Arbeitsrecht

Abänderung einer Altentscheidung zum Versorgungsausgleich nach Tod des insgesamt Ausgleichsberechtigten

Aktenzeichen  12 UF 560/18

Datum:
22.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 14089
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VersAusglG § 31 Abs. 1 S. 2, § 51 Abs. 1, Abs. 2
SGB IV § 18 Abs. 1

 

Leitsatz

Die gesetzlichen Regelungen in §§ 51, 31 Abs. 1 S. 2 VersAusglg sind dahingehend auszulegen, dass im Abänderungsverfahren ein Versorgungsausgleich insgesamt nicht stattfindet, wenn die Totalrevision einer auf altem Recht beruhenden Versorgungsausgleichsentscheidung zur Folge hat, dass der überlebende Ehegatte allein ausgleichspflichtig ist (Anschluss an BGH BeckRS 2013, 11501).  (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

7 F 2323/17 2018-04-19 Bes AGROSENHEIM AG Rosenheim

Tenor

1. Auf die Beschwerden der Generalzolldirektion vom 03.05.2018 sowie des Antragstellers vom 09,05.2018 wird der am 19.04.2018 erlassene Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim in Ziffer 1 und 2 wie folgt abgeändert:
2. Ein Versorgungsausgleich findet ab 01.01.2018 nicht statt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; seine außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.
3. Der Verfahrenswert wird auf 1000 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Beschwerdeführer, der Antragsteller und der Versorgungsträger, die Generalzolldirektion, wenden sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim vom 19.04.2018 zur Abänderung eines Versorgungsausgleichs.
Die am 12.07.1976 geschlossene Ehe des Antragstellers mit der bereits verstorbenen früheren Antragsgegnerin wurde durch Endurteil des Amtsgerichts Rosenheim am 23.06.2000 geschieden unter Az. 3 F 971/97. Im Urteil wurde in Ziffer 2 der Versorgungsausgleich geregelt wie folgt:
„Zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei dem Wehrbereichsgebührnisamt V. Abschnitt Versorgung (Personalnummer …) werden auf dem Versicherungskonto Nr. … der Antragsgegnerin bei der Landesversicherungsanstalt Oberbayern Rentenanwartschaften von monatlich 1412, 85 DM bezogen auf den 30.09.1997 begründet Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaft ist in Entgeltpunkte umzurechnen.“
Der Antragsteller hatte damals ein Anrecht von 3103,66 DM Ehezeitanteil bei dem Wehrbereichsgebührnisamt, die Antragsgegnerin 277,97 DM Ehezeitanteil bei der Landesversicherungsanstalt. Die Differenz von 2.825,69 DM wurde hälftig ausgeglichen Die Generalzolldirektion ist Rechtsnachfolgerin des Wehrbereichsgebührnisamts, die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd ist Rechtsnachfolgerin der Landesversicherungsanstalt Oberbayern. Die Ehefrau des Antragstellers ist am 22.03.2014 verstorben. Der Antragsteller möchte nun eine Abänderung des Versorgungsausgleichs auf der Grundlage neu erholter Auskünfte.
Die Auskünfte ergaben für den Antragsteller einen Ehezeitanteil bei der Generalzolldirektion von 2.675,80 DM, Ausgleichswert 1.337, 90 DM mit einem korrespondierenden Kapitalwert von 308.038,58 DM.
Für die bereits verstorbene frühere Antragsgegnerin besteht ein Anrecht bei der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd mit einem Ehezeitanteil von 6,7222 Entgeltpunkten. Dies entspricht einer monatlichen Rente von 81,53 € und einem korrespondierenden Kapitalwert von 18.770.55 €.
Das Amtsgericht Rosenheim änderte den Versorgungsausgleich dahingehend ab, dass es im Wege der externen Teilung zu Lasten des Anrechts des früheren Antragstellers bei der Generalzolldirektion zu Gunsten der früheren Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 602.50 € bei der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd mit dem Konto … bezogen auf den 30.09.1997 begründet. Der Ausgleichswert ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Hiergegen richten sich die Beschwerden des Antragstellers sowie der Gereralzolldirektion.
Beide Beschwerdeführer sind der Auffassung, dass im Wege einer nach § 51 Abs. 1, 2 VersAusglG vorgesehenen Totalrevision der Versorgungsausgleich nach § 31 Abs. 1 S. 2 VersAusgIG ab dem Folgemonat nach Eingang des Antrags des Antragstellers entfallen müsse. Bezüglich des Anrechts des Antragstellers lägen auch die Voraussetzungen für eine externe Teilung nicht vor.
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die Beschwerden sind zulässig und in der Sache begründet, §§ 58, 63 Abs. 1, 64, 65, 228 FamFG.
Im Rahmen des § 51 Abs. 1, 2 VersAusgIG führt die Totalrevision aufgrund des zwischenzeitlichen Versterbens der ausgleichsberechtigten Ehefrau dazu, dass gemäß § 31 Abs. 1 S.2 VersAusgIG festzustellen ist, dass ab dem 1. des Monats, der auf die Antragstellung folgt, ein Versorgungsausgleich nicht mehr stattfindet. Auf die Beschwerden hin war die angegriffene Entscheidung abzuändern und mit Wirkung ab 01.01.2018 auszusprechen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
Die Zulässigkeit einer Änderung setzt voraus, dass bestimmte Wertgrenzen überschritten sind. Der im Falle der Änderung gem. § 51 Abs. 1 VersAusgIG nach § 51 Abs. 2 VersAusgIG i.V.m. § 225 Abs. 3 FamFG zu ermittelnde Wertunterschied ist wesentlich, wenn er mindestens 5% des bisherigen Ausgleichswerts beträgt (relative Wesentlichkeitsgrenze) und mindestens 1% der zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV beträgt (absolute Wesentlichkeitsgrenze).
Der BGH prüft die Überschreitung der absoluten Wesentlichkeitsgrenze nach § 51 Abs. 2 VersAusgIG, 225 Abs. 2 FamFG auf der Grundlage von monatlichen Rentenbeträgen. Es ist daher auf die Abweichung der Rentenwerte der Alt- und Neuentscheidung abzustellen (BGH FuR 2018, 212 f.).
Der Abänderungsantrag des Antragstellers ist zulässig. Wegen der zugunsten der verstorbenen Ehefrau wirkenden Mütterrente ergeben die aktualisierten Auskünfte eine wesentliche Änderung der Ausgleichswerte.
Der Antragsteller verfügte über ein Anrecht im Zeitpunkt des Scheidungsverfahrens beim Wehrbereichsgebührnisamt, jetzt Generalzolldirektion, mit einem Wert von 3.103, 66 DM. Nach dem neuen, heute geltenden Recht stünde die Hälfte dieses Anrechts der früheren Ehefrau zu, § 1 Abs. 1 VersAusgIG. Auch wenn es damals noch keinen Ausgleichswert gab, ist dennoch das damalige Anrecht hälftig zu teilen, um es nach heutigen Maßstäben vergleichbar zu machen. Es ergäbe sich ein hälftiger Ausgleichswert von 1551,83 DM. Heute beträgt der Ausgleichswert noch 1.337, 90 DM. Der Ausgleichswert ist um 213,93 DM monatlich gesunken und damit um 13,78% geringer geworden. Die relative Wertgrenze einer Veränderung des Ausgleichswerts um 5% ist gegeben. Auch die absolute Wertgrenze wird überschritten. Der Betrag von 213,93 DM = 107, 20 €, um den sich der Ausgleichswert verringert hat, beträgt mehr als 1% der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV in Höhe von 24,15 €.
Die verstorbene Ehefrau hatte bei der Landesversicherungsanstalt einen Ehezeitanteil von 299, 97 DM, entspricht 142,12 €, hälftig geteilt ergibt sich ein Ausgleichswert von 71,06 €. Nunmehr ergibt sich nach der aktuellen Auskunft ein Ausgleichswert von 3,3611 Entgeltpunkten, was einer Rente von 81, 53 € entspricht. Daraus resultiert eine Differenz von 10,47 € und eine Erhöhung um 14, 73%. Damit ist zwar die relative Wertgrenze erreicht, nicht aber die absolute Wertgrenze von 24, 15 €. Das kann jedoch dahingestellt bleiben, weil der Abänderungsantrag bereits aufgrund der wesentlichen Wertänderung des Anrechts des Antragstellers zulässig ist.
Der Abänderungsantrag ist auch begründet. Die gesetzlichen Regelungen in §§ 51, 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusgIG sind nach der Rechtsprechung des BGH vom 05. Juni 2013 dahingehend auszulegen, dass im Abänderungsverfahren ein Versorgungsausgleich insgesamt nicht stattfindet, wenn die Totalrevision einer auf altem Recht beruhenden Versorgungsausgleichsentscheidung zur Folge hat, dass der überlebende Ehegatte aliein ausgleichspflichtig ist. Die damit verbundene Besserstellung des allein ausgleichspflichtigen, überlebenden Ehegatten, der seine ehezeitlichen Versorgungsanrechte ungeteilt zurückerhält, ist im Rahmen des Übergangs vom alten zum neuen Recht hinzunehmen (BGH FamRZ 2013, 703; so auch OLG München 33 UF 172/18; OLG Koblenz 7 UF 383/14; OLG Stuttgart 17 UF 263/14; KG Berlin FF 2016, 420 f. a.A. OLG Schleswig FamRZ 2015, 757).
§ 51 Abs. 1 VersAusgIG bestimmt, dass bei einer wesentlichen Wertänderung der gesamte Versorgungsausgleich nach den aktuellen Werten nach dem seit 01.09.2009 geltenden Recht vollständig neu durchzuführen ist nach §§ 9-19 VersAusgIG. Dabei beschränkt sich die Abänderung auf die Anrechte, die bereits Gegenstand der abzuändernden Entscheidung waren. Zu beachten ist jedoch darüber hinaus die Regelung in § 31 VersAusgIG. In § 31 Abs. 1 S.2 VersAusgIG ist bestimmt, dass die Erben eines verstorbenen früheren Ehegatten kein Recht auf Wertausgleich haben. Vielmehr findet der Wertausgleich bei einem Versorgungsausgleich, der nach dem Tod eines Ehegatten durchgeführt wird, nur noch in eine Richtung statt; nämlich zugunsten des überlebenden Ehegatten. Konsequenz ist, dass der frühere Ehegatte sein Anrecht vollständig zurückerhält.
Das OLG Schleswig ist dagegen der Auffassung, dass der überlebende Ehegatte nicht besser gestellt werden dürfe durch den Wertausgleich, als wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre. Ziel der Regelungen ist es jedoch, zu erreichen, dass möglichst eine Anpassung an das nun geltende Recht erfolgt. Das nunmehr geltende Recht sieht keine Saldierung der Anrechte vor, wie sie das OLG Schleswig befürwortet. Vorgesehen ist in der Regel eine interne Teilung, nicht wie hier eine durch das Amtsgericht Rosenheim vorgenommene externe Teilung. Das Amtsgericht Rosenheim begründet dazu mit seiner Entscheidung ein Versicherungskonto zugunsten einer bereits Verstorbenen. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Einwand, die Rechtsprechung des BGH greife zu sehr in die Rechtskraftbindung der Erstentscheidung ein, vermag nicht zu überzeugen. Eine Vertrauenssituation wird in erster Linie zwischen den am früheren Verfahren Beteiligten geschaffen. Die frühere Ehefrau ist jedoch bereits verstorben. Ein Eingriff in die Rechtskraftbindung der Erstentscheidung sieht § 51 VersAusgIG gerade vor, um eine Angleichung an das geltende Recht zu erreichen. Zum neu geltenden Recht gehört auch die Regelung in § 31 VersAusgIG.
Der BGH hat explizit in seiner Entscheidung vom 05.06.2013 hingenommen, dass es durch den Übergang vom alten zum neuen Recht zu Widersprüchen hinsichtlich der Wertung des § 37 Abs. 2 VersAusgIG, der eine Anpassung der Anrechte wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person nur innerhalb vorgegebener Frist zulässt, kommen könne, dass diese aber vorübergehend zur Überleitung auf das neue Recht hinzunehmen seien. Diese Rechtsprechung findet vorliegend Anwendung.
Maßgeblich für den Zeitpunkt der Abänderung ist die Einreichung des Antrags beim Amtsgericht Rosenheim am 15.12.2014, so dass der Beschluss vom 19.04.2018 ab 01.01.2018 abzuändern war, § 52 Abs. 1 VersAusgIG, § 226 Abs. 4 FamFG.
Von einer mündlichen Verhandlung wurde abgesehen nach § 68 Abs. 3 S.2 FamFG. Da im Falle einer mündlichen Verhandlung keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten waren, wurde auf deren Durchführung verzichtet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, 20 FamGKG.
Der Beschwerdewert ergibt sich auf Grundlage der §§ 50 Abs. 1, 40 Abs. 2 FamGKG. Es war der Mindestwert von 1000 € anzusetzen.
Gründe, die Rechtsbeschwerde zuzulassen liegen nicht vor, § 70 FamFG. Es liegt eine Rechtsprechung des BGH vor zur aufgeworfenen Rechtsfrage, der die Oberlandesgerichte mit Ausnahme des Oberlandesgerichts Schleswig auch folgen.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Der Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 28.06.2018.

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