Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Berufung: Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreise sowie auf Schadensersatz nach Anfechtung eines Grundstückkaufvertrages wegen arglistiger Täuschung

Aktenzeichen  18 U 4053/18

Datum:
15.10.2019
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 57424
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 123 Abs. 1, § 124 Abs. 1, § 142 Abs. 1, § 143 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 242, § 273, § 286 Abs. 1, § 291, § 311 Abs. 2, §§ 434 ff., § 812 Abs. 1 S. 1, § 818 Abs. 2
ZPO § 296a, § 525 S. 1, § 531 Abs. 2, § 533 Nr. 2, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 543 Abs. 2 S. 1
GrEStG § 16 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

1 O 647/16 2018-07-27 LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 27.07.2018, Az. 1 O 647/16, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 710.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 24.03.2016 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 8.889,88 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 24.03.2016 zu bezahlen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin an vorgerichtlichen Kosten weitere 6.154,56 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 24.03.2016 zu bezahlen.
4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren zukünftigen über die klägerseits bezifferten Schadenspositionen hinausgehenden Schäden aufgrund des durch arglistige Täuschung seitens des Beklagten zwischen den Parteien zustande gekommenen Grundstückskaufvertrages vom 06.06.2014, URNr. …65/2014, des Notars M. H., T., über die Immobilie Fl.-Nr. …86/1, Gemarkung H., zu ersetzen
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 8% und der Beklagte 92%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird zugelassen, soweit der Senat die Klage in Höhe von 49.147 € wegen der Erstattung der Maklerprovision und der Grunderwerbsteuer abgewiesen hat.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 786.730,88 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin macht gegen den Beklagten Ansprüche auf Rückzahlung des Kaufpreises sowie auf Schadensersatz nach Anfechtung eines Grundstückskaufvertrages wegen arglistiger Täuschung geltend. Bezüglich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und der Anträge im Einzelnen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 231/234 d.A.) Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Hiervon abweichend hält der Senat fest, dass die Klägerin in dem auf Seite 3 des Tatbestands erwähnten Schreiben ihres Rechtsanwalts vom 06.10.2015 (Anlage K 11) noch nicht die Anfechtung des streitgegenständlichen Grundstückskaufvertrags erklärt, sondern eine solche nur angekündigt hat.
Mit Endurteil vom 27.07.2018 hat das Landgericht Traunstein die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Vertragliche Schadensersatzansprüche stünden der Klägerin nicht zu, da sich der Beklagte auf den Haftungsausschluss im notariellen Kaufvertrag berufen könne. Im notariellen Kaufvertrag sei gleichzeitig mit dem Gewährleistungsausschluss keine Beschaffenheitsgarantie zugunsten der Klägerin abgeschlossen worden, auf deren Fehlen sich die Klägerin berufen könne. Eine ausdrückliche Vereinbarung, dass das Haupthaus bzw. das Zuhaus zu Wohnzwecken veräußert werde, finde sich im notariellen Kaufvertrag nicht. Auch finde sich im notariellen Vertrag keinerlei Vereinbarung dahingehend, dass die Klägerin ein ruhiges bzw. ohne größere Lärmbelastungen betroffenes Anwesen erworben habe. Trotz gerichtlichen Hinweises auf ihre Darlegungs- und Beweislast habe die Klägerin hierzu nichts weiter vorgetragen, so dass entsprechende vertragliche Vereinbarungen bereits nicht nachgewiesen seien. Auch auf das arglistige Verschweigen eines Mangels könne sich die Klägerin nicht berufen.
Hierzu führt das Landgericht im Rahmen der Prüfung eines Anspruchs auf Rückabwicklung des Kaufvertrages aufgrund Anfechtung wegen arglistiger Täuschung näher aus, dass für ein arglistiges Handeln nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zumindest Eventualvorsatz erforderlich sei. Für die Frage der Arglist trage die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast. Der entsprechende Nachweis sei der Klägerin jedoch hinsichtlich der einzelnen von ihr behaupteten Anfechtungsgründe nicht gelungen:
Bei der Kiesgrubenerweiterung handele es sich bereits nicht um einen aufklärungspflichtigen Umstand, da hierdurch eine Wohnnutzung des Anwesens nicht beeinträchtigt bzw. gefährdet werde und es sich angesichts der Lage auch nicht um ein ruhiges, im Sinne von „gänzlich abgeschottetes“ Anwesen handele. Im Übrigen sei der Klägerin diesbezüglich auch nicht der Nachweis der Arglist gelungen. Keiner der einvernommenen Zeugen habe eine positive Kenntnis des Beklagten von einer Kiesgrubenerweiterung bestätigen können. Auch habe im Frühjahr 2014 vor dem Vertragsschluss noch nicht einmal festgestanden, ob es überhaupt zu einer Kiesgrubenerweiterung komme.
Hinsichtlich des erheblichen Kaufpreisunterschiedes zwischen dem zum Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks durch den Beklagten am 10.02.1972 gezahlten Preis in Höhe 35.667,50 DM und dem von der Klägerin gezahlten Kaufpreis von 710.000 € sei ein Anfechtungsgrund nicht ersichtlich. Es handele sich nicht um einen offenbarungspflichtigen Umstand, auch lägen zwischen beiden Verträgen 42 Jahre und massivste – gerichtsbekannte – Grundstückspreissteigerungen im Chiemgauer Land.
Zur Frage der Baugenehmigung und fehlenden Nutzungsmöglichkeit als Wohnung hält das Landgericht fest, dass das (gänzliche) Fehlen einer Baugenehmigung zwar einen Sachmangel darstellen könne. Eine solche Konstellation liege hier jedoch nicht vor, da das Landgericht Traunstein am 23.10.1972 für das streitgegenständliche Objekt eine Baugenehmigung mit dem Betreff „Errichtung eines Wohnhauses und eines Betriebsgebäudes“ erteilt habe. Zwar habe das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 10.10.2017 in dem von der Klägerin angestrengten Verfahren gegen die Kiesabbaugenehmigung ausgeführt, dass die von der Klägerin ausgeübte allgemeine Wohnnutzung nicht bestandskräftig genehmigt sei. Damit sei jedoch noch nicht bestandskräftig festgestellt, dass hinsichtlich des streitgegenständlichen Anwesens keine Baugenehmigung – mehr – vorliege. Dies sei – verwaltungsrechtlich – erst im Rahmen eines Verfahrens zu einer etwaigen ergehenden Nutzungsuntersagung zu klären, die aber bisher nicht erfolgt sei. Inhaltlich vermöge das Landgericht der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, wonach nur ein Betriebsleiterwohnhaus genehmigt sei, nicht zu folgen. Nach dem objektiven Empfängerhorizont sei mit dem Baugenehmigungsbescheid – wenn auch rechtswidrig – ein Wohnhaus und ein Betriebsgebäude ohne „rechtliche Verquickung“ genehmigt worden, so dass eine Baugenehmigung für das streitgegenständliche Anwesen vorliege und es bereits an einem Sachmangel fehle. Jedenfalls aber sei der Klägerin der Nachweis entsprechender Arglist des Beklagten nicht gelungen. Dem Beklagten könne nicht nachgewiesen werden, dass er gewusst habe, dass mit einer Aufgabe des Gärtnereibetriebes eine Nutzung des Anwesens zu Wohnzwecken wie auch des Zuhauses unter Umständen nicht mehr möglich sei und die erteilte Baugenehmigung möglicherweise rechtlich keine Wirkung mehr entfalte. Unstreitig habe der Beklagte im Zuge der Betriebsaufgabe 2011 beim Gutachterausschuss des Landratsamtes T. ein Sachverständigengutachten zu den steuerrechtlichen Auswirkungen in Auftrag gegeben. Bis zum Zeitpunkt der Veräußerung habe das Landratsamt trotz Kenntnis von der Betriebsaufgabe keinerlei Schritte hinsichtlich einer Nutzungsuntersagung unternommen. Auch sei ausweislich der Baugenehmigung ein Wohnhaus und ein Betriebsgebäude genehmigt worden. Weitere Beweismittel für eine Kenntnis des Beklagten seien trotz gerichtlichen Hinweises nicht vorgebracht worden. Die im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11.07.2018 erfolgte Benennung weiterer Zeugen habe keinen Anlass dazu gegeben, erneut in die mündlichen Verhandlungen einzutreten.
Der Klägerin stehe auch kein Schadensersatzanspruch aus vorvertraglichem Verschulden zu. Entsprechende Ansprüche seien wegen des Vorrangs der §§ 434 ff. BGB grundsätzlich ausgeschlossen. Den Nachweis einer vorsätzlichen oder arglistigen Täuschung im Zuge der vorvertraglichen Verhandlungen habe die beweisbelastete Klägerin nicht führen können. Dies gelte auch im Hinblick auf das Zuhaus, da dieses zusammen mit dem Wohnhaus jahrelang zu Wohnzwecken durch den Sohn des Beklagten genutzt worden sei.
Zu den Einzelheiten wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 234/242 d.A.) Bezug genommen.
Gegen das erstinstanzliche Urteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Berufung eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter verfolgt. Zur Begründung führt die Klägerin im Wesentlichen Folgendes aus:
Das Landgericht habe verkannt, dass die Anfechtung des Grundstückskaufvertrages aufgrund arglistiger Täuschung Erfolg habe und der Klägerin in der Folge ein Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises zustehe.
Der Beklagte habe die Klägerin durch Unterlassen eines Hinweises auf die fehlende Baugenehmigung getäuscht. Insoweit hätte ihn eine entsprechende Aufklärungspflicht getroffen. Die Feststellungen des Verwaltungsgerichts München vom 10.10.2017 zur Baurechtswidrigkeit seien richtig. Bei der Verneinung einer vertraglichen Vereinbarung der Veräußerung des Haupthauses zu Wohnzwecken verkenne das Landgericht, dass die Berücksichtigung der öffentlichen Anpreisung des Objekts durch den Beklagten im Exposé und bei den Besichtigungen zu einer anderen Wertung führen müsse. Der Beklagte müsse sich die Erklärungen der von ihm beauftragten Maklerin und auch seiner Ehefrau zurechnen lassen.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts spiele es keine Rolle, ob von behördlicher Seite bereits eine Nutzungsuntersagung o.ä. vorliege, da eine solche gleich einem „Damoklesschwert“ über der Klägerin schwebe. Entscheidend sei, dass die Klägerin ein Haus zum Wohnen und damit mit einer zugelassenen Wohnnutzung gesucht habe und hiervon beide Parteien ausgegangen seien, eine entsprechende Baugenehmigung jedoch nicht vorliege bzw. die vormalige Baugenehmigung erloschen sei.
Dem Beklagten sei die baurechtliche Problematik sehr wohl bekannt gewesen. Jedenfalls hinsichtlich des Zuhauses sei die Sachlage eindeutig. So gehe aus dem Tekturplan zum Eingabeplan des Beklagten für „Umbauarbeiten und den Einbau eines Kamins in das bestehende Betriebsgebäude“ 2005 hervor, dass der zuständigen Genehmigungsbehörde dieses Zuhaus nur als Betriebsgebäude bekannt gewesen sei (Anlage K 6). Der Beklagte habe dieses offenkundig rechtswidrig in ein weiteres Wohnhaus umgebaut und an seinen Sohn und dessen Ehefrau vermietet. Auch das Verkehrswertgutachten des LRA Traunstein habe sich auf das Betriebsgebäude bezogen (Anlage B 2). Eine jahrelange baurechtswidrige Wohnnutzung durch den Sohn lasse die Kenntnis des Beklagten von der Baurechtswidrigkeit nicht entfallen. Das bewusste Verschweigen der baurechtswidrigen Nutzung dieses Gebäudes unter gleichzeitiger Anpreisung als „Zuhaus“, das z.B. anderweitig als Wohnhaus vermietet werden könne, rechtfertige bereits die Anfechtung des gesamten Kaufvertrages, da das Zuhaus ein nicht nur unerheblicher Bestandteil des gesamten Grundstücks und damit der Kaufsache sei. Allerdings sei auch hinsichtlich des Haupthauses die Arglist des Beklagten hinreichend dargelegt. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass seine Baugenehmigungen stets im Zusammenhang mit seinem gewerblichen Unternehmen standen. Hier hätte es dem Beklagten im Sinne einer abgestuften, sekundären Darlegungs- und Beweislast oblegen, vorzutragen und unter Beweis zu stellen, warum ihm diese Kenntnis nicht oder nicht mehr vorgelegen haben wolle. Das Landgericht habe hingegen fehlerhaft eine zwischenzeitliche Unkenntnis des Beklagten einfach unterstellt und die mit Schriftsatz der Klägerin vom 11.07.2018 angebotenen weiteren Beweise unberücksichtigt gelassen. Selbst wenn eine aktuelle Baugenehmigung für die vormals genehmigte Nutzung, nämlich die privilegierte Nutzung als Landschaftsgärtnereibetrieb mit einer dieser untergeordneten Wohnmöglichkeit für einen Betriebsleiter vorläge, so habe der Beklagte gewusst, dass die Klägerin diese Voraussetzungen nicht erfülle und spätestens mit ihrem Einzug der baurechtswidrige Zustand vorliegen würde.
Die geplante Kiesgrubenerweiterung habe der Beklagte der Klägerin trotz Kenntnis ebenfalls arglistig verschwiegen. Nachdem die bevorstehende Kiesgrubenerweiterung in der gesamten Gegend und Nachbarschaft bekannt gewesen sei, sei es nicht glaubhaft, dass der Beklagte hiervon keine Kenntnis gehabt haben wolle. Im Übrigen hätte auch diesbezüglich noch die nachbenannte Zeugin vernommen werden müssen.
Soweit die Anfechtung des Kaufvertrages durch die Klägerin nicht durchgreifen sollte, stünden der Klägerin jedenfalls vertragliche Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche zu. Hilfsweise stehe der Klägerin ein Rücktrittsrecht wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Endurteil des Landgerichts Traunstein, Az. 1 O 647/16, vom 27.07.2017 abzuändern und folgendermaßen zu erkennen:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 710.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 27.10.2015 zu bezahlen – hilfsweise Zug um Zug gegen Rückübertragung der Immobilie Fl.Nr. …86/1, Gemarkung H.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 66.730,88 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 27.10.2015 zu bezahlen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin an vorgerichtlichen Kosten weitere 6.516,32 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 27.10.2015 zu bezahlen.
4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle weiteren gegenwärtigen und zukünftigen über die oben genannten Positionen hinausgehenden Schäden aufgrund des durch arglistige Täuschung seitens des Beklagten zwischen den Parteien zustande gekommenen Grundstückskaufvertrags vom 06.06.2014, URNr. …65/2014, des Notars M. H., T., über die in Antrag 1 genannte Immobilie zu ersetzen.
Hilfsweise beantragt die Klägerin,
den Rechtsstreit unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils an das Landgericht Traunstein zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und führt im Wesentlichen aus, er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass das Landratsamt offenbar davon ausgehe, es sei keine allgemeine Wohnnutzung zulässig. Er habe das Anwesen in den siebziger Jahren errichtet, dort Jahrzehnte gewohnt und auch die Betriebsaufgabe sei dem Landratsamt T. über den Gutachterausschuss bekannt gewesen. Sein Sohn habe ebenfalls mit seiner Familie in dem Anwesen seit 2001 bis zur Übergabe an die Klägerin gewohnt. Aufgrund dieser Umstände sei es absolut nachvollziehbar, dass ihm selbst nicht bewusst gewesen sei, dass es irgendwelche bauplanungsrechtlichen Probleme mit der Nutzung des Haupthauses und des Zuhauses zu Wohnzwecken geben könnte. Zu keinem Zeitpunkt habe das Landratsamt eine Nutzungsuntersagung ausgesprochen.
Er habe auch keinerlei positive Kenntnis von einer Kiesgrubenerweiterung im Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses gehabt. Seine Ehefrau sei nicht seine Verhandlungsführerin gewesen.
Bedingt durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft erfolge im Außenbereich vielerorts eine reine Wohnnutzung, obwohl dies zunächst nicht so genehmigt gewesen sei. Auch in dem Weiler, in dem das streitgegenständliche Anwesen liege, sei dies soweit ersichtlich der Fall. Nutzungsuntersagungen würden in aller Regel wegen Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht ausgesprochen. Es sei keinerlei Eigenschaft dahingehend zugesichert worden, dass das Gebäude im Außenbereich über eine Baugenehmigung verfüge.
Das Landgericht habe zutreffend das Vorliegen einer arglistigen Täuschung verneint. Eine tatsächliche Wohnnutzung sei nach wie vor zulässig. Hinweise des Gerichts im Hinblick auf weitere angebotene Zeugen seien nicht erforderlich gewesen. Wenn weitere Zeugen vorhanden seien, so seien diese von vornherein anzubieten.
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 04.02.2019 (Bl. 257/277 d.A.) und 14.05.2019 (Bl. 304/309 d.A.), die Schriftsätze des Beklagten vom 21.03.2019 (Bl. 282/298 d.A.), 02.04.2019 (Bl. 299/300 d.A.) und 14.05.2019 (Bl. 310/312 d.A.) sowie die Ladungsverfügung vom 24.04.2019 (Bl. 301/303 d.A.) und das Sitzungsprotokoll vom 28.05.2019 (Bl. 313/315 d.A.) Bezug genommen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung sind außerdem (nicht nachgelassene) Schriftsätze der Klägerin vom 30.07.2019 (Bl. 316 d.A.) und 20.09.2019 (Bl. 319/322 d.A.) sowie des Beklagten vom 25.09.2019 (Bl. 323/326 und 327/328 d.A.) und 04.10.2019 (Bl. 330/332 d.A.) eingegangen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet. Die von der Klägerin erklärte Anfechtung des Grundstückskaufvertrages wegen arglistiger Täuschung hat jedenfalls bereits im Hinblick auf die nicht genehmigte Wohnnutzung des „Zuhauses“ Erfolg, § 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1 BGB. Die Klägerin kann daher von dem Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB (nachfolgend Ziff. 1) und nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (c.i.c.) daneben Schadensersatz verlangen, wobei ein entsprechender Anspruch nur in Höhe eines Betrages von 8.889,88 € berechtigt ist (nachfolgend Ziff. 2). Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten erweist sich nur in Höhe von 6.154,56 € als begründet (nachfolgend Ziff. 3). Eine Verzinsung der jeweiligen Geldbeträge kann dabei erst ab Rechtshängigkeit (24.03.2016) verlangt werden. Der Feststellungsantrag ist nur insoweit zulässig und begründet, als die Ersatzpflicht hinsichtlich weiterer zukünftiger – nicht auch gegenwärtiger – Schäden begehrt wird (nachfolgend Ziff. 4).
1. Die Klägerin kann von dem Beklagten nach wirksamer Anfechtung des Grundstückskaufvertrages vom 06.06.2014 (Anlage K 1) gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 710.000 € nebst Zinsen ab 24.03.2016 verlangen.
1) Die Anfechtung des Grundstückskaufvertrages wurde in der Klageschrift vom 22.02.2016 (S. 7 f.; Bl. 7 f. d.A.) erklärt, die der Beklagtenpartei am 23.03.2016 zugestellt wurde, § 143 Abs. 1 BGB. Demgegenüber enthielt das vorgerichtliche Schreiben vom 06.10.2015 (Anlage K 11) nur die Ankündigung einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung unter Setzung einer Frist zur Stellungnahme zu dem geschilderten Sachverhalt und zur Unterbreitung eines Vorschlages für eine einvernehmliche Rückabwicklung.
1) Der Beklagte hat die Klägerin jedenfalls über die baurechtswidrige Wohnnutzung des Zuhauses arglistig im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB getäuscht.
1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann nicht nur eine fehlende Baugenehmigung einen Mangel darstellen, sondern auch ein im Zeitpunkt des Gefahrübergangs von der Baugenehmigung abweichender und damit baurechtswidriger Zustand des Kaufgrundstücks (vgl. BGH, Urteil vom 12.12.1986 – V ZR 180/85, NJW-RR 1987, 457). Etwas anderes gilt nur, wenn bei Gefahrübergang eine rechtsverbindliche behördliche Erklärung vorliegt, die dem Käufer die gesicherte Befugnis gibt, die Anlage in dem vorhandenen Zustand auf Dauer zu nutzen (BGH a.a.O.). Ferner besteht nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch bei Vertragsverhandlungen, in denen die Parteien entgegengesetzte Interessen verfolgen, für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln oder erheblich gefährden können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte (vgl. BGH, Urteil vom 10.06.1988 – V ZR 125/87, NJW-RR 1988, 1290, juris Rn. 30; Palandt/Ellenberger, BGB, 78. Aufl. 2019, § 123 Rn. 5b). Eine entsprechende Aufklärungspflicht wurde dabei auch hinsichtlich des Umstandes angenommen, dass eine Baugenehmigung nur für eine gewerbliche Nutzung erteilt worden ist (vgl. BGH a.a.O. juris Rn. 31).
1) Nach diesen Maßstäben hätte der Beklagte die Klägerin im konkreten Fall jedenfalls darüber aufklären müssen, dass es sich bei dem Zuhaus um ein Betriebsgebäude handelte, das auch nur als solches zum Zwecke gewerblicher Nutzung und nicht zur Wohnnutzung genehmigt worden war. Diese Umstände waren dem Beklagten als Antragsteller und Empfänger der Baugenehmigung vom 23.10.1972 (Anlage B 1) unstreitig bekannt. Auch aus dem von ihm gestellten Antrag für „Umbauarbeiten und den Einbau eines Kamins in das bestehende Betriebsgebäude“ im Jahr 2005 (Anlage K 6) ergibt sich die Genehmigung einer Wohnnutzung nicht, vielmehr ist dort das Zuhaus weiterhin ausdrücklich als „Betriebsgebäude“ qualifiziert.
Eine Offenlegung dieser Umstände gegenüber der Klägerin ist nicht ersichtlich und wurde von dem Beklagten auch nicht vorgetragen. Vielmehr wurde das Zuhaus sowohl im Exposé (Anlage K 2) als auch in den Verkaufsgesprächen und seinem Zustand bei der Besichtigung zufolge als weiteres Wohngebäude dargestellt, wobei auch eine Erweiterung als möglich bezeichnet wurde und die Gesamtwohnfläche – bezogen auf Haupthaus und Zuhaus – mit ca. 320 m² angegeben wurde. Hiervon entfallen ungefähr ein Drittel allein auf das Zuhaus, so dass – in Übereinstimmung mit dem klägerischen Vortrag – von einem Umstand auszugehen ist, der für die Kaufentscheidung der Klägerin und den vereinbarten Kaufpreis offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung gewesen ist.
Aufgrund der Angaben im Exposé und der Maklerin, des Hinweises auf die bisherige Vermietung und der Beschaffenheit des Zuhauses im Zeitpunkt der Besichtigung konnte und durfte die Klägerin annehmen, dass ihr für die beabsichtigte Wohnnutzung sowohl das Hauptgebäude als auch das Zuhaus (ggf. zum Zwecke der Vermietung) zur Verfügung stehen. Zugleich ist hinsichtlich der unterbliebenen Aufklärung auch von arglistigem Handeln des Beklagten auszugehen, da dieser in Kenntnis der nur für eine gewerbliche Nutzung erteilten Baugenehmigung und der fehlenden Offenlegung dieses Umstandes gegenüber der Klägerin zumindest damit rechnete und billigend in Kauf nahm, dass diese den Mangel nicht kannte und bei Offenbarung den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt geschlossen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 30.04.2003 – V ZR 100/02, NJW 2003, 2380, juris Rn. 13).
Allein dass das Zuhaus über einen längeren Zeitraum durch den Sohn des Beklagten tatsächlich zu Wohnzwecken genutzt wurde, lässt die Aufklärungspflicht nicht entfallen. Dass eine rechtsverbindliche behördliche Erklärung existieren würde, das Zuhaus in dem vorhandenen Zustand auf Dauer zu Wohnzwecken zu nutzen, wurde weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich. Vielmehr ist das Landratsamt Traunstein im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München betreffend die Kiesgrubenerweiterung gerade insgesamt, d. h. sogar bezüglich des Haupthauses und nicht nur des Zuhauses, von einer unzulässigen Wohnnutzung ausgegangen. Aus dem Umstand, dass bislang eine Nutzungsuntersagung nicht ausgesprochen wurde, lässt sich eine gesicherte Rechtsposition ebenfalls nicht ableiten. Gleiches gilt im Hinblick auf das vom Gutachterausschuss des Landratsamtes Traunstein erstellte Sachverständigengutachten zur Betriebsaufgabe für steuerliche Zwecke.
1) Vor diesem Hintergrund kann letztlich dahinstehen, ob sich weitere Anfechtungsgründe im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB aufgrund einer arglistigen Täuschung über die baurechtswidrige Wohnnutzung des Hauptgebäudes oder über die Kiesgrubenerweiterung ergeben.
Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Maßstäbe neigt der Senat insoweit allerdings der Auffassung zu, eine arglistige Täuschung auch bezüglich der Wohnnutzung des Haupthauses zu bejahen. Danach hätte der Beklagte die Klägerin auch darüber aufklären müssen, dass mit der Baugenehmigung vom 23.10.1972 entsprechend dem gestellten Antrag nur ein Betriebsleiterwohnhaus im Zusammenhang mit einer gewerblichen Nutzung im Außenbereich genehmigt wurde. Anders als das Landgericht meint, kann der Baugenehmigung, die zudem anhand des Bauantrages auszulegen ist, mitnichten die Genehmigung für ein reines Wohnhaus im Außenbereich entnommen werden. Diese Umstände waren dem Beklagten als damaligen Antragsteller auch bekannt, ebenso die Relevanz für die Klägerin, die gerade keinen Gewerbebetrieb auf dem Grundstück betreiben, sondern das Grundstück nur zu Wohnzwecken nutzen wollte. Eine gesicherte Rechtsposition lässt sich auch hinsichtlich des Hauptgebäudes weder aus einer bislang fehlenden Nutzungsuntersagung noch aus dem Sachverständigengutachten zur Betriebsaufgabe ableiten (s.o.). Eine Genehmigungsfähigkeit der Wohnnutzung ist – wie das Landgericht zutreffend ausführt – mangels Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen nicht ersichtlich.
1) Nachdem auch die Frist des § 124 Abs. 1 BGB eingehalten wurde, kann die Klägerin mithin die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 710.000 € verlangen, wobei Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten erst ab Rechtshängigkeit zugesprochen werden können, nachdem eine Anfechtung des Kaufvertrages erst in der Klageschrift erklärt wurde (§ 286 Abs. 1, § 291 BGB).
Eine Verurteilung zur Rückzahlung des Kaufpreises nur Zug um Zug gegen Rückübertragung der streitgegenständlichen Immobilie, die die Klägerin ohnehin nur hilfsweise beantragt hat, war nicht auszusprechen. Die Parteien sind sich vorliegend – wie nicht zuletzt auch die im September 2019 erfolgte Weiterveräußerung der Immobilie durch den Beklagten unter Mitwirkung der Klägerin zeigt – einig, dass die Klägerin nicht nur das Verpflichtungs-, sondern auch das Erfüllungsgeschäft angefochten hat. Dies ist bei Fehleridentität grundsätzlich möglich. Demnach besteht auf Seiten des Beklagten allenfalls ein Anspruch gegen die Klägerin auf Herausgabe ihrer Buchposition. Ein diesbezügliches Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) wurde von dem Beklagten allerdings nicht geltend gemacht. Im Übrigen wird die Klägerin bereits in ihrem eigenen Interesse gehalten sein, ihrer diesbezüglichen Verpflichtung (freiwillig) nachzukommen. Hierzu ist sie offenkundig auch bereit, nachdem sie bei der Weiterveräußerung bereits mitgewirkt hat.
1) Die vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vom 28.05.2019 beantragte vierwöchige Schriftsatzfrist zur Erwiderung auf den klägerischen Schriftsatz vom 14.05.2019 war nicht zu gewähren. Neue Tatsachen, die für die Entscheidung von Relevanz sind bzw. verwertet wurden, finden sich darin nicht.
1) Soweit der Beklagte in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 25.09.2019 (Bl. 323/326 und 327/328 d.A.) und 04.10.2019 (Bl. 330/332 d.A.) darauf verweist, dass sich die Klägerin im Rahmen der Rückabwicklung die Vorteile einer Wohnnutzung über die Dauer von fünf Jahren in Höhe von insgesamt 120.000 € (2.000 € monatlich) und des Erlöses aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage von insgesamt 12.000 € (200 € monatlich) gegenüber ihrem Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung anrechnen lassen müsse und mit diesen Gegenansprüchen zugleich auch die Aufrechnung erklärt, kann dahinstehen, ob dieser (neue) Tatsachenvortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung überhaupt noch zu berücksichtigen ist (§ 525 Satz 1, § 296a ZPO). Jedenfalls vermag dies den Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 710.000 € im hiesigen Verfahren nicht mehr zu schmälern: 1) Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung sind auf die lediglich auf objektiven Ausgleich gerichteten Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl. 2019, § 812 Rn. 72 m.w.N.). Ein Fall, in dem ausnahmsweise unter Billigkeitsgesichtspunkten (§ 242 BGB) eine Anrechnung vorzunehmen wäre, kann vorliegend angesichts der arglistigen Täuschung durch den Beklagten bei Vertragsschluss nicht angenommen werden.
1) Die Zulässigkeit der erst zweitinstanzlich erfolgten Aufrechnung mit etwaigen Ansprüchen des Beklagten gegen die Klägerin auf Herausgabe tatsächlich gezogener Nutzungen (vgl. hierzu Palandt/Sprau a.a.O., § 818 Rn. 10) scheitert vorliegend jedenfalls an § 533 Nr. 2 ZPO. Denn diese werden nicht auf Tatsachen gestützt, die der Senat seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat, da weder erstinstanzlich noch im Rahmen der Berufung die Frage der tatsächlichen Wohnnutzung durch die Klägerin in Form von deren Dauer, Umfang und Wert, wobei letzterer mangels hinreichender Anhaltspunkte für eine Schätzung im Wege des Sachverständigengutachtens zu ermitteln wäre, oder die Frage der Nutzung der Photovoltaikanlage eine Rolle gespielt hat. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, auf die sich eine Klageänderung, Aufrechnung oder Widerklage stützt, sind aber nur zu berücksichtigen, soweit sie für die Entscheidung über die Berufung erheblich und nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sind. Eine Änderung oder Erweiterung des nach § 533 Nr. 2 ZPO maßgeblichen Sach- und Streitstands durch neue, für die Berufung nicht entscheidungserhebliche Angriffs- und Verteidigungsmittel lässt sich auch nicht über § 531 Abs. 2 ZPO erreichen (vgl. Musielak/Voit/Ball, ZPO, 16. Aufl. 2019, § 533 Rn. 22; MüKoZPO/Rimmelspacher, ZPO, 5. Aufl. 2016, § 533 Rn. 14).
Die Aufrechnung des Beklagten mit Gegenansprüchen aus § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 2 BGB ist daher im hiesigen Verfahren gemäß § 533 Nr. 2 ZPO nicht zuzulassen.
2. Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der ihr über die Kaufpreiszahlung hinaus entstandenen Schäden ergibt sich grundsätzlich aus culpa in contrahendo (c.i.c.; § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB) und richtet sich auf das negative Interesse. Allerdings erweist sich der Anspruch nur in Höhe eines Betrages von 8.889,88 € nebst Zinsen ab 24.03.2016 und nicht in Höhe des geltend gemachten Betrages von 66.730,88 nebst Zinsen ab 27.10.2015 als begründet.
2) Zu ersetzen sind jedenfalls die unstreitigen Notarkosten in Höhe von 6.461,88 € (Anlagenkonvolut K 9) sowie die Kosten für die Eintragung der Auflassungsvormerkung und der Eigentumsumschreibung/Katasterfortführung/Löschung der Vormerkung in Höhe von 2.428 € (667,50 € + 1.760,50 €, Anlagenkonvolut K 10). Dies ergibt einen Betrag von insgesamt 8.889,88 €.
2) Hinsichtlich der geltend gemachten Kosten für die Bestellung der drei Grundpfandrechte einschließlich Grundbuchauszügen in Höhe von insgesamt 1.694 € (535 € + 364 € + 795 €, Anlagenkonvolut K 10) hat die Klägerin auf die entsprechenden Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil hin, wonach Grundpfandrechte über dem Kaufpreis liegend aufgenommen worden seien und die Kosten daher so nicht zuerkannt werden könnten, in der Berufungsbegründung vorgetragen, dass die aufgenommenen Darlehen sämtlich zweckgebunden seien und im Zusammenhang mit dem Erwerb der Immobilie stünden. Dies wurde durch den Beklagten, der auch bereits in erster Instanz die über den reinen Kaufpreis hinausgehenden Schadenspositionen bestritten hat (vgl. S. 16 des Schriftsatzes vom 19.06.2017; Bl. 108 d.A.), in der Berufungserwiderung bestritten (Bl. 297 d.A.). Die Darlehensverträge selbst hat die Klägerin trotz ihrer Ankündigung in der Berufungsbegründung nicht vorgelegt. Ein Erstattungsanspruch besteht daher nicht.
2) Hinsichtlich der gezahlten Maklerprovision in Höhe von 25.347 € (Anlage K 7) ist ein Schaden der Klägerin nicht anzunehmen, da die wirksame Anfechtung des vermittelten Kaufvertrages den Provisionsanspruch entfallen lässt (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl. 2019, § 652 Rn. 36), so dass die Klägerin von der Maklerin ihre Provision zurückverlangen kann. Gleiches gilt hinsichtlich der gezahlten Grunderwerbsteuer in Höhe von 23.800 € (Anlage K 8), da nach wirksamer Anfechtung und Rückabwicklung des Grundstückskaufvertrages die Steuerfestsetzung aufzuheben ist (§ 16 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG). Ein Schaden könnte der Klägerin nur dadurch entstehen, dass sie mit einem der ihr zustehenden Rückgewähransprüche ausfällt. Nachdem die Klägerin vorliegend aber in keiner Weise dargelegt hat, dass und weshalb die Gefahr einer fehlenden Rückerstattung der Provision und der Grunderwerbssteuer bestehen könnte, ist ein ersatzfähiger Schaden weder hinreichend dargelegt noch sonst ersichtlich. Diesbezüglich ist auch zu berücksichtigen, dass es die der Klägerin obliegende Schadensminderungspflicht jedenfalls gebieten würde, die Ansprüche gegen die Maklerin und das Finanzamt zumindest einmal vorgerichtlich geltend zu machen. Dies ist der Klägerin als (alleiniger) Anspruchsinhaberin auch zuzumuten, zumal sie entsprechende Aufwendungen wiederum von dem Beklagten aus c.i.c. ersetzt verlangen könnte. Dass die Maklerin laut Vorbringen im klägerischen Schriftsatz vom 20.09.2019 bisher keinerlei Absichten geäußert habe, eine entsprechende Provision freiwillig zurückzuzahlen, entbindet die Klägerin von einer Aufforderung zur Rückzahlung nicht. Auch wären etwaige verjährungshemmende Maßnahmen von der Klägerin zu ergreifen; bislang hat die Klägerin dem Beklagten nicht einmal die Abtretung etwaiger Ansprüche angeboten.
Der Senat folgt damit im Ergebnis der Auffassung des 7. Zivilsenats des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 21.03.2002 – VII ZR 493/00, BGHZ 150, 226, juris Rn. 66), der im dortigen Verfahren im Rahmen von Schadensersatzansprüchen gegen einen Bauträger die Ersatzfähigkeit der gezahlten Grunderwerbsteuer mit Blick auf noch ungeklärte Erstattungsansprüche des Erwerbers gegen das Finanzamt verneint hatte. Die hiervon abweichende Auffassung des 5. Zivilsenats des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 05.03.1993 – V ZR 140/91, NJW 1993, 1703, juris Rn. 7) und ihm folgend des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 29.04.2010 – 22 U 127/09, NJW-RR 2010, 1643, juris Rn. 36), wonach ein erstattungsfähiger Schaden auch bezüglich gezahlter Maklerkosten und Grunderwerbsteuer anzunehmen sei, wobei die Grunderwerbsteuer im Wege der Vorteilsausgleichung nur Zug um Zug gegen Abtretung eines etwaigen klägerischen Anspruchs auf Erstattung dieser Steuer verlangt werden könne, vermag der Senat hingegen angesichts der obigen Erwägungen nicht zu teilen.
2) Die von der Klägerin nur überschlägig mit 7.000 € bezifferten Umzugskosten wurden im Einzelnen nicht näher dargelegt, obwohl sie bereits erstinstanzlich bestritten wurden. Hierauf hat auch das Landgericht im angefochtenen Urteil nochmals hingewiesen, so dass eine Ersatzfähigkeit nicht in Betracht kommt.
3. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind der Klägerin im Rahmen des Anspruchs aus c.i.c. grundsätzlich zu erstatten, wobei Gebühren nur aus einem Gegenstandswert in Höhe von 718.889,88 €, hinsichtlich dessen die Klägerin mit ihren Ansprüchen obsiegt, verlangt werden können. Damit errechnet sich auf Grundlage einer 1,3-Geschäftsgebühr zuzüglich einer Pauschale von 20 € und Umsatzsteuer ein Betrag von insgesamt 6.154,56 € anstelle der geltend gemachten 6.516,32 €. Zinsen können mangels vorheriger Mahnung, die nicht entbehrlich war, wiederum erst ab 24.03.2016 und nicht bereits ab 27.10.2015 zugesprochen werden, § 286 Abs. 1, § 291 BGB.
4. Im Rahmen des Antrags auf Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten bezüglich aller weiteren gegenwärtigen und zukünftigen über die oben genannten Positionen hinausgehenden Schäden aufgrund des durch arglistige Täuschung zustande gekommenen Grundstückskaufvertrags ist zu differenzieren:
Ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf alle weiteren gegenwärtigen Schäden ist weder dargetan noch ersichtlich, da keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass über die bereits geltend gemachten Schadenspositionen hinaus weitere bereits eingetretene Schäden vorhanden sind.
Demgegenüber ist im Hinblick auf weitere zukünftige Schäden ein Feststellungsinteresse anzunehmen, nachdem insbesondere – wie von der Klägerin dargelegt – im 18 U 4053/18 – Seite 15 – Zusammenhang mit der Rückabwicklung des fremdfinanzierten Kaufpreises weitere künftige Schäden etwa in Form einer Vorfälligkeitsentschädigung möglich erscheinen. Auch zum Ersatz solcher Schäden ist der Beklagte verpflichtet, so dass sich der Feststellungsantrag insoweit zugleich als begründet erweist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin obsiegt bei einem Streitwert von 786.730,88 € (710.000 € + 66.730,88 € + 10.000 € für den Feststellungsantrag) mit einem Betrag von 724.889,88 € (710.000 € + 8.889,88 € + 6.000 € für den Feststellungsantrag) und unterliegt mit einem Betrag von 61.841 €. Damit ergibt sich eine Kostenquotelung von 8% (Klägerin) zu 92% (Beklagter).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 ZPO.
Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO insoweit zugelassen, als der Senat die Klage in Höhe von 49.147 € im Hinblick auf die Erstattung der Maklerprovision und der Grunderwerbsteuer abgewiesen hat. Bei der die Schadenshöhe betreffende Frage, ob bereits gezahlte Grunderwerbsteuer und Maklerkosten im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Vertragspartner einen ersatzfähigen Schaden darstellen oder dies im Hinblick auf bestehende Erstattungsansprüche gegen Dritte zu verneinen ist, handelt es sich um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, die kontrovers beurteilt wird und auch höchstrichterlich nicht abschließend geklärt ist (s. oben Ziff. II. 2. c)). Im Übrigen ist die Revision dagegen nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Verkündet am 15.10.2019

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