Aktenzeichen 14 O 290/17
ZPO § 263
Leitsatz
Nach § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Werk frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Gründe
Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Die Klageänderung ist zulässig.
I. Der Kläger hat von einem Schadensersatzanspruch nach § 634 Nr. 4 gewechselt zu einem Anspruch aus § 637 BGB. Dieser Klageänderung hat die Beklagte und die Streitverkündeten nicht zugestimmt, aber das Gericht erachtet sie als sachdienlich.
Klageänderung bedeutet Änderung des Streitgegenstandes. Dabei kommt es nicht allein auf den Antrag an. Erforderlich ist vielmehr der dem Antrag zugrunde liegende Sachverhalt zur Individualisierung des Streitgegenstands. Es stellt jedoch einen anderen Lebensvorgang dar, ob der Kläger einen Schadensersatzanspruch oder einen Vorschussanspruch fordert. Im Übergang vom Schadensersatzanspruch auf den Anspruch auf Kostenvorschuss liegt eine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO. Vorschuss- und Schadensersatzbegehren sind ihrem Wesen nach verschieden und begründen unterschiedliche Streitgegenstände. Dem Besteller obliegt es nach Erhalt des Kostenvorschusses, diesen zur Mangelbeseitigung einzusetzen. Er muss später abrechnen und nachweisen, dass er den gezahlten Betrag dafür verwendet hat. Bei der Abrechnung kann sich sowohl eine Nachzahlungspflicht des Unternehmers, als auch eine Erstattungspflicht des Bestellers ergeben. Im Gegensatz dazu wird im Schadensersatzprozess endgültig entschieden. Ob das als Schadensersatz Geleistete zur Mängelbeseitigung benutzt wird, ist unerheblich; eine Abrechnung findet hier nicht statt. Es handelt sich deshalb beim Übergang vom einen zum anderen Anspruch nicht um eine Erweiterung oder Beschränkung des jeweils anderen im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO, sondern um einen Wechsel des Streitgegenstandes (BGH, NJW-RR 98, 1006, zitiert nach Beck online).
Diese Klageänderung ist jedoch sachdienlich. Die Sachdienlichkeit ist objektiv im Hinblick auf die Prozesswirtschaftlichkeit und nicht kleinlich zu beurteilen (§ 263 Rdnr. 8, Thomas / Putzo, ZPO, 39. Auflage). Insbesondere ist die Klageänderung als sachdienlich zuzulassen, wenn der bisherige Streitstoff eine verwertbare Entscheidungsgrundlage bleibt und die Zulassung die endgültige Beilegung des Streits fördert (a.a.O.). Da die Umstellung im vorliegenden Fall die eventuell notwendige Erhebung einer weiteren Klage (wegen der Mehrwertsteuer) verhindert, ist die Klageänderung sachdienlich und als solche gemäß § 263 ZPO zuzulassen.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Im vorliegenden Fall liegt kein Mangel im Sinne des § 633 BGB vor.
Zwischen den Parteien wurde ein Werkvertrag geschlossen. Der Beklagte hatte die Pflicht, dem Kläger das Dach frei von Sach- und Rechtsmängeln zu decken. Nach § 633 Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Werk frei von Sachmängeln, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat.
1) Im vorliegenden Fall ist zwischen den Parteien lediglich vereinbart worden, dass Dachziegeln der Marke „Creaton Maxima, Finesse schwarz glasiert“ verwendet werden. Diese wurden verwendet. Davon abgesehen muss das Dach funktionstauglich sein. Insoweit ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen H2. dem selbständigen Beweissicherungsverfahren 14 OH 20/15, dass die Dacheindeckung regensicher ist und weitere Mängel nicht vorliegen (vgl. Seite 8 des Gutachtens, Bl. 35 d. A.).
2) Kein Mangel liegt in den kleinen Punkten, die beispielsweise auf der Anlage A 11, Bl. 105 d. A., erkennbar sind, wo die Glasur punkteweise fehlt. So hat der Kläger vorgetragen, dass diese kleinen Stellen nicht von Anfang an da gewesen seien, sondern sich entwickelt hätten und ein Zeichen dafür seien, dass die Glasur sich von dem Ziegel löst. Gleichzeitig hat der Kläger jedoch eingeräumt, dass diese kleinen Flecken auf Ziegeln zum Zeitpunkt der Dachdeckung vorhanden waren, aber ausschließlich auf der Hangseite des Hauses (vgl. Protokoll vom 11.06.2018, Seite 3, Bl. 122 d. A.). Er habe sie auf dieser Seite mit einem Stift ausgebessert. An der Talseite seien keine gewesen, diese seien erst nachträglich aufgetaucht. Demgegenüber hat der Mitarbeiter der Streithelferin zu 2) ausgesagt, dass diese kleinen Punkte während des Transports entstehen und keinen Mangel darstellen.
Das Gericht glaubt nicht, dass diese Punkte nicht bereits zum Zeitpunkt der Dachdeckung da waren. Das Haus des Klägers ist so gestaltet, dass die Talseite zwei Stockwerke plus Dach aufweist, die Hangseite ein Stockwerk plus Dach und der Hang geht hinter dem Haus noch weiter hinauf. Man kann daher unproblematisch auf der Hangseite mehr oder weniger über dem Dach stehen und auf das Dach herunter schauen, wohingegen dies von der Talseite aus nicht möglich ist. Das Gericht hat daher keinen Zweifel daran, dass der Kläger zu dem Zeitpunkt, als der Beklagte das Dach gedeckt hat, die roten Flecken auf der Hangseite gesehen hat, weil das Dach einfach besser einsehbar ist, und diese dann, wie er gesagt hat, mit einem Stift ausgebessert hat. Die Flecken auf der Talseite sind ihm erst aufgefallen, als er sich im Zusammenhang mit diesem Prozess intensiv mit dem Dach beschäftigte, mit Drohnen über das Dach flog, um zu fotografieren und aus seinem Dachflächenfenster kletterte. Es ist schlicht nicht glaubwürdig, dass diese Stellen nur auf der einen Hälfte eines 325 m² großen Daches aufgetreten seien, auf der andern jedoch nicht. Es handelt sich vielmehr nach Auffassung des Gerichts ganz deutlich um einen Mangel, der dem Kläger nur zuvor nicht aufgefallen ist und der als solcher keinen Mangel im Sinne des § 633 BGB darstellt. Insbesondere besteht nicht die Gefahr, dass sich diese Stellen vergrößern, denn sie sind seit 2013 in dieser Form da. Dies ergibt sich auch aus dem Gutachten des Sachverständigen H1. (vgl. Gutachten, Bl. 40 d. A.), aus welchem hervorgeht, dass Kratzer und Reibungsspuren herstellungs- bzw. transportbedingt sein können. Diese Feststellung untermauert der Sachverständige noch mit den Fachregeln für Dachdeckung mit Dachziegeln (Seite 14 des Gutachtens, Bl. 41 d. Beiakte). Das ist nachvollziehbar und schlüssig, zumal die Flecken aus einem normalen Abstand beim Betrachten eines Daches nicht zu sehen sind und die Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigen.
2) Es spricht nichts dafür, dass das Dach Probleme mit Anhydrit hat. Der Streitverkündete zu 2) hat in der mündlichen Verhandlung vom 11.06.2018 Bilder gezeigt, an denen AnhydritAuswaschungen zu sehen waren. Die Dachziegel haben eine deutlich erkennbare helle Farbe, das Dach als solches sah „gemustert“ aus, nicht jedoch einheitlich. Das Dach des Klägers sieht einheitlich aus. Allein die Tatsache, dass im Internet über solche Fälle berichtet wird begründet keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür, dass dieser Mangel auch bei dem Dach des Klägers vorliegt. Die erneute Beauftragung eines Sachverständigen ist daher nicht erforderlich.
3) Auch die von dem Kläger gerügten Abplatzungen an den Kanten, von denen bei der letzten mündlichen Verhandlung eine zu sehen war, stellen kein Mangel der Dachziegel dar. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen H1., in welchem ausgeführt sind, dass Eckabsplitterungen an der Ecke des Ziegels bis zu einer mittleren Abmessung von etwa 7 Millimetern zu tolerieren sind, das gleiche gilt für geringfügige Abplatzungen. Soweit der Kläger vorgetragen hat, es handelt sich hierbei um neue Abplatzungen und es sei zu befürchten, dass das Dach sich auf diese Art und Weise zersplittere und durchgehend beschädigt werde, so ist der Einwand des Streitverkündeten zu 2) richtig gewesen, dass nämlich die roten Stellen an der Absplitterung ersichtlich nicht neu waren, sondern bereits seit einiger Zeit da sein mussten. Auch hier ist wiederum zu berücksichtigen, dass diese Stellen nur zu sehen waren, wenn man sich aus dem Dachflächenfenster lehnte und das Dach anschaute, es ist jedoch, wie der Sachverständige ausgeführt hat, nicht die Entfernung, aus der heraus man ein Dach beurteilen muss (nämlich 6 – 10 Meter). Aus dieser Entfernung, das heißt in dem Fall von der anderen Straßenseite talwärts gelegen, sind diese Absplitterungen nicht zu erkennen.
4) In der Farbe der Dachziegel liegt kein Mangel.
Ausweislich des Vertrags zwischen den Parteien wurde gemäß des Angebots des Beklagten ein bestimmter Ziegel (Creaton Maxima Finesse) mit der Farbe „schwarz“ vereinbart. Es wurde daher nicht vereinbart, dass es sich um tiefschwarze Ziegel handeln musste, denn zwischen schwarz und tiefschwarz besteht ein großer Unterschied. Richtig ist, dass das Dach nicht tiefschwarz aussieht. Das Dach sieht aber schwarz aus und ist weder rötlich noch bräunlich.
Wie der Sachverständige festgestellt hat (Seite 13 des Gutachtens, Bl. 40 d. Beiakten), muss für die Bewertung eines Daches ein gebrauchsüblicher Betrachtungsabstand zwischen 6 – 10 Metern eingehalten werden. Aus dieser Entfernung sieht das Dach schwarz und einheitlich aus. Soweit der Kläger verschiedene Aufnahmen vorgelegt hat, in denen er Dachziegeln im Detail bzw. in kleineren Ausschnitten aufgenommen hat, so sind diese unbehelflich. Er hält damit den Betrachtungsabstand nicht ein, es ist nicht üblich, dass man aus einem Dachflächenfenster klettert, um ein Dach zu beurteilen oder mit Drohnen darüber fliegt. Üblich ist es vielmehr, dass man ein Dach aus einer gewissen Entfernung sieht und aus dieser Entfernung sind Mängel nicht zu erkennen.
Der Kläger trägt vor, das Dach sei ursprünglich tiefschwarz gewesen und habe sich verändert. Insoweit ist festzustellen, dass selbst der Sachverständige H1., der gesagt hat, dass unter gewissen Umständen ein leichter Rötlichton zu erkennen sei, in der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2018 gesagt hat, es sei seit seinem letzten Besuch (am 14.3.2016 (vgl Bl 12 des Gutachtens vom 23.5.16, Bl 39 der Beiakte), also etwa zwei Jahre zuvor) eine Veränderung nicht eingetreten (Seite 4 des Protokolls, Bl. 54 d. A.).
Darüber hinaus kann das Gericht auch diese Rotschimmerung nicht erkennen. Nach § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr ist. Hinsichtlich eines Sachverständigenbeweises gilt, dass ein Gutachten nicht kritiklos übernommen werden kann, es ist vielmehr nachzuprüfen, ob die Anknüpfungstatsachen des Sachverständigen mit den im Prozess Festgestellten übereinstimmen und ob die Folgerung des Sachverständigen logisch sind. Ein Gericht kann von einem Gutachten abweichen, in der Regel ist hierfür ein zweites Gutachten erforderlich. Dieser Regelfall liegt hier im vorliegenden Fall nicht vor. Es handelt sich hier um die Frage, ob ein Dach auf einem Haus schwarz oder leicht rötlich ist. Das Gericht hat das Dach bei bewölktem Himmel gesehen, das Gericht hat das Dach bei Sonne gesehen und das Gericht hat das Dach bei Regen gesehen. Das Gericht fühlt sich kompetent, die Farbe der Dachziegel, das heißt die Farbe des gesamten Daches, in seiner Wirkung von einer Entfernung von 6 – 10 Metern zu beurteilen. Insoweit kommt das Gericht zum Ergebnis, dass das Dach schwarz ist.
Auch die von dem Kläger vorgelegten einzelnen Ziegelmuster führen nicht zu einer andern Beurteilung. Es ist zwar richtig, dass die Musterziegel, die er gezeigt hat, schwarzer sind. Es handelt sich jedoch bei diesen Ziegeln um gebrannte Ziegel, bei denen es nachvollziehbar ist, dass jede Charge eine andere Farbe hat. Eine bestimmte Musterziegelfarbe war zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Die Ziegel entsprechen daher der Vereinbarung und sind nicht mangelhaft. Soweit nicht verlegte Ziegel aus derselben Charge gezeigt wurden, so konnte das Gericht keinen Farbunterschied erkennen, die verlegten Ziegeln sahen benutzter, aber nicht weniger schwarz aus.
Da es bereits an einem Mangel fehlt, ist die Klage unbegründet, ohne dass es auf weitere Fragen wie Verhältnismäßigkeit etc ankommt.
III. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91, 101 Abs. 1 ZPO, der Streitwertbeschluss folgt aus § 3 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.