Aktenzeichen 11 O 8/20
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.
Gründe
A)
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht München II aufgrund der Höhe der Klageforderung sachlich, aufgrund des Wohnsitzes des Klägers auch örtlich zuständig.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
1. Der Klagepartei stehen gegen die Beklagte im Zusammenhang mit dem Erwerb des streitgegenständlichen Pkw Schadensersatzansprüche bereits dem Grunde nach nicht zu.
Zwar folgt das Gericht grundsätzlich der Entscheidung des BGH vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, jedoch ist ein Anspruch auch unter Zugrundelegung der dortigen Rechtsauffassung nicht gegeben.
1.1. So ist bereits ein Mangel nicht hinreichend substantiiert dargelegt.
Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob das streitgegenständliche Fahrzeug mit den von der Klagepartei beschriebenen Funktionsweisen ausgestattet ist.
Das Gericht geht davon aus, dass hier die Behauptung einer Abschalteinrichtung nicht substantiiert bzw. „ins Blaue hinein“ erfolgt ist. Ein Rückruf für das konkrete Fahrzeug wurde vom KBA nicht angeordnet. Die Klagepartei nur allgemein zur Funktionsweise von 3,0 Liter Motoren vorgetragen, nicht jedoch zum streitgegenständlichen Motor.
Im Ergebnis ist die Behauptung der Abschalteinrichtung deshalb als unbeachtlich anzusehen (so auch OLG Stuttgart, Entscheidung vom 30.07.2019, 10 U 134/19).
1.2. Selbst wenn im Fahrzeug eine sonstige unzulässige Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung verbaut sein sollte, bestehen die behaupteten Ansprüche der Klagepartei nicht.
Soweit die Klagepartei behauptet hat, im Fahrzeug befinde sich eine unzulässige Abschalteinrichtung, mangelt es jedenfalls an einem deliktischen Schädigungsvorsatz.
Bei Abschalteinrichtungen, die vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeiten wie auf dem Prüfstand und bei denen Gesichtspunkte des Motor- respektive des Bauteilschutzes als Rechtfertigung ernsthaft angeführt werden könnten, kann es bei Fehlen von konkreten Anhaltspunkten nicht ohne weiteres unterstellt werden, dass die Handelnden bzw. Verantwortlichen in dem Bewusstsein gehandelt hätten, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden. Denn der Einschätzung im Hinblick auf ein sog. Thermofenster kann auch eine möglicherweise falsche, aber dennoch vertretbare Gesetzesauslegung zugrunde liegen, dass es sich um eine zulässige Abschalteinrichtung handele (OLG Frankfurt, Urteil vom 07. November 2019 – 6 U 119/18 -, Rn. 32, juris m.w.N. OLG München, Urteil v. 20.01.2020, Az. 21 U 5072/19 -, juris). Umstände, die das in Frage stellen würden, sind von der Klagepartei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
1.3. Auch eine Sittenwidrigkeit i.S.d. § 826 BGB ist nicht ersichtlich.
Eine Sittenwidrigkeit kommt nur dann in Betracht, wenn über die bloße Kenntnis von dem Einbau einer solchen Einrichtung hinaus zugleich auch Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass dies von Seiten des Herstellers in dem Bewusstsein geschah, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen, und dieser Verstoß billigend in Kauf genommen wurde (vgl. OLG Stuttgart, Entscheidung vom 30.07.2019, 10 U 134/19).
Ausführungen der Klagepartei hierzu sind nur rudimentär vorhanden.
Aufgrund der konträren Diskussionen zur Frage, ob hier unzulässige Abschalteinrichtungen vorliegen, ist die Beklagte, jedenfalls nicht ausschließbar, einer vertretbaren Rechtsauffassung gefolgt. Umstände, die das in Frage stellen würden, sind von der Klagepartei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Eine allgemeine Lebenserfahrung dahingehend, dass alle Hersteller von Dieselfahrzeugen bewusst manipuliert haben, gibt es nicht.
Der Entwicklung und der Einsatz der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) ist für sich genommen nicht ausreichend, um einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) zu begründen (vgl. BGH Beschluss vom 19.02.2021, VI ZR 433/19).
1.4. Damit kann dahingestellt bleiben, ob, woran das Gericht erhebliche Zweifel hegt, die Grundsätze der sekundären Darlegungs- und Beweislast, die vom BGH in der o.g. Entscheidung zum EA 189 aufgestellt wurden, sich auch auf jegliche andere Schäden an Fahrzeugen, die sich aus deren Entwicklung ergeben, übertragen lassen.
1.5. Im vorliegenden Fall handelt es sich auch um einen Motor, der von … entwickelt wurde.
Selbst wenn es hier zu anspruchsauslösenden Handlungen gekommen wäre, können diese nicht automatisch und ohne konkrete Darlegung der Beklagten zugerechnet werden.
2. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
B)
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.
C)
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
D)
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus der Höhe der bezifferten Klageforderung. Da die Nutzungsentschädigung nur im Rahmen der Zug-um-Zug-Abwicklung angeboten wurde, wirkt sich diese nicht streitwertreduzierend aus.