IT- und Medienrecht

Kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung bzw. Prospekthaftung

Aktenzeichen  22 O 19018/17

Datum:
8.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 53949
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 130a Abs. 4, § 138 Abs. 1, Abs. 2, § 273 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 278, § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 21.09.2018 wird aufrechterhalten.
2. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur fortgesetzt werden, wenn diese Sicherheit geleistet ist.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 40.220,20 € festgesetzt.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagten keine Schadensersatzansprüche aus § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen fehlerhafter Anlageberatung bzw. Prospekthaftung im weiteren Sinne zu, da es schon an einer substantiierten, schlüssigen Darstellung des den behaupteten Ansprüchen zugrundeliegenden Sachverhaltes mangelt.
1. Dem Kläger obliegt es im Rahmen seiner primären Darlegungslast, jene tatsächlichen Umstände vorzutragen, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ergeben, § 138 Abs. 1 ZPO (vgl. Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 138 Rn. 7b m.w.N.). Erst wenn dem Genüge getan ist, trifft den Gegner die Erklärungslast gemäß § 138 As. 2 ZPO, die im Bestehen und Umfang davon abhängig ist, wie die darlegungspflichtige Partei vorgetragen hat (a.a.O., Rn. 8 m.w.N.).
2. Die gegen die Beklagten vorliegend geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung bzw. Anlagevermittlung und aus Prospekthaftung im weiteren Sinne setzen zumindest einen schlüssigen klägerischen Sachvortrag zu den Umständen des Erwerbs der streitgegenständlichen Beteiligung voraus.
Hierbei gehört es zu den Mindestanforderungen an die Darstellung des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts, mit welchen für die Beklagte zu 1) als Erfüllungsgehilfen gemäß § 278 BGB handelnden Personen der Kläger im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Beteiligungserwerb überhaupt Kontakt gehabt hat.
Zwar dürfen an die Substantiierung keine überspannten Anforderungen gestellt werden. So hat die darlegungspflichtige Partei den Lebensvorgang nicht von vornherein in allen Einzelheiten darzustellen (vgl. Zölle, a.a.O., Rn. 7b m.w.N.).
3. Vorliegend bedarf es jedoch zur Individualisierung der Vorgänge, auf die der Kläger seine Klage stützt, jedenfalls der Angabe der handelnden Bankmitarbeiter.
3.1. Denn zum einen handelt es sich bei der Beklagten um eine deutsche Großbank, die in ihren zahlreichen Filialen und Abteilungen eine Vielzahl von Kundenbetreuern beschäftigt, sowohl sog. „Generalisten“ als auch auf bestimmte Anlageprodukte spezialisierte sog. „Spezialisten“, die im Übrigen auch der normalen Mitarbeiterfluktuation in einem Unternehmen unterliegen, sodass nicht ohne Weiteres vom Wohnort eines Bankkunden auf den ihm gegenüber im Einzelfall handelnden Bankmitarbeiter geschlossen werden kann.
Zum anderen handelt es sich im konkreten Fall bei dem Kläger um einen Anleger, der unbestritten über mehrere Jahre hinweg nicht nur zahlreiche Fondsbeteiligungen gezeichnet hat, sondern auch breit gestreute Investments in Aktienfonds, Rohstofffonds und Zertifikaten, Börsentermingeschäften und Optionsscheinen hielt, sodass er eine Vielzahl von unterschiedlichen Erwerbsvorgängen tätigte.
Vor diesem Hintergrund obliegt es dem Kläger, den streitgegenständlichen Erwerb von anderen, ähnlichen Vorgängen durch fest umrissenen, konkreten und anschaulichen Sachvortrag klar abzugrenzen.
Der Umstand, dass der Kläger unbestritten seine Beteiligung an der „…“ über die Beklagte zu 1) erworben hat, reicht jedenfalls zur Darstellung des Lebenssachverhaltes nicht aus, da der Kläger seine Schadensersatzansprüche ja nicht an den Erwerbsvorgang als solchen, sondern an die fehlerhafte Anlageberatung der Beklagten zu 1) knüpft.
3.2. Derjenige, der Schadensersatz wegen einer fehlerhaften Beratung geltend macht, trägt aber dafür die Darlegungs- und Beweislast (st. Rspr., vgl. BGH XI ZR 174/99, BGH XI ZR 264/08 m.w.N.). Dies ist dem Kläger vorliegend auch grundsätzlich möglich, da er selbst in dem von ihm darzulegenden Geschehensablauf stand und somit nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen haben muss.
Dem ist die Klagepartei indes vorliegend nicht nachgekommen. Denn sie hat – sich mehrfach selbst widersprechend – vorgetragen, ohne sich festzulegen, wobei sie zwischen verschiedenen Versionen schwankt. Während sie erst in der Klageschrift behauptete, am 02.04.2009 habe ein Beratungsgespräch des Klägers mit dem Mitarbeiter der Beklagten zu 1) … in der Filiale … stattgefunden, ließ sich der Kläger persönlich in seiner formlosen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung überraschend dahingehend ein, Herr … von der Beklagten zu 1) sei aus … zu ihm nach … gekommen, um ihm die Anlage zu erklären. Frau … habe gar definitiv nichts mit der Fondsberatung zu tun gehabt. Herr … habe den Zeichnungsschein unterschrieben, sei mit der Beratung jedoch ebenfalls eindeutig nicht befasst gewesen. Die Klageseite hat hierbei zu Protokoll nehmen lassen, dies sei dem Kläger erst ein paar Tagen zuvor eingefallen.
Die Klageseite ließ es dann aber nicht etwa bei dieser zweiten Variante bewenden und blieb dabei, sondern hat im selben Termin wenig später protokollieren lassen, der Kläger könne sich nicht genau erinnern, wann er welche Anlagen mit welchem Mitarbeiter der Beklagten zu 1) besprochen habe.
Im Einspruchsschriftsatz ließ der Kläger schließlich vortragen, nachdem er Herrn …, den er vor dem Gerichtssaal auf dem Flur gesehen gehabt habe, nunmehr ausschließen könne, müsse er von Herrn … beraten worden, den er im Internet anhand eines Fotos erkannt habe. Ob Frau … bei dem Gespräch dabei gewesen sei, wisse der Kläger nicht mehr sicher.
Diese sprunghaften Einlassungen lassen nach Auffassung des Gerichts nur den Schluss zu, dass der Kläger die Umstände der streitgegenständlichen Beteiligung, wie er selbst zwischenzeitlich auch zugegeben hatte, eigentlich gar nicht mehr erinnert, sondern – zunächst anhand der auf Seite 3 des Zeichnungsscheins als Ansprechpartner für Rückfragen genannten Personen und des dort ausgewiesenen Datums, später dann u.U. anhand von Lichtbildern im Internet – nur Schlussfolgerungen für seinen Sachvortrag zog. Hierbei handelt es sich aber dann nicht um Tatsachenvortrag i.S.d. § 273 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO, also um die bestimmte Angabe des Grundes des erhobenen Anspruchs, sondern um Spekulationen.
3.3. Zwar sind im Rahmen des Grundsatzes, dass derjenige, der Schadensersatz wegen einer fehlerhaften Beratung geltend macht, dafür die Darlegungs- und Beweislast trägt, auch die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zu beachten (BGH a.a.O.). Diese kommen jedoch nur hinsichtlich solcher Umstände zum Tragen, die zum dem dem Einblick der darlegungspflichtigen Partei entzogenen Bereich des Prozessgegners gehören, da ihr sonst erhebliche Beweisprobleme entstehen würden. Im Grundsatz ist nach der Rechtsprechung des BGH daran festzuhalten, dass keine Partei verpflichtet ist, dem Gegner die für den Prozesssieg benötigten Informationen zu verschaffen. Lediglich im Einzelfall ist zu prüfen, ob es dem Prozessgegner, der im Gegensatz zu dem außerhalb des maßgeblichen Geschehensablaufs stehenden Darlegungspflichtigen die wesentlichen Tatsachen kennt, im Rahmen seiner Erklärungslast nach § 138 II ZPO ausnahmsweise zuzumuten ist, dem Beweispflichtigen eine prozessordnungsgemäße Darlegung durch nähere Angaben über die betreffenden, zu seinem Wahrnehmungsbereich gehörenden Verhältnisse zu ermöglichen (vgl. Zöller, ZPO, 32. Aufl., Vorb. zu § 284, Rn. 34 m.w.N.; § 138 Rn. 8, 8a),).
Im vorliegenden Fall ist es nicht Sache der Beklagten, den Vortrag der Klagepartei zu ergänzen denn der Kläger kennt die wesentlichen Umstände seiner Beteiligung am streitgegenständlichen Fonds, da er selbst unmittelbar beraten wurde. Dass er sie zwischenzeitlich, nachdem nunmehr fast 10 Jahre seit der streitgegenständlichen Beteiligung verstrichen sind, nicht mehr genau erinnern mag, liegt im seinen eigenen Risikobereich und führt nicht zur sekundären Darlegungslast der Beklagtenpartei.
3.4. Damit ist der Sachvortrag der Beklagten zu 1) in der Klageerwiderung, wonach der Kläger vor der streitgegenständlichen Zeichnung am 29.01.2009 ein eingehendes Beratungsgespräch mit seiner allgemeinen Betreuerin Frau … geführt habe, zu dem Herr … als zusätzlicher Spezialist hinzugezogen worden sei, nicht zu berücksichtigen.
Anders als die Klagepartei meint, ist dadurch der klägerische Vortrag auch nicht etwa unstreitig gestellt, da die Klageseite ja zuletzt eine Beratung durch Frau … und Herrn … gerade ausgeschlossen hat.
4. Obwohl es mit Blick auf die mangelnde Substantiierung des klägerischen Sachvortrag eigentlich nicht mehr darauf ankommt, hat auch die Einvernahme der klägerseits benannten Zeugen … die letzte Version des Klägers, von diesem beraten worden zu sein, nicht bestätigt. Der Zeuge, der im Jahre 2012 bei der Beklagten zu 1) ausgeschieden ist, gab glaubhaft an, im Zeichnungsjahr als Leiter der Wertpapierabteilung der Beklagten in … tätig gewesen zu sein. Der Name … sage ihm nichts. Er habe keine eigenen Kunden bzw. nur sehr wenige gehabt; der Kläger habe jedenfalls nicht dazu gehört. Er erinnere sich auch nicht, von seinem Mitarbeiter, Herrn … oder von Frau … zu einer Beratung des Klägers hinzugezogen worden zu sein.
Damit war die Klage bereits wegen fehlender Substantiierung abzuweisen.
II. Kosten: §§ 91 ZPO.
III. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 S. 1, 2, 3 ZPO.

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