Arbeitsrecht

Betriebliche Altersversorgung – Anpassung – Ausgleich des Kaufkraftverlustes – reallohnbezogene Obergrenze

Aktenzeichen  3 AZR 249/12

Datum:
18.3.2014
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 16 Abs 1 BetrAVG
§ 16 Abs 2 BetrAVG
§ 315 Abs 3 BGB
§ 288 Abs 1 BGB
§ 291 BGB
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Hannover, 17. Juni 2011, Az: 7 Ca 86/11 B, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen, 16. Februar 2012, Az: 4 Sa 1001/11 B, Urteil

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 16. Februar 2012 – 4 Sa 1001/11 B – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Gesamtbetrag der von der Beklagten ab dem 1. Juni 2011 an den Kläger zu zahlenden monatlichen Betriebsrente 2.042,79 Euro beträgt. Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Anpassung der Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2008.
2
Der Kläger war Arbeitnehmer der Beklagten. Seit dem 1. Juli 2005 zahlt die Beklagte an ihn eine Betriebsrente. Diese belief sich zunächst auf monatlich 1.905,59 Euro brutto. Die Beklagte passte die Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2008 um 1,57 % auf 1.935,59 Euro brutto an. Dieser Anpassung lag die Entwicklung des durchschnittlichen Nettojahreseinkommens der in einem Großteil der Unternehmen des I-Konzerns in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter – mit Ausnahme der sog. „Executives“ – in den Kalenderjahren 2004 bis 2007 zugrunde.
3
Mit seiner der Beklagten am 16. März 2011 zugestellten Klage hat der Kläger eine Erhöhung seiner Betriebsrente um den seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust von 7,2 % sowie die Nachzahlung des jeweiligen monatlichen Differenzbetrags zur gezahlten Betriebsrente iHv. 107,20 Euro brutto nebst Zinsen begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, einen Anspruch auf Anpassung seiner Ausgangsrente entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für Deutschland im Zeitraum von Juni 2005 bis Juni 2008 zu haben. Die Anpassungsentscheidung der Beklagten sei bereits deshalb zu beanstanden, weil diese für die Ermittlung der sog. reallohnbezogenen Obergrenze von einem unzutreffenden Prüfungszeitraum ausgegangen sei. Auch bei der Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze sei auf den Zeitraum vom Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag abzustellen. Die Beklagte habe zudem eine ermessensfehlerhafte Vergleichsgruppenbildung vorgenommen. Daher schulde sie ihm die Zahlung der rückständigen an den Kaufkraftverlust angepassten Betriebsrente sowie von Zinsen auf die jeweiligen Differenzbeträge ab Fälligkeit der monatlichen Betriebsrentenansprüche.
4
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn rückständige Betriebsrente für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. Mai 2011 (35 Monate) in Höhe von 3.752,00 Euro zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 107,20 Euro seit dem 1. August 2008 und aus jeweils weiteren 107,20 Euro seit dem jeweils Ersten der Folgemonate,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab 1. Juni 2011 eine gegenüber dem von der Beklagten angenommenen Zahlbetrag von 1.935,59 Euro um 107,20 Euro höhere monatliche Betriebsrente von monatlich insgesamt 2.042,79 Euro zu zahlen.
5
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, mit der Anhebung der Betriebsrente des Klägers um 1,57 % ab dem 1. Juli 2008 ihrer Anpassungsverpflichtung ausreichend nachgekommen zu sein. Sie sei berechtigt, die Anpassung entsprechend der Entwicklung des durchschnittlichen Nettojahreseinkommens der in einem Großteil der Unternehmen des I-Konzerns in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter mit Ausnahme der sog. „Executives“ in den Kalenderjahren 2004 bis 2007 vorzunehmen. Es sei auf die Nettolohnentwicklung der Arbeitnehmer in denjenigen Konzernunternehmen abgestellt worden, in denen die für den Kläger maßgebliche Versorgungsordnung gelte. Selbst wenn man für die Ermittlung der reallohnbezogenen Obergrenze auf den Zeitraum vom Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag abstelle, entspreche eine unter dem vollen Kaufkraftausgleich liegende Anpassung billigem Ermessen. Die Einkommen in den jeweils letzten zwölf Monaten vor dem Rentenbeginn des Klägers und vor dem Anpassungsstichtag seien – bezogen auf die in einem Großteil der Unternehmen des I-Konzerns in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter mit Ausnahme der sog. „Executives“ – im Durchschnitt nur um 1,53 % und – bezogen auf die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter mit Ausnahme der sog. „Executives“ – nur um 1,66 % gestiegen. Im Übrigen könne bei der Nettolohnentwicklung auch berücksichtigt werden, dass die Arbeitnehmer durch die Beiträge des Arbeitgebers zur betrieblichen Altersversorgung Anwartschaften auf Versorgungsleistungen erwerben und dadurch einen Vermögenszuwachs erhielten. Dieser Vermögenswert – das sog. bAV-Lohnäquivalent – sei als Versorgungslohn dem Barlohn hinzuzurechnen. Dementsprechend sei die Nettogesamtvergütung einschließlich des bAV-Lohnäquivalents der in einem Großteil der Konzernunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer in den letzten zwölf Monaten vor dem Rentenbeginn des Klägers und den letzten zwölf Monaten vor dem Anpassungsstichtag durchschnittlich um 3,49 % gestiegen.
6
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten im Wesentlichen zurückgewiesen; die Berufung hatte lediglich insoweit Erfolg, als das Arbeitsgericht dem Kläger Zinsen für die Zeit vor der Rechtskraft der Entscheidung zugesprochen hatte; insoweit hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Die Beklagte verfolgt mit der Revision ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision. Mit seiner Anschlussrevision begehrt er die vollständige Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Anschlussrevision.

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