Aktenzeichen 2 Ns 303 Js 15272/18 (2)
Leitsatz
Verfahrensgang
2 Cs 303 Js 15272/18 2018-08-02 Urt AGEGGENFELDEN AG Eggenfelden
Tenor
Die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Eggenfelden vom 02.08.2018 werden v e r w o r f e n .
Der Angeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der ausscheidbaren Kosten, die auf die Berufung der Staatsanwaltschaft entfallen.
Gründe
(Dem Urteil ging keine Verständigung voraus.)
I.
Das Amtsgericht Eggenfelden verurteilte den Angeklagten am 02.08.2018 wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20,- EUR. Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 03.08.2018 und der Angeklagte mit Schreiben vom 02.08.2018 jeweils form- und fristgerecht Berufung ein. Die Berufung der Staatsanwaltschaft wurde mit Schreiben vom 30.08.2018 begründet und zugleich auf das Strafmaß beschränkt. Mit Urteil vom 19.12.2018 verwarf das Landgericht Landshut die Berufung des Angeklagten als unbegründet und setzte auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hin eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 20,- EUR fest.
Auf Revision der Angeklagten hob das Bayerische Oberste Landesgericht mit Beschluss vom 17.09.2019 (Az.: 206 StRR 1010/19) das Urteil des Landgerichts Landshut auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an eine andere Strafkammer des Landgerichts Landshut zurück.
Die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft erwiesen sich als unbegründet und waren zu verwerfen.
II.
Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten hat die Kammer folgendes festgestellt:
Der am – in – geborene Angeklagte ist – Staatsangehöriger. Er hat den Beruf eines – erlernt und ist – Weitere Angaben, insbesondere zu den wirtschaftlichen Verhältnissen, hat der Angeklagte nicht gemacht.
In erster Instanz vor dem Amtsgericht hat er angegeben, er besitze eine eigene Wohnung, habe keine Unterhaltspflichten und keine Einnahmen. Er lebe von seinem Vermögen, welches er zwischen – EUR angibt.
Im Verfahren 2 Cs 303 Js 30973/17 hat der Angeklagte angegeben:
„Ich habe ein Vermögen von ca. – EUR aus Arbeit. Ich war – Jahre lang berufstätig in der -. Die Wohnung in der ich wohne gehört mir, ich kaufte sie im November 2016 für – EUR. Die ist schuldenfrei. Auch keine weiteren Schulden. Zu Krankheiten die ich habe, dazu möchte ich nichts sagen.“
Die Strafliste des Angeklagten weist eine Eintragung aus:
1. 08.02.2018 AG Eggenfelden (D2402) -2 Cs 303 Js 30973/17 – Rechtskräftig seit 16.02.2018 Tatbezeichnung: Betrug Datum der (letzten) Tat: 30.12.2016 Angewandte Vorschriften: StGB § 263 Abs. 1, § 13
50 Tagessätze zu je 20,00 EUR Geldstrafe.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt aus dem Strafbefehl vom 25.10.2017 zugrunde, auf den das Urteil ausdrücklich Bezug nimmt:
„Sie bezogen seit dem 01.04.2015 von der Agentur für Arbeit – Arbeitslosengeld.
Entgegen der Ihnen bekannten Verpflichtung teilten Sie der Agentur für Arbeit nicht unverzüglich mit, dass Sie seit dem 12.12.2016 bei der Firma – GmbH, – arbeiteten, mit der Folge, dass Ihnen – Ihrer Absicht entsprechend – für den Zeitraum vom 12.12.2016 bis 19.12.2016 Leistungen in Höhe von insgesamt 1.356,22 EUR bewilligt und ausbezahlt wurden, auf die Sie, wie Sie wussten, keinen Anspruch mehr hatten.
Um diesen Betrag wurde die Bundesagentur für Arbeit geschädigt, was Sie zumindest billigend in Kauf nahmen.
Der Betrag in Höhe von 1.356,22 EUR unterliegt der Einziehung von Wertersatz.“
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den Angaben des Angeklagten zur Person sowie den Feststellungen seiner Angaben erster Instanz sowie im Verfahren 2 Cs 303 Js 30973/17, die verlesen wurden, sowie aus dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister und dem verlesenen Strafbefehl aus dem Verfahren 2 Cs 303 Js 30973/17.
III.
Die Kammer hat aufgrund der durchgeführten Hauptverhandlung folgenden Sachverhalt festgestellt:
… (Diktat fehlt) Zollamtes – vom 11.10.2017 wurde gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes des Betruges nach § 263 StGB im Verfahren 303 Js 30973/17 geführt. Dem Angeklagten wurde dabei zur Last gelegt, der Agentur für Arbeit -, über die er Arbeitslosengeld bezog, die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit seit dem 12.12.2016 bei der – GmbH in – nicht mitgeteilt zu haben und dadurch Leistungen in Höhe von 1.356,22 EUR bewilligt und ausbezahlt bekommen zu haben, obwohl er hierauf keinen Anspruch hatte. Das Ermittlungsverfahren endete mit einem Strafbefehlsantrag vom 20.10.2017. Der Antrag wurde durch Staatsanwältin – gestellt. Durch Richterin am Amtsgericht Eggenfelden – wurde der Strafbefehl am 25.10.2017 erlassen und dem Angeklagten in der Folge zugestellt. Dieser legte hiergegen Einspruch gegen die Festsetzung der Tagessätze ein. Nachdem er ausführte, warum er sich keiner Schuld bewusst war, heißt es in dem Einspruchsschreiben weiter:
„Dennoch akzeptiere ich einen Strafbefehl, nur nicht die Höhe und die Anzahl der Tagessätze…“
Daraufhin erging in der Hauptverhandlung vom 08.02.2018 ein Urteil, nachdem er zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 20,- EUR verurteilt wurde. Das Urteil ist seit 16.02.2018 rechtskräftig. Ein Rechtsmittel wurde von dem Angeklagten nicht eingelegt.
Am 08.02.2018 erstattete der Angeklagte bei der Staatsanwaltschaft – Strafanzeige gegen -, Mitarbeiter der Agentur für Arbeit (Az.: 204 Js 7230/18). Er führte aus, dass dieser im Ermittlungsverfahren gegen ihn falsche Angaben gemacht hätte. Durch die Staatsanwaltschaft wurde mit Verfügung vom 22.03.2018 der Anzeige keine Folge gegeben (§ 152 Abs. 2 StPO). Sachbearbeitender Staatsanwalt war -, was dem Angeklagten auf Grund der am 18.04.2019 zugestellten Verfügung auch bekannt war. Der hiergegen von dem Angeklagten eingelegten Beschwerde gab die Generalstaatsanwaltschaft München mit Bescheid vom 24.05.2018 keine Folge (Az.: 12 Zs 1509/18).
Das Beschwerdeschreiben vom 22.04.2018 ist gereichtet an den „Herrn Oberstaatsanwalt“ und damit offensichtlich an einen Dienstvorgesetzten. Die als Widerspruch bezeichnete Beschwerde geht zunächst auf die „Einstellung“ des Verfahrens gegen – durch den Staatsanwalt – ein.
In dem Schreiben führt der Angeklagte weiter aus:
„Durch die falsche Aussage der Agentur für Arbeit (-) hat dann ihr Mitarbeiter, dessen Name man mir nicht sagen will, daraus eine absurde Anklageschrift verfasst, die ein 8-jähriges Kind, das die 2. Klasse einer Grundschule erfolgreich abgeschlossen hat, erkennen konnte. Nur ein studierter Jurist hat dies offensichtlich nicht erkannt. Zudem wurde von der Staatsanwaltschaft gar nicht ermittelt, sondern sich blind auf die Falschaussage der Agentur für Arbeit verlassen und daraus eine Anklageschrift verfasst. In der Anklageschrift sind gravierende Mängel, keine Beweise wurden gesichert. So wusste die Agentur für Arbeit durch ein Schreiben von mir, dass ich ab 15.12.2016 einer Beschäftigung nachgehe, dieser Brief ist angeblich nicht auffindbar bei der Agentur für Arbeit. Warum die Staatsanwaltschaft meine Akte nicht angefordert hat, heute dürfte dieser Brief entsorgt worden sein. Schwere Ermittlungsfehler und ein selten „dämlicher“ Staatsanwalt, der nicht lesen und schreiben kann.“
Der Angeklagte wollte mit dieser letzten Formulierung die ihm namentlich nicht bekannte Staatsanwältin – in ihrer Ehre herabsetzen. Er äußert weiter, er hätte auf Grund des Strafbefehls nicht verurteilt werden dürfen, akzeptiere die Strafe aber.
Strafantrag wurde durch den Dienstvorgesetzen der Staatsanwältin – form- und fristgerecht gestellt.
IV.
Der Sachverhalt steht fest aufgrund der Angaben des Angeklagten über seine Verteidigerin, der verlesenen Unterlagen aus den Verfahren 2 Cs 303 Js 15272/18, 2 Cs 303 Js 30973/17 sowie 204 Js 7230/18. Der Angeklagte hat die – ihm namentlich nicht bekannte Staatsanwältin – die das Ermittlungsverfahren gegen ihn führte als „selten dämlicher Staatsanwalt, der nicht lesen und schreiben kann“ bezeichnet. Der Angeklagte hat den äußeren Sachverhalt vollumfänglich eingeräumt.
V.
Der Angeklagte hat sich aufgrund des festgestellten Sachverhalts der Beleidigung gemäß §§ 185, 194 StGB strafbar gemacht.
Die Äußerung des Angeklagten „selten dämlich“ im Schreiben vom 22.04.2018 stellt ein herabsetzendes Werturteil dar. Dies gilt auch für die darauf folgenden Zusätze, der Staatsanwalt könne nicht lesen und schreiben. Dem Schreiben ist nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte damit die Behauptung aufstellen wollte, der sachbearbeitende Staatsanwalt sei ein Analphabet. Diese beiden Zusätze sind im Zusammenhang mit der vorhergehenden Kritik an der Durchführung des Ermittlungsverfahrens gegen ihn zu sehen und sollen die Äußerung „selten dämlich“ unterstützen und bekräftigen. Diese Äußerung des Angeklagten sollte den sachbearbeitenden Staatsanwalt in persönlicher Hinsicht auf seine intellektuellen Fähigkeiten zu einer sachgerechten Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens abwerten und verletzen, aufgrund der Diktion ist auch davon auszugehen, dass dies dem Angeklagten bewusst und auch von ihm so gewollt war.
Diese Äußerung des Angeklagten war weder im Rahmen der verfassungsrechtlich geschützten Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und noch als Äußerung im Rahmen berechtigter Interessen zur Verteidigung von Rechten (§ 193 StGB) legitimiert.
Bei Abwägung vorgenannter Rechte des Angeklagten und des Persönlichkeitsschutzes aus § 185 StGB ist zu berücksichtigen, dass der von staatlichen Maßnahmen, hier insbesondere von Ermittlungsbehörden Betroffene grundsätzlich das Recht hat seine Meinung zu äußern und dabei auch scharfe und übersteigernde Äußerungen tätigen darf und im sogenannten „Kampf ums Recht“ ist er zur plastischen Darstellung seiner Position grundsätzlich berechtigt, starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen, ohne jedes Wort auf die Waagschale legen zu müssen. Insbesondere Richter und Staatsanwälte müssen auch überpointierte Kritik an ihrer Tätigkeit aushalten.
Die Grenze ist jedoch dort zu setzen, wo es nicht mehr alleine darum geht die Tätigkeiten und Entscheidungen der, in diesem Fall Staatsanwaltschaft bzw. der für diese tätigen Personen, zu kritisieren, sondern wenn bestimmte Personen persönlich angegriffen werden sollen.
Soweit der Angeklagte in dem Schreiben vom 22.04.2018 auch deutliche Kritik an der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft – übt, ist dies – ohne dass es einer Überprüfung bedarf, ob die Kritik berechtigt ist oder nicht – grundsätzlich zulässig. Nicht mehr zulässig ist jedoch der persönliche Angriff auf den ermittelnden Staatsanwalt. Die Äußerung „selten dämlicher Staatsanwalt, der nicht lesen und schreiben kann“, bezieht sich nicht mehr auf die Tätigkeit des ermittelnden Staatsanwalts bzw. der ermittelnden Staatsanwältin, sondern auf deren Person. Solche Angriffe sind von der Meinungsfreiheit und von der Regelung des § 193 StGB nicht mehr geschützt. Insoweit geht der Ehrenschutz der betroffenen Person vor. Dabei war auch zu berücksichtigen, die Äußerung viel im Rahmen der Beschwerde gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft auf seine Strafanzeige gegen -. Das Strafverfahren gegen ihn selbst war zu diesen Zeitpunkt rechtskräftig abgeschlossen. Gegen das Urteil des Amtsgerichtes Eggenfelden vom 08.02.2018 hat der Angeklagten kein Rechtsmittel eingelegt. Die Verurteilung des Angeklagten war daher nicht Gegenstand des Ermittlungsverfahrens gegen – noch des Beschwerdeverfahrens. Aus dem Schreiben vom 22.04.2018 geht auch deutlich hervor, dass dem Angeklagten bewusst war, dieses Verfahren wurde von dem Staatsanwalt – geführt, dass Verfahren gegen ihn auf Seiten der Staatsanwaltschaft von einem anderen Staatsanwalt. Der Angeklagte führt aus, er habe die Strafe akzeptiert. Er mach damit deutlich, dass es ihn nicht um seine Verurteilung geht, sondern die Nichtverfolgung des -. Die Äußerungen in Bezug auf Staatsanwältin – sind somit nach dem Verständnis des Angeklagten nicht in Bezug auf das Ziel des Beschwerdeschreibens gefallen. Hier handelt es sich um einen – auch aus Sicht des Angeklagten – abgeschlossenen Vorgang, dessen Ergebnis, die Verurteilung, er auch nicht angreifen möchte. Die Äußerung erfolgte nicht mehr zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten. Insoweit wird die Äußerung des Angeklagten nicht mehr durch die Meinungsfreiheit gedeckt und ist auch keine legitime Äußerung im Rahmen des Kampfes um das Recht. Das Persönlichkeitsrecht der Geschädigten ist daher höher zu bewerten.
Die Kammer hat dabei auch bedacht, dass es sich bei der Äußerung des Angeklagten nicht um eine Spontanäußerung handelte, sondern eine schriftlich fixierte Erklärung, die entsprechend der Anrede an den Dienstvorgesetzten der betroffenen Staatsanwältin gerichtet war. Der Angeklagte wäre bei Abfassung des Schreibens durchaus in der Lage gewesen, zwischen der Tätigkeit und der Person zu unterscheiden. Dies wird auch deutlich, aus dem weiteren Inhalt des Schreibens, das sich ausschließlich auf die – aus Sicht des Angeklagten falsche oder unzureichende – Ermittlungstätigkeit der Staatsanwaltschaft – bezieht.
V.
Hinsichtlich der Strafzumessung war vom Strafrahmen des § 185 StGB auszugehen; dieser sieht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr vor.
Im Rahmen der Strafzumessung war zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er den äußeren Sachverhalt eingeräumt hat. Zu Lasten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass er bei Abfassung des Schreibens vorbestraft war. Allerdings handelte es sich um keine einschlägige Vorstrafe und weiterhin war zu berücksichtigen, dass die Äußerungen des Angeklagten sich als Folge dieses Strafverfahrens ergaben.
Unter Berücksichtigung dieser Strafzumessungserwägungen erachtet die Kammer eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen für schuld- und tatangemessen.
Die Tagessatzhöhe war aufgrund der Angaben des Angeklagten zu schätzen.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO, hiervon waren auch die Kosten des Revisionsverfahrens erfasst.