Verwaltungsrecht

Erfolgloser Zulassungsantrag

Aktenzeichen  10 ZB 21.791

Datum:
11.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 18505
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 S. 4
AufenthG § 7 Abs. 2 S. 2, § 31 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO erfordert eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs, insbesondere eine substantielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil und den insofern entscheidungstragenden Argumenten. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 1 K 20.585 2021-01-26 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger verfolgt mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2020 weiter, mit dem die ihm am 17. Juni 2019 erteilte Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nachträglich auf den 31. März 2020 verkürzt und ihm die Abschiebung angedroht wurde. Mit der Klage beantragte er weiter, die Beklagte zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 bzw. § 25 Abs. 5 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten, hilfsweise die Beklage zu verpflichten, die Angelegenheit des Klägers wegen Aufenthaltserlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 26. Januar 2021 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG lägen vor, weil die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr bestehe; die Ermessensentscheidung sei nicht zu beanstanden. Hinsichtlich einer Verpflichtung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sei die Beklagte schon nicht mehr passivlegitimiert, da der Kläger inzwischen nach Hamburg verzogen sei. Auch inhaltlich bestünden keine Ansprüche. Für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 2 AufenthG sei bisher noch kein vollständiger prüffähiger Antrag gestellt worden, auch fehle die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG fehle es an einer tatsächlichen oder rechtlichen Unmöglichkeit der Ausreise, für eine solche nach § 25 Abs. 4 AufenthG an einer außergewöhnlichen Härte. Auch die Voraussetzungen für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Abs. 2 AufenthG lägen nicht vor.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich keine durchgreifenden Zulassungsgründe.
Der Kläger trägt zur Begründung seines Zulassungsantrags vor, er sei berufstätig und habe permanent in verschiedenen Firmen gearbeitet. Er werde auch in Kürze in Hamburg bei einer Firma anfangen. Damit sichere er seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln. Er verfüge über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2; sein russisches Diplom als Ingenieur sei in Deutschland anerkannt worden. Er sei bereits gut in Deutschland integriert und könne als faktischer Inländer angesehen werden. In seinem Heimatland habe er keine Existenz mehr und könne aufgrund der Corona-Pandemie in Russland auch keine mehr aufbauen. Ein Antrag auf Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG sei in Hamburg gestellt worden und befinde sich in Bearbeitung.
Damit genügt die Zulassungsbegründung bereits nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Die Zulassungsbegründung muss sich mit dem angefochtenen Urteil konkret und fallbezogen auseinandersetzen. Dem Darlegungserfordernis ist nur Genüge getan, wenn in dem Zulassungsantrag einer oder mehrere der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe geltend gemacht werden sowie fallbezogen und aus sich heraus verständlich in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht näher erläutert wird, aus welchen Gründen jeweils welcher der geltend gemachten Zulassungsgründe für gegeben erachtet wird. Zwar muss der Zulassungsgrund nicht ausdrücklich benannt werden, doch muss es dem Berufungsgericht bei angemessener Würdigung und Auslegung des Vorbringens möglich sein zu erkennen, welcher Zulassungsgrund oder welche Zulassungsgründe geltend gemacht werden und was jeweils hierzu vorgebracht wird. Nur dann ist eine inhaltliche Prüfung, ob ein Zulassungsgrund im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO tatsächlich vorliegt, überhaupt erst möglich. Ohne substantiierte Darlegung wenigstens eines Zulassungsgrundes ist der Zulassungsantrag unzulässig (vgl. Roth in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.1.2021, § 124a Rn. 62 ff.). Das Darlegungsgebot erfordert eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2019 – 10 ZB 19.1318 – juris Rn. 6; B.v. 22.3.2019 – 10 ZB 18.2498 – juris Rn. 8; B.v. 24.1.2019 – 10 ZB 17.1343 – juris Rn. 4; B.v. 5.12.2018 – 9 ZB 18.904 – juris Rn. 3 m.w.N.), insbesondere eine substantielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil und den insofern entscheidungstragenden Argumenten (vgl. Happ in Eyermann, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 ff. m.w.N.). Daran fehlt es hier.
Ein Zulassungsgrund im Sinn des § 124 Abs. 2 VwGO wird vom Kläger nicht benannt. Nach seinem Vorbringen kann allenfalls zu seinen Gunsten angenommen werden, dass er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend machen will.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden aber nur dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 17; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16; B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33).
Dies ist hier nicht der Fall, weil schon nicht erkennbar ist, welchen Erwägungen des Verwaltungsgerichts er mit seinem Vorbringen entgegentreten will. Soweit sein Vortrag auf die Ermessenserwägungen in Bezug auf die nachträgliche Verkürzung der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug (§ 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG) bezogen werden könnte, hat das Verwaltungsgericht die angesprochenen Gesichtspunkte gewürdigt und ist zu Recht zu dem Schluss gekommen, dass die Ermessensausübung der Beklagten nicht zu beanstanden ist. Trotz seiner Berufstätigkeit und der Anerkennung seiner russischen Ingenieursausbildung kann der Kläger, der erstmals im Alter von 40 Jahren in das Bundesgebiet eingereist ist und sich bis jetzt noch nicht drei Jahre hier aufhält, nicht als „faktischer Inländer“ angesehen werden. Bezüglich des Verpflichtungsantrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geht die Begründung des Zulassungsantrags nicht darauf ein, dass das Verwaltungsgericht schon die Passivlegitimation der Beklagten verneint hat, sondern weist lediglich darauf hin, dass er nunmehr (auch) an seinen neuen Wohnort Hamburg eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung beantragt habe. Im Hinblick auf den Vortrag, dass er in seinem Heimatland keine Existenz mehr habe, hat das Verwaltungsgericht bei der Prüfung einer besonderen Härte im Sinn des § 31 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu Recht darauf hingewiesen, dass derartige Schwierigkeiten nicht über das hinausgehen, was ein Ausländer beim Verlassen der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig hinzunehmen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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