Steuerrecht

Abgewiesene Klage im Streit um Grunderwerbsteuerfestsetzung

Aktenzeichen  4 K 3174/17

Datum:
11.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 56413
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
AO § 110

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

II.
1. Die Klage ist unbegründet.
a) Der Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015 ist nicht zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens gegen den mit Einspruch vom 21. November 2014 angegriffenen Grunderwerbsteuerbescheid vom 11. November 2014 geworden. Die Voraussetzungen des § 365 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 AO sind im Streitfall nicht erfüllt.
aa) Gem. § 365 Abs. 1 Satz 1 AO wird, wenn der angefochtene Verwaltungsakt geändert oder ersetzt wird, der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Nach § 365 Abs. 3 Satz 2 AO gilt § 365 Abs. 3 Satz 1 AO u.a. dann entsprechend, wenn an die Stelle des ursprünglich angefochtenen – z.B. wegen eines Bekanntgabemangels – unwirksamen Verwaltungsaktes während des Einspruchsverfahrens ein neuer Verwaltungsakt tritt (Nr. 2), so dass dieser dann Gegenstand des Einspruchsverfahrens wird. Die Fortführung des Einspruchsverfahrens gegen den neuen Verwaltungsakt setzt jedoch wie der Fall des § 365 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO voraus, dass die Adressaten und der Besteuerungsgegenstand des unwirksamen und des ersetzenden Verwaltungsaktes identisch sind (Urteil des FG Hamburg 3 K 213/15; Bartone in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Aufl. 1995, 150. Lieferung, § 365 RZ 30). Auch kommt § 365 Abs. 3 AO nur zur Anwendung, wenn der Einspruch zulässig ist, da ansonsten wegen der zwingenden Anordnung in § 358 Satz 2 AO keine Sachentscheidung, auch nicht über den Änderungsbescheid, erfolgen kann (BFH-Urteile vom 13. April 2000 V R 56/99, BStBl II 2000, 490; vom 11. November 1999, XI B 47/99, BFH/NV 2000, 675; vom 29. Mai 2001, VIII R 10/00, BStBl II 2001, 747; vom 6. September 2006, XI R 51/05, BStBl II 2007, 83).
bb) Zwar ist nach Ansicht des Senats im Streitfall die gem. § 365 Abs. 3 AO erforderliche Identität der Beteiligten gegeben, da die Inhaltsadressatin des Grunderwerbsteuerbescheides vom 27. Februar 2015, die A GmbH, die Gesamtrechtsnachfolgerin der Inhaltsadressatin des nichtigen Grunderwerbsteuerbescheides von 11. November 2014, der B KG, gewesen ist (vgl. BFH-Urteil vom 17. September 1992 V R 17/86, BFH/NV 1993, 279).
cc) Jedoch kommt eine Anwendung des § 365 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO im Streitfall deshalb nicht in Betracht, weil der Einspruch der B KG vom 21. November 2014 unzulässig gewesen ist. Die B KG war zur Einlegung des Einspruchs nicht befugt. Mit dem Erlöschen der B KG am 5. Mai 2014 im Wege der Anwachsung ist deren Befugnis zur Einlegung des Einspruchs gegen den Grunderwerbsteuerbescheid ausschließlich auf deren Gesamtrechtsnachfolger, die A GmbH, übergegangen (vgl. BFH-Urteile vom 22. Januar 2015 IV R 62/11, BFH/NV 2015, 995 und vom 15. April 2010 IV R 67/07, BFH/NV 2010, 1606).
Dass im Streitfall die Urheberschaft das Einspruchsschreiben bei der bereits erloschenen B KG gelegen hat und der Einspruch nicht der A GmbH zugerechnet werden kann, ergibt sich für das Gericht insbesondere aus Folgendem: So ist das Einspruchsschreiben vom 21. November 2014 auf dem Briefpapier und mit dem Briefkopf der B KG verfasst worden, auch ist im Adressfeld als Absender des an das FA gerichteten Einspruchs die B KG und nicht die A GmbH genannt. Ferner ist in dem Einspruchsschreiben Folgendes festgehalten: „Wir beantragen die erlassenen Feststellungsbescheide ersatzlos aufzuheben. Mit freundlichen Grüßen B KG“. Der standardmäßige Hinweis auf den Briefköpfen der B KG auf die persönlich haftende Gesellschafterin A GmbH, der sich auch auf dem Einspruchsschreiben befindet, führt nicht dazu, dass diese als Einspruchsführerin angesehen werden könnte. Schließlich ist selbst im Schreiben der D GmbH vom 18. Februar 2016 die B KG als Einspruchsführerin genannt.
Der Einspruch ist im Streitfall auch nicht rechtsschutzwahrend dahingehend auszulegen, dass Einspruchsführerin die einspruchsbefugte A GmbH gewesen ist.
Zwar kann eine Rechtsbehelfsschrift nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 13. November 1998 VII B 236/98, BFH/NV 1999, 591) ausgelegt werden. Dabei ist nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen. Auch bei scheinbar eindeutiger Bezeichnung hängt vielmehr insbesondere die Bestimmung des Rechtsbehelfsführers von allen dem Empfänger der Rechtsbehelfsschrift bekannten oder vernünftigerweise erkennbaren Umständen tatsächlicher und rechtlicher Art ab (BFH-Urteile vom 10. Mai 1989 II R 196/85, BStBl II 1989, 822, und vom 25. September 1985 IV R 180/83, BFH/NV 1986, 171). Danach ist der Inhalt einer empfangsbedürftigen Willenserklärung von der Verständnismöglichkeit des Empfängers her, dem sog. „Empfängerhorizont“ zu bestimmen. Maßgeblich ist, welcher Sinn der im Einspruchsschreiben gewählten Bezeichnung des Einspruchsführers bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (s. BFH-Urteil vom 14. November 1986 III R 12/81, BStBl II 1987, 178). Voraussetzung für die Auslegung ist freilich, dass eine Erklärung auslegungsbedürftig ist (BFH-Urteil vom 19. Juni 1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6).
Auch darf die Auslegung nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der Erklärung selbst keine Anhaltspunkte finden lassen (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1990 VIII R 118/85, BFH/NV 1991, 429).
Im Streitfall sieht sich der Senat bereits angesichts des eindeutigen Wortlauts der Einspruchsschrift daran gehindert, das Einspruchsschreiben vom 21. November 2014 rechtsschutzwahrend dahingehend auszulegen, dass nicht die B KG, sondern die A GmbH als Rechtsnachfolgerin der B KG den Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid des FA vom 11. November 2014 eingelegt hat. Darüber hinaus ist dem FA als Empfänger des Einspruchsschreiben weder bei Erlass des Grunderwerbsteuerbescheides am 11. November 2014, noch im Zeitpunkt der Einspruchseinlegung am 21. November 2014 bekannt gewesen ist, dass die B KG bereits am 5. Mai 2014 erloschen ist, dies ist ihr erstmals am 4. Februar 2015 von der A GmbH mitgeteilt worden. Für das FA hat deshalb kein Anlass bestanden, nicht die B KG, sondern die A GmbH als Einspruchsführerin zu bestimmen.
Das von der Klägerin genannte BFH-Urteil vom 1. Juli 2004 IV R 4/03 (BFH/NV 2005, 162) in dem der BFH eine namens einer vollbeendeten Personengesellschaft erhobene Klage im Wege der Auslegung als eine solche der ehemaligen Gesellschafter angesehen hat, ist auf den Streitfall nicht übertragbar. Die Besonderheit des Falles lag seinerzeit darin, dass das Rubrum der Klage spiegelbildlich dem unzutreffenden Rubrum der Einspruchsentscheidung entsprach. Im Rubrum der Einspruchsentscheidung war die vollbeendete Personengesellschaft fehlerhaft als Inhaltsadressatin aufgeführt, obwohl dem Finanzamt -anders als im Streitfallbereits im Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung die Vollbeendigung der Personengesellschaft bekannt gewesen sein musste.
b) Zu Recht hat das FA den Einspruch der Klägerin vom 9. Juni 2016 gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015 gem. § 358 Satz 2 AO als unzulässig verworfen und keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
aa) Der Einspruch vom 9. Juni 2016 gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015 war verspätet, die nach § 355 Abs. 1 AO einmonatige Einspruchsfrist endete im Streitfall bereits mit Ablauf das 2. April 2015.
bb) Zu Recht hat das FA der Klägerin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 110 AO gewährt.
Gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 AO ist nur demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag oder von Amts wegen eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren. Im Streitfall braucht der Senat nicht zu prüfen, ob die Klägerin ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist zur Einlegung des Rechtsbehelfs einzuhalten. Denn nach § 110 Abs. 3 AO kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann nicht mehr gewährt werden, wenn seit dem Ende der versäumten Frist mehr als ein Jahr vergangen ist und für die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist keine Gründe höherer Gewalt ursächlich waren. Im Streitfall hat die Klägerin erst am 9. Juni 2016 und damit mehr als ein Jahr seit dem Ende der Einspruchsfrist am 2. April 2015 Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015 eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung gem. § 110 AO beantragt. Das Schreiben der D GmbH vom 5. April 2016 kann nach Ansicht des Senats bereits weder als Einspruch der Klägerin gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015, noch als Antrag auf Wiedereinsetzung gem. § 110 AO ausgelegt werden. Es finden sich in diesem Schreiben keinerlei Anhaltspunkte, dass im Namen der Klägerin gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 27. Februar 2015 Einspruch eingelegt werden sollte.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 FGO.
3. Die Revision zum BFH wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Die Streitsache hat weder grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, noch sind die tatbestandlichen Merkmale des § 115 Abs. 2 Nr. 2 bis 3 FGO erfüllt.

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