Baurecht

Baugenehmigung für die Erweiterung von Dachgauben

Aktenzeichen  AN 9 K 19.00666, AN 9 K 19.00667

Datum:
18.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26561
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO 1962 § 16 Abs. 2, Abs. 4, § 17 Abs. 4
BauGB § 31 Abs. 2
VwGO § 43 Abs. 1
BayVwZVG Art. 31 Abs. 3 S. 3

 

Leitsatz

Selbst wenn eine Festsetzung im Bebauungsplan „2 Vollgeschosse (Erdgeschoss + Dachgeschoss) – Höchstgrenze” unwirksam ist, führt diese Teilunwirksamkeit nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Festsetzung zur zulässigen Geschosszahl, wenn erkennbar ist, dass der Satzungsgeber jedenfalls an keiner Stelle mehr als 2 Vollgeschosse zulassen wollte. (Rn. 47 – 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässigen Klagen sind unbegründet.
Die Klage auf Erteilung der Baugenehmigung für die Erweiterung der Dachgauben auf dem streitgegenständlichen Grundstück des Klägers ist zulässig, jedoch sowohl in dem Hauptwie auch dem Hilfsantrag unbegründet, § 113 Abs. 5 VwGO (vgl. I.). Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 13. September 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO ist unbegründet, da die Beklagte mit Schreiben vom 14. September 2017 zurecht das zuvor angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 7.500,00 EUR fällig gestellt hat (vgl. II.).
I.
Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Tektur zur Erweiterung der beiden bestehenden Dachgauben“ auf dem Anwesen FlNr. …, Gemarkung …, … Straße … in …, noch einen Anspruch auf erneute Verbescheidung seines Antrages auf Erteilung der Baugenehmigung, § 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO. Die Beklagte hat mit ihrem Bescheid vom 13. September 2017 zurecht die Genehmigung für das streitgegenständliche Bauvorhaben versagt und den Rückbau auf das genehmigte Maß, das sich aus dem unanfechtbaren Bescheid vom 16. Dezember 2014 (Az. …*) ergibt, angeordnet. Das Bauvorhaben „Erweiterung der beiden bestehenden Dachgauben“ ist genehmigungspflichtig (vgl. 1.), jedoch nicht genehmigungsfähig (vgl. 2.).
1. Die Genehmigungspflicht der Erweiterung der beiden bestehenden Dachgauben ergibt sich aus Art. 55 Abs. 1 BayBO. Ein Ausnahmetatbestand nach Art. 57 BayBO liegt nicht vor.
2. Der Erteilung der begehrten Baugenehmigung stehen die gemäß Art. 68 Abs. 1 BayBO zu prüfenden Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplanes Nr. … der Beklagten entgegen. Dieser Bebauungsplan ist wirksam. Seine Festsetzungen sind – jedenfalls soweit sie das festgesetzte Maß der baulichen Nutzung betreffen – wirksam festgesetzt worden und nicht funktionslos geworden. Einen Anspruch auf Befreiung von diesen Festsetzungen oder auf ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber hat der Kläger nicht.
2.1 Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens beurteilt sich nach § 30 Abs. 1 BauGB. Das klägerische Grundstück liegt im räumlichen Geltungsbereich des genannten Bebauungsplanes Nr. … Die vom Kläger beabsichtigte Erweiterung der beiden bestehenden Dachgauben auf dem oben genannten Baugrundstück widerspricht den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Maß der baulichen Nutzung, da der Bebauungsplan Nr. … für das streitgegenständliche Baugrundstück als Maß der baulichen Nutzung die Festsetzung „2 Vollgeschosse zwingend“ vorsieht und unbestritten die Erweiterung der bestehenden Dachgauben der klägerischen Doppelhaushälfte zu drei Vollgeschossen führt.
2.2 Die Festsetzung im Bebauungsplan Nr. … zum Maß der baulichen Nutzung für das streitgegenständliche Grundstück „2 Vollgeschosse – zwingend“ ist nach §§ 16 Abs. 2 und 4,17 Abs. 4 BauNVO 1962 wirksam.
Dem Bebauungsplan vom 9. April 1970, rechtswirksam seit dem 29. April 1970, liegt die BauNVO 1962 zugrunde. Nach § 16 BauNVO 1962 sind bei der Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung im Bebauungsplan die Vorschriften des § 17 BauNVO einzuhalten, wobei das Maß der baulichen Nutzung bestimmt wird durch die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse, § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BauNVO 1962. Im Bebauungsplan kann das Maß der baulichen Nutzung für Teile des Baugebietes oder für einzelne Grundstücke unterschiedlich festgesetzt werden, § 16 Abs. 4 BauNVO 1962. § 17 Abs. 4 BauNVO 1962 schreibt vor, wenn im Bebauungsplan die Zahl der Vollgeschosse festgesetzt wird, so ist sie entweder als zwingend oder als Höchstgrenze festzusetzen.
Dem entspricht der vorliegende Bebauungsplan Nr. … der Beklagten, in dem die Zahl der Vollgeschosse teilweise zwingend und teilweise als Höchstgrenze festgesetzt ist. Aus dem textlichen Teil der Bebauungsplansatzung Nr. 3534 ergibt sich, dass die Höchstwerte des § 17 Abs. 1 BauNVO als zulässiges Maß der baulichen Nutzung gelten, soweit sich nicht aus den festgesetzten überbaubaren Flächen und Geschosszahlen ein geringeres Maß der baulichen Nutzung ergibt.
2.3 Die Festsetzung im Bebauungsplan Nr. … der Beklagten „2 Vollgeschosse zwingend“ ist auch nicht durch eine eventuelle Unwirksamkeit der Festsetzung „I+D“ unwirksam geworden.
Im vorliegenden Falle kann offenbleiben, ob die Festsetzung im Bebauungsplan Nr. … der Beklagten „I+D“ unwirksam ist, da selbst wenn man von einer Unwirksamkeit dieser Festsetzung ausgehen würde, diese Teilunwirksamkeit nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Festsetzung zur zulässigen Geschosszahl im Bereich der Gültigkeit dieser Festsetzung und ebenso wenig zur Unwirksamkeit des gesamten Bebauungsplanes Nr. … führt.
Die Festsetzung zur zulässigen Geschosszahl lautet nämlich für den Bereich I+D „2 Vollgeschosse (Erdgeschoss + Dachgeschoss) – Höchstgrenze“. Aus der Begründung und der Gesamtregelung zu den zulässigen Geschosszahlen für den gesamten Geltungsbereich des Bebauungsplans lässt sich nach Auffassung der Kammer entnehmen, dass der Satzungsgeber jedenfalls an keiner Stelle mehr als 2 Vollgeschosse zulassen wollte, auch gerade hier im Bereich I+D, was auch die dort verwendete Formulierung „- Höchstgrenze -“ deutlich macht. Damit ist davon auszugehen, dass selbst bei einer Unwirksamkeit der Festsetzung „I+D“ die Regelung 2 Vollgeschosse – Höchstgrenze – weitergelten soll, was auch einen zulässigen, bestimmten und dem Willen des Satzungsgebers gemäßen Inhalt darstellt.
Keinesfalls aber führte die Unzulässigkeit der Festsetzung I+B hier zu einer Unwirksamkeit der Festsetzung der Zahl der zulässigen Vollgeschosse im gesamten Baugebiet.
Das Bundesverwaltungsgericht, auf dessen Entscheidung (B.v. 25.02.1997 – 4 NB 30/96 – juris) der Kläger verweist, hat wegen der Frage, “ob im Falle einer Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB unter Verwendung des – ungültigen – Zusatzes +D nur dieser Zusatz entfällt oder ob es sich um eine unteilbare Gesamtregelung handelt, die durch den Wegfall des Zusatzes zur Ungültigkeit der gesamten Festsetzung der Anzahl der Vollgeschosse führt”, wiederholt entschieden, dass „Mängel, die einem Bebauungsplan anhaften, dann nicht zur Gesamtnichtigkeit führen, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen, für sich betrachtet, noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung i.S. des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und wenn die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte“ (vgl. BVerwGE 82, Seite 225 = NVwZ 1990, Seite 157; BVerwG, Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 25 = NVwZ 1991, Seite 778; Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 59 = NJW 1992, Seite 567; Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 77 = NVwZ 1994, Seite 272). Nach der Rechtsprechung des Senats erlaubt § 16 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO, wonach im Bebauungsplan die Zahl der Vollgeschosse festgesetzt werden kann, nicht die Regelung, dass ein oberstes Vollgeschoss nur in bestimmter Weise errichtet werden darf (vgl. BVerwG, Buchholz 406.12 § 16 BauNVO Nr. 1). Ob hieraus bei Verstößen die Gesamtnichtigkeit des Bebauungsplans folgt, ist keine Frage von rechtsgrundsätzlichem Bedeutungsgehalt, sondern ein Problem der Rechtsanwendung im Einzelfall.
Dem streitgegenständlichen qualifizierten Bebauungsplan Nr. … ist an keiner Stelle zu entnehmen, dass bei einem Mangel der Festsetzung über das Maß der baulichen Nutzung die übrigen Regelungen und Festsetzungen keine sinnvolle städtebauliche Ordnung mehr im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB zukommen kann mit der Folge, dass der Bebauungsplan insgesamt ungültig wird. Vielmehr ergibt sich aus den Festsetzungen des Bebauungsplans sowie der dazu gehörenden Zeichenerklärung zu den Festsetzungen, dass bei der Planaufstellung die Beklagte als Plangeber als wesentliche planerische Festsetzung ausdrücklich auf das Maß der baulichen Nutzung von zwei Vollgeschossen als „Höchstgrenze“ oder „zwingend“ Wert gelegt hat und die Zahl der Vollgeschosse gerade nicht über zwei Vollgeschosse hinausgehen solle. Insbesondere aus den Zeichenerklärungen für die Festsetzungen, die in den drei Varianten („Zahl der Vollgeschosse – zwingend -“, „Zahl der Vollgeschosse – Höchstgrenze – “ sowie „2 Vollgeschosse (Erdgeschoss + Dachgeschoss) – Höchstgrenze -“) die Zahl der Vollgeschosse auf maximal zwei festsetzt, ist erkennbar, dass die Höchstzahl der Vollgeschosse auf zwei begrenzt ist. Dies entsprach auch überwiegend dem in großen Teilen bereits bebauten Gebiet, das mit dem Bebauungsplan Nr. … überplant wurde.
Die verbleibenden Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung können auch ungehindert einer eventuellen Unwirksamkeit der Festsetzung I+D ihre Aufgabe erfüllen und eine geordnete städtebauliche Entwicklung des Planbereichs gewährleisten (vgl. BVerwG, U.v. 6.7.1984 – 4 C 28.83 – juris), da die Unwirksamkeit der Festsetzung I+D gerade nicht dazu führen würde, dass dem Bebauungsplan die Kernaussage fehlt.
2.4 Die Festsetzung über das Maß der baulichen Nutzung ist auch nicht entsprechend dem Hinweis des Klägers zu den vier Bezugsfällen im streitgegenständlichen Bebauungsplangebiet, die nach seinen Ausführungen jeweils ein drittes Vollgeschoss vorweisen, funktionslos geworden.
Für die insoweit zu treffende Beurteilung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. BVerwG vom 9.10.2003, BauR 2004, Seite 1128 f.) sowie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (vgl. BayVGH vom 14.5.2003, 15 ZB 00.935) davon auszugehen, dass eine bauplanerische Festsetzung funktionslos sein kann, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse auf einzelnen Grundstücken an. Entscheidend ist vielmehr, ob die jeweilige Festsetzung geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplanes einen wirksamen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zu Grunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein. Das setzt voraus, dass die Festsetzung unabhängig davon, ob sie punktuell durchsetzbar ist, bei einer Gesamtbetrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern (BVerwG, B.v. 29.5.2001 – 4 B 32/01 – juris; BayVGH, B. v. 14.5.2003 – 15 ZB 00 935 – juris).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist vorliegend nicht von einer Funktionslosigkeit der Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung (Zahl der Vollgeschosse) auszugehen.
Die genannten vier Bezugsfälle sind zum einen keine geeigneten Bezugsfälle von drei Vollgeschossen und reichen zum anderen gerade in Anbetracht der Größe des Bebauungsplangebietes bei weitem nicht aus, eine Funktionslosigkeit der streitgegenständlichen Festsetzung zu begründen.
Drei der genannten Bezugsfälle der … Straße, * und * stellen einen zusammenhängenden Wohnblock dar, bestehend aus drei Reihenhäusern. Das Dachgeschoss der … Straße, das Mittelhaus der drei Reihenhäuser, stellt ein Vollgeschoss dar und wurde bereits mit Erstgenehmigung von 1929/1930 und damit vor Aufstellung des Bebauungsplanes genehmigt. Im Jahr 1993 wurde nach den Angaben der Beklagten ein Umbau und aufgrund der Historie ein drittes Vollgeschoss genehmigt. Die weiteren beiden Reihenhäuser, … Straße * und, besitzen nach den Feststellungen der Baubehörde, denen vom Kläger nicht substantiiert entgegengetreten wurde, jeweils lediglich zwei Vollgeschosse. Für die Hausnummer * ergebe sich dies aus den vom zuständigen Architekten vorgelegten Berechnungen, die seitens der Beklagten überprüft wurden. Für die Hausnummer * zeige sich bereits von außen, dass lediglich zwei Vollgeschosse vorhanden sind. Jedenfalls reichte ein Wohnblock aus 3 Reihenhäusern und ein weiteres Einzelanwesen im Hinblick auf die Größe des Bebauungsgebietes ohnehin nicht aus, die Umsetzung der Festsetzung der Geschosszahl im Gesamten Bebauungsgebiet als erkennbar nicht mehr durchsetzbar erscheinen zu lassen, zumal sich sämtliche von dem Kläger genannten Bezugsfälle nicht in unmittelbarer Nähe zu dem streitgegenständlichen Baugrundstück oder auch nur in dem Gebiet, das sich im Norden von der … Straße, im Osten von der …, im Süden von der … Straße und im Westen von der … eingrenzen lässt, befinden.
2.5 Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Anzahl der Vollgeschosse, § 31 Abs. 2 BauGB. Zurecht hat die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 13. September 2017 die beantragte Befreiung abgelehnt und den Rückbau gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO auf das genehmigte Maß angeordnet, da diese die Grundzüge der Planung berührt.
Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts von der jeweiligen Planungssituation ab. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in das Interessengeflecht der Planung eingreift, desto eher liegt der Schluss auf eine Änderung in der Planungskonzeption nahe, die nur im Wege der (Um-)Planung möglich ist (BVerwG, B.v. 19.5.2004 – 4 B 35/04). Dabei gehören zu den Festsetzungen, die die Grundkonzeption des Bebauungsplans berühren, neben dem Gebietscharakter nach der Art der baulichen Nutzung auch die das Maß der baulichen Nutzung sowie die überbaubare Grundstücksfläche und die Bauweise regelnden Festsetzungen (Ernst/Zinkahn/ Bielenberg-Söfker, Anm. 36 zu § 31 BauGB).
Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei der vom Kläger beanspruchten Befreiung um keine untergeordnete Planabweichung, die sich aus Anlass der Verwirklichung ergibt und die im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit und der Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu erteilen wäre, weil das Vorhaben zwar den Festsetzungen widerspricht, sich mit den planerischen Vorstellungen gleichwohl in Einklang bringen ließe.
Zutreffend hat die Beklagte darauf verwiesen, dass durch die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse die Grundzüge der Planung betroffen sind. Die drei verschiedenen Festsetzungen der Zahl der Vollgeschosse als „Höchstzahl“ bzw. „zwingend“ zeigt die Intention des Plangebers, dass als planerisches Konzept die Höchstgrenze der Zahl der Vollgeschosse von zwei im gesamten Geltungsbereich des Bebauungsplans nicht überschritten werden darf. Dem stehen auch die oben genannten Bezugsfälle nicht entgegen; insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Da es somit schon an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB fehlt, nachdem die Voraussetzung, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt werden dürfen, für alle drei Varianten dieser Vorschrift gilt, kommt es auf die Frage, ob das danach bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eröffnete Ermessen der Beklagten durch die Entscheidung in anderen Fällen gebunden sein kann oder ist, nicht an.
3. Der in der Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides vom 13. September 2017 angeordnete Rückbau auf das genehmigte Maß ist rechtmäßig. Ermessensfehler sind nicht erkennbar und wurden auch seitens des Klägers nicht vorgetragen. Das genehmigte Maß ergibt sich unzweifelhaft und unbestritten aus dem unanfechtbaren Bescheid vom 16. Dezember 2014.
4. Das in der Ziffer 3 des Bescheides vom 13. September 2017 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 EUR ist ebenfalls rechtmäßig, Art. 18, 19, 31 BayVwZVG.
Das Zwangsgeld ist das richtige und auch mildeste Zwangsmittel (Art. 31 Abs. 1 BayVwZVG).
Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes wird von dem Kläger nicht substantiiert angegriffen und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie bewegt sich mit 5.000,00 EUR im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG, wonach das Zwangsgeld mindestens 15,00 EUR und höchstens 50.000,00 EUR betragen darf.
Die Verpflichtungsklage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
II.
Die hinsichtlich der Fälligkeitsmitteilung erhobene Feststellungsklage i. S. von § 43 VwGO ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet, da das Zwangsgeld in Höhe von 7.500,00 EUR fällig geworden ist, mithin also die Feststellung im Bescheid der Beklagten vom 14. September 2017 zutreffend war.
1. Für den Antrag auf Feststellung der Nichtfälligkeit des angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 7.500,00 EUR ist die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO die statthafte Klageart. Der Fälligkeitsmitteilung kommt nur eine deklaratorische Wirkung zu, da die Fälligkeit des angedrohten Zwangsgeldes in Art. 31 Abs. 3 Satz 3 BayVwZVG unmittelbar gesetzlich geregelt ist. Der Mitteilung kommt daher nicht die für einen Verwaltungsakt nach Art. 35 Abs. 1 BayVwVfG erforderliche Regelungswirkung zu, sie stellt nur eine – an sich gesetzlich nicht vorgeschriebene – Mitteilung des Bedingungseintrittes dar (vgl. BayVerfGH vom 24.01.2007, Rn. 46 – juris). Gegen die Mitteilung dieses Bedingungseintrittes, also die Fälligkeitsmitteilung, kann sich ein Betroffener mit einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO zur Wehr setzen und damit gerichtlich klären lassen, ob der Verwaltungsakt schon oder im Hinblick auf eine evtl. rechtzeitige Erfüllung noch vollstreckbar ist.
2. Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet, da das mit Bescheid vom 9. Juni 2016 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 7.500,00 EUR fällig geworden ist.
Da es sich vorliegend um eine Unterlassungsverpflichtung handelt, war eine gesonderte Fristsetzung nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 15.06.2000 – 4 B 98.775, Rn. 21 – juris), so dass ab Zugang des Bescheides vom 9. Juni 2016 die weiteren Bauarbeiten am Dach des streitgegenständlichen Anwesens zu unterlassen waren.
Ausweislich des Aktenvermerks vom 5. September 2017 und den hierbei gefertigten Lichtbildern wurde bei einer Ortskontrolle am gleichen Tag festgestellt, dass die Dachflächen innenseitig mit Bauschaum ausgeschalt, die Holzkonstruktionen der Dachgauben mit Bauschaum ausgeschwemmt und die Elektro- und/oder Telekommunikationsleitungen verlegt waren. Aus den in der Behördenakte befindlichen Lichtbildern des Ortstermins vom 5. September 2017 ergibt sich zudem, dass an den Innenwänden des Daches umfangreich eine blaue Folie zur Dämmung angebracht wurde. Beides war zum Zeitpunkt der gegenständlichen Androhung eines weiteren Zwangsgeldes mit Bescheid vom 9. Juni 2016 noch nicht erfolgt, wie die Lichtbilder von der Baukontrolle am 7. Juni 2016 belegen.
Entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich hierbei auch nicht um bloße Sicherungs- oder Schutzmaßnahmen, die nicht vom Anwendungsbereich des Art. 75 BayBO und damit auch nicht von der Baueinstellung umfasst sind und die dem Kläger ausweislich des Aktenvermerkes der Beklagten vom 30. Mai 2016 zugestanden wurden. Vielmehr handelt es sich insbesondere bei der Anbringung der Folie an den Innenwänden des Dachgeschosses um Dämmmaßnahmen, die letztlich als dauerhafte Absicherung und Dämmung der Innenwände dienen und dauerhaft dort verbleiben, sodass gerade nicht von einer vorübergehenden Maßnahme zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahrensituation ausgegangen werden kann. Aufgrund des bereits vorhandenen Daches und der provisorisch eingebauten Fenster war zudem eine Notsicherungsmaßnahme gegen Regen nicht mehr erforderlich.
Damit hat der Kläger aber gegen die ihm mit Zustellung des Bescheides vom 9. September 2016 auferlegte Pflicht, Bauarbeiten an den beiden bestehenden Dachgauben ab sofort ab Zustellung des Bescheides zu unterlassen, verstoßen, womit nach Art. 31 Abs. 3 Satz 3 BayVwZVG die Zwangsgeldforderung fällig wurde.
Damit wurde das in dem Bescheid vom 9. Juni 2016 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 7.500,00 EUR mit der Nichtbeachtung der darin angeordneten sofortigen Baueinstellung kraft Gesetzes gem. Art. 31 Abs. 3 Satz 2 BayVwZVG fällig.
3. Hinsichtlich der Höhe des erneuten Zwangsgeldes von 7.500,00 EUR bestehen keine rechtlichen Bedenken und wurde seitens des Klägers auch nicht vorgetragen. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes von 7.500,00 EUR hält sich insbesondere im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG.
Die Feststellungsklage war daher mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

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