Aktenzeichen 4 HK O 21699/15
Leitsatz
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,-; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
den Ankauf von Kraftfahrzeugen unter Einräumung eines Rücktrittsrechts des Verkäufers vom Kaufvertrag bei gleichzeitigem Abschluss eines Mietvertrages mit diesem über das angekaufte Fahrzeug bis zur Ausübung des Rücktrittsrechts (Sale-and-Rent-Back) anzubieten.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.358,86 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11.2015 zu zahlen
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4 Das Urteil ist hinsichtlich Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 5.000,-, im übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Der Klägerin stehen der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 4 Nr. 11 UWG und die geltend gemachten Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG zu, da das von der Beklagten angebotene Vertragsmodell gegen § 34 Abs. 4 GewO verstößt und nach der Rechtsprechung des BGH § 34 Abs. 4 GewO i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln.
Im Einzelnen gilt folgendes:
1. Ob es sich bei der Firma, die in der Vergangenheit die sogenannte Weiterfahroption angeboten hat, um die direkte Rechtsnachfolgerin der Klägerin handelt und die Klägerin deshalb für deren Handeln verantwortlich ist, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn dies so sein sollte, wäre die Klage der Klägerin nicht rechtsmissbräuchlich.
Nach ständiger Rechtsprechung wird der Einwand der „unclean hands“ von Vornherein nicht zugelassen, wenn durch den Verstoß zugleich die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit berührt werden (BGH GRUR 1977, 494, 497 – DERMATEX). Eine solche Fallgestaltung ist hier gegeben mit der Folge, dass der Einwand der unclean hands dem Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht entgegen gehalten werden kann.
2. Wie der BGH in der Entscheidung vom 14.05.2007, Az. I ZR 179/07 bereits im Leitsatz dargelegt hat, richtet sich das Verbot des Rückkaufshandels in § 34 Abs. 4 GewO nicht nur an Pfandleiher, sondern an jedermann. Ob die Beklagte bei der von ihr angebotenen „Weiterfahroption“ als Pfandleiher, als Verkäufer oder lediglich als Vermittler handelt, ist daher unbeachtlich. Ausweislich der vorgelegten Anlagen A1 und A2 hat sie die mit dem Klageantrag angegriffenen Vertragsgestaltung angeboten mit der Folge, dass ein diesbezüglicher Unterlassungsanspruch gegen sie auch dann besteht, wenn sie bei der tatsächlichen Vertragsgestaltung lediglich Vermittler ist.
3. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Geschäftsmodell vom Verbot des § 34 Abs. 4 GewO erfasst ist, ist die wirtschaftliche Bedeutung des Geschäfts maßgeblich und daher zu prüfen, ob der Sache nach gewerbsmäßig durch Pfandrechte an bewegliche Sachen gesicherte Darlehen vergeben werden.
Das Verbot des § 34 Abs. 4 GewO erfasst alle vertraglichen Gestaltungen, bei denen der Verkaufer dem gewerblich handelnden Käufer das Eigentum an einer beweglichen Sache überträgt und er sich dieses durch Rückzahlung des Kaufpreises und Erbringung einer weiteren vertraglich vereinbarten Leistung als Entgelt für die Überlassung des Kapitals und/oder den Verwaltungsaufwand des Käufers wieder verschaffen kann, die über einen Nutzungsersatz (§§ 346, 347 BGB) hinausgeht (vgl. BGH a.a.O.).
Wendet man diese Rechtsprechung auf den hier vorliegenden Fall an, so liegt auch hier ein Verstoß gegen § 34 Abs. 4 GewO vor:
a. Dass die Beklagte dem Verkäufer kein Rückkaufsrecht sondern ein Rücktrittsrecht gewährt, ist nach der Rechtsprechung des BGH in der oben zitierten Entscheidung unbeachtlich.
b. Die Bestimmung des § 34 Abs. 4 GewO verbietet eine spezielle Form des Pfandleihgewerbes, die für das Publikum potenziell besonders nachteilig ist. Mit dem Verbot der Gewahrung eines Rückkaufsrechts soll verhindert werden, dass Rückkaufsgeschafte abgeschlossen werden, die es dem Käufer ermöglichen, nach Ablauf der Rückkaufsfrist frei, also ohne Bindung an die für Pfandleiher geltenden Verwertungsbedingungen, über die gekaufte Sache zu verfügen. Der Käufer soll nicht infolge der seinem freien Ermessen überlassenen Verwertung des Rückkaufsgegenstandes zu erheblichen Gewinnen auf Kosten des Verkäufers gelangen können, was die Vorschriften über das Pfandleihgewerbe gerade verhindern sollen (vgl. BGH a.a.O.).
Auch diese Konstellation ist im vorliegenden Fall gegeben. Dies ergibt sich ausweislich der Anlage A12 auch bereits aus der Differenz zwischen dem von der Beklagten geschätzten Wert des Fahrzeugs und der gewährten Kaufsumme. Sofern der Kunde und Verkäufer nicht von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch macht, gelangt das Fahrzeug zu einem erheblich verminderten Wert in das Eigentum des Verkäufers, ohne dass dieser bei der Verwertung an die Vorschriften des Pfandleihgewerbes gebunden ist.
c. Auch hinsichtlich der Frage, ob im Ergebnis eine weitere vertraglich vereinbarte Leistung als Entgelt für die Überlassung des Kapitals gezahlt werden muss, erfüllt die von der Beklagten gewählte Vertragsgestaltung die Voraussetzungen an eine durch § 34 Abs. 4 GewO verbotenen Rückkaufshandel.
Zum einen zahlt der Kunde der Beklagten während der Vertragslaufzeit nicht lediglich ein Nutzungsentgelt sondern einen nicht unerheblichen täglichen Mietpreis (im Testkauffall € 474,- pro Monat). Dies entspricht nicht dem reinen Nutzungsausfall, von dem § 346, 347 BGB ausgeht, sondern ist eine Fahrzeugmiete, die immer auch einen Gewinn beinhaltet.
Zum anderen trägt der Kunde darüber hinaus während der Vertragslaufzeit die Versicherungs- und Zulassungkosten und den am Fahrzeug in dieser Zeit entstehenden Wertverlust. Denn da der Verkaufspreis und der Rückkaufspreis identisch sind, das Fahrzeug aber je nach Laufzeit des Vertrages einen nicht unerheblichen Wertverlust erfährt, zahlt der Kunde nicht lediglich einen Ersatz für die Nutzung des Fahrzeugs. Es trifft ihn zusätzlich die Vermögenseinbuße aufgrund des eingetretenen Wertverlustes des Fahrzeugs.
4. Der Einwand der Verwirkung greift schon deshalb nicht, weil allein aus der Tatsache, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin das angegriffene Modell selbst angeboten hat, nicht geschlossen werden kann, dass sie davon Kenntnis hatte, dass die Beklagte ein ähnliches Modell anbietet.
5. …
6. Auch eine Aussetzung konnte nicht erfolgen, da eine mögliche verwaltungsgerichtliche Entscheidung keine Rechtskraftwirkung hinsichtlich des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs entfaltet mit der Folge, dass keine Vorgreiflichkeit i.S.v. § 148 ZPO besteht.
7. …
8. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 ZPO.