Aktenzeichen M 30 K 17.70541
Leitsatz
1. Bondo ist eine Geheimgesellschaft, die nur für Frauen zugänglich ist und sich auch nur an Frauen richtet. Ihre Organisation agiert überwiegend politisch, wirbt für ihre Überzeugung und kämpft gegen ein landesweites Verbot von weiblicher Genitalbeschneidung an. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. In größeren Städten Sierra Leones ist es möglich, grundsätzlich unbehelligt von Geheimgesellschaften zu leben. Die Religionsfreiheit erstreckt sich auch auf traditionelle Glaubensvorstellungen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. In Sierra Leone fehlen ausreichende Melderegister und ein zentrales Fahndungsbuch der Polizei. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Trotz schwieriger wirtschaftlicher und sozialer Verhältnisse wird es dem Kläger als jungem, gesunden und arbeitsfähigen Mann in Sierra Leone möglich sein, sein Existenzminimum zu sichern. (Rn. 39 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die zulässig, insbesondere fristgerecht erhobene Klage ist unbegründet. Die ablehnende Entscheidung des Bundesamts vom 24. Mai 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, da der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG, noch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG hat. Ebenso wenig liegen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich einer Abschiebung des Klägers nach Sierra Leone vor. Die auf der Ablehnung des Asylantrags als unbegründet beruhende Ausreiseaufforderung mit 30tägiger Ausreisefrist und die Abschiebungsandrohung gemäß §§ 34, 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 AufenthG und dessen Befristung sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
1. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG Münster, U.v. 28.3.2014 – 13 A 1305/13.A – juris Rn. 21 f. m.w.N.). Eine Verfolgung kann dabei gem. § 3c AsylG ausgehen von einem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Weiter darf für den Ausländer keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen (§ 3e AsylG), deren Inanspruchnahme zumutbar ist. Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es gemäß § 3b Abs. 2 AsylG unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.
Subsidiärer Schutz ist einem Ausländer zuzuerkennen, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt gemäß § 4 Abs. 1 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Die §§ 3c bis 3e AsylG gelten entsprechend (§ 4 Abs. 3 AsylG).
Die Furcht vor Verfolgung sowie die Gefahr eines ernsthaften Schadens ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit setzt voraus, dass bei zusammenfassender Würdigung des zur Prüfung stehenden Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 32). Die Tatsache, dass ein Drittstaatsangehöriger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ist gem. Art. 4 Abs. 4 RL 2011/95/EU ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Betroffene erneut von solcher Verfolgung bedroht wird.
Hinsichtlich einer individuellen Verfolgung oder Bedrohung muss das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich ein Ausländer insbesondere hinsichtlich individueller Gründe für einen asylrechtlichen Schutzstatus befindet, genügt für diese Vorgänge in der Regel die Glaubhaftmachung. Dabei sind die Herkunft, der Bildungsstand und das Alter des Asylsuchenden sowie sprachliche Schwierigkeiten zu berücksichtigen. Dem Ausländer obliegt es aber dennoch, gegenüber dem Tatsachengericht einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Daher ist Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ein geeigneter Vortrag, welcher den Asylanspruch hinsichtlich der in die eigene Sphäre des Asylsuchenden fallenden Ereignissen – insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen – lückenlos trägt (vgl. BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – juris Rn. 11). Der Ausländer muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen; er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – NVwZ 1990, 171; BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – NVwZ 1985, 658; BVerwG, U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – juris Rn. 11). Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag sowie in Fällen, in welchen der Vortrag nach den Erkenntnismaterialien, der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, kann dem Asylsuchenden in der Regel nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden (vgl. VGH Kassel, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris Rn. 15; VGH Mannheim, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris Rn. 35; BVerwG, B. v. 23.5.1996 – 9 B 273/96 – juris Rn. 2; B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – NVwZ 1990, 171; U.v. 8.2.1989 – 9 C 29/87 – juris Rn. 8; U.v. 23.2.1988 – 9 C 273/86 – juris Rn. 11; B.v. 12.9.1986 – 9 B 180/86 – juris Rn. 5; U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – NVwZ 1985, 658).
2. In Anwendung dieser Maßstäbe liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß §§ 3 ff AsylG oder des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG beim Kläger nicht vor.
2.1 Das Gericht hält den Vortrag hinsichtlich der angeblich weiterhin bestehenden Bedrohungslage der klägerischen Familie im Herkunftsland durch die Bondo Society und die Polizei für nicht glaubhaft. So konnte der Kläger nicht hinreichend erklären, weshalb er erst in der mündlichen Verhandlung von der Bedrohungslage erzählt habe, obwohl ihm – nach den eigenen Angaben – schon im Zeitpunkt der Anhörung vor dem Bundesamt diese hätte bekannt sein müssen. Darüber hinaus hat der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt vielmehr vorgetragen, dass es seinen Kindern gut gehe und lediglich seine Tochter an Malaria erkrankt sei. Ob die mangelnde Glaubhaftigkeit des klägerischen Vortrags zur Bedrohungslage der Familie im Herkunftsland dazu führt, dass die gesamte Fluchtgeschichte des Klägers nicht glaubhaft erscheint, kann an dieser Stelle jedoch offenbleiben.
2.2 Denn selbst bei Wahrunterstellung der klägerischen Angaben in Bezug auf sein Verfolgungsschicksal bliebe sein Begehren ohne Erfolg. Insoweit wäre der Kläger auf eine inländische Fluchtalternative i.S.v. §§ 3e, 4 Abs. 3 AsylG zu verweisen.
2.2.1 Es wäre dem Kläger in Bezug auf eine Bedrohung durch die Bondo Society und die Polizei zumindest in allen größeren Städten von Sierra Leone möglich, unbehelligt zu leben.
Bondo ist eine Geheimgesellschaft, die nur für Frauen zugänglich ist und sich auch nur an Frauen richtet. Es erscheint bereits fraglich, wie es einer Geheimgesellschaft wie Bondo grundsätzlich überhaupt möglich sein soll, von ihr gesuchte Personen zu finden. Schließlich existiert in Sierra Leone kein ausreichendes Melderegister (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 17.10.2017). Wie das Auffinden von Personen gelingen soll, vermag das Gericht trotz der verhältnismäßig geringen Landesgröße Sierra Leones und einer zu unterstellenden gewissen Vernetzung der Geheimgesellschaften untereinander nicht nachzuvollziehen. Im Gegensatz zu anderen Geheimgesellschaften liegen für die Geheimgesellschaft Bondo zwar Erkenntnismittel vor, die eine überregionale Zusammenarbeit von regional tätigen Beschneiderinnen, den sog. „Sowei“ darlegen (Ngambouk Vitalis Pemunta in Cogent Social Scienes, Cultural power, ritual symbolism and human rights violations in Sierra Leone, veröffentlicht am 3.03.2017, S. 12 ff.). Die Beschneiderinnen haben auf Grund des von der Bevölkerung und ausländischen Nichtregierungsorganisationen ausgehenden Drucks und Kampagnen gegen weibliche Genitalverstümmelung die interne Vernetzung innerhalb der Geheimgesellschaft vorangetrieben. So gibt es einen beim Ministry of Social Welfare (dt. Ministerium für Soziales) registrierten „Sowei-Council“ (dt. Rat der Beschneiderinnen) und mehrere regional agierende Strukturen (Ngambouk Vitalis Pemunta, ebd.). Doch agieren diese Strukturen und Organisationen überwiegend politisch, indem sie für ihre Überzeugungen werben und gegen ein landesweites Verbot von weiblicher Genitalbeschneidung ankämpfen. Zur Erreichung ihrer Ziele bieten diese Organisationen Workshops an, laden zu Konferenzen und wenden sich an die Medien; auch wird den Beschneiderinnen bei der Formulierung und Übermittlung politischer Botschaften geholfen (Ngambouk Vitalis Pemunta ebd.). Erkenntnismittel dafür, dass die Beschneiderinnen ihre Strukturen nutzen, um Störer einer Beschneidungszeremonie bzw. Angriffe auf Beschneiderinnen zu verfolgen und unliebsame Personen durch Auftragstötungen aus den Weg zu räumen, liegen dem Gericht nicht vor. Ein entsprechend hinreichend substantiierter Vortrag des Klägers diesbezüglich fehlt ebenfalls. Die klägerischen Ausführungen zur angeblich bestehenden familiären Bedrohungslage sind nicht glaubhaft (siehe oben). Darüber hinaus hat der Kläger als Mann auch nicht zu befürchten, zwangsweise als Mitglied in die Geheimgesellschaft eingeführt und dabei körperlich – in Form einer Genitalverstümmelung – misshandelt zu werden.
Vielmehr ist das Gericht auch davon überzeugt, dass die Mitglieder der Geheimgesellschaft den Kläger nicht noch einige Jahre später in ganz Sierra Leone und allen größeren Städten suchen werden. Der Aufwand für die Geheimgesellschaft in Sierra Leone, alle Personen, die eine Beschneiderin angegriffen oder getötet haben sollen, in ganz Sierra Leone zu suchen – ohne zentrales Melderegister – wäre enorm, vor allem im Vergleich zu der Chance, tatsächlich jemanden zu finden. Zudem ist der Geheimgesellschaft bereits nicht bekannt, ob sich die Person überhaupt in Sierra Leone aufhält. Dabei ist zu unterstellen, dass gewisse, immer wieder berichtete Vodoo-Praktiken u.ä. dem Bereich des Okkulten und des Aberglaubens zuzuordnen sind und zur Überzeugung des Gerichts nicht funktionieren. Das Gericht geht nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes zudem davon aus, dass es jedenfalls in den größeren Städten Sierra Leones – mit Ausnahme ggf. der Stadt des vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts – möglich ist, grundsätzlich unbehelligt von der Geheimgesellschaft Poro und anderen Geheimgesellschaften zu leben (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 9. Januar 2017 an das VG Augsburg). Dort gebe es viele Menschen, die nicht Mitglied einer Geheimgesellschaft sind und ohne Probleme leben könnten. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass jemand gefoltert werde oder seinen Arbeitsplatz verliere, wenn er offen bekenne, die Mitgliedschaft in einer Geheimgesellschaft abzulehnen. Die Religionsfreiheit erstrecke sich auch auf traditionelle Glaubensvorstellungen, so das Auswärtige Amt.
Selbige Erwägungen gelten auch für eine zu unterstellende Fahndung nach dem Kläger durch die örtliche Polizei. Das fehlende ausreichende Melderegister sowie die Tatsache, dass Sierra Leone nicht über ein funktionierendes zentrales Fahndungsbuch, sondern lediglich jene Polizeidienststellen Informationen über vermeintliche Straftäter haben, gegen welche wegen des Verdachts eines Tötungsdelikt ermittelt werde (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 4.11.2019 als Antwort auf den Beweisbeschluss des VG Regensburg vom 26. April 2019 – RN 14 K 14.33993) führen vorliegend zu dem Ergebnis, dass es dem Kläger möglich ist, sich in anderen Landesteilen unbehelligt von der Polizei aufzuhalten.
Höchst hilfsweise für den Fall, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland von der Polizei – auch an einem anderen Ort – aufgegriffen und verhaftet werden sollte, würden jedenfalls die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff AsylG oder den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG beim Kläger nicht vorliegen. Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft würde es in einem solchen Fall bereits an einem Anknüpfungsmerkmal i.S.v. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG fehlen (vgl. auch die Erwägungen in: VG München, U.v. 17.12.2019 – M 30 K 17.45999 – BeckRS 2019, 43571 Rn. 22 die sich das erkennende Gericht zu eigenen macht). Ein bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrages in diesem Falle in Betracht kommendes strafrechtliches Ermittlungsverfahren, etwaiges Gerichtsverfahren sowie eine sich daran möglicherweise anschließende Haftstrafe würden keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.v. § 4 AsylG darstellen; es wäre nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass sich der Kläger einem nicht fairen Strafverfahren oder derart unmenschlichen Haftbedingungen ausgesetzt sehe (vgl. VG München, U.v. 17.12.2019 – M 30 K 17.45999 – BeckRS 2019, 43571 Rn. 23 ff.).
2.2.2 Dem Kläger wäre es auch zumutbar, sich am Ort der inländischen Fluchtalternative den Lebensunterhalt zu verdienen.
Zentraler Bezugspunkt der Zumutbarkeitsprüfung ist der Begriff der „Niederlassung“ in der beabsichtigten Zielregion, womit – jedenfalls mittelfristig – eine dauerhafte Wohnsitznahme in der jeweiligen Zielregion gemeint ist, welche dem Kläger objektiv möglich sein muss und nicht an rechtlichen Zuwanderungsbeschränkungen scheitern darf (Wittmann in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 5. Edition Stand: 1.7.2020, § 3e AsylG Rn. 36 f., 50). Unzumutbar ist eine Niederlassung jedenfalls dann, wenn dem Betroffenen in dem verfolgungssicheren Landesteil Gefahren i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG oder § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG drohen (Wittmann a.a.O Rn. 40; VGH BW, U.v. 16.10.2017 – A 11 S 512/17 – BeckRS 2017, 135067 Rn. 63 f.).
2.2.2.1 Dem Kläger ist es rechtlich möglich, sich an jedem Ort in Sierra Leone niederzulassen und diesen Ort auch tatsächlich zu erreichen. In der Verfassung Sierra Leones sind die uneingeschränkte Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und die Rückkehr verankert. Die Regierung respektiert diese Rechte üblicherweise, wenngleich es Berichte gibt, dass die Polizei Straßensperren nutzt um Geld von Reisenden für die Weiterfahrt zu erpressen (USDOS – U.S. Department of State – Sierra Leone 2019 Human Rights Report vom 11.3.2020 und Sierra Leone 2018 Human Rights Report vom 13.3.2019). Zwar erschweren solche Formen staatlicher Korruption ein Fortkommen innerhalb des Landes. Erkenntnismittel dafür, dass es den Menschen in Sierra Leone gänzlich unmöglich wäre innerhalb des Landes zu reisen oder die „Straßensperren“ ein Ausmaß an Korruption erreichen würden, welches die üblicherweise im Land vorhandene Korruption übersteigen würde, liegen nicht vor. Klägerseits wurde hierzu ebenfalls nichts vorgetragen.
2.2.2.2 Dem Kläger ist auch eine – jedenfalls mittelfristig – dauerhafte Niederlassung an einem anderen Ort als seinem Heimatort objektiv möglich.
2.2.2.2.1 Eine Unzumutbarkeit der Niederlassung ergibt sich vorliegend nicht aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
2.2.2.2.1.1 Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Erfasst sind davon nur solche Gefahren‚ die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind‚ während Gefahren‚ die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben‚ nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben‚ wenn diese sich im Heimatstaat wegen unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert. Es ist aber nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Es kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben‚ dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In die Beurteilung miteinzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände‚ die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können. Von einer konkreten Gefahr ist in Krankheitsfällen dann auszugehen, wenn die erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes alsbald nach der Abschiebung in den Zielstaat eintreten würde, weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich ist (vgl. zum Ganzen: BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 13a B 16.30007 – juris; BVerwG‚ U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – NVwZ 2007, 712).
Allerdings hat der Ausländer eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung nach § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG glaubhaft zu machen. Diese soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlichmedizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Diese Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG an ein ärztliches Attest sind dabei auf die Substantiierung der Voraussetzungen an ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu übertragen (vgl. u.a. BayVGH, B.v. 24.1.2018 – 10 ZB 18.30105 – juris Rn 7 m.w.N.; B.v. 4.10.2018 – 15 ZB 18.32354 – beckonline; B.v. 26.4.2018 – 9 ZB 18.30178 – juris). Dies ergibt sich seit der Gesetzesänderung mit Wirkung vom 21. August 2019 auch ausdrücklich aus § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG.
Die Überprüfung, ob die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen diesen Anforderungen entsprechen, ist dabei Aufgabe des erkennenden Gerichts. Die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens ist insoweit nicht erforderlich (BayVGH, B.v. 24.1.2018 – 10 ZB 18.30105 – beckonline).
Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, wie etwa eine unzureichende Versorgungslage, sind hingegen bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist jedoch im Einzelfall Ausländern, die einer gefährdeten Gruppe im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG angehören, für welche aber ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 AufenthG oder eine andere Regelung, die vergleichbaren Schutz gewährleistet, nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Handhabung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuzusprechen, wenn die Abschiebung wegen einer extremen Gefahrenlage im Zielstaat Verfassungsrecht verletzen würde. Das ist der Fall, wenn der Ausländer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde (st. Rspr. des BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – BVerwGE 99, 324/328; U.v. 19.11.1996 – 1 C 6/95 – BVerwGE 102, 249/258 f.; U.v. 8.12.1998 – 9 C 4/98 – BVerwGE 108, 77/80 f.; U.v. 12.7.2001 – 1 C 2/01 – BVerwGE 114, 379/382; U.v. 29.6.2010 – 10 C 10/09 – BVerwGE 137, 226/232 f.). Diese Grundsätze über die Sperrwirkung bei allgemeinen Gefahren und die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise verfassungskonforme Anwendung in den Fällen, in denen dem Betroffenen im Abschiebezielstaat eine extreme zugespitzte Gefahr droht, sind auch für die neue Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes maßgeblich (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2006 – 1 B 60/06 (1 C 21/06) – juris).
2.2.2.2.1.2 Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe droht dem Kläger keine erheblich konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit.
Die vorgelegten Atteste vom 7. Mai 2018 und 4. September 2017 sind veraltet und entsprechend weder für sich allein, noch in einer Gesamtschau den Anforderungen an § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG. So fehlt schon an einer gesicherten Diagnose. Beide ärztliche Bescheinigungen gehen lediglich von einem Verdacht auf eine Posttraumatische Belastungsstörung aus. Darüber hinaus setzen sich die ärztlichen Bescheinigungen weder mit der Methode der Tatsachenerhebung noch mit den Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, auseinander.
Anhaltspunkte für eine extreme Gefahrenlage für den Kläger sind nach den nachfolgenden Ausführungen zu § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht ersichtlich. Damit liegt die für eine verfassungskonforme Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderliche hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger alsbald existenzbedrohenden Mangellagen ausgesetzt wäre, nicht vor.
Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergibt sich ebenfalls nicht aufgrund der Covid-19-Pandemie. Unabhängig von der Regelung in § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG, wonach es bei allgemeinen Gefahren einer – vorliegend nicht bestehenden – Anordnung nach § 60a Abs. 1 AufenthG bedürfte, wäre der Kläger nicht über das allgemeine Risiko hinaus in besonderer Weise gefährdet, insbesondere nicht derart, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2015 – 9 ZB 14.30457 – juris Rn. 11; OVG NRW, B.v. 17.12.2014 – 11 A 2468/14.A – juris Rn. 14). Bei dem Großteil der Bevölkerung verläuft eine vom Coronavirus verursachte Erkrankung in der Regel eher mild. Ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben ältere Personen und Personen mit Vorerkrankungen, auch wenn schwere Verläufe auch bei Personen ohne bekannte Vorerkrankung auftreten können und auch bei jüngeren Patienten beobachtet wurden (vgl. Steckbrief des RKI, Stand 7.8.2020, https://www.rki.de/DE/ Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html). Der Kläger ist körperlich gesund und gehört zu keiner Risikogruppe. Gegenteiliges wurde weder von diesem vorgetragen, noch ist eine solche Risikogruppeneigenschaft aus den Umständen erkennbar. Der Kläger wäre daher nicht über das allgemeine Risiko hinaus in besonderen Weise gefährdet.
Darüber hinaus wird die Ausländerbehörde etwaige Veränderungen in den humanitären Verhältnissen Sierra Leones vor einer Abschiebung prüfen und ggf. berücksichtigen müssen.
2.2.2.2.2 Eine Unzumutbarkeit der Niederlassung ergibt sich vorliegend nicht aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Es ist nicht erkennbar, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr nach Sierra Leone unmenschlichen Verhältnissen i.S.v. Art. 3 EMRK ausgesetzt würde. Es wird dem Kläger trotz der schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Sierra Leone möglich sein, sein Existenzminimum zu sichern. Ein außergewöhnlicher Fall, wonach unter dem allgemeinen Gesichtspunkt schwieriger humanitärer Bedingungen im Herkunftsland von einer Abschiebung entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK „zwingend“ abzusehen wäre, liegt nicht vor. Dabei ist § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG auch im Rahmen der Prüfung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG anzuwenden, wenn sich der Ausländer auf eine Erkrankung beruft, aufgrund derer er im Zielstaat seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern könne (OVG Lüneburg, B.v. 13.3.2020 – 9 LA 46/20 BeckRS 2020, 4520 Rn. 13 ff; Zimmerer in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 5. Edition Stand: 1.7.2020, § 60 AufenthG Rn. 23; vgl. ferner BVerwG, B.v. 22.1.2020 – 1 B 3.20 – juris Rn. 4 unter Hinweis auf OVG SH, B.v. 1.11.2019 – 4 LB 18/17 – n.v. wohl zu § 60 Abs. 5 AufenthG).
Sierra Leone gehört trotz seines Rohstoffreichtums zu den ärmsten Ländern der Erde. Nach den Jahren des Bürgerkriegs erholt sich das Land wirtschaftlich nur langsam. Sierra Leone ist eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Die Wirtschaft Sierra Leones ist geprägt von der Landwirtschaft (überwiegend kleinbäuerliche Subsistenzwirtschaft) und der Rohstoffgewinnung. Das Land ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 4,1 Milliarden US-Dollar und einem Pro-Kopf-Einkommen von ca. 539,2 US-Dollar (Stand Oktober 2019) eines der ärmsten Länder der Welt und belegt nach dem Human Development Index von 2019 Rang 181 der 189 untersuchten Länder. Ein Großteil der Bevölkerung (ca. 77%) lebt in absoluter Armut und hat weniger als 2 US-Dollar pro Tag zur Verfügung. Die Arbeitslosenrate im Land ist sehr hoch. Die Jungendarbeitslosigkeit ist ein besonderes Problem (Bertelsmann Stiftung, Bertelsmann Stiftung’s Transformation Index (BTI) 2016 – Sierra Leone Country Report, Gütersloh, Bertelsmann Stiftung, 2016). Staatliche oder nichtstaatliche finanzielle Fördermöglichkeiten wie Sozial- oder Arbeitslosenhilfe existieren nicht. Erwerbslose, Kranke, Behinderte und ältere Menschen sind ganz besonders auf die Unterstützung der traditionellen Großfamilie angewiesen. Auch nichtstaatliche oder internationale Hilfsorganisationen bieten in der Regel keine konkreten Hilfen zum Lebensunterhalt. Die Wirtschaft wird mit etwa 60,3% am Bruttoinlandsprodukt vom landwirtschaftlichen Sektor dominiert. Der Dienstleistungssektor trägt mit 32,4% und der Industriesektor mit 5,2% zum Bruttoinlandsprodukt bei. Die Mehrheit versucht mit Gelegenheitsjobs oder als Händler/in ein Auskommen zu erwirtschaften. Die Subsistenzwirtschaft wird in Familien oft parallel oder alternativ genutzt, um den Lebensunterhalt zu sichern (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Sierra Leone, Wien am 4.7.2018). Ungelernten Arbeitslosen gelingt es nur durch Hilfstätigkeiten, Gelegenheitsarbeiten (z.B. im Transportwesen), Kleinhandel (z.B. Verkauf von Obst, Süßigkeiten, Zigaretten) und ähnlichen Tätigkeiten etwas Geld zu verdienen und in bescheidenem Umfang ihren Lebensunterhalt sicher zu stellen (vgl. zu damals noch prekäreren Verhältnissen: OVG NRW, B.v. 6.9.2007 – 11 A 633/05.A – juris Rn 28). Die Lebensumstände in Sierra Leone sind also als äußerst schwierig zu bezeichnen. Man geht aber davon aus, dass sich ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann in Sierra Leone ein Existenzminimum – wenn auch nur durch Gelegenheitsjobs – erwirtschaften kann. (vgl. VG Regensburg, U.v. 11.02.2019 – RN 14 K 17.3514 – juris).
Die medizinische Versorgung ist in Sierra Leone nach wie vor schwierig und es herrscht ein ausgeprägter Mangel an Fachärzten (vgl. BFA Republik Österreich a.a.O.; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Informationszentrum Asyl und Migration, Glossar Islamische Länder – Band 17 Sierra Leone, Mai 2010).
Auch angesichts der aktuellen Covid-19-Pandemie liegen keine Erkenntnisse vor, dass sich die Verhältnisse in Sierra Leone derart verschlechtert haben, dass es dem Kläger unzumutbar wäre, sich am Ort der inländischen Fluchtalternative den Lebensunterhalt zu verdienen.
Die tatsächlichen individuellen Umstände des Klägers werden es ihm daher ermöglichen, trotz dieser humanitären Verhältnisse in Sierra Leone seinen Lebensunterhalt zu sichern. Der junge und erwerbsfähige Kläger spricht die Landessprache und ist mit den Gepflogenheiten des Herkunftsstaats bekannt. Er hat insgesamt neuneinhalb Jahre lang die Schule besucht und Berufserfahrung in einer Autowäscherei sowie im Handel mit Secondhandkleidung gesammelt. Er hat es vor seiner Ausreise vermocht, für sich und seine Familie ein Existenzminimum aufzubauen und zu sichern. Es ist davon auszugehen, dass er bei einer Rückkehr erneut im Stande ist ein Existenzminimum zu sichern.
Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Kläger bei einer Rückkehr zu seiner Familie zurückkehrt, wird es diesem möglich sein, für sich und die Familie ein Existenzminimum zu sichern. Zum einen besteht für die gesamte Familie eine inländische Fluchtalternative, so dass auch nach einer Rückkehr des Klägers zu seiner Familie im Sierra Leone es dieser möglich wäre gemeinsam unbehelligt von der Bondo Society und der Polizei zu leben. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Freundin des Klägers ebenfalls zur Sicherung des Existenzminiums wird beitragen können. So sichert sich derzeit bereits alleine die Lebensgrundlage für sich und die gemeinsamen Kinder.
Hinsichtlich des Vortrags zur Posttraumatischen Belastungsstörung wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG sind insoweit nicht erfüllt.
2.2.2.2.3 Eine dauerhafte Niederlassung ist auch aus sonstigen Umständen nicht unzumutbar. Insbesondere aus den vorgetragenen Krankheiten ergeben sich – auch bei Außerachtlassung des im Rahmen von § 3e AsylG grundsätzlich nicht anwendbaren § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG – keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass diese den Kläger in seiner Erwerbsfähigkeit und Lebensgestaltung derart einschränken werden, dass diesem eine – jedenfalls mittelfristig – dauerhafte Niederlassung unzumutbar wäre. Zum einen stellen die Atteste keine Diagnosen sicher fest, sondern sprechen lediglich von einem Verdacht. Zum anderen sind die Atteste bereits veraltet und daher in ihrer Beweiskraft stark gemindert. Auch geht aus den ärztlichen Bescheinigungen insbesondere hervor, dass sich der Kläger deshalb unwohl fühle, weil es ihm an Arbeit fehle und ihn die Unsicherheit seines Aufenthaltsstatus quälen würde. Durch die gerichtliche Entscheidung werden die Unsicherheiten des Asylverfahrens beendet. Darüber hinaus besteht für den Kläger bei einer Rückkehr die Möglichkeit, durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sein weiteres psychisches Problem auszuräumen.
3. Insofern besteht auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK; auf obige Ausführungen wird verwiesen.
4. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt ebenfalls nicht vor; auf obige Ausführungen wird verwiesen.
5. Im Übrigen wird auf die Bescheidsbegründung nach § 77 Abs. 2 AsylG, insbeson dere hinsichtlich der Ausreisefrist von 30 Tagen und der Abschiebungsandrohung nach §§ 34, 38 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG sowie dem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG, Bezug genommen.
II.
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 i.V.m. § 155 Abs. 2 VwGO
abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
III.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung und die Abwendungsbe fugnis ergeben sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.