Arbeitsrecht

Kein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats bei Organisation des Arbeitsschutzes

Aktenzeichen  3 BV 20/18

Datum:
28.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 59464
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ArbSchG § 3 Abs. 2, § 13 Abs. 2
BetrVG § 50 Abs. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 7

 

Leitsatz

Der Gesamtbetriebsrat ist nach § 50 Abs. 1 BetrVG für die Behandlung von Angelegenheiten zuständig, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Der Abschluss und die Umsetzung von Betriebsvereinbarungen zu Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung erfolgt jedoch im einzelnen Betrieb (vgl. BAG NZA 2005, 227). (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Beteiligte zu 2) ist ein Unternehmen der Versicherungsbranche, das in seiner Zentrale in A-Stadt ca. 5.000 Mitarbeiter beschäftigt. Weitere etwa 3.500 Beschäftigte sind in 38 Betrieben tätig, die in fünf Direktionsbereiche (Nord, Mitte, Süd, Süd-West und West) aufgeteilt sind. Für diese Außenstellen sind in ihrem jeweiligen Direktionsbereich fünf Direktionsbeauftragte Vertrieb zuständig. Von den Außenstellen organisatorisch getrennt sind acht dezentrale Kundenbetreuungsstandorte, für die jeweils ein Bereichsleiter Kundenbetreuung verantwortlich ist. Der Antragsteller ist der bei der Beteiligten zu 2) eingerichtete Gesamtbetriebsrat.
Die Beteiligte zu 2) beauftragte die Direktionsbeauftragten sowie die Bereichsleiter Kundenbetreuung unter Bezugnahme auf § 13 Abs. 2 ArbSchG mit der Wahrnehmung von Aufgaben. Die Beteiligte zu 2) informierte den Antragsteller auf dessen Anfrage hierüber mit einer Präsentation vom 20.01.2015 unter der Überschrift „Organisation des betrieblichen Arbeitsschutz“ (vgl. Bl. 12 ff. d.A.). Hierin wird zur Beauftragung unter der Überschrift „Auszug aus dem Beauftragungsschreiben“ (vgl. Bl. 17 f. d.A.) ausgeführt:
„Die Beauftragten haben Sorge zu tragen, dass
– die für den Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen (z.B. GFB, Unterweisung) abgeschlossen und umgesetzt werden,
– die jährlichen sicherheitstechnischen Begehungen durchgeführt werden,
– die ASA – Sitzungen regelmäßig stattfinden,
– notwendige Arbeitsschutzmittel zur Verfügung gestellt, regelmäßig auf Funktionsfähigkeit überprüft und diese entsprechend den Weisungen von den Mitarbeitern verwendet werden,
– bei festgestellten Mängeln entsprechende Informationen und mögliche Maßnahmen zu deren Beseitigung unverzüglich an die im Unternehmen zuständigen Stelle gegeben werden und deren Umsetzung nachgehalten wird,
– Beschäftigungsbeschränkungen (Behinderte, Jugendliche, werdende Mütter) eingehalten werden,
– eine wirksame Erste Hilfe sichergestellt wird, Ersthelfer bestellt sind und für eine regelmäßige Aus- und Fortbildung der Ersthelfer gesorgt wird,
– Brandschutzhelfer und Sicherheitsbeauftragte in der gesetzlich vorgeschriebenen Anzahl bestellt sind und für deren regelmäßige Aus- und Fortbildung gesorgt wird,
– im Rahmen des Arbeitsschutzes verbindliche Weisungen gegenüber dem/der ihm/ihr unterstellten Mitarbeitern zu erteilen,
– im Rahmen des Arbeitsschutzes verbindliche Weisungen gegenüber Mitarbeitern aus anderen Bereichen erteilt werden, sofern gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen wird,
– notwendige Anschaffungen (z.B. Schutzausrüstung) bis zu einem Wert von Betrag 7.500 € je Vorgang getätigt werden. Sofern Anschaffungen über die o.g. Summe hinaus notwendig sind, ist unverzüglich der zuständige Vorstand zu informieren, der dann die entsprechende Entscheidung zu treffen hat.“
Die Präsentation enthält darüber hinaus eine Darstellung der „Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes für dezentrale Standorte“, welche unter den nach § 13 Abs. 2 ArbSchG beauftragten Direktionsbeauftragten und Bereichsleitern Kundenbetreuung bei der Abteilung Betriebsorganisation (BO) u.a. die Stichworte „Durchführung GFB“, „Schulung Unterweiser“ sowie „Koordination gesicherter arbeitsw. Erkenntnisse“ aufweist. Bei der Personalabteilung (PA) weist die Darstellung u.a. die Stichworte „BEM (PA23)“ und „Gesundheitsmanagement“ auf. Wegen ihrer weiteren Einzelheiten wird auf die Darstellung vom 20.01.2015 (vgl. Bl. 14 d.A.) Bezug genommen.
Ein durch den Antragsteller eingeleitetes Einigungsstelleneinsetzungsverfahren mit dem Ziel der Einsetzung einer Einigungsstelle zur Regelung einer geeigneten Organisation des Gesundheitsschutzes gem. § 3 Abs. 2 ArbSchG mit näher benannten Regelungsgegenständen, z.B. einer unternehmensbezogenen Aufbauorganisation des betriebsübergreifenden Arbeitsschutzes oder überbetrieblicher ablauforganisatorischer Prozesse blieb ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht Bamberg – Kammer Coburg – wies die Anträge mit Beschluss vom 20.10.2017 zurück (Az. 3 BV 12/17). Seine hiergegen gerichtete Beschwerde nahm der Antragsteller vor dem Landesarbeitsgericht Nürnberg am 10.01.2018 (Az. 2 TaBV 58/17) zurück.
Mit seinem am 08.11.2018 beim Arbeitsgericht Bamberg – Kammer Coburg – eingegangenen Antrag vom 07.11.2018 begehrt der Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Antragsfassung im Schriftsatz vom 29.03.2019 die Feststellung eines Mitbestimmungsrechtes des Gesamtbetriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 2 ArbSchG bei der Beauftragung der Direktionsbeauftragten mit Aufgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gemäß Organisationsbeschreibung vom 20.01.2015, bei der Beauftragung der Bereichsleiter für die acht Kundenbetreuungscenter mit Aufgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gemäß Organisationsbeschreibung vom 20.01.2015, bei der Beauftragung der Abteilung Betriebsorganisation (BO) mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilungen, der Schulung der Untersucher und der Unterweiser sowie der Koordination gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse sowie bei der Beauftragung der Personalabteilung mit den Aufgaben der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements und des Gesundheitsmanagements in sämtlichen Betrieben der Beteiligten zu 2).
Der Antragsteller vertritt die Auffassung, die Beteiligte zu 2) habe mit der Bestellung der Direktionsbeauftragten Vertrieb und der Übertragung von Aufgaben des Arbeitsschutzes auf diese und die Bereichsleiter Kundenbetreuung eine Aufbau- und Ablauforganisation zum betriebsübergreifenden Gesundheitsschutz geschaffen. Nachdem diese ihre Aufgaben betriebsübergreifend durchführten, sei eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates gegeben. Zwar mögen die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG im Regelfall den örtlichen Betriebsräten zustehen. Aufgrund der bestehenden Unternehmensstrukturen müsse aber auch eine geeignete Organisation nach § 3 Abs. 2 ArbSchG den Umstand berücksichtigen, dass die Arbeitsmittel im Unternehmen zentral beschafft werden und die Frage der ergonomischen Gestaltung von Arbeitsmitteln bzw. die Organisation entsprechender Ablaufprozesse auch zentral erfolgen müsse. Für die örtlichen Betriebsräte seien Regelungen nach der vorgegebenen Unternehmensstruktur auch subjektiv unmöglich, da es nur schwer vorstellbar sei, dass ein Unternehmen 38 Arbeitsschutzorganisationen vorhalte, und die Betriebsleiter bei Fragen des Arbeitsschutzes wie beispielsweise der Beschaffung von Arbeitsmitteln keine Fach- und Entscheidungskompetenzen besäßen. Zudem sei Arbeitsschutz untrennbarer Bestandteil der Führungsaufgabe, sodass sich organisatorische Vorkehrungen an den Unternehmensstrukturen und maßgeblichen Entscheidungsträgern orientieren müssten.
Die Beteiligte zu 2) habe auch die Organisationsentscheidung getroffen, die Abteilung Betriebsorganisation mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung, der Schulung der Untersucher und der Unterweiser sowie der Koordination arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse für sämtliche Betriebe zu beauftragen. Auch die Personalabteilung nehme eine betriebsübergreifende Aufgabe im Gesundheitsschutz wahr. Sämtliche von der Beteiligten zu 2) getroffenen Entscheidungen entsprächen ihrer zentralen Organisationsstruktur und seien deshalb geeignete Organisationsentscheidungen i. S. d. § 3 Abs. 2 ArbSchG, verbunden nach Auffassung des Antragstellers mit einer Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats nach § 50 Abs. 1 BetrVG. An der Organisationsentscheidung des Arbeitgebers, die Aufbau- und Ablauforganisation des Gesundheitsschutzes überbetrieblich zu regeln, müsse sich auch die Ausübung von Mitbestimmungsrechten orientieren.
Der Antragsteller beantragt,
1.festzustellen, dass die Beauftragung der 5 Direktionsbeauftragten Vertrieb mit Aufgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gem. Organisationsbeschreibung des betrieblichen Arbeitsschutzes vom 20.01.2015 der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ArbSchG unterliegt;
2.weiterhin festzustellen, dass die Beauftragung der 8 Bereichsleiter für die 8 Kundenbetreuungscenter mit Aufgaben des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gem. Organisationsbeschreibung des betrieblichen Arbeitsschutzes vom 20.01.2015 der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ArbSchG unterliegt.
3.festzustellen, dass die Beauftragung der Abteilung Betriebsorganisation (BO) mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilungen, der Schulung der Untersucher und der Unterweiser sowie der Koordination gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse, für sämtliche Betriebe der Beteiligten zu 2. der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ArbSchG unterliegt;
4.festzustellen, dass die Beauftragung der Personalabteilung mit den Aufgaben der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements und des Gesundheitsmanagements in sämtlichen Betrieben der Beteiligten zu 2. der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 ArbSchG unterliegt.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Beteiligte zu 2) hält die Anträge sowohl für unzulässig als auch für unbegründet. Die Unzulässigkeit und Unbegründetheit folge bereits aus entgegenstehender Rechtskraft, nachdem das Gericht bereits im Verfahren 3 BV 12/17 entschieden habe, dass hinsichtlich der Regelung einer Organisation des Gesundheitsschutzes nach § 3 Abs. 2 ArbSchG i.V.m. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht komme. Die Anträge seien darüber hinaus, auch in der Fassung der Anträge zu 1) und 2) aus dem Schriftsatz vom 29.03.2019, nicht hinreichend bestimmt.
Sämtliche Anträge seien zudem unbegründet. Die sich aus § 3 Abs. 2 ArbSchG ergebenden Regelungsbereiche bezögen sich nach dem Wortlaut auf die in § 3 Abs. 1 ArbSchG genannten Maßnahmen, die ihrerseits zumindest konkrete Gefährdungen im Betrieb voraussetzten. Es gehe damit zwangsläufig um die Verhältnisse vor Ort und damit um die Zuständigkeit der örtlichen Betriebsräte. Es gehe gerade nicht um die Schaffung überbetrieblicher Regelungen, die zwingend nur betriebsübergreifend getroffen werden könnten. Wenn und soweit die Wahrnehmung dieser Aufgaben auf Arbeitgeberseite durch eine unternehmensbezogene Aufbauorganisation in Form von Stabsstellen erfolge, ändere dies nichts an der zwingenden Zuständigkeitsverteilung. Die Beteiligte zu 2) habe die Direktionsbeauftragten sowie die Bereichsleiter der Kundenbetreuungscenter unter Bezugnahme auf § 13 Abs. 2 ArbSchG mit der Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Arbeitsschutzes beauftragt. Hierdurch würden sowohl haftungsrechtliche Sachverhalte klar geregelt als auch einem standortübergreifenden Koordinierungsinteresse Rechnung getragen, welches jedoch nicht zu einer Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates führe.
Zu den Themen betriebliches Eingliederungsmanagement, Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung nach § 12 ArbSchG habe die Beteiligte zu 2) mit den jeweiligen örtlichen Betriebsräten örtliche Vereinbarungen getroffen, auch für die Themen Sicherheitsfachkraft, Betriebsarzt, Ersthelfer usw. gebe es örtliche Regelungen. Die Beteiligte zu 2) habe auch an allen Standorten Gefährdungsbeurteilungen durchgeführt, es seien für alle 38 Standorte bis auf Duisburg Regelungen vorhanden. Auch wenn die Personalabteilung mit Aufgaben der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements und des Gesundheitsschutzes beauftragt sei, führe dies nicht zu einer originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
II.
Die Anträge sind zulässig, aber unbegründet, sodass sie zurückzuweisen waren.
1. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen im Beschlussverfahren folgt aus § 2a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ArbGG. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Bamberg – Kammer Coburg – beruht auf § 82 Abs. 1 Satz 2 ArbGG.
Für die Anträge sind sowohl ein Rechtsschutzinteresse als auch das erforderliche Feststellungsinteresse geben, sie sind zudem auch hinreichend bestimmt.
a) Das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers ist nicht durch die rechtskräftige Zurückweisung seiner Anträge im vor dem Arbeitsgericht Bamberg – Kammer Coburg – geführten Einigungsstelleneinsetzungsverfahren 3 BV 12/17 entfallen. Im Einigungsstelleneinsetzungsverfahren wird schon nicht für die Betriebspartner verbindlich entschieden, ob das in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht besteht oder nicht. Streitgegenstand des Einigungsstelleneinsetzungsverfahrens ist allein die Errichtung der Einigungsstelle durch Benennung des Vorsitzenden und gegebenenfalls Bestimmung der Zahl der Beisitzer. Eine auf die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle gestützte zurückweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts führt lediglich dazu, dass der dortige Antragsteller von dem durch ihn in Anspruch genommenen Mitbestimmungsrecht so lange keinen Gebrauch machen kann, bis die Frage des Bestehens dieses Mitbestimmungsrechts verbindlich zu seinen Gunsten entschieden ist (vgl. BAG, Beschluss vom 25.04.1989, Az. 1 ABR 91/87 – juris).
b) Nach § 256 Abs. 1 ZPO bedarf es für ein wie hier vorliegendes Feststellungsbegehren eines besonderen rechtlichen Interesses, dass das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses gerichtlich festgestellt wird. Ein wie hier bestehender Streit darüber, ob der Antragsteller in einer bestimmten Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht hat, kann mit einem Feststellungsantrag zur gerichtlichen Entscheidung gestellt werden, wenn ein Konflikt dieses Inhalts aktuell besteht oder aufgrund der betrieblichen Verhältnisse jederzeit entstehen kann (vgl. BAG, Beschluss vom 17.03.2015, Az. 1 ABR 49/13 – juris). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, nachdem die Beteiligte zu 2) das durch den Antragsteller jeweils für sich in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht in Abrede stellt.
c) Die Anträge sind schließlich auch hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Antragsteller eines Beschlussverfahrens muss entweder die Maßnahme des Arbeitgebers oder die betriebliche Angelegenheit, hinsichtlich derer ein Mitbestimmungsrecht streitig ist, so genau bezeichnen, dass mit der Entscheidung über den Antrag feststeht, für welche betrieblichen Angelegenheiten das Mitbestimmungsrecht bejaht oder verneint worden ist (vgl. BAG, Beschluss vom 23.10.2018, Az. 1 ABR 18/17; BAG, Beschluss vom 18.03.2014, Az. Az. 1 ABR 73/12; BAG, Beschluss vom 18.08.2009, Az. 1 ABR 45/08 – alle juris). Im Zusammenhang mit einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ist aufgrund der besonderen Struktur des Mitbestimmungsrechts in der Regel ein konkretes Regelungsverlangen des Betriebsrats erforderlich (vgl. BAG, Beschluss vom 18.08.2009, Az. 1 ABR 45/08 – juris). Diesen Anforderungen werden die hier gestellten Anträge gerecht. Mit den Anträgen zu 1) und 2) nimmt der Antragsteller ein Mitbestimmungsrecht bei der Beauftragung der Direktionsbeauftragten sowie der Bereichsleiter für die Kundenbetreuungscenter gemäß der Beschreibung vom 20.01.2015 in Anspruch, sodass unter Berücksichtigung der dortigen Wiedergabe der Beauftragung, die auch der Antragsteller in seine Antragsbegründung übernommen hat, klar ist, für die Beauftragung mit welchen Aufgaben der Antragsteller sein Mitbestimmungsrecht feststellen lassen möchte. Auch die Anträge zu 3) und 4) sind hinreichend bestimmt. Der Antragsteller hat in der Anhörung am 28.05.2019 klargestellt, dass er von einer tatsächlichen Beauftragung der Abteilung Betriebsorganisation und der Personalabteilung mit den in seinen Anträgen benannten Aufgaben für sämtliche Betriebe der Beteiligten zu 2) ausgeht. Seine Anträge zu 3) und 4) sind damit so zu verstehen, dass er für sich ein Mitbestimmungsrecht bei der jeweiligen Beauftragung mit diesen Aufgaben, d.h. beispielsweise bei der Beauftragung mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung in Anspruch nimmt. Ob ihm diese in Anspruch in genommenen Mitbestimmungsrechte zustehen, ist Frage der Begründetheit der Anträge. Der Antragsteller begehrt auch nicht die Feststellung seines Mitbestimmungsrechts allgemein bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung oder des betrieblichen Eingliederungsmanagements, sondern gerade bei der Beauftragung der Abteilung Betriebsorganisation bzw. der Personalabteilung mit den entsprechenden Aufgaben.
2. Die Anträge sind jedoch sämtlich unbegründet, sodass sie zurückzuweisen waren.
a) Ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 2 ArbSchG bei der durch die Beteiligte zu 2) unter Bezugnahme auf § 13 Abs. 2 ArbSchG vorgenommenen Beauftragung der Direktionsbeauftragten sowie der Bereichsleiter für die Kundenbetreuungscenter entsprechend der Beschreibung vom 20.01.2015 besteht nicht, sodass die Anträge zu 1) und 2) zurückzuweisen waren.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei Regelungen über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht besteht und wegen des Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das gesetzlich vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen (vgl. BAG, Beschluss vom 18.03.2014, Az. 1 ABR 73/12; BAG, Beschluss vom 08.06.2004, Az. 1 ABR 4/03; LAG B-Stadt, Beschluss vom 14.06.2016, Az. 2 TaBV 2/16 – juris). Bei der Übertragung von Aufgaben auf Mitarbeiter oder Dritte nach § 13 Abs. 2 ArbSchG ist danach zu unterscheiden, ob der Arbeitgeber lediglich eine Einzelmaßnahme vornimmt, die ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG gerade nicht auslöst, oder ob er eine Organisationsentscheidung trifft. Schafft der Arbeitgeber mit der Übertragung von Aufgaben eine Aufbau- und Ablauforganisation zum Gesundheitsschutz i.S.d. § 3 Abs. 2 ArbSchG, so besteht ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG (vgl. BAG, Beschluss vom 18.03.2014, Az. 1 ABR 73/12 – juris).
Für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die in der Information vom 20.01.2015 beschriebene Beauftragung der Direktionsbeauftragten oder der Bereichsleiter für die Kundenbetreuungscenter insgesamt oder in einzelnen erfassten Aufgaben eine an sich ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auslösende Schaffung einer Aufbau- und Ablauforganisation zum Gesundheitsschutz i.S.d § 3 Abs. 2 ArbSchG darstellt. Ein solches Mitbestimmungsrecht könnte jedenfalls nicht der Antragsteller für sich in Anspruch nehmen, es stünde vielmehr dem jeweiligen örtlichen Betriebsrat zu.
Der Gesamtbetriebsrat ist nach § 50 Abs. 1 BetrVG für die Behandlung von Angelegenheiten zuständig, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Ein solcher Fall liegt bei der in der Information vom 20.01.2015 beschriebenen Beauftragung der Direktionsbeauftragten oder der Bereichsleiter für die Kundenbetreuungscenter nicht vor.
Mit der Beauftragung werden sämtlich Aufgaben übertragen, die bezogen auf jeden einzelnen Betrieb erledigt werden können. Der Abschluss und die Umsetzung von Betriebsvereinbarungen zu Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung erfolgt im einzelnen Betrieb (vgl. BAG, Beschluss vom 08.06.2004, Az. 1 ABR 4/03 – juris). Sicherheitstechnische Begehungen erfolgen vor Ort. Der Arbeitsschutzausschuss ist nach § 11 ASiG im Betrieb zu bilden. Welche Arbeitsschutzmittel notwendig sind, kann sich allein unter Berücksichtigung der im Betrieb zunächst festzustellenden Gefährdungen (vgl. BAG, Beschluss vom 28.03.2017, Az. 1 ABR 25/15 – juris) ergeben. Auch Mängel werden im Betrieb festgestellt und sollen nach der Beauftragung ohnehin nur an die in der Beauftragung selbst nicht bestimmte zuständige Stelle weitergegeben werden. Die Einhaltung von Beschäftigungsbeschränkungen ist sowohl jeweils auf bestimmte Mitarbeiter bezogen als auch teilweise, beispielsweise bei Beschäftigungsverboten, von konkreten betrieblichen Bedingungen abhängig. In jedem Betrieb müssen Ersthelfer und Brandschutzbeauftragte in genügender Zahl bestellt und aus- oder fortgebildet sein, bei Anzahl, Ausbildung und Ausrüstung sind die Zahl der Beschäftigten und die besonderen Gefahren, die wiederum von örtlichen Gegebenheiten abhängig sind, zu berücksichtigen, § 10 ArbSchG. Weisungen können im Betrieb erfolgen und müssen ohnehin die betrieblichen Besonderheiten berücksichtigen. Welche Anschaffungen nötig sind, kann sich wiederum allein unter Berücksichtigung der im Betrieb zunächst festzustellenden Gefährdungen (vgl. BAG, Beschluss vom 28.03.2017, Az. 1 ABR 25/15 – juris) ergeben. Zwingend betriebsübergreifende Aufgaben der Direktionsbeauftragten oder der Bereichsleiter der Kundenbetreuungscenter ergeben sich aus der Information vom 20.01.2015 nicht. Vielmehr ergibt sich die Bezogenheit der Beauftragung auf den einzelnen Betrieb auch aus dem Hinweis der Beteiligten zu 2) in der Präsentation vom 20.01.2015, die Direktionsbeauftragten seien „Leiter des Betriebs“ i.S.d. ASiG (vgl. Bl. 19 d.A.). Die Beauftragung der Direktionsbeauftragten oder der Bereichsleiter für die Kundenbetreuungscenter nach der Information vom 20.01.2015 stellt damit schon keine betriebsübergreifende Regelung dar, die nicht mit den jeweiligen örtlichen Betriebsräten vereinbart werden könnte.
Der Umstand, dass sich die Anzahl der Direktionsbeauftragten und die Anzahl der von diesen zu betreuenden Betriebe nicht entsprechen, macht die Beauftragung nicht zu einer betriebsübergreifenden Regelung. Die Direktionsbeauftragten werden im Ergebnis lediglich für mehrere einzelne Betriebe beauftragt. Sofern und soweit die Beauftragung ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auslösen würde, wäre die Beauftragung für den jeweiligen Betrieb mit dem örtlichen Betriebsrat zu vereinbaren. Ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung (vgl. Fitting, 29. Auflage, § 50 Rn. 21), die in der hier vom Antrag erfassten Beauftragung schon nicht vorliegt, wäre auch nicht zu erkennen.
Weder Zweckmäßigkeitserwägungen noch der Wunsch nach unternehmenseinheitlichen Regelungen (vgl. Fitting, 29. Auflage, § 50 Rn. 23) können die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats begründen. Auch eine etwaige Konzentration von Entscheidungskompetenzen bei der Unternehmensleitung ließe beim Eingreifen von Mitbestimmungsrechten die Zuständigkeit des einzelnen örtlichen Betriebsrats unberührt (vgl. Fitting, 29. Auflage, § 50 Rn. 27).
b) Auch ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 2 ArbSchG bei der Beauftragung der Abteilung Betriebsorganisation (BO) mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilungen, der Schulung der Untersucher und der Unterweiser sowie der Koordination gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse für sämtliche Betriebe der Beteiligten zu 2. besteht nicht, sodass der Antrag zu 3) zurückzuweisen war.
Auch hier ist jedenfalls ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats nicht zu erkennen. Eine Beauftragung der Abteilung Betriebsorganisation (BO) mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilungen sowie der Schulung der Untersucher und der Unterweiser stellt jedenfalls keine Angelegenheit dar, die nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden könnte. Zwar besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG sowie der Unterweisung nach § 12 ArbSchG, da die gesetzlichen Vorgaben dem Arbeitgeber einen Handlungsspielraum bei der Umsetzung belassen (vgl. BAG, Beschluss vom 08.06.2004, Az. 1 ABR 4/03 – juris). Dieses steht jedoch grundsätzlich dem örtlichen Betriebsrat zu, selbst wenn die Arbeitsplätze nach betriebsübergreifenden Standards eingerichtet sind. Hierfür spricht insbesondere die Abhängigkeit möglicher Gefährdungen von örtlichen Gegebenheiten, die nach einer betriebsbezogenen Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung verlangt (vgl. BAG, Beschluss vom 08.06.2004, Az. 1 ABR 4/03 – juris).
Hier nimmt der Antragsteller zwar gerade kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 5 ArbSchG oder § 12 ArbSchG für sich in Anspruch, sondern ein solches nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 2 ArbSchG. Selbst wenn man davon ausginge, dass es sich bei der Frage, welche Abteilung für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung sowie die Schulung der Untersucher und der Unterweiser zuständig ist, überhaupt um eine an sich ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auslösende Schaffung einer Aufbau- und Ablauforganisation zum Gesundheitsschutz i.S.d § 3 Abs. 2 ArbSchG handelt, so stünde das Mitbestimmungsrecht doch auch hier nicht dem Gesamtbetriebsrat, sondern den einzelnen örtlichen Betriebsräten für ihren jeweiligen Betrieb zu. Sofern und soweit ein Mitbestimmungsrecht bei der Beauftragung für den einzelnen Betrieb vorläge, wäre die Beauftragung mit dem jeweiligen örtlichen Betriebsrat zu vereinbaren. Ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung (vgl. Fitting, 29. Auflage, § 50 Rn. 21) ist auch hier nicht ersichtlich. Zur Unmöglichkeit, die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates durch den Wunsch nach einer oder die Zweckmäßigkeit einer unternehmenseinheitlichen Regelung zu begründen oder aus der Beauftragung einer Abteilung für mehrere Betriebe eine zwingend betriebsübergreifende Regelung abzuleiten, wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2 a) verwiesen.
Gleiches gilt im Hinblick auf die Koordination arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse durch die Abteilung Betriebsorganisation. Zwar hat der Arbeitgeber bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes nach § 4 Nr. 3 ArbSchG gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen. Der Umstand, dass sich der Arbeitgeber einer bestimmten Stabsstelle bedient, um Wissen zu bündeln und dieses gegebenenfalls auch den Verantwortlichen vor Ort nutzbar zu machen, ist aber nicht mit einer – zwingenden – betriebsübergreifenden Regelung einer Organisation zur Planung und Durchführung von Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 ArbSchG gleichzusetzen.
c) Schließlich ist auch ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 2 ArbSchG bei der Beauftragung der Personalabteilung mit den Aufgaben der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements und des Gesundheitsmanagements nicht ersichtlich, sodass auch der Antrag zu 4) zurückzuweisen war.
Der Antragsteller möchte auch hier das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Gesamtbetriebsrats gerade nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. § 3 Abs. 2 ArbSchG festgestellt wissen. Auch hier kann dahinstehen, ob es sich bei der Beauftragung der Personalabteilung mit der Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements und des Gesundheitsmanagements überhaupt um eine an sich ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auslösende Schaffung einer Aufbau- und Ablauforganisation zum Gesundheitsschutz i.S.d § 3 Abs. 2 ArbSchG handelt. Sofern und soweit dies der Fall wäre, stünde das Mitbestimmungsrecht wiederum den einzelnen örtlichen Betriebsräten, nicht dem Gesamtbetriebsrat zu. Die Beauftragung der Personalabteilung wäre, sofern und soweit sie der Mitbestimmung unterliegt, mit dem jeweiligen örtlichen Betriebsrat zu vereinbaren. Ein zwingendes Erfordernis für eine betriebsübergreifende Regelung (vgl. Fitting, 29. Auflage, § 50 Rn. 21) ist auch hier nicht ersichtlich. Zur Unmöglichkeit, die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates durch den Wunsch nach einer oder die Zweckmäßigkeit einer unternehmenseinheitlichen Regelung zu begründen oder aus der Beauftragung einer Abteilung für mehrere Betriebe eine zwingend betriebsübergreifende Regelung abzuleiten, wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2 a) verwiesen.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Befristeter Arbeitsvertrag – Regelungen und Ansprüche

Dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem befristeten Vertrag eingestellt werden, ist längst keine Seltenheit mehr. Häufig taucht der Arbeitsvertrag auf Zeit bei jungen Mitarbeitenden auf. Über die wichtigsten Regelungen und Ansprüche informieren wir Sie.
Mehr lesen

Krankschreibung – was darf ich?

Winterzeit heißt Grippezeit. Sie liegen krank im Bett und fragen sich, was Sie während ihrer Krankschreibung tun dürfen und was nicht? Abends ein Konzert besuchen? Schnell ein paar Lebensmittel einkaufen? Wir geben einen Überblick über die wichtigsten Regeln.
Mehr lesen