Aktenzeichen M 5 K 19.4044
BayVwVfG Art. 46
Leitsatz
Tenor
I. Der Beklagte wird verpflichtet, die periodische dienstliche Beurteilung der Klägerin vom 31. Oktober 2018 für den Beurteilungszeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014 aufzuheben und für diesen Zeitraum eine neue dienstliche Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu erstellen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Aufhebung der periodischen dienstlichen Beurteilung vom 31. Oktober 2018 für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2014 und Erstellung einer neuen Beurteilung für diesen Zeitraum (§ 113 Abs. 5 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO analog).
1. Die dienstliche Beurteilung vom 31. Oktober 2018 wurde vom falschen Beurteiler erstellt.
Nach Abschnitt 3 Nr. 10.2 Satz 1 der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV-BeamtR) vom 13. Juli 2009 (FMBl S. 190, StAnz Nr. 35), in der für die streitgegenständliche Beurteilung maßgeblichen Fassung vom 18. November 2010 (FMBl 2010, 264) werden abgeordnete Beamte von der Stammdienststelle beurteilt. Die streitgegenständliche periodische dienstliche Beurteilung war daher durch das Staatliche Schulamt im Landkreis F. zu erstellen. Nach den für den streitgegenständlichen Beurteilungszeitraum maßgeblichen Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der staatlichen Lehrkräfte an Schulen in Bayern vom 7. September 2011 (II.5-5 P 4010.2-6.60 919, KWMBl 2011, 306) erstellt die fachliche Leitung des Schulamts die dienstlichen Beurteilungen für die Lehrer an Volksschulen (Nr. 4.6.2 lit. a Satz 1). Nach den Aussagen der Zeugin B., an deren Glaubhaftigkeit das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln sieht, war am letzten Tag der Beurteilungsperiode (31.12.2014) der frühere Schulamtsdirektor G. zuständig, der mittlerweile in Ruhestand getreten ist. Die Beurteilung war daher durch den im Zeitpunkt der Erstellung der periodischen dienstlichen Beurteilung (31.10.2018) zuständigen Beurteiler zu erstellen (BVerwG, B.v. 16.4.2013 – 2 B 134/11 – IÖD 2013, 157, juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 12.7.2007 – 3 ZB 06.240 – juris Rn. 5).
Die Zeugin B. als fachliche Leitung des Schulamts F. hat ihre Beurteilungskompetenz nach der ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit der Übertragung auf weitere Schulrätinnen und Schulräte eines Schulamts delegiert (Nr. 4.6.2 lit. c der Richtlinien für die dienstliche Beurteilung und die Leistungsfeststellung der staatlichen Lehrkräfte an Schulen in Bayern). Damit war der Schulrat zuständig, dem die Erstellung der Beurteilungen der Lehrkräfte an der Schule in G. durch die Zeugin übertragen war. Wer innerhalb des Staatlichen Schulamts für die Erstellung der Beurteilungen zuständig ist, ergibt sich nach der Geschäfts- und Unterschriftsregelung dieser Behörde (siehe hierzu § 16 Abs. 2 Satz 1, § 23 Abs. 1 Satz 1 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats Bayern – AGO). Ab August 2017 war der Schulrat Bl. für die Beurteilungen der Schule in G. zuständig, an der die Klägerin zuletzt tätig war. Eine ausdrückliche Rückübertragung der Beurteilungszuständigkeit von Schulrat Bl. auf die Zeugin ist nicht vorgetragen worden. Soweit die Zeugin angegeben hat, sie sei von ihrer weiter bestehenden Zuständigkeit ausgegangen, da sie von der Regierung wohl im Frühjahr gebeten worden war, einen Beurteilungsbeitrag für die Klägerin bei der Universität einzuholen, widerspricht das den von ihr angegebenen Grundsätzen für die Übertragung der Beurteilungszuständigkeit. Wenn die fachliche Leiterin des Staatlichen Schulamts die Beurteilungszuständigkeit für bestimmte Schulen auf den Schulrat Bl. übertragen hat, kann sie – willkürfrei – nicht ohne inhaltlich genaue und sachlich begründete Regelung hiervon eine Ausnahme machen. Das Vorliegen einer solchen sachlich begründeten und auch klar abgegrenzten „Sonder-Zuständigkeitsregelung“ ist von der Zeugin nicht angegeben worden. Daher blieb es nach der Auffassung des Gerichts bei der Zuständigkeit des Schulrats Bl. – der für die Schule in G. zuständig war – auch für die Erstellung der dienstlichen Beurteilung für die Klägerin am 31. Oktober 2018.
2. Dieser Fehler ist auch nicht nach dem Gedanken des Art. 46 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Zwar kommt der Gedanke der Unbeachtlichkeit eines Verfahrensfehlers für das Ergebnis eines Verwaltungsverfahrens, der in Art. 46 BayVwVfG zum Ausdruck gebracht ist, in erster Linie bei gebundenen Entscheidungen zum Tragen (BVerwG, B.v. 20.12.2010 – 2 B 39/10 – juris Rn. 6). Art. 46 BayVwVfG ist jedoch auch auf Fälle anwendbar, in denen die Behörde über einen Entscheidungsspielraum bzw. Beurteilungsspielraum verfügt. Danach ist die hypothetische Beurteilung des behördlichen Verhaltens für den Fall der fehlerfreien Abwicklung des Verwaltungsverfahrens zu ermitteln (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 46 Rn. 73, 77). Ein Verstoß gegen eine Verfahrensvorschrift ist nur dann offensichtlich ohne Einfluss auf die Entscheidung in der Sache, wenn das Gericht zweifelsfrei und ohne jede Spekulation davon ausgehen kann, dass die Entscheidung ohne den Fehler genauso ausgefallen wäre. Ein Kausalzusammenhang ist dagegen zu bejahen, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass ohne den angenommenen Verfahrensmangel die Entscheidung anders ausgefallen wäre (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – ZBR 2020, 35, juris Rn. 72 m.w.N.; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 46 Rn. 80, 83).
Bei der streitgegenständlichen periodischen Beurteilung handelt es sich um einen Ausnahmefall, da für einen relativ lange zurückliegenden Beurteilungszeitraum eine singuläre Beurteilung zu erstellen war. Zudem mussten eine Zwischenbeurteilung für einen Zeitraum von 22 Monaten, ein Beurteilungsbeitrag der Universität für einen Zeitraum von 16 Monaten und ein informeller Beurteilungsbeitrag für sieben Monate zu einer periodischen dienstlichen Beurteilung zusammengefügt werden. Dabei bestand die Besonderheit, dass der Beurteilungsbeitrag der Universität zum einen durchweg das beste erreichbare Prädikat ausweist, zum anderen die Klägerin an der Universität nicht wie die anderen Lehrkräfte der Vergleichsgruppe der dienstlichen Beurteilung im Unterrichtsbetrieb an einer Schule tätig war. Die damit verbundenen Schwierigkeiten hat die Zeugin B. dem Gericht geschildert. Die streitgegenständliche Beurteilung zeichnet sich dadurch aus, dass von acht Einzelmerkmalen vier mit UB und vier mit dem nächst höheren Prädikat „Leistung, die die Anforderungen besonders gut erfüllt – BG“ bewertet worden sind. Den Ausschlag für das Gesamturteil UB habe das größere Gewicht der Bewertung des schulisch-unterrichtlichen Bereichs gegeben. Hier habe sich nach Aussage der Zeugin B. die sehr gute Bewertung durch die Universität nicht durchsetzen können.
Da es sich nicht um eine Beurteilung einer Vielzahl von Lehrkräften zeitnah zum Beurteilungsstichtag handelte und insbesondere die Berücksichtigung des Beurteilungsbeitrags der Universität eine anspruchsvolle Bewertungsaufgabe darstellt, kann nicht zweifelsfrei und ohne jede Spekulation davon ausgegangen werden, dass der an sich zuständige Schulrat Bl. zu einem anderen Endprädikat gelangt wäre. Das gilt insbesondere mit Blick darauf, dass sich die Beurteilung im Grenzbereich zwischen UB und dem nächst höheren Prädikat BG bewegt. Das Beurteilungsermessen des Beurteilers – in das nicht eingegriffen werden darf (BayVGH, U.v. 16.5.2011 – 3 B 10.180 – BayVBl 2012, 431, juris Rn. 18; OVG RhPf, U.v. 13.5.2014 – 2 A 10637/13 – NVwZ-RR 2014, 813, juris Rn. 33 ff.), steht ausschließlich dem für die Beurteilung zuständigen Beurteiler zu. Geht es um eine schwierige Beurteilungssituation im Grenzbereich zweier in Betracht kommender Prädikate, ist es rechtlich unerlässlich, dass auch der zuständige Beurteiler die Beurteilung unter Ausübung seiner Freiheit bei der Ausübung des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums erstellt.
3. Der Beklagte hat nach § 154 Abs. 1 VwGO als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.