Verwaltungsrecht

Anordnung der Vorsprache bei der Auslandsvertretung zur Beantragung eines Reisepasses

Aktenzeichen  Au 9 S 21.550, Au 9 K 21.549

Datum:
16.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9743
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 49 Abs. 2, § 82 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

Muss die Behörde aufgrund festgestellter tatsächlicher Umstände damit rechnen, dass der Adressat einer Anordnung zur Vorsprache bei den Vertretungen des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, diese missachten und damit seine Mitwirkungspflicht nach § 82 AufenthG verletzen wird, muss sie auf geeignete Weise sicherstellen, dass die Vorsprache ohne Zeitverzögerung stattfinden und ihren Zweck erfüllen wird.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Az. Au 9 K 21.549) wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Antragsverfahren auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt,, wird für die Verfahren Au 9 S 21.550 und Au 9 K 21.549 abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Anordnung zur Vorsprache bei der Auslandsvertretung zur Identifizierung und Beantragung eines Reisepasses. Er begehrt mit seinem Eilantrag die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (Az. Au 9 K 21.549) sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung für das Antrags- und Klageverfahren.
Der am * 1996 geborene Antragsteller ist Staatsangehöriger der Republik Guinea. Er reiste, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokuments zu sein, am 13. März 2014 erstmalig in das Bundesgebiet ein und stellte am 26. März 2014 einen Asylerstantrag, der durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 13. Juni 2017 abgelehnt wurde. Die hiergegen vom Antragsteller am 23. Juni 2017 erhobene Klage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg (Az. Au 1 K 17.33688) vom 18. Dezember 2017 abgelehnt. Die Abschiebungsandrohung des Antragstellers nach Guinea ist seit dem 31. Januar 2018 vollziehbar.
Am 20. Januar 2020 legte der Antragsteller eine Geburtsurkunde aus Guinea zur Identifizierung seiner Person vor. Der Antragsteller wurde am 16. September 2020, am 26. November 2020 sowie am 27. Januar 2021 über seine bestehende Passpflicht unterrichtet und zur Beschaffung und Vorlage eines gültigen Nationalpasses aufgefordert. Dem Ersuchen des Landratsamts * ist der Antragsteller bislang nicht nachgekommen.
Mit Bescheid des Landratsamts * vom 17. Februar 2021 (Az.*) wurde angeordnet, dass sich der Antragsteller am 5. März 2021 um 11:00 Uhr bei der zur Durchführung der Vorsprache zur Identitätsklärung ermächtigten Delegation aus Guinea im Dienstgebäude des Landesamts für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, Friedrich-Krause-Ufer 24, 1..3353 Berlin einzufinden habe, um dort die Ausstellung eines Dokuments zu beantragen, welches ihn zur Rückkehr in sein Heimatland berechtigt (Nr. 1 des Bescheids). Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung wurde dem Antragsteller in Nr. 2 des Bescheids die zwangsweise Vorführung durch die Polizei angedroht. In Nr. 3 wurde die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids angeordnet.
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Landratsamt aus, dass sich die Anordnung des persönlichen Erscheinens unter Nr. 1 des Bescheids auf § 82 Abs. 4 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) stütze. Nach dieser Norm könne angeordnet werden, dass ein Aussender bei den Vertretungen des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitze, persönlich erscheine, soweit es zur Vorbereitung und Durchführung von Maßnahmen nach dem AufenthG erforderlich sei. Diese Voraussetzungen seien beim Antragsteller erfüllt. Die Abschiebungsandrohung sei vollziehbar. Seine Aufenthaltsgestattung gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 4 Asylgesetz (AsylG) sei erloschen, der Antragsteller sei vollziehbar ausreisepflichtig. Er sei nicht im Besitz eines gültigen Reisedokuments und verstoße damit gegen seine bestehende Passpflicht. Entsprechend § 49 Abs. 2 AufenthG sei der Antragsteller verpflichtet, bei der anberaumten Vorsprache die erforderlichen Angaben zu seinem Alter, seiner Identität und seiner Staatsangehörigkeit zu machen sowie die von der Delegation geforderten Erklärungen abzugeben, um die Beschaffung eines Heimreisedokuments zu ermöglichen. Die Entscheidung unter Nr. 1 entspreche pflichtgemäßem Ermessen. Das öffentliche Interesse an der Maßnahme überwiege die privaten Interessen des Antragstellers, von der Anordnung abzusehen. Rechtsgrundlage für die Androhung des Zwangsmittels unter Nr. 2 des Bescheides sei § 82 Abs. 4 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 36 Bayerisches Verwaltungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG). Ein milderes Mittel als die zwangsweise Vorführung sei nicht ersichtlich. Im Hinblick auf Art. 34 Satz 1 VwZVG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art. 29 Abs. 3 VwZVG bleibe insbesondere ein Zwangsgeld außer Betracht. Der Antragsteller sei eigenen Angaben zufolge mittellos. Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 werde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet, da im vorliegenden Fall ein besonderes öffentliches Interesse an einer erfolgreichen Vorsprache bestehe. Ziel des Gesetzgebers sei es, bei vollziehbar ausreisepflichtigen Personen den Aufenthalt im Bundesgebiet unter Berücksichtigung aller Umstände unverzüglich zu beenden.
Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Landratsamts * vom 17. Februar 2021 wird ergänzend verwiesen.
Der Antragsteller hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 10. März 2021 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt, den Bescheid des Antragsgegners vom 17. Februar 2021 aufzuheben (Az. Au 9 K 21.549). Über die vorbezeichnete Klage ist noch nicht entschieden worden.
Ebenfalls mit Schriftsatz vom 10. März 2021 hat der Antragsteller im Wege vorläufigen Rechtsschutzes beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen bzw. wiederherzustellen.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Antragsteller beabsichtige, im Konsulat in * einen Antrag auf Ausstellung eines Passes einzubringen. Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller an verschiedentlichen Erkrankungen leide. Insbesondere liege beim Antragsteller eine Wirbelsäulenerkrankung vor, die einer Ausweisung bis auf Weiteres entgegenstehe. Der Bescheid sei daher zumindest derzeit rechtswidrig und aufzuheben.
Auf den weitern Vortrag im Klage- bzw. Antragsschriftsatz vom 10. März 2021 wird Bezug genommen.
Daneben begehrt der Antragsteller Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Klage- und Antragsverfahren.
Das Landratsamt * ist für den Antragsgegner dem Antrag mit Schriftsatz vom 16. März 2021 entgegengetreten und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Vorspracheverpflichtung sei rechtmäßig erfolgt. Überdies sei Erledigung eingetreten, nachdem der Antragsteller den ihm gesetzten Termin habe verstreichen lassen. Für den Antragsteller bestehe selbst bei einer Rückkehr nach Guinea keine akute Gefahr der Verschlechterung seiner Beschwerden. Deshalb sei auch die Durchführung der Vorführung zur Identitätsklärung grundsätzlich möglich.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die wechselseitigen Schriftsätze verwiesen.
II.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Az. Au 9 K 21.549) ist zulässig.
a) Gegenstand des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO sind die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hinsichtlich Nr. 1 des Bescheids vom 17. Februar 2021 (Vorspracheverpflichtung) und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG hinsichtlich Nr. 2 des Bescheids vom 17. Februar 2021 (zwangsweise Vorführungsandrohung).
b) Die Vorspracheverpflichtung in Ziffer 1 ist ein belastender Verwaltungsakt nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG, für den in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft ist (§ 42 Abs. 1 VwGO) und der sich noch nicht erledigt hat.
Ein Verwaltungsakt erledigt sich, wenn er nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 11.15 – Inf-AuslR 2017, 137/139 Rn. 29). Eine Erledigung kann gemäß Art. 43 Abs. 2 Alt. 4 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) insbesondere durch Zeitablauf eintreten. Zwar ist der vom Antragsgegner im Bescheid bestimmte Termin zur Vorsprache bei der guineischen Auslandsvertretung am 5. März 2021 um 11.00 Uhr inzwischen verstrichen. Dadurch hat sich die Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen und zur Antragstellung aber nicht erledigt. Vielmehr macht die auf § 82 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, Art. 36 Abs. 1 VwZVG gestützte Androhung der polizeilichen Vorführung in Nr. 2 deutlich, dass die Verpflichtung auch danach fortbesteht und einen Grundverwaltungsakt darstellt, der, nachdem ihm bislang nicht nachgekommen wurde, nunmehr zwangsweise im Wege der polizeilichen Vorführung durchgesetzt werden kann (vgl. OVG NW, B.v. 16.2.2017 – 18 A 1176/13 – juris Rn. 16; a.A. VG München, B.v.17.1.2020 – M 10 S 19.6037, M 10 K 19.6036 – juris 19 ff., wonach mit Zeitablauf bereits das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO entfällt).
2. Der Antrag auf Wiederherstellung (bezüglich Nr. 1 des Bescheids vom 17. Februar 2021) bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (bezüglich Nr. 2 des Bescheids) ist unbegründet.
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Entscheidung über die Aussetzung bzw. die Aufhebung der Vollziehung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung darbietenden Sach- und Rechtslage. Dabei hat das Gericht die widerstreitenden öffentlichen und privaten Vollzugsinteressen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen und die Erfolgsaussichten der Klage mit zu berücksichtigen, soweit sich diese bereits übersehen lassen. Lässt sich bei der im gerichtlichen Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung ohne Weiteres feststellen, ist sie also offensichtlich rechtswidrig, so ist die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anzuordnen bzw. wiederherzustellen, weil aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) an der sofortigen Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein öffentliches Interesse bestehen kann. Erweist sich dagegen die angefochtene Verfügung als offensichtlich rechtmäßig, so kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung das private Aussetzungsinteresse überwiegt. Lässt sich die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Verfügung bei der im gerichtlichen Eilverfahren gebotenen summarischen Überprüfung nicht feststellen, nimmt das Verwaltungsgericht eine Folgenabwägung vor unter Berücksichtigung der Folgen, die einträten, würde die Verfügung sofort vollzogen, aber im Nachhinein im Klageverfahren aufgehoben, gegenüber den Folgen, die einträten, wenn die Verfügung zunächst außer Vollzug bliebe, aber später im Klageverfahren bestätigt würde.
Diese Entscheidung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, da das öffentliche Interesse an seiner sofort vollziehbaren Vorspracheverpflichtung gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, hiervon bis zum Abschluss des Klageverfahrens verschont zu bleiben, überwiegt.
a) Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich Nr. 1 des Bescheids vom 17. Februar 2021 (Vorspracheverpflichtung) ist unbegründet.
aa) Rechtsgrundlage für die Anordnung des persönlichen Erscheinens beim Vorsprachetermin – allgemein und konkret am 5. März 2021 – ist § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG.
Nach dieser Vorschrift kann, soweit es erforderlich ist, zur Vorbereitung von Maßnahmen nach dem Aufenthaltsgesetz angeordnet werden, dass ein Ausländer bei den Vertretungen des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich erscheint. Wenn der Ausländer einer solchen Anordnung nicht Folge geleistet hat, darf sie nach § 82 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zwangsweise durchgesetzt werden. Die Ausgestaltung der Vorsprachepflicht nach § 82 Abs. 4 AufenthG hat die Behörde, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, nach Ermessen vorzunehmen. Sie kann – und muss – es bei der bloßen Vorspracheanordnung belassen, wenn sie davon ausgehen kann, dass der Ausländer einer derartigen Anordnung voraussichtlich Folge leisten wird. Falls sie hingegen aufgrund festgestellter tatsächlicher Umstände damit rechnen muss, dass der Adressat eine Vorspracheanordnung missachten und damit seine Mitwirkungspflicht nach § 82 AufenthG verletzen wird, muss sie auf geeignete Weise sicherstellen, dass die Vorsprache ohne Zeitverzögerung stattfinden und ihren Zweck erfüllen wird (BVerwG, U.v. 8.5.2014 – 1 C 3.13 – BVerwGE 149, 320-333, Rn. 23).
Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Antragsteller ist aufgrund des unanfechtbaren Abschlusses seines Asylverfahrens und nach Ablauf der ihm durch das Bundesamt gesetzten Ausreisefrist vollziehbar ausreisepflichtig, § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. Für die beabsichtigte Aufenthaltsbeendigung ist ein gültiges Heimreisedokument erforderlich. Ein solches kann der Antragsteller trotz wiederholter Belehrung über seine Mitwirkungspflichten bei der Identitätsklärung und Passbeschaffung (vgl. § 48 Abs. 3 AufenthG) noch nicht vorweisen.
§ 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erfordert für die Vorsprachepflicht nicht, dass die Staatsangehörigkeit des Betroffenen nachgewiesen ist, sondern lässt vielmehr die Vermutung für eine bestimmte Staatsangehörigkeit genügen. Eine solche Vermutung besteht bereits dann, wenn sachliche Anhaltspunkte für eine bestimmte Staatsangehörigkeit vorliegen, ohne dass ein bestimmter Wahrscheinlichkeitsgrad erreicht sein muss (vgl. hierzu OVG BB, B.v. 1.12.2010 – OVG 3 S 70.10 – juris Rn. 7). Hieran bestehen vorliegend keine Zweifel. Der Antragsteller hat sich selbst als Staatsangehöriger der Republik Guinea bezeichnet und hat auch eine entsprechende Geburtsurkunde vorgelegt.
bb) Die Anordnung ist auch verhältnismäßig im weiteren Sinne und damit erforderlich im Sinne von § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG.
Die Ausländerbehörde hat vor Anordnung des persönlichen Erscheinens stets sorgfältig zu prüfen, ob dies zur Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen nach ausländerrechtlichen Regelungen verhältnismäßig, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen ist. Ist dies zu bejahen, hat die Ausländerbehörde darüber hinaus das ihr eingeräumte Ermessen auszuüben und dabei insbesondere Fragen der Zumutbarkeit zu berücksichtigen.
Die Pflicht zum persönlichen Erscheinen bei der Vertretung der guineischen Republik ist im Hinblick auf die behauptete Staatsangehörigkeit geeignet, die Identität des Antragstellers einschließlich seiner Staatsangehörigkeit zu klären. Sie ist auch erforderlich, da der Antragsteller trotz entsprechender mehrfacher Belehrungen seinen Mitwirkungspflichten bislang nicht freiwillig nachgekommen ist. Die Pflicht zum persönlichen Erscheinen ist auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Der Antragsteller ist bisher seiner Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Identitätspapieren nicht nachgekommen, obwohl ihm dieses möglich und zumutbar ist. Der Antragsgegner verlangt vom Antragsteller nichts Unmögliches, da ihm das Erscheinen und die Beantragung von Identitätspapieren bei der guineischen Auslandsvertretung bzw. Delegation in Berlin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht möglich ist. Die im Verfahren vorgelegten ärztlichen Atteste für den Antragsteller sind nicht geeignet, ein anderes rechtliches Ergebnis zu begründen. Den vorgelegten orthopädischen Befundberichten ist bereits nicht zu entnehmen, dass für den Antragsteller eine zur Erfüllung der Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 17. Februar 2021 geforderte Reise nach Berlin nicht möglich wäre. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller in seiner Klage- bzw. Antragsbegründung selbst darlegt, dass er beabsichtige, zu einer Auslandsvertretung nach * zu reisen. Auch ist eine Vorsprache nicht von vornherein und offensichtlich untauglich und deshalb unzumutbar. Mit Blick auf den geringfügigen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG und das Fehlen sonstiger Umstände, die gegen eine solche Verpflichtung sprechen, ist die getroffene Anordnung zur Vorsprache zumutbar. Auch ist zu berücksichtigen, dass eine geklärte Identität und ein zur Heimreise erforderliches Dokument des Herkunftsstaats nach den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zwingend erforderlich sind. Die privaten Interessen des Antragstellers sind daher als wenig schwerwiegend zu gewichten. Demgegenüber steht ein erhebliches öffentliches Interesse an einer zeitnahen Aufenthaltsbeendigung abgelehnter Asylbewerber.
b) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hinsichtlich Nr. 2 des Bescheids vom 17. Februar 2021 (zwangsweise Vorführungsandrohung) ist ebenfalls unbegründet.
Dies gilt auch in Anbetracht dessen, dass unmittelbarer Zwang grundsätzlich gegenüber Zwangsgeld und Ersatzvornahme subsidiär ist (Art. 29 Abs. 3 VwZVG). Ob der grundsätzliche Vorrang des Zwangsgeldes wegen der ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung zur zwangsweisen Vorführung gemäß § 82 Abs. 4 Satz 2 AufenthG auch im vorliegenden Fall gilt, kann dahinstehen. Zu Recht geht der Antragsgegner davon aus, dass aufgrund der fehlenden finanziellen Leistungsfähigkeit des Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehenden Antragstellers ein Zwangsgeld als grundsätzlich milderes Mittel keinen zweckentsprechenden und insbesondere auch keinen rechtzeitigen Erfolg erwarten lässt. Die angedrohte polizeiliche Vorführung ist auch verhältnismäßig im engeren Sinn. Dem Antragsteller wurde mit dem Vorsprachetermin am 5. März 2021 Gelegenheit zur freiwilligen Vorsprache gegeben, die er trotz bestehender sofortiger Vollziehbarkeit seiner Verpflichtung ohne rechtfertigenden Grund nicht wahrgenommen hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 8.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl. Sonderbeilage Januar 2014).
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung hat sowohl hinsichtlich des Antrags- als auch hinsichtlich des Klagebegehrens ebenfalls keinen Erfolg.
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erhält auf Antrag nur diejenige Partei Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Unabhängig von der finanziellen Situation des Antragstellers liegen diese Voraussetzungen hier nicht vor, da – wie bereits ausgeführt – der Bescheid des Antragsgegners und Beklagten vom 17. Februar 2021 nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist und der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erfolglos bleibt. Aus diesem Grund wird auch die erhobene Anfechtungsklage gegen die Nrn. 1. und 2. des Bescheids vom 17. Februar 2021 voraussichtlich keinen Erfolg haben.
Ungeachtet der Tatsache, dass beim Antragsteller und Kläger voraussichtlich die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorliegen – eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers und Klägers wurde nicht vorgelegt -, waren die Anträge auf Prozesskostenhilfe daher wegen mangelnder Erfolgsaussichten im Antrags- und Klageverfahren abzulehnen.

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