IT- und Medienrecht

(Videoaufnahme eines Arbeitnehmers – Veröffentlichung – Unterlassungsanspruch – Widerruf einer Einwilligung i.S.d. § 22 KunstUrhG)

Aktenzeichen  8 AZR 1011/13

Datum:
19.2.2015
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2015:190215.U.8AZR1011.13.0
Normen:
Art 1 Abs 1 GG
Art 2 Abs 1 GG
§ 22 KunstUrhG
§ 23 KunstUrhG
§ 35 BDSG 1990
§ 183 BGB
§ 241 Abs 2 BGB
§ 823 Abs 1 BGB
§ 823 Abs 2 BGB
§ 1004 Abs 1 S 2 BGB
Spruchkörper:
8. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Koblenz, 30. Oktober 2012, Az: 9 Ca 4130/11, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, 8. Mai 2013, Az: 8 Sa 36/13, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Mai 2013 – 8 Sa 36/13 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Unterlassung der weiteren Veröffentlichung eines Videos zu Werbezwecken im Internet sowie um die Zahlung eines vom Kläger beanspruchten Schmerzensgeldes.
2
Die Beklagte betreibt ein Unternehmen für Kälte- und Klimatechnik. Auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 10. Januar 2007, bezeichnet als „Betriebsvereinbarung“, trat der Kläger am 15. Januar 2007 als Monteur in ihre Dienste. Am 30. Oktober 2008 erklärte der Kläger – wie 25 weitere Arbeitnehmer der Beklagten – durch Unterschrift auf einer Namensliste, dass Filmaufnahmen von seiner Person zur freien Nutzung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten „verwendet und ausgestrahlt werden dürfen“. Auf dieser Grundlage ließ die Beklagte 2008 einen Werbefilm fertigen, in welchem ihr Unternehmen dargestellt wurde. Der Kläger ist in zwei kurzen Sequenzen von jeweils zwei bis drei Sekunden zu sehen, nämlich einmal an einem Schaltschrank stehend und zum anderen auf einem Stuhl sitzend. In der Folgezeit konnte das Video im Rahmen eines neuen Internetauftritts der Beklagten von ihrer Homepage aus angesteuert und eingesehen werden.
3
Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete am 15. September 2011. Mit Anwaltsschreiben vom 4. November 2011 ließ der Kläger den Widerruf seiner „möglicherweise“ erteilten Einwilligung zur Verwendung seiner Bilder erklären und die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 13. November 2011 auffordern, das Video von der Homepage zu entfernen. Ein vom Kläger eingeleitetes einstweiliges Verfügungsverfahren blieb in zwei Instanzen erfolglos. Die Beklagte hat am 26. Januar 2012 das Video von der Homepage genommen, sich jedoch vorbehalten, es in Zukunft erneut auf diesem Wege zu veröffentlichen.
4
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Anfertigung und Veröffentlichung der Videoaufnahme stelle die Erhebung personenbezogener Daten im Sinne des § 3 BDSG dar, zu der der Kläger nicht formwirksam im Sinne des § 4a BDSG seine Einwilligung erteilt habe. Die Formvorschriften des BDSG seien nicht eingehalten worden, sodass die Beklagte die Daten des Klägers von Anfang an nicht habe nutzen dürfen. Daraus resultiere sowohl der Unterlassungsanspruch des Klägers nach § 35 BDSG als auch ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus den §§ 611, 242 BGB aufgrund der mehrjährigen Persönlichkeitsrechtsverletzung. Selbst wenn von einer wirksam erteilten Einwilligung auszugehen wäre, sei diese von vornherein auf die Zeit des Bestandes des Arbeitsverhältnisses begrenzt gewesen. Zudem ergebe sich der Unterlassungs- und Schmerzensgeldanspruch auch aus den §§ 823, 1004 BGB. Letzterer werde der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt, müsse aber mindestens den dreifachen Bruttomonatslohn betragen, mithin 6.819,75 Euro.
5
Der Kläger hat beantragt,
        
1.    
der Beklagten zu untersagen, die Videoaufnahmen, auf denen der Kläger zu sehen ist, weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich zu machen,
        
        
hilfsweise:
        
        
der Beklagten zu untersagen, die Videoaufnahmen, auf denen der Kläger zu sehen ist, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen,
        
        
hilfsweise:
        
        
der Beklagten zu untersagen, die Videoaufnahmen, auf denen der Kläger zu sehen ist und die im Internet unter „http://www.b“ veröffentlicht sind/waren, weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich zu machen,
        
        
hilfsweise:
        
        
der Beklagten zu untersagen, die Filmaufnahmen, auf denen das Bildnis des Klägers zu sehen ist und die auf der Homepage „http://www.b“ durch nacheinander Anklicken der Links „Über uns“ und „B Firmenpräsentation-Video“ zu sehen sind/waren, weiterhin der Öffentlichkeit zugänglich zu machen,
        
        
hilfsweise:
        
        
die Beklagte zu verurteilen, eine Wiederveröffentlichung des zu Werbezwecken erstellten Videos, auf welchem der Kläger zu sehen ist, auf ihrer Homepage zu unterlassen,
        
        
für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung aus Nr. 1 der Beklagten ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, anzudrohen, ersatzweise Ordnungshaft des Geschäftsführers der Beklagten,
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen, das der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens aber 6.819,75 Euro betragen sollte, nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 1. April 2011.
6
Zur Begründung ihres Antrags auf Klageabweisung hat die Beklagte die Auffassung vertreten, der Sachverhalt sei nach dem – spezielleren – § 22 KUG zu beurteilen. Die danach an eine wirksame Einwilligung zu stellenden Anforderungen seien erfüllt. Die Einwilligung sei zeitlich unbefristet, jedenfalls aber nicht befristet auf das Ende des Arbeitsverhältnisses vom Kläger erteilt worden. Gründe für einen Widerruf dieser Einwilligung habe der Kläger nicht vorgetragen. Zudem liege ein individueller Bezug zur Person und zur Persönlichkeit des Klägers bei beiden fraglichen Videoszenen nicht vor. In Ermangelung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung, insbesondere aber einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung komme ein Schmerzensgeldanspruch des Klägers nicht in Betracht.
7
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Senat durch Beschluss vom 12. Dezember 2013 zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.

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