Familienrecht

Beschwerde, Verfahrensfehler, FamFG, Elternrecht, Anspruch, Pflegemutter, Zeitpunkt, Rechtsbeschwerde, Pflegeeltern, Kind, Mutter, Pflegekind, Beschwerdeberechtigung, Eltern, sofortige Beschwerde, elterliche Sorge, angefochtene Entscheidung

Aktenzeichen  7 UF 331/22

Datum:
28.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 12895
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 59

 

Leitsatz

Auch die als Pflegemutter eingesetzte Großmutter ist gegen eine familiengerichtliche Entscheidung, die Teilbereiche des Sorgerechts der Mutter entzieht, nicht beschwerdeberechtigt.

Verfahrensgang

101 F 1841/20 2020-07-20 Bes AGNUERNBERG AG Nürnberg

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg vom 20.07.2020, Az. 101 F 1841/20, wird als unzulässig verworfen.
II. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beschwerdeführerin ist die Großmutter des betroffenen Kindes R. Sie ist erst im Juni 2021 als Beteiligte zum Hauptsacheverfahren des Amtsgerichts Nürnberg wegen elterlicher Sorge für das Kind, Az.101 F 712/20, hinzugezogen worden. Großmutter, Kindsmutter und das betroffene Kind lebten zum Zeitpunkt der Anregung des Gerichtsverfahrens durch die Großmutter in einer gemeinsamen Wohnung in der … in … Mit Beschluss vom 19.06.2020 hat das Amtsgericht im Verfahren der einstweiligen Anordnung Az. 101 F 1841/20 der Mutter das Recht zur Aufenthaltsbestimmung, zur Beantragung von Leistungen nach den SGB und die Vertretung gegenüber Einrichtungen zur Kindesbetreuung vorläufig entzogen und das Jugendamt der Stadt N. zum Ergänzungspfleger bestimmt. Diese einstweilige Anordnung hat es nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mit Beschluss vom 20.07.2020 aufrechterhalten. Nach einer Inobhutnahme des Kindes am 20.07.2020 wurde am 10.08.2020 zwischen Jugendamt, Ergänzungspflegerin, Mutter und Kindsmutter eine mögliche Perspektive für das Kind erarbeitet. Seit Ende August 2020 lebte das Kind bis zu seiner Herausnahme am 05.04.2022 wieder im Haushalt der Großmutter.
Die Großmutter wendet sich mit Schreiben vom 13.01.2022 gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 20.07.2020, welchen sie zu einem nicht näher nachvollziehbaren Zeitpunkt, ihrem Vorbringen nach „kürzlich“, erhalten hat. Sie erhebe eine sofortige Beschwerde. Ihr sei nicht hinreichend Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt, ihre Ansprüche seien ignoriert und übergangen worden. Diese Verfahrensfehler könnten nur im Rahmen einer Beschwerde behoben werden.
Das Amtsgericht hat das Verfahren auf die Beschwerde hin gem. § 68 FamFG dem Oberlandesgericht vorgelegt.
Der Senat hat die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, dass ihre Beschwerde unzulässig sei. Sie sei nicht beschwerdeberechtigt.
Hierauf hat die Beschwerdeführerin erklärt, dass ihrer Ansicht nach, da sie eine sofortige Beschwerde eingelegt habe, zunächst eine Abhilfeentscheidung zu treffen sei, und erinnert an die von ihr übernommene tatsächliche Verantwortung für R., an ihre Stellung als Pflegemutter sowie daran, dass sie einen Antrag auf Übertragung der Vormundschaft gestellt habe.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Beschwerdeführerin die Beschwerdebefugnis gemäß § 59 Abs. 1 FamFG fehlt.
Eine Beschwerde gegen eine gerichtliche Endentscheidung (§ 58 Abs. 1 FamFG) steht nur demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist, § 59 Abs. 1 FamFG. Dies ist hier nicht der Fall. Durch die angefochtene Entscheidung wird nicht in die Rechte der Beschwerdeführerin eingegriffen.
1. Dass die Beschwerdeführerin die Großmutter des betroffenen Kindes ist und sie zudem ein berechtigtes Interesse an der Entscheidung hat, begründet für sich genommen kein subjektives Recht, aus dem sich ihre Beschwerdeberechtigung ergeben könnte. Allein aus der Stellung als Verwandter oder Verschwägerter folgt noch kein die Beschwerdeberechtigung begründendes subjektives Recht. Ein berechtigtes Interesse an der Änderung oder Beseitigung der Entscheidung genügt nicht. Der Beschwerdeführerin steht kein subjektives Recht zur Seite, das durch den Entzug einzelner Sorgerechtsbefugnisse von der Mutter und ihrer Übertragung auf den Ergänzungspfleger beeinträchtigt wäre (vgl. BGH FamRZ 2011, 552 Rn. 9, 11).
a) Aus dem Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG ergibt sich ein Beschwerderecht der Beschwerdeführerin nicht. Unabhängig von der Frage, ob aus Art. 6 Abs. 2 GG eine Beschwerdeberechtigung hergeleitet werden kann, sind die Großeltern grundsätzlich nicht Träger des Elternrechts. Denn die Verfassung sieht keine Grundrechte der Großeltern vor, die den Rechten der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 GG entgegengesetzt werden könnten (vgl. BGH a.a.O. Rn. 13).
b) Der Senat sieht, dass die Beschwerdeführerin als Großmutter des betroffenen Kindes ein berechtigtes Interesse an einer Entscheidung zur elterlichen Sorge für ihr Enkelkind hat. Dies begründet aber keine Beschwerdeberechtigung i.S.d. § 59 FamFG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts haben Großeltern ein Recht auf Beachtung ihrer nahen Verwandtenstellung bei der Auswahl eines Vormundes (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 291). Das so genannte Verwandtenprivileg gemäß § 1779 Abs. 2 und Abs. 3 i.V.m. § 1915 Abs. 1 S. 1 BGB bei der Auswahl des Ergänzungspflegers, welches dieses Recht gesetzlich umsetzt, gewährt Großeltern jedoch kein subjektives Recht, das zu einer Beschwerdeberechtigung im Sinne von § 59 FamFG führt (vgl. BGH FamRZ 2013, 1380 = FGPrax 2013, 211).
2. Eine Beschwerdeberechtigung ergibt sich auch nicht aus der von der Beschwerdeführerin übernommenen tatsächlichen Verantwortung für das Kind (vgl. BGH FamRZ 2011, 552 Rn. 15). Auch ihre Stellung als Pflegemutter ändert hieran nichts. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Pflegeeltern nicht berechtigt, Beschwerde gegen eine die elterliche Sorge für das Pflegekind betreffende Entscheidung des Familiengerichts einzulegen (vgl. BGH FamRZ 2020, 498; Keidel, FamFG, 20. Aufl., § 59 Rn 70).
3. Im Übrigen ergeht der Hinweis, dass das Familiengericht gemäß § 68 Abs. 1 S. 2 FamFG zur Abhilfe nicht befugt ist, wenn sich die Beschwerde gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet. Eine weitere Begründung war im Vorlagebeschluss daher nicht veranlasst.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG; die Entscheidung über die Festsetzung des Verfahrenswerts auf §§ 41, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 4 FamFG nicht zulässig. Deshalb ist der Beschluss des Senats mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht angreifbar.

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