00 Euro
Jahr 2006:
206.350,90 Euro
Jahr 2007:
186.472,99 Euro
Jahr 2008:
174.200,79 Euro
10
Im Jahr 2005 entschied die H unter dem Projektnamen „Strategie H & D“, die Vertriebsstrukturen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit am Markt zu ändern. Mit Schreiben vom 1. November 2005 teilte sie den angestellten Mitarbeitern des Innen- und Außendienstes der Stammorganisation und der D folgende Schwerpunkte der strategischen Neuausrichtung mit:
„Die H-S und die D werden in einer Vertriebsdirektion HZ (H-Zielgruppenvertrieb) zusammengeführt. … Dieser Schritt ermöglicht uns die Bildung von noch leistungsfähigeren Regionaldirektionen durch Zusammenfassung der heute bestehenden Geschäftsstellen. Dadurch wird die Anzahl der Standorte von derzeit 29 auf zehn reduziert.
…
Unser Ziel besteht darin, beide Vertriebsorganisationen personell auszubauen, verbunden mit einer Betonung des Unternehmertums. Dementsprechend wollen wir die Anzahl der Angestellten weiter reduzieren. Wir gehen zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass wir von bisher ca. 1.400 Angestellten in den beiden Vertriebsorganisationen im Zielmodell mit ca. 500 Angestellten agieren werden. …“
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Tatsächlich wurde die Anzahl der zuvor 50 Geschäftsstellen und acht Niederlassungen auf 39 Regionaldirektionen sowie vier Niederlassungen reduziert. Das Gebiet der Regionaldirektion M wurde vergrößert.
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Im Zuge der beabsichtigten Neustrukturierung schlossen die H und der Gesamtbetriebsrat im Jahr 2006 eine „Interimsbetriebsvereinbarung“, nach der die Geltung der E-Schutzvereinbarung vom 19. Dezember 1997 einschließlich der damit in Bezug genommenen Sozialpläne vom 30. November 1984 für den Innendienst sowie vom 10. April 1990 für den Außendienst um ein weiteres Jahr bis zum 31. Dezember 2008 verlängert wurde. Diese Verlängerung sollte nur dann wirksam werden, wenn die Anlage 1 zur Interimsbetriebsvereinbarung, die Rahmenbetriebsvereinbarung „Strategie H & D“ vom 22. November 2006 in Kraft tritt.
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Der Sozialplan Außendienst vom 10. April 1990 enthielt auszugsweise folgende Regelungen:
„1.
Allgemeines
…
Der Sozialplan ist insbesondere anzuwenden, wenn nachweisbare, dauernde oder vorübergehende Einkommensminderungen für Angestellte im Außendienst als Folge der Maßnahmen eintreten oder zu befürchten sind, die im wesentlichen aus folgenden Einzelauswirkungen entstehen können:
–
Versetzung von Außendienst-Angestellten von einem Arbeitsplatz auf einen anderen.
–
Beeinträchtigung des Einkommens von Außendienst-Angestellten mit Führungs- oder Spezialisten-Funktion durch die Versetzung unterstellter oder betreuter Vermittler.
–
Gänzlicher Verlust einer Führungs- oder Spezialisten-Funktion verbunden mit dem weiteren Einsatz in rein akquisitorischen Aufgaben.
…
Eventuell von diesem Sozialplan nicht erfaßte Härtefälle oder Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der Bestimmungen des Sozialplanes sollen nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien deshalb unter Anwendung des beschriebenen Grundkonsenses und der gemeinsamen Zielsetzung behandelt und in erster Linie auch unter Berücksichtigung der Interessenlage der betroffenen Außendienst-Angestellten gelöst werden.
…
7.
Sicherung einer Weiterbeschäftigung im Unternehmen durch Versetzungen
7.1.
Entfallen aus Anlaß der genannten Maßnahmen Arbeitsmöglichkeiten in der bisherigen Zielgruppe, dem bisherigen Zugangsweg oder in dem bisherigen Gebiet, so sind den betroffenen Außendienst-Angestellten gleichwertige und zumutbare anderweitige Arbeitsmöglichkeiten im Außendienst desselben oder eines anderen Betriebes, ggf. auch in einer anderen Organisation, der H anzubieten.
Betroffene Außendienst-Angestellte können hierzu auch selbst Vorschläge unterbreiten.
…
7.2.
Ausgleich von Einkommensminderungen
Es wird erwartet, daß von den genannten Maßnahmen betroffene Außendienst-Angestellte mit Hilfe der H und durch persönlichen Einsatz und entsprechendes Engagement dazu beitragen, daß notwendige Veränderungen in ihrem Arbeitsbereich nur in unvermeidbarem Umfang zu Einkommensminderungen führen. Sie sind auch weiterhin verpflichtet, ihre volle Arbeitskraft dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Dennoch eintretende Einkommenverluste werden im Rahmen der nachfolgenden Bestimmungen ausgeglichen.
7.2.1.
Ausgleich von Einkommensminderungen aus verändertem Einsatz
Außendienst-Angestellte, die von einer der genannten Maßnahmen betroffen sind, erhalten, um Einkommensminderungen aufgrund des veränderten Einsatzes zu vermeiden, bis zum Ablauf der vertraglichen Kündigungsfrist und für die Dauer der Einarbeitungszeit gemäß Ziffer 6.3. eine Garantie auf den Geldwert der Produktion sowie den gutgeschriebenen Bestandsbonus eines im Einzelfall festzulegenden Vergleichszeitraumes, erhöht um die in diesem Zeitraum abgerechnete Provisions-Ausfall-Entschädigung wegen Urlaub und/oder Krankheit und/oder Betriebsrats-Tätigkeit. Ein eventuell während des Ausgleichszeitraumes entstehender und am Ende dieses Zeitraumes noch bestehender Unterschuß wird abgebucht.
Der Vergleichszeitraum beträgt 12 zusammenhängende Monate. Er soll möglichst nah an dem Zeitpunkt der Veränderung des Arbeitseinsatzes liegen, aber davon noch nicht beeinflußt sein.
…
7.2.2.
Ausgleich von Einkommensminderung durch Versetzung unterstellter / betreuter Vermittler
Führungskräfte und Spezialisten werden Einkommensminderungen, die nachweislich aus der Versetzung bisher unterstellter oder betreuter Vermittler im Zusammenhang mit den genannten Maßnahmen herrühren, ausgeglichen. Der Ausgleich erfolgt bis zum Ablauf der vertraglichen Kündigungsfrist und danach generell für die Dauer von 12 Monaten auf der Basis eines gemäß Ziffer 7.2.1. festzulegenden Vergleichszeitraumes.
…
7.2.3.
Ausgleich von Einkommensminderungen durch Funktionsverlust
Ist die Versetzung mit dem gänzlichen Verlust einer Führungs- oder Spezialisten-Funktion verbunden, sind die bisherigen durchschnittlichen Bezüge bis zum Ablauf der vertraglichen Kündigungsfrist fortzuzahlen. Ferner wird der materielle Nachteil aus dem Wegfall von Leitungs- oder Beteiligungsprovision oder sonstiger Bezüge oder Bezugsteile durch eine einmalige Abfindung ausgeglichen.
…
8.
Ausscheiden gegen Abfindung
8.1.
Ist im Einzelfall die Veränderung infolge einer der angesprochenen Maßnahmen mit besonderen Härten für Außendienst-Angestellte verbunden und erscheint eine Fortsetzung des Anstellungsvertrages unter den veränderten Bedingungen nicht zumutbar, kann die Sozialplankommission auf Antrag des Außendienst-Angestellten die Auflösung des Arbeitsverhältnisses entsprechend den Ziffern 8.2. oder 9. beschließen.
Diese Regelungen gelten insbesondere für ältere Außendienst-Angestellte.
Die Entscheidung der Sozialplankommission ist der Unternehmensleitung, dem GBR und dem zuständigen Betriebsrat unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Eventuelle Einsprüche gegen diese Entscheidung sind ebenfalls unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Erklärung, geltend zu machen, sofern vorgetragen werden soll, daß der Vorrang der Erhaltung des Beschäftigungsverhältnisses nicht sachgemäß berücksichtigt wurde. Die Sozialplankommission hat dann unverzüglich über diesen Einspruch zu entscheiden. Kann ein Einvernehmen mit den Beteiligten nicht herbeigeführt werden, entscheidet die Einigungsstelle verbindlich.
8.2.
Kommt es im allseitigen Einvernehmen zu einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses, erhalten die Außendienst-Angestellten eine Abfindung.
Die Höhe der Abfindung wird nach folgender Formel berechnet:
Alter x Betriebszugehörigkeit =
Anzahl der abzufin-
50
denden Monatsbezüge, aufgerundet auf volle Monate
Als Monatsbezug wird das durchschnittliche Monatseinkommen von 12 Monaten, die wie der Vergleichszeitraum gemäß Ziffer 7.2.1. ermittelt werden, ohne Vergütungen …“
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Die Rahmenbetriebsvereinbarung umfasste (Anlage 7) auch die „Betriebsvereinbarung zur Vereinbarung sozialpolitischer Maßnahmen ‚Sofortaktion’“. Danach sollten Mitarbeiter, die zwischen dem 1. Dezember 2006 und dem 31. März 2007 gegen Abfindung aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden, eine sog. „Entscheidungsprämie“ zusätzlich zu der Sozialplanabfindung erhalten. Auszugsweise wurden folgende Regelungen getroffen:
„1.
Zielsetzung
Durch die zeitlich befristete (nach derzeitigen Planungen Zeitraum 1.12.2006 – 31.3.2007) ‚Sofortaktion’ soll Planungssicherheit sowohl für die betroffenen Mitarbeiter/-innen als auch die Gesellschaft geschaffen werden, indem Mitarbeitern/-innen, die bereit sind, die HM gegen Zahlung einer Abfindung zu verlassen oder in ein Vertragsverhältnis als selbständiger Vermittler zu wechseln, durch die Zahlung einer zusätzlichen Entscheidungsprämie neben der Abfindung gem. Sozialplan ein Anreiz für eine schnelle Entscheidung und Annahme des Angebotes geboten wird.
…
Die Vereinbarung gilt für den Innen- und Außendienst.
2.
Höhe der ‚Entscheidungsprämien’ in Ergänzung zu der Abfindung gem. Sozialplan
Die Abfindung gem. Sozialplan erhöht sich im Rahmen der ‚Sofortaktion’ wie folgt:
–
um 50% bei einer Entscheidung und Annahme des Angebotes innerhalb von zwei Monaten (nach derzeitigem Planungsstand Beginn der Sofortaktion 1.12.2006, Annahme des Angebotes somit bis zum 31.1.2007 erforderlich).
–
um 30% bei einer Entscheidung und Annahme des Angebotes innerhalb von vier Monaten (nach derzeitigem Planungsstand Beginn der Sofortaktion 1.12.2006, Annahme des Angebotes somit bis zum 31.3.2007 erforderlich).
Bei einem sofortigen Ausscheiden gegen Zahlung einer Abfindung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist erhält der / die Mitarbeiter(in) zusätzlich die Bezüge (ohne Reisekosten und sonstigen Aufwandsersatz), die bis zum Kündigungstermin zu zahlen gewesen wären.
3.
Abwicklung der Sofortaktion / Entscheidungsvorbehalt der Gesellschaft
Die im Rahmen der ‚Sofortaktion’ umzusetzenden Vorgänge werden im Regelfall auf dem Schriftwege abgewickelt. Die SPK wird über jeden einzelnen Vorgang kurzfristig in Kenntnis gesetzt. Hiervon unberührt hat jeder Mitarbeiter/-in das Recht auf ein Einzelgespräch in der Sozialplankommission, bzw. kann im Einzelfall auf Wunsch einer Seite die Sozialplankommission eingeschaltet werden.
Der GBR wird die Umsetzung der Sofortaktion aktiv unterstützen.
Bei der Entscheidungsfindung über die Anwendung der vorstehenden Maßnahmen wird die Gesellschaft im Sinne des in den Sozialplänen beschriebenen Grundkonsenses mit dem GBR die Interessenlage der Betroffenen in den Vordergrund stellen, behält sich allerdings eine endgültige Zustimmung im jeweiligen Einzelfall vor.“
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Im Rahmen dieser Sofortaktion wurde auch dem Kläger ein Fragebogen übermittelt, auf dem er unter dem 9. Dezember 2006 angab, dass er im Rahmen der Sofortaktion gegen Zahlung einer erhöhten Abfindung aus dem Angestelltenverhältnis ausscheiden wolle. Dies lehnte die H mit Schreiben vom 10. Januar 2007 ab, auch die Anrufung der vorgesehenen Sozialplankommission blieb ohne Ergebnis, da eine Einigung über das Ausscheiden des Klägers nicht erzielt wurde. Die in Ziff. 8.1. des Sozialplans Außendienst vorgesehene Einigungsstelle wurde nicht angerufen, da sie nicht mehr mit Mitgliedern besetzt war.
16
In der Regionaldirektion M sank die Zahl der Beauftragten wie auch die Zahl der von diesen eingeworbenen Termine ab 2004, wobei die Einzelheiten hierzu streitig sind. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts entwickelten sich für den fraglichen Zeitraum die Terminszuteilungen des Klägers wie folgt:
Jahr
Termine
2005
175
2006
155
2007
103
2008
175
17
Mit der am 31. Dezember 2008 beim Arbeitsgericht M eingegangenen und am 21. Januar 2009 zugestellten Klage begehrt der Kläger – hilfsweise auch alternativ berechnet – die Differenz zwischen seinem Einkommensdurchschnitt der Jahre 2003/2005 und dem in den Jahren 2006 bis 2008 jährlich tatsächlich erzielten Einkommen. Daneben begehrt er die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm auch weitere Nachteile, insbesondere für 2009 und für 2005 zu ersetzen und – höchst hilfsweise – dem Abschluss eines Aufhebungsvertrages gegen Zahlung einer Abfindung iHv. 965.725,56 Euro zuzustimmen.
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Der Kläger meint im Wesentlichen, die Verpflichtung der Beklagten, ihm die Einkommensdifferenz von 2006 bis 2008 auszugleichen, folge aus Annahmeverzug, einer Teilunmöglichkeit oder einer Schadensersatzpflicht der Beklagten. Diese habe die Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, für eine nach Anzahl und Qualität ausreichende Versorgung mit Terminen durch die Beauftragten zu sorgen. Mit ihrer Vorgehensweise habe die Beklagte in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses eingegriffen. Dieser Kernbereich – die Versorgung mit Beratungsterminen – sei über eine betriebliche Übung Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden. Die Beklagte verfolge das Ziel, das Vertriebssystem des Außendienstes und den Bereich BdSt abzuschaffen und ihn, den Kläger, in eine Eigenkündigung zu treiben.
19
Die Beklagte habe 2004 zunächst keine neuen Beauftragten mehr eingestellt, bestehende Verträge mit Beauftragten unter Zahlung von Abfindungen aufgelöst, doch noch neu eingestellte Beauftragte mangelhaft geschult und das Vertrauen der Kunden in die Beratung dadurch erschüttert, dass eine telefonische Nachkontrolle veranlasst worden sei. Verstärkt würden von vornherein nicht erfolgsträchtige Termine bei Kunden vergeben, deren Solvenz unzureichend sei. Schließlich sei ihm während des Berufungsverfahrens bekannt geworden, dass die Beklagte ihm durch den Einsatz sog. „Junior-Sales-Partner“ Konkurrenz mache. Seit 2006 habe die Beklagte zudem im Gebiet M/A Zuständigkeiten an den BdSt abgetreten.
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Hilfsweise könne er jedenfalls die Zustimmung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zu den Bedingungen des Sozialplans verlangen. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Sozialpläne für den Innendienst und den Außendienst verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, gegen § 75 BetrVG und gegen § 7 AGG, da im Innendienst mehr Frauen als Männer arbeiteten. Auch seien die Außendienstmitarbeiter regelmäßig älter als die Innendienstmitarbeiterinnen. Die bessere Ausgestaltung des Sozialplans für den Innendienst stelle daher eine unzulässige Diskriminierung der Außendienstmitarbeiter wegen des Geschlechts und des Alters dar.
21
Der Kläger beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 399.461,66 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 21. Januar 2009 zu zahlen;
2.
hilfsweise: die Beklagte zu verurteilen, an ihn 311.966,84 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit 21. Januar 2009 zu zahlen.
3.
Höchsthilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, das in der Klage liegende Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Rechtskraft des Urteils zu den Konditionen gemäß Punkt 8 des Sozialplans vom 10. April 1990 anzunehmen, insbesondere mit einer Abfindung in Höhe von 965.725,56 Euro;
4.
festzustellen, dass die Beklagte alle Nachteile zu ersetzen hat, die dem Kläger entstanden sind oder entstehen werden, sowie hilfsweise alle durch die Umstrukturierungen entstehenden künftigen Nachteile, insbesondere zukünftige Schadensersatzansprüche für 2009 und später bzw. auch schon für das Jahr 2005 gemäß obigen Anträgen 1 und 2;
5.
hilfsweise: festzustellen, dass die Beklagte alle Nachteile zu ersetzen hat, die dem Kläger entstanden sind oder entstehen werden, durch folgende Maßnahmen:
a)
Zusammenlegung der Filiale M mit den Filialen A, R, W, K und I im Jahre 2002,
b)
die Erklärung des Vorstandes der Beklagten L im letzten Quartal 2004, dass das BdSt-Geschäft eingestellt werde (erste Reduzierung der Vorwerber),
c)
Anschreiben zur Sofortaktion „Abbau der Angestellten“ im Dezember 2006 (zweite Reduzierung der Vorwerber),
d)
Umstrukturierung zum 1. Januar 2007 (Gründung der H-Z), Zusammenlegung BdSt mit D und Vergrößerung des Filialgebiets,
sowie alle entstehenden künftigen Nachteile aufgrund obiger Maßnahmen zu ersetzen hat, insbesondere zukünftige Schadensersatzansprüche ab 2009 und Schadensersatzansprüche, die bereits im Jahr 2005 ihren Ursprung haben, gemäß obigen Anträgen 1 und 2.
22
Die Beklagte hat den Antrag auf Klageabweisung im Wesentlichen damit begründet, dass sie keine Pflichten verletzt habe, indem sie weniger Beauftragte als Selbständige bzw. Angestellte beschäftige. Auf die „Qualität“ eines Termins habe sie ohnehin keinen Einfluss. Die Anzahl der Termine habe stets geschwankt. Auch liege kein Verschulden vor. Die Beklagte habe aktiv versucht, die Zahl der Beauftragten und damit die Beratungstermine zu erhöhen. Insbesondere habe sie 2006 drei, 2007 acht und 2008 neun Beauftragte neu in den Vertrieb eingebunden. Ein der Beklagten zurechenbarer Schaden sei zudem nicht entstanden. Für den Umsatzeinbruch seien ausschließlich außerbetriebliche Umstände, nämlich die Änderung der Steuergesetze verantwortlich. Da der Kläger – selbstbestimmt – einen sehr hohen Anteil an Vertriebsleistungen im Bereich der Lebensversicherungen erbringe, falle die gesetzliche Änderung zum 1. Januar 2005 durch das Alterseinkünftegesetz und die dadurch eingetretene geringere Attraktivität von Lebensversicherungen besonders stark ins Gewicht. Dass die bloße Terminanzahl im Übrigen wenig Aussagekraft habe, zeige sich auch an den vom Kläger vertriebenen Einheiten, die nach 2005 wieder gestiegen seien.
23
Im Übrigen sei die vertragliche Grundlage von der Beklagten nicht geändert worden. Der Kläger sei weder rechtlich noch tatsächlich gehindert gewesen, selbst Beratungstermine mit Neukunden als auch mit Bestandskunden zu vereinbaren und mit ihnen gegebenenfalls weitere Verträge abzuschließen. Dies zeige sich auch an den Provisionsabrechnungen des Klägers, da ohne Zwischenschaltung eines Beauftragten bzw. nach Ablauf von zwei Jahren bei Bestandskunden 100 % der Provision an den Kläger fließe. Aus den Provisionsabrechnungen ergebe sich, dass dies auch tatsächlich geschehen sei. Ein Nebeneinander von Zielgruppenvertrieb und Agenturvertrieb gebe es seit vielen Jahren. Die Junior-Sales-Partner könnten nicht auf die Termine der Beauftragten zugreifen und müssten so selbst Termine akquirieren. Richtig sei, dass der BdSt Bayern eigene Bemühungen zur Mitgliederwerbung entwickelt und ein Callcenter damit beauftragt habe. Allerdings geschehe dies in Absprache mit der Beklagten vorwiegend in solchen Gebieten, die von der Beklagten mangels eigener Kapazitäten nicht durch die Beauftragten besetzt werden könnten. Der Beklagten sei es nicht möglich, das Vorgehen des BdSt zu unterbinden.
24
Die Beklagte habe mit dem Kläger nur deshalb keinen Aufhebungsvertrag geschlossen, weil der Kläger einer der besten Mitarbeiter der Beklagten sei und man dementsprechend das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger nicht beenden, sondern fortsetzen wolle. Schon die vom Kläger generierten Umsätze zeigten dies.
25
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers wurde vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzziel weiter.