Baurecht

Öffentliche Bekanntmachung einer Baugenehmigung

Aktenzeichen  9 B 18.986

Datum:
22.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41358
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 66 Abs. 1 S. 4, Abs. 2 S. 6
VwGO § 42 Abs. 2, § 74 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Die öffentliche Bekanntmachung einer Baugenehmigung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO wirkt für und gegen jedermann und ist nicht beschränkt auf die Beteiligten, die ein gemeinsames Interesse im Sinne dieser Norm haben. (Rn. 31)
2. Sofern die Voraussetzungen einer öffentlichen Bekanntmachung der Baugenehmigung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO vorliegen, muss diese daneben grundsätzlich nicht – weiteren, in anderen Interessen Beteiligten – individuell zugestellt werden. (Rn. 32)

Verfahrensgang

AN 3 K 15.2590 2016-06-23 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selber trägt.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Kläger gegen den Baugenehmigungsbescheid der Beklagten vom 6. Mai 2015 zugunsten der Beigeladenen zu Recht als unzulässig abgewiesen. Die Kläger sind weder klagebefugt noch haben sie ihre Klage fristgerecht erhoben.
1. Die Kläger sind schon nicht klagebefugt.
Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Klage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn die Kläger geltend machen, durch den Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt zu sein. Ausreichend aber auch erforderlich ist es hierbei, dass die Kläger möglicherweise in ihren Rechten verletzt sind, d.h. die geltend gemachte Rechtsverletzung muss aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen möglich sein (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1993 – 4 B 206.92 – juris Rn. 7; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Stand Juli 2021, Art. 66 Rn. 535). Da durch die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 42 Abs. 2 VwGO lediglich Popularklagen und solche Klagen ausgeschlossen werden sollen, mit denen die Kläger außerrechtliche Interessen verfolgen, ist die Klagebefugnis nur dann zu verneinen, wenn durch den angefochtenen Verwaltungsakt unter Zugrundelegung des Klagevorbringens subjektive Rechte der Kläger ersichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2012 – 4 B 3.12 – juris Rn. 7). So liegt der Fall hier.
Die Kläger berufen sich zwar auf die Würdigung nachbarlicher Interessen im Rahmen der erteilten Befreiung von der Festsetzung der überbaubaren Grundstücksgrenzen des Bebauungsplans Nr. 164 der Beklagten nach § 31 Abs. 2 BauGB sowie das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme. Hier kommt jedoch eine Verletzung drittschützender Rechte der Kläger durch die Baugenehmigung vom 6. Mai 2015 ersichtlich und eindeutig nicht in Betracht.
a) Eine Lärmbeeinträchtigung wird seitens der Kläger schon nicht geltend gemacht. Zwar genügt für die Nachbareigenschaft eine potentielle Betroffenheit (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2011 – 14 CS 11.263 – juris Rn. 29). Im Hinblick auf die im schallschutztechnischen Gutachten des Ingenieurbüros … vom 27. November 2014 angegebene fehlende relevante Änderung der Geräuschimmissionen des Freibads, der zugrunde gelegten Gebietseinstufung des klägerischen Immissionsortes und der Entfernung des Immissionsortes zum Baugrundstück ist jedoch die Möglichkeit einer Rechtsverletzung der Kläger insoweit nicht ersichtlich. Gegenteiliges wird von den Klägern auch nicht vorgetragen.
b) Eine Klagebefugnis ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Kläger, sie seien durch das mit Bescheid vom 6. Mai 2015 genehmigte Bauvorhaben, insbesondere den Neubau des Hallenbades, von Hochwasserauswirkungen betroffen. Abgesehen davon, dass der durch das Bauvorhaben verursachte Retentionsraumverlust in Höhe von 4,85 m3 mit 5 m3 auf dem Freibadgelände ausgeglichen wird, ergibt sich aus einem Retentionsraumverlust dieser Größenordnung nicht, dass die Kläger eine mehr als unerhebliche Verschlechterung der Hochwassersituation zu erwarten hätten (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2020 – 8 CS 19.1633 – juris Rn. 30; B.v. 8.11.2016 – 1 CS 16.1864 – juris Rn. 5). Ein vom Kläger in der mündlichen Verhandlung erstmals angeführter Retentionsraumverlust von „etwa 500 m3“ aufgrund von Geländeauffüllungen im festgesetzten Überschwemmungsgebiet lässt sich den genehmigten Plänen nicht entnehmen. Soweit Aufschüttungen abweichend von der Baugenehmigung vom 6. Mai 2015 vorgenommen worden sein sollten, berührt dies deren Rechtmäßigkeit nicht (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2013 – 9 B 09.952 – juris Rn. 51; B.v. 6.10.2021 – 9 ZB 21.1537 – juris Rn. 7). Hinsichtlich der Notwendigkeit der Berücksichtigung von Extrem-Hochwasserlagen, auf die sich die Kläger berufen, zeigt das Klagevorbringen hierfür weder gesetzliche Grundlagen auf, noch inwieweit sich das Bauvorhaben, das zwar die festgesetzten Baugrenzen im Bebauungsplan Nr. 164 der Beklagten überschreitet, aber – mit Ausnahme der ausgeglichenen 4,85 m3 Retentionsraumverlust – außerhalb des mit Verordnung vom 29. November 1979 festgesetzten Überschwemmungsgebiets ausgeführt wird, insoweit überhaupt negativ auf die Kläger oder den Hochwasserabfluss auswirken könnte.
c) Auch soweit dem Vorbringen die Geltendmachung eines Gebietserhaltungsanspruches zu entnehmen sein sollte, weil die Kläger anführen, der Bebauungsplan setze ein Freibad fest, während das Bauvorhaben u.a. den Neubau eines Hallenbades zum Gegenstand habe, scheidet eine Klagebefugnis offensichtlich aus. Abgesehen davon, dass die klägerischen Grundstücke, für die ein Mischgebiet festgesetzt ist, mit dem Baugrundstück, für das Grünfläche mit der Zweckbestimmung „Städtisches Freibad“ festgesetzt ist, nicht im selben Baugebiet des Bebauungsplans Nr. 164 der Beklagten liegen und ein Gebietserhaltungsanspruch schon deswegen ausscheidet (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2019 – 9 ZB 15.442 – juris Rn. 13; BVerwG, B.v. 18.12.2007 – 4 B 55.07 – juris Rn. 6), sind auch Anhaltspunkte für einen ausnahmsweise vom Willen des Plangebers abhängigen, gebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 48.12 – juris Rn. 5).
2. Die Klage ist zudem – wie vom Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt – verfristet.
Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden; ein Widerspruchsverfahren gegen die Erteilung der Baugenehmigung durch die Beklagte mit Bescheid vom 6. Mai 2015 war hier nicht erforderlich (§ 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO, Art. 15 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 AGVwGO). Die mit Schriftsatz der Kläger vom 22. Dezember 2015, eingegangen beim Verwaltungsgericht am 23. Dezember 2015, erhobene Klage gegen die Baugenehmigung der Beklagten vom 6. Mai 2021 an die Beigeladene ist verfristet, weil sie nicht innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO erhoben wurde, die aufgrund der wirksamen öffentlichen Bekanntmachung im Amtsblatt der Beklagten am 21. Mai 2015 am 22. Juni 2015 abgelaufen ist (Art. 66 Abs. 2 Satz 6 BayBO, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB).
a) Die von der Beklagten gewählte öffentliche Bekanntmachung der Baugenehmigung vom 6. Mai 2015 war zulässig.
Nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO kann die Zustellung einer Baugenehmigung nach Art. 66 Abs. 1 Satz 4 BayBO bei mehr als 20 Beteiligten im Sinn des Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBO durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. Gemäß Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde in dem Fall, dass an einem Baugenehmigungsverfahren mindestens zehn Nachbarn im gleichen Interesse beteiligt sind, ohne vertreten zu sein, diese auffordern, innerhalb angemessener Frist einen Vertreter zu bestellen.
aa) Benachbart i.S.d. Art. 66 Abs. 1 Satz 1 und 4 sowie Abs. 2 Satz 4 BayBO sind dabei nicht nur unmittelbar an das Baugrundstück angrenzende Grundstücke, sondern alle Grundstücke, die in nachbarrechtlich relevanter Weise im Einwirkungsbereich des Bauvorhabens liegen. Soweit ein Grundstück belastenden Auswirkungen ausgesetzt sein kann, ist eine potentielle Betroffenheit ausreichend (BayVGH, B.v. 4.4.2011 – 14 CS 11.263 – juris Rn. 29). Dementsprechend ist der Kreis der Nachbarn im streitgegenständlichen Verfahren über die unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke hinaus auch auf die Grundstücke auszuweiten, die potentiellen Auswirkungen der Sanierung des Freibads West und des Neubaus des Hallenbads ausgesetzt sind. In Betracht kommen hier insbesondere Auswirkungen bezüglich des Verkehrsaufkommens und Lärmemissionen des Betriebs sowie der Besucher. Nach dem schallschutztechnischen Gutachten des Ingenieurbüros … vom 27. November 2014 sind vor allem die Grundstücke westlich und nördlich des Freibads als Immissionsorte einzustufen. Dass der Gutachter keine relevante Änderung der Geräuschimmissionen gegenüber dem Istzustand erwartet, ist für die Nachbareigenschaft aufgrund der ausreichenden potentiellen Betroffenheit unerheblich. Auch die von den Klägern angesprochenen Belange des Hochwasserschutzes reichen über die unmittelbar angrenzenden Grundstücke hinaus, so dass die Beklagte zu Recht auf einen größeren Kreis benachbarter Grundstücke abgestellt hat (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2018 – 9 CS 18.1415 – juris Rn. 24). Für die Nachbareigenschaft ist zudem auf den zum Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2018 – 9 CS 18.1415 – juris Rn. 25) jeweiligen zivilrechtlichen Eigentümer eines Grundstücks oder den Inhaber vergleichbarer dinglicher Rechte an einem Grundstück abzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2017 – 9 C 17.1023 – juris Rn. 8; B.v. 9.5.2017 – 9 CS 16.1241 – juris Rn. 19).
bb) Bei den von der Beklagten für die öffentliche Bekanntmachung angeführten Nachbarn (vgl. Verwaltungsgerichtsakte Bl. 49 f.) handelt es sich auch um mehr als 20 Nachbarn, die im gleichen Interesse beteiligt sind, wobei eine tatsächliche Beteiligung hierbei nicht erforderlich ist; maßgebend ist vielmehr die objektive Sachlage (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2018 – 9 CS 18.1415 – Rn. 26, 35). Im gleichen Interesse sind dabei alle Nachbarn beteiligt, die potentiell von vom Betrieb ausgehenden Emissionen betroffen werden. Nicht erforderlich ist, dass alle Beteiligten im selben Umfang interessiert oder im selben Ausmaß betroffen sind (vgl. BayVGH, B.v. 3.2.1997 – 2 CS 96.3536 – BayVBl 1998, 151). Im Hinblick darauf, dass Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBO durch eine gemeinsame Bestellung eines Vertreters die Vermeidung von Interessenkonflikten berücksichtigen muss (vgl. § 43a Abs. 4 BRAO; Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand Januar 2021, Art. 18 BayVwVfG Rn. 9), kann ein solches gleiches Interesse aber nicht allein in der Aufhebung des Verwaltungsakts gesehen werden. Eine individuelle und auseinanderfallende Argumentation der Beteiligten in wesentlichen Punkten und unterschiedlichen Aspekten schließt daher die Möglichkeit der Bestellung einer gemeinsamen Vertretung regelmäßig aus (vgl. Dombert in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 18 Rn. 6; Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 18 Rn. 4; Cybulka/Siegel in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 67a Rn. 17).
Unter Zugrundelegung der schallschutztechnischen Stellungnahme vom 27. November 2014, die Immissionsorte insbesondere bei den Grundstücken westlich und nördlich des bestehenden Freibads ansetzt, hat die Beklagte hinsichtlich der angeführten Grundstücke zu Recht auf ein gemeinsames Interesse – hier der Vermeidung von Lärmimmissionen durch Verkehr, Besucher und Betrieb – abgestellt. Die vom Bauvorhaben potentiell betroffenen Grundstückseigentümer liegen bereits bei deutlich über 20 Beteiligten. Ob darüber hinaus die Voraussetzungen auch für weitere Interessengruppen, insbesondere die von den Klägern angeführten in Hochwasserbelangen Betroffenen, erfüllt sind, was von den Klägern verneint wird, ist unerheblich, da jedenfalls mehr als 20 Nachbarn in einem gleichen Interesse – hier hinsichtlich einer potentiellen Lärmbetroffenheit – beteiligt sind.
cc) Die mehr als 20 im gleichen Interesse beteiligten Nachbarn haben – unabhängig davon, ob sie tatsächlich beteiligt wurden (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2018 – 9 CS 18.1415 – juris Rn. 32) – dem Bauvorhaben nicht i.S.d. Art. 66 Abs. 1 Satz 4 BayBO zugestimmt. Sie sind zudem nicht gemeinsam durch einen Bevollmächtigten vertreten (vgl. BayVGH, B.v. 3.2.1997 – 2 CS 96.3536 – BayVBl. 1998, 151; Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Stand April 2021, Art. 66 Rn. 54; Edenharter in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht, Stand 1.8.2021, Art. 66 Rn. 35; Waldmann in Molodowsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand Mai 2021, Art. 66 Rn. 168).
dd) Die Entscheidung der Beklagten, die Baugenehmigung vom 6. Mai 2015 nach Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO öffentlich bekannt zu machen, ist ferner nicht ermessensfehlerhaft. Die Beklagte war sich ausweislich des Hinweises Nr. 3 im Bescheid vom 6. Mai 2015 ihres Ermessens bewusst. Das Gebrauchmachen von der Möglichkeit der Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung stellt auch keinen Ermessensfehlgebrauch dar (vgl. BayVGH, B.v. 3.2.1997 – 2 CS 96.3563 – BayVBl 1998, 151/152). Im Hinblick auf den mit der Norm verbundenen Zweck einer Verringerung des Verwaltungs- und Kostenaufwands sowie der Verfahrensentlastung und -vereinfachung (vgl. LT-Drs. 12/13482, S. 63; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Stand Juli 2021, Art. 66 Rn. 231; Edenharter in Spannowsky/Manssen, a.a.O., Art. 66 Rn. 71) reicht der durch eine öffentliche Bekanntmachung anstelle einer Individualzustellung entstehende Entlastungszweck bei der hier vorliegenden Erfüllung der Voraussetzungen regelmäßig für die Wahl dieser Verfahrensvariante aus (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2021 – 9 ZB 21.901 – juris Rn. 11 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 9.6.2020 – 1 B 135/20 – juris Rn. 18).
b) Neben der zulässig erfolgten öffentlichen Bekanntmachung bedarf es keiner (weiteren) individuellen Zustellung der Baugenehmigung an die Kläger gem. Art. 66 Abs. 1 Satz 4 BayBO.
Die öffentliche Bekanntmachung gem. Art. 66 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Satz 3 BayBO ersetzt die nach Art. 66 Abs. 1 Satz 4 BayBO erforderliche Individualzustellung (vgl. auch Art. 41 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4, Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG) und zwar mit Wirkung für und gegen jedermann (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.2018 – 1 VR 14.17 – juris Rn. 24 f.; Baer in Schoch in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 41 Rn. 93 f.; Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, § 41 Rn. 91; Couzinet/Fröhlich in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Auflage 2019, § 41 Rn. 127). Bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung – wie hier der Baugenehmigung vom 6. Mai 2015 (vgl. BayVGH, B.v. 14.3.2019 – 9 ZB 17.2005 – juris Rn. 10) – wird eine öffentliche Bekanntmachung damit auch gegenüber solchen Personen wirksam, die von der Verlautbarung des Verwaltungsakts keine Kenntnis nehmen konnten (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 41 Rn. 137). Die Wirkung der öffentlichen Bekanntmachung ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 66 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Satz 3 BayBO nicht auf die Beteiligten beschränkt, die ein gemeinsames Interesse i.S. dieser Norm haben. Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO enthält insoweit keine Beschränkung der öffentlichen Bekanntgabe auf „diese“ Beteiligten, sondern verweist ohne Einschränkung und generell auf Art. 66 Abs. 1 Satz 4 BayBO. Die Individualzustellung wird damit vollständig und vollumfänglich durch die öffentliche Bekanntmachung ersetzt.
Es besteht daneben auch keine Pflicht, weiteren Beteiligten, die nicht zum Kreis der im gleichen Interesse Beteiligten zählen, die Baugenehmigung vom 6. Mai 2015 individuell bekannt zu geben. Zwar ist eine individuelle Zustellung neben der öffentlichen Bekanntmachung möglich, sie steht aber im Ermessen der Behörde (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2017 – 9 A 30.15 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 23.2.2021 – 8 AS 20.40014 – juris Rn. 15 f.). Ermessensfehler der Beklagten, eine individuelle Zustellung hier aufgrund besonderer Umstände zusätzlich vorzunehmen, sind selbst dann nicht ersichtlich, wenn davon auszugehen wäre, dass die Beklagte Betroffene mit weiteren Interessen gar nicht ermittelt hat. Denn andernfalls würde regelmäßig der Vereinfachungs- und Beschleunigungseffekt nicht erreicht, wenn die Behörde ermitteln oder berücksichtigen müsste, ob einzelnen Beteiligten oder Gruppen neben einer öffentlichen Bekanntmachung gesondert zuzustellen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 3.2.1997 – 2 CS 96.3563 – BayVBl. 1998, 151). Eine Mehrfachbekanntmachung ist darüber hinaus auch im Hinblick auf die Fehleranfälligkeit und die Frage des Fristlaufs grundsätzlich nicht angezeigt (vgl. VG Augsburg, U.v. 18.4.2013 – Au 5 K 11.668 – juris Rn. 34). Es ist daher regelmäßig nicht zu beanstanden, wenn bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 66 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. Satz 3 BayBO im Rahmen der Zustellung keine Gruppen unterschiedlicher Betroffenheit gebildet werden, um weiter zwischen individueller Zustellung und öffentlicher Bekanntmachung zu differenzieren (vgl. VG Ansbach, B.v. 14.7.2015 – AN 9 S 15.00716 – juris Rn. 34; VG Würzburg, B.v. 20.6.2018 – W 4 S 18.717 – juris Rn. 24). Vielmehr ist die Frage gleicher Interessen bei der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters, die zur Vermeidung von Interessenkonflikten (vgl. § 43a Abs. 4 BRAO) und für die Gewährleistung eines fairen Verfahrens gegebenenfalls die Bildung verschiedener Gruppen von Beteiligten erfordert (vgl. Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 18 Rn. 4), unabhängig von der Wirkung einer zulässigen öffentlichen Bekanntmachung und der Frage möglicher, aber nicht verpflichtender, weiterer individueller Zustellungen zu beantworten. Sofern die Voraussetzungen einer öffentlichen Bekanntmachung der Baugenehmigung vorliegen, muss diese daneben grundsätzlich nicht – weiteren, in anderen Interessen Beteiligten – individuell zugestellt werden (vgl. Waldmann in Molodowsky/Famers/Waldmann, a.a.O., Art. 66 Rn. 195; VG Ansbach, U.v. 15.2.2021 – AN 3 K 20.01268 – BeckRS 2021, 2482 Rn. 47, 51 ff.). Die Zustellung gilt damit hier auch gegenüber den Klägern mit dem Tag der Bekanntmachung am 21. Mai 2015 als bewirkt (Art. 66 Abs. 2 Satz 6 BayBO).
c) Die öffentliche Bekanntmachung ist inhaltlich ordnungsgemäß erfolgt.
Nach Art. 66 Abs. 2 Satz 5 BayBO ist die öffentliche Bekanntmachung im amtlichen Veröffentlichungsblatt der zuständigen Baugenehmigungsbehörde bekannt zu machen. Die Bekanntmachung hat hierbei den verfügenden Teil der Baugenehmigung, die Rechtsbehelfsbelehrungsowie einen Hinweis darauf zu enthalten, wo die Akten des Baugenehmigungsverfahrens eingesehen werden können (Art. 66 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 5 BayBO). Dem entspricht die öffentliche Bekanntmachung im Amtsblatt der Beklagten vom 21. Mai 2015; dem Vortrag der Kläger, die Bekanntmachung müsse auch die im Rahmen der Baugenehmigung erteilten Befreiungen umfassen, ist nicht zu folgen.
Ziel der Regelung des Art. 66 Abs. 2 Satz 4 BayBO ist es, die Baugenehmigung nach Form und Inhalt so bekanntzumachen, dass einerseits dem Informations- und Rechtsschutzbedürfnis der betroffenen Bürger, andererseits aber auch dem öffentlichen Interesse daran Rechnung getragen wird, dass das geplante Vorhaben nicht übermäßig behindert oder gar durch eine verfahrensrechtliche Überforderung blockiert wird (vgl. BVerwG, U.v. 27.5.1983 – 4 C 40.81 – juris Rn. 28). Trotz einiger Erleichterungen bei der öffentlichen Bekanntmachung gegenüber der Individualzustellung muss in jedem Fall gewährleistet sein, dass die Bekanntmachung denen, die sie angeht, bewusst macht, dass sie von ihrem Inhalt betroffen sind. Insofern ist die Anstoßfunktion unerlässliches Wesensmerkmal einer jeden Bekanntmachung, die nachteilige Rechtsfolgen für den Betroffenen zeitigen kann (vgl. SächsOVG, B.v. 9.6.2020 – 1 B 135/20 – juris Rn. 21 m.w.N.).
Anders als beispielsweise im Falle des Art. 74 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 BayVwVfG, der die Notwendigkeit enthält, auf Auflagen hinzuweisen, erfordert Art. 66 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 BayBO nicht, dass der volle Wortlaut des verfügenden Teils der Baugenehmigung einschließlich etwaiger Nebenbestimmungen, Ausnahmen und Befreiungen oder Abweichungen veröffentlicht werden muss. Vielmehr genügt der Anstoßfunktion eine inhaltliche Bezeichnung der wesentlichen Merkmale des Vorhabens und der dazu getroffenen Regelungen (vgl. BayVGH, B.v. 3.2.1997 – 2 CS 96.3563 – BayVBl. 1998, 151), zumal sich der verfügende Teil der Baugenehmigung ohnehin regelmäßig nur anhand des Antrags und der Bauvorlagen bestimmen lässt (vgl. SächsOVG, B.v. 9.6.2020 – 1 B 135/20 – juris Rn. 20) und auch eine wörtliche Wiedergabe der verfügenden Regelungen nicht zwingend ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.5.1983 – 4 C 40.81 – juris Rn. 28). Die Formulierung im Amtsblatt der Beklagten vom 21. Mai 2015 betreffend die „Sanierung Freibad West und Neubau Hallenbad auf dem Grundstück D… straße …, FlNr. … Gemarkung B…“ wahrt damit die notwendige Anstoßfunktion, weil insbesondere aufgrund der Beschreibung des Vorhabens und der Angabe von Flurnummer und Adresse dessen Lage an der Regnitz offensichtlich ist. Eines Abdrucks der erteilten Befreiungen oder weitergehender Hinweise zum festgesetzten Überschwemmungsgebiet der Regnitz bedurfte es daher nicht, um die notwendige Anstoßfunktion zu gewährleisten.
d) Den Klägern ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist – hier § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO – einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 66 Abs. 1 VwGO). Der Antrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO) und innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 60 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Hier haben die Kläger nach Kenntnis der Baugenehmigung vom 6. Mai 2015 durch Mitteilung der Beklagten am 9. Dezember 2015 mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2015, eingegangen beim Verwaltungsgericht am 23. Dezember 2015 und damit innerhalb der zweiwöchigen Frist (vgl. § 57 Abs. 1 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB), Klage beim Verwaltungsgericht erhoben, so dass gem. § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag der Beklagten gewährt werden kann, wenn ohne weiteres erkennbar ist, dass die Kläger kein Verschulden an der Fristversäumung trifft (vgl. BVerwG, U.v. 13.9.1988 – 6 C 1.88 – BayVBl. 1989, 122; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 60 Rn. 36). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor.
Ein Verschulden ist zu bejahen, wenn der Betroffene Kenntnis haben musste oder ein Verschulden hinsichtlich der Umstände vorliegt, die zur öffentlichen Bekanntmachung geführt haben (vgl. BVerwG, B.v. 20.1.1994 – 5 B 99.93 – juris Rn. 4). Maßgeblich sind dabei in jedem Fall die Umstände des Einzelfalls (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 60 Rn. 10; Bier/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 60 Rn. 30). Abgesehen davon, dass Gründe für eine Wiedereinsetzung weder vorgetragen noch ersichtlich sind, genügt die bloße Unkenntnis einer öffentlichen Bekanntmachung oder ein „nicht damit Rechnen“ nicht, um den Klägern Wiedereinsetzung zu gewähren (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 41 Rn. 141; Guttenberg in MDR 1993, 1049/1051). Aufgrund der Größe, der Bedeutung, der Auswirkungen und der Lage des Bauvorhabens muss hier grundsätzlich mit einer öffentlichen Bekanntmachung des Bauvorhabens, über das nach Angaben der Beteiligten auch in der lokalen Presse berichtet wurde, gerechnet werden. Es bestehen ferner keine Anhaltspunkte für einen Sonderfall oder dafür, dass den Klägern aufgrund außergewöhnlicher Umstände die Kenntnisnahme der öffentlichen Bekanntmachung erschwert war (vgl. BayVGH, B.v. 17.11.2015 – 9 CS 15.1762 – juris Rn. 21; Guttenberg a.a.O.), so dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hier nicht in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Da sich die Beigeladene im Berufungsverfahren nicht geäußert hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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