Arbeitsrecht

Berücksichtigung von in berufsständischem Versorgungswerk erworbenen Anwartschaften bei Versorgungszusage

Aktenzeichen  14 Ca 9199/18

Datum:
7.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55957
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrAVG § 2a Abs. 1, Abs. 3 S. 1
SGB VI §5 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Da die Anrechnung der Rente hinsichtlich der Versorgungsbezüge aus der Rechtsanwaltsversorgung vorzunehmen ist, kann die Rente entgegen der Auffassung des Klägers nicht unter Anrechnung der fiktiven Sozialversicherungsrente nach § 2a Abs. 3 S. 1 BetrAVG berechnet werden. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird auf € 27.000,00 festgesetzt.

Gründe

I.
1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gem. § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG eröffnet.
2. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgericht München folgt aus § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. §§ 12, 17 ZPO, da die Beklagte ihren Sitz in B-Stadt hat.
3. Die Klage ist zulässig.
Der zuletzt als Klageantrag zu 1. gestellte Hilfsantrag aus dem Schriftsatz vom 30.12.2019 ist ausreichend bestimmt im Sinne der § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 253 Abs. 2 ZPO.
II.
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung nach den Regelungen der §§ 6 und 7 des Dienstvertrags zwischen den Beteiligten unter Anrechnung der fiktiven Sozialversicherungsrente nach § 2a Abs. 3 Satz 1 BetrAVG berechnet werden. Auch der Hilfsantrag zu 1. ist unbegründet, da dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aufgrund Fehlberatung zusteht.
1. Die Berechnung der Ansprüche des Klägers auf betriebliche Altersversorgung nach den Regelungen der §§ 6 und 7 des Dienstvertrags erfolgte zu Recht unter Anrechnung der Leistungen aus der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung.
1.1 Die Beklagte hat sich gemäß § 6 Abs. 1 des Dienstvertrages vom 01.07.1995 verpflichtet, dem Kläger ein Ruhegehalt zu gewähren, das nach den jeweils für bayerische Staatsbeamte geltenden Vorschriften berechnet wird. Nach § 7 Abs. 2 des Dienstvertrages vom 01.07.1995 werden Versorgungsleistungen aus Zusatzversorgungseinrichtungen auf die Versorgungsbezüge nach diesem Vertrag angerechnet, wenn diese mindestens zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen früherer Arbeitgeber beruhen und auf Zeiten entfallen, die in die Berechnung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten einbezogen werden. Darüber hinaus werden andere Bezüge nach § 7 Abs. 6 des Dienstvertrages auf die Versorgungsbezüge nach diesem Vertrag angerechnet, soweit sie auch nach der jeweiligen Versorgungsregelung für bayerische Staatsbeamte auf Versorgungsbezüge angerechnet werden. § 55 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 BeamtVG in der Fassung vom 16.03.1999 sah zudem die Anrechnung von Leistungen aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung vor, zu denen der Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge oder Zuschüsse in dieser Höhe geleistet hat. Um eine solche anrechenbare Versorgungsleistung einer Zusatzversorgungseinrichtung bzw. berufsständischen Versorgungseinrichtung handelt es sich auch bei der Leistung aus der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung. Leistungen aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung wie der Rechtsanwaltsversorgung galten somit bereits zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers bei der Beklagten als anrechenbare Renten und sind anzurechnen. Die an den Kläger geleisteten Beträge aus der Rechtsanwaltsversorgung beruhen auf Beiträgen der Beklagten, also der Arbeitgeberin, und entfallen auch auf Zeiten, die in die Berechnung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten einbezogen werden. Da die Anrechnung der Rente aus der Rechtsanwaltsversorgung vorzunehmen ist, kann die Rente nicht, wie der Kläger meint, unter Anrechnung der fiktiven Sozialversicherungsrente nach § 2a Abs. 3 Satz 1 BetrAVG berechnet werden.
1.2 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 18.04.2000. Die „Vorläufige Bescheinigung über Bestehen und Höhe des unverfallbaren Anspruchs auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung“ vom 18.04.2000 stellt kein abstraktes Schuldanerkenntnis i.S.d. § 781 BGB dar. Ein selbständig verpflichtendes – abstraktes – Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB liegt nur dann vor, wenn der Anerkennende erklärt, er wolle eine inhaltlich näher bestimmte Schuld ohne Rücksicht auf einen außerhalb der Erklärung liegenden Schuldgrund gegen sich gelten lassen. Der Wille der Parteien muss deshalb dahingehen, durch die Erklärung eine neue Anspruchsgrundlage schaffen zu wollen. Das abstrakte Schuldanerkenntnis im Sinne von § 781 BGB setzt damit voraus, dass der Anerkennende eine selbständige, von den zugrundeliegenden Rechtsbeziehungen losgelöste, Verpflichtung übernimmt. Demgegenüber hat ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis den Zweck, ein bestehendes Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewissheit der Parteien zu entziehen und es hinsichtlich seiner Grundlagen oder einzelner Ansprüche daraus endgültig festzulegen. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist ein vertragliches kausales Anerkenntnis, mit dem eine bestehende Schuld lediglich bestätigt wird. Welche Form des Schuldanerkenntnisses vorliegt, ist eine Frage der Auslegung (vgl. BAG, Urteil vom 21.04.2016 – 8 AZR 474/14, NZA 2016, 1409, Rn. 25 f.). Der Bescheinigung vom 18.04.2000 kann gerade nicht entnommen werden, dass damit eine selbständige Verpflichtung für eine betriebliche Altersversorgung begründet werden sollte. Es handelt sich nach dem Wortlaut (§§ 133, 157 BGB) lediglich um eine Bestätigung des aufgrund einer Versorgungszusage entstandenen unverfallbaren Anspruchs auf Leistungen und deren künftige Berechnung. Die Bescheinigung entfaltet deshalb keine Bindungswirkung hinsichtlich einer Nichtanrechnung der aus der Nachversicherung für die Zeit bis 30.04.1999 resultierenden Leistungen der Anwaltsversorgung.
1.3 Der Anrechnung der Leistungen aus der Rechtsanwaltsversorgung steht § 2 Abs. 5 Satz 4 BetrAVG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen Versorgungsanwartschaften, die der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden erwirbt, zu keiner Kürzung des Teilanspruches nach Abs. 1 führen. Der Kläger hat den Anspruch aus der Bayerischen Rechtsanwaltsversorgung durch Nachversicherung gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI i.V.m. § 186 Abs. 1 SGB VI rückwirkend erworben für den Zeitraum bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.04.1999. Der Anspruch des Klägers aus der Rechtsanwaltsversorgung wurde deshalb, entgegen der Auffassung des Klägers, nicht erst nach seinem Ausscheiden erworben. Ein Versicherter wird durch die Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen so gestellt, wie wenn für die Zeiten der versicherungsfreien und nunmehr nachversicherten Beschäftigung jeweils nach den dafür geltenden Vorschriften Pflichtbeiträge rechtzeitig gezahlt worden wären (vgl. Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht/Gürtner, 105. EL August 2019, § 185 SGB VI, Rn. 4).
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 BGB oder nach einer anderen Rechtsgrundlage wegen angeblicher Fehlberatung.
2.1 Der Kläger hat bereits die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nicht ausreichend substantiiert dargelegt.
Die Behauptung des Klägers, der Mitarbeiter der Beklagten habe gesagt, es werde jedenfalls die Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung angerechnet, impliziert nicht, dass somit eine Rente aus der Anwaltsversorgung nicht angerechnet werden würde. Es bleibt unklar, wann der Mitarbeiter diese Behauptungen und in welchem Zusammenhang geäußert haben soll. Der Kläger hat hier zum Zeitpunkt und Anlass des angeblich mit Herrn M. hierzu geführten Gesprächs nichts weiter vorgetragen.
2.2 Die Beklagte hat zudem zu Recht darauf hingewiesen, dass den Arbeitgeber keine umfassende Aufklärungspflicht treffe. Inhalt und Umfang der Aufklärungspflicht würden sich vielmehr danach richten, inwieweit der Arbeitgeber mit der Unkenntnis des Arbeitnehmers rechnen müsse. Die Annahme einer Aufklärungspflicht des Arbeitgebers bedürfe einer umfassenden Interessenabwägung unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls. Der Kläger hat zu den näheren Umständen des angeblich mit dem Mitarbeiter der Beklagten geführten Gesprächs nicht ausreichend substantiiert vorgetragen. Es kann nicht ansatzweise festgestellt werden, dass die Beklagte hier insoweit eine Aufklärungspflicht gehabt habe, zumal der Kläger aufgrund der Regelungen in den §§ 6, 7 des Dienstvertrages im Zweifel von einer Anrechenbarkeit der Rentenleistung hätte ausgehen müssen.
3. Der Kläger hat gemäß § 4a Abs. 4 BetrAVG einen Anspruch auf Erteilung der Auskunft über die Höhe des zu erwartenden Altersruhegeldes zum 01.12.2019. Die Auskunft muss in Textform in angemessener Frist erteilt werden. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 24.07.2019 war die Auskunft unstreitig noch nicht erteilt worden. Die Beklagte gibt als Grund hierfür an, dass die Auskunft aufgrund der Meinungsverschiedenheiten der Parteien über die Anrechenbarkeit der Leistungen, die der Kläger aus der Anwaltsversorgung erhalten wird, noch nicht erteilt worden war. Die Beklagte durfte wegen der Meinungsverschiedenheiten den Ausgang des Verfahrens abwarten, bevor sie die Auskunft gem. § 4a Abs. 4 BetrAVG erteilt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Da der Kläger unterlegen ist, hat er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstands erfolgte gem. §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 4, 42 Abs. 1 Satz 2 GKG in Höhe des 36-fachen Differenzbetrages.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Befristeter Arbeitsvertrag – Regelungen und Ansprüche

Dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem befristeten Vertrag eingestellt werden, ist längst keine Seltenheit mehr. Häufig taucht der Arbeitsvertrag auf Zeit bei jungen Mitarbeitenden auf. Über die wichtigsten Regelungen und Ansprüche informieren wir Sie.
Mehr lesen