Arbeitsrecht

Aberkennung des Ruhegehaltes wegen Reichsbürgerideologie

Aktenzeichen  AN 13b D 19.01044

Datum:
26.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 15414
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 47 Abs. 2 S. 1
BayDG Art. 13, Art. 14 Abs. 2, Art. 18 Abs. 2, Art. 35 Abs. 1 S. 2
StGB § 129 Abs. 2
BayBG Art. 32, Art. 77 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Mit dem Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises mit der Angabe, die  Staatsangehörigkeit des Königreichs Bayern seit Geburt durch Abstammung gemäß RuStAG Stand 1913 erworben zu haben, bekennt sich ein Beamter eindeutig zu den ideologisch für Reichsbürger typischen Ziele, da er damit gegenüber einer Behörde deutlich macht, dass er vom Fortbestand des Königreichs Bayern ausgehe und das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz weiterhin in der Fassung des Jahres 1913 fortgelte und damit die nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Kraft getretenen Regelungen zum Staatsangehörigkeitsgesetz unwirksam seien (ebenso BayVGH BeckRS 2018, 201). (Rn. 170 – 177) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch eine bei Abholung des Staatsangehörigkeitsausweises erfolgte Übergabe eines Artikels mit dem Inhalt, dass am 29. September 1990 der Boden Deutschlands freigegeben worden sei, die Bewohner in einer neuen Besatzungsverwaltung neu besetzt worden seien und nach Art. 43 der Haager Landkriegsordnung alle Besatzungsgesetze weitergälten, stellt ein typisches Argumentationsmuster der sog. Reichsbürgerszene dar. (Rn. 179 – 180) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für Personen, die Gedankengut der Reichsbürgerszene vertreten, ist die Rückgabe bzw. unterbliebene Neubeantragung eines Personalausweises typisch, da auf diese Weise zum Ausdruck gebracht werden soll, dass sie sich nicht als „Personal“ der Bundesrepublik Deutschland, bei der es sich um eine Firma handele, ansehen. (Rn. 181) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ebenfalls zum typischen Handlungsmuster der Anhänger der Reichsbürgerideologie gehört die Bekanntmachung „kommerzieller Ansprüche“, Mahnung (bzw. Erinnerung) und Ankündigung eines Pfandrechts oder einer „Sicherungsvereinbarung“. (Rn. 203) (redaktioneller Leitsatz)
5. Dem Dienstherrn ist es nicht zuzumuten, einen Beamten –  das gilt auch für einen Ruhestandsbeamten – weiterhin besoldungsrechtlich zu alimentieren, wenn dieser sich durch typische Handlungsmuster der Reichsbürgerbewegung aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt und sich nach wie vor mit der Ideologie der Reichsbürgerbewegung identifiziert. (Rn. 218) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehaltes erkannt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Disziplinarklage führt in Anwendung des Art. 13 Abs. 1 BayDG zur Aberkennung des Ruhegehaltes des Beklagten.
I.
Die Disziplinarklage weist keine formellen Mängel auf.
Das Bayerische Landesamt für Steuern ist für die Erhebung der Disziplinarklage gemäß Art. 18 Abs. 3 BayDG i.V.m. Art. 18 Abs. 2 BayDG und § 30 der Zuständigkeitsverordnung (ZustV) vom 16. Juni 2015 (GVBl 2015, 184) sachlich und örtlich zuständig.
Das Disziplinarverfahren wurde gegen den Beklagten gemäß Art. 16 Abs. 1 BayDG am 16. März 2017 eingeleitet und der Beklagte mit Schreiben vom gleichen Tage gemäß Art. 22 Abs. 1 BayDG informiert und belehrt.
Mit Verfügung vom 27. Februar 2019 wurde das Disziplinarverfahren nach Art. 21 Abs. 1 BayDG ausgedehnt und der Beklagte erneut belehrt.
Der Beklagte wurde mit Schreiben vom 28. März 2019 gemäß Art. 32 BayDG abschließend angehört.
II.
Der dem Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegte Sachverhalt ist erwiesen durch die Ermittlungen der Disziplinarbehörde im Disziplinarverfahren. In der Disziplinarakte befinden sich der Antrag des Beklagten vom 5. Oktober 2016 an das Landratsamt … auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, der von dem Beklagten dem Landratsamt übergebenene Text „In der Bundesrepublik Deutschland gültiges Besatzungsrecht“ sowie sämtliche im Tatbestand zitierten Schreiben des Beklagten.
Der Beklagte bestreitet nicht, die genannten Schreiben verfasst und in den Rechtsverkehr gebracht zu haben.
III.
Der Beklagte hat durch das ihm zur Last gelegte und nachgewiesene Verhalten gegen § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG verstoßen.
Nach dieser Bestimmung gilt bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 BeamtStG bestimmten Pflichten verstoßen.
Da mit dem Eintritt in den Ruhestand das Beamtenverhältnis endet, also kein Dienstverhältnis mehr besteht, können auch keine Dienstpflichten im Sinne des § 47 Abs. 1 BeamtStG mehr verletzt werden. Abs. 2 Satz 1 enthält deshalb eine gesetzliche Fiktion, indem für Ruhestandsbeamte und gleichgestellte frühere Beamte, obwohl sie in keinem Dienstverhältnis mehr stehen, bestimmte aus dem früheren Beamtenverhältnis fortdauernde Pflichten als Dienstpflichten behandelt werden, deren schuldhafte Verletzung einem Dienstvergehen gleichgestellt wird.
Als Dienstvergehen gilt – wie bereits dargelegt – u.a. die Betätigung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.
Die Pflicht zur Verfassungstreue ist die Grundpflicht der Beamten gegenüber dem Staat. Sie bildet auch einen Kernbestandteil des Diensteids (vgl. Art. 66 Abs. 1 BayBG a.F., nunmehr: § 38 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG), den der Beklagte am 4. September 1978 abgelegt hat.
Zuvor war der Beklagte gegen Unterschrift am 2. April 1978 über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst belehrt worden.
Wegen ihrer grundlegenden Bedeutung wirkt die Pflicht zur Verfassungstreue auch über das Ende des Beamtenverhältnisses hinaus, wenn und solange der (frühere) Beamte aufgrund seines früheren Beamtenverhältnisses finanzielle Leistungen erhält. Zwischen der nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG für aktive und nach § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG für Ruhestandsbeamte und gleichgestellte frühere Beamte getroffenen Regelung besteht ein gradueller Unterschied. Während für die aktiven Beamten ein Gebot zum Bekennen zur freilich demokratischen Grundordnung und eine Verpflichtung besteht, für sie einzutreten, beschränkt sich § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG auf das Verbot der Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung. Der Pflichtenrahmen ist somit für den Ruhestandsbeamten enger als für den aktiven Beamten gezogen. Der Grund liegt aber nicht darin, dass von Ruhestandsbeamten ein geringeres Maß an Verfassungstreue erwartet wird, sondern dass den Ruhestandsbeamten und gleichgestellten früheren Beamten schon aus altersbedingten Gründen keine weitreichenden aktiven Handlungspflichten auferlegt werden können (Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Rn. 132 zu § 47 BeamtStG).
Während der aktive Beamte nach § 33 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG sich somit durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten muss, nimmt § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG eine passive Haltung gegenüber verfassungsfeindlichen Bestrebungen hin. Als Dienstvergehen gilt deshalb erst, wenn sich der Ruhestandsbeamte oder frühere Beamte mit Versorgungsbezügen selbst aktiv verfassungsfeindlich betätigt (Schachel in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand 9/2018, § 47 BeamtStG Rn. 29; Heitz, GKÖD, L § 77 Rn. 14).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts werden dem entsprechend Aktivitäten feindseliger Art gefordert (BVerfG, B.v. 22.5.1975 – 2 BvL 13/73, BVerfGE 39, 334-391, Rn. 46). Meinungsäußerungen können, müssen aber nicht in jedem Fall den Charakter von solchen Aktivitäten feindseliger Art haben. Solange sie sich daran erschöpfen, im Vertrauen auf die Überzeugungskraft des Arguments Kritik an bestehenden Zuständen zu üben oder bestehende rechtliche Regelungen in Gesetzen und in der Verfassung in den dafür vorgesehenen verfassungsrechtlichen Verfahren zu ändern, erfüllen sie nicht die genannten Tatbestände eines Dienstvergehens. Dagegen stellen Agitationen, die die freiheitlich demokratische Grundordnung herabsetzen, verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und Institutionen diffamieren und zum Bruch geltender Gesetze auffordern, Betätigungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung dar (BVerfG, a.a.O.).
Hiervon ausgehend hat der Beklagte gegen § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG verstoßen, da er sich Gedankengut der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zu eigen gemacht und sich durch das ihm zu Last gelegten Verhalten gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung in dem genannten Sinne betätigt hat.
Die sog. „Reichsbürgerbewegung“ beruft sich auf das Fortbestehen des Deutschen Reiches, welches juristisch niemals untergegangen sei und stellt die Legitimität der Bundesrepublik Deutschland sowie ihre Organe infrage. Sie zweifelt die Legitimität des Grundgesetzes an, da das deutsche Volk niemals darüber abgestimmt habe. Sie hält die Bundesrepublik Deutschland für eine Art GmbH, welche von den Alliierten regiert wird und behauptet, dass das Deutsche Reich weiter fortbestehe (vgl. OVG NRW, B.v. 22.3.2017 – 3d 296/17.0 -, juris Rn.7; VG Münster, B.v. 15.2.2017 – 20 L 254/17.O -; VG Düsseldorf, B.v. 12.7.2017 – 35 L 2031/17.O. -, juris; B.v. 23.11.2016 – 35 K 13737/16 -, juris; VG Magdeburg, U.v. 20.3.2017 – 15 A 16/16 -, juris; VG München, B.v. 20.6.2016 – M 5 S 16.1250 -, juris; OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 21.5.2015 – 10 M 4/15 u.a. -, juris).
Der Beklagte hat am 5. Oktober 2016 beim Landratsamt … einen Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises gestellt.
In dem formularmäßigen Antrag gab der Beklagte an, er habe die deutsche Staatsangehörigkeit erworben durch Abstammung gemäß „RuStAG Stand 1913, §§ 1, 3 Nr. 1, 4 Abs. 1“.
Er besitze die Staatsangehörigkeit des Königreichs Bayern seit Geburt durch Abstammung gemäß RuStAG Stand 1913. Der Antrag wurde ausdrücklich mit der Maßgabe gestellt, dass im EStA-Register im Bereich „Sachverhalt“ alle Angaben befüllt werden, insbesondere „Deutsche Staatsangehörigkeit erworben am“ und „Erworben durch“.
Hierdurch hat der Beklagte eindeutig nach außen gegenüber einer Behörde zu erkennen gegeben, dass er vom Fortbestand des Königreichs Bayern ausgeht und das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz weiterhin in der Fassung des Jahres 1913 fortgelte, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges in Kraft getretenen Regelungen zum Staatsangehörigkeitsgesetz also unwirksam seien. Damit dokumentiert der Beklagte, dass es ihm nicht nur um den Erwerb eines Staatsangehörigkeitsausweises ging, sondern dass er ideologische für Reichsbürger typische Ziele verfolgt (vgl. BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 21 CS 17.1339 – juris; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris).
Aus der Sicht der sog. „Reichsbürger“ bestimmt sich ihre Staatsangehörigkeit nach dem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der im Jahr 1913 geltenden Fassung, wonach die Reichsangehörigkeit zum Deutschen Reich gegeben war, wenn eine Staatsangehörigkeit eines Landes des Deutschen Reichs bestand (vgl. Verfassungsschutzbericht 2018 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, Sport und Integration, S. 180).
Der Beklagte konnte in der mündlichen Verhandlung keinen plausiblen Grund für den von ihm gestellten Antrag nennen. Er gab an, den Antrag wegen „seiner Ahnen“ gestellt zu haben.
Bei der Abholung des Staatsangehörigkeitsausweises übergab der Beklagte dem Landratsamt einen Artikel mit der Überschrift „In der Bundesrepublik gültiges Besatzungsrecht“, in welcher u.a. behauptet wird, am 29. September 1990 sei der Boden Deutschlands freigegeben und die Bewohner in einer neuen Besatzungsverwaltung neu besetzt worden. Gemäß Art. 43 der Haager Landkriegsordnung würden alle Besatzungsgesetze weiter gelten.
Auch diese Behauptungen sind ein typisches Argumentationsmuster der sog. Reichsbürgerszene.
Ausweislich eines Aktenvermerks des Landratsamtes … vom 28. Dezember 2016 besitzt der Beklagte seit dem 5. August 2016 keinen gültigen Personalausweis mehr. Die Rückgabe bzw. unterbliebene Neubeantragung eines Personalausweises unter Verstoß gegen § 1 Abs. 1 PAuswG ist für Personen, die Gedankengut der Reichsbürgerszene vertreten, typisch, da sie auf diese Weise zum Ausdruck bringen, dass sie sich nicht als „Personal“ der Bundesrepublik Deutschland, bei der es sich um eine Firma handele, ansehen.
In seinem Schreiben an den damaligen Staatsminister Dr. … vom 27. Januar 2017 betont der Beklagte dann auch ausdrücklich, es sei kein Personalausweisträger. Er spricht von der Bundesrepublik Deutschland als einem „Gebilde aus West- und Mitteldeutschland“ und nachfolgend 17 Thesen an, wobei diese vom Beklagten sowohl mit mit einem Ausrufezeichen als auch einem Fragezeichen versehen sind. Bei diesen Thesen handelt es sich wiederum um typisches Gedankengut der sog. Reichsbürgerszene.
Der Beklagte zwar im Disziplinarverfahren und in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen, er habe sich „in brennender Sorge um sein Seelenheil im Bewusstsein, mit 16 Jahren einen Amtseid als damaliger Beamte auf das damalige Grundgesetz/Bayerische Verfassung in der damals gültigen Verfassung geleistet zu haben“ an den damaligen Staatsminister Dr. … gewandt, auf die von ihm gestellten Fragen jedoch niemals eine Antwort erhalten.
Er sein „kein Reichsbürger nach den Vorstellungen des Tausendjährigen Reiches“ (Schreiben vom 27.3.2017). Er halte gerade das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung für die wichtigsten Grundlagen und die wichtigsten Richtschnüre (Schreiben vom 27.1.2019 und 15.5.2020).
Dies vermag den Beklagten jedoch nicht zu entlasten. Denn sein Verhalten, das er selbst noch im Disziplinarklageverfahren konsequent fortgesetzt hat, zeigt, dass der Beklagte zumindest Teile des Rechtssystems der Bundesrepublik Deutschland, das wiederum Teil der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist, als für ihn nicht verbindlich ansieht.
In seinem Schreiben vom 27. Januar 2017 an dem damaligen Staatsminister Dr. … erklärt der Beklagte, er werde ab sofort nur noch sehr punktuell aus Gründen des geleisteten Eides und seiner zutiefst religiös-spirituellen Überzeugung dieses Tun des Systems der BRD unterstützen. Die vom System geschaffene Person, den „Strohmann“, lasse er, solange er einen Sinn darin sehe, dem System zu seinem Wohle.
In seinem Schreiben vom 4. Februar 2017 an das Finanzamt … an der … stellt der Beklagte die Gültigkeit der Abgabenordnung und des Einkommensteuergesetzes infrage. Es sei nicht bereit, eine freiwillige Schenkung an den Staat zu leisten.
Im Schreiben vom 24. Dezember 2018 an den Regierungspräsidenten von … erklärt der Beklagte erneut, er sei in der Reihe seiner Vorfahren „Bayer nach dem RuStAG von 1913“.
Er gibt in dem genannten Schreiben „der Welt seine Maximen“ bekannt, wonach u.a. jegliche Frist, insbesondere die 24- und 72-Stundenfrist erst mit der Rückkehr des Beklagten in seine jeweilige Residenz zu laufen begännen.
Er erklärt, dass er alle „Zinsen, Forderungen, Rechnungen, Angebote aus der Öffentlichkeit im Wechsel für ihre Freistellung“ akzeptiere und „diese Zinsen etc. umgehend zum Ausgleich in den Büchern der doppelten Buchführung/Doppik und/oder Offledgers und/oder zur Vorlage an das US-Department of the Treasury“ zurückgebe. Sollte der Präsident der Regierung von … bis zum elften Tag des zweiten Monats anno domini Zweitausendneunzehn keine rechtlichen Hindernisse zu der Stipulation des Beklagten schriftlich unter der von ihm genannten Anschrift geltend machen, gelte dies als stillschweigendes Einverständnis.
Dem Schreiben beigefügt war eine „Erklärung unter Eid“, in welcher der Beklagte eine „Sicherungsvereinbarung“ über 333 Milliarden (…000) US-Dollar, eine Verbindlichkeitserklärung unter Eid“ (kommerzielles Pfandrecht), eine „Verzugserklärung unter Eid“ sowie eine Freistellungserklärung ab dem 14. Dezember 2018 zu seinen Gunsten abgibt.
Darüber hinaus legt der Beklagte dar, dass die rechtliche Macht juristischer und/oder natürlicher Personen den kommerziellen Bürgern untergeordnet und Rechtsprechung kein Ersatz für eine Versicherung und/oder einen Bond sei.
„Kommunale Firmen wie Städte, Landkreise, Staaten und nationale Verwaltungen“ hätten keine „kommerzielle Realität ohne eine Versicherung und/oder einen Bond ihrer selbst, ihrer Gesetze und der Effekte ihrer Gesetze“.
Weiter erklärt der Beklagte, dass jegliche von ihm ungewollte Handlung und unbewilligte Forderung gegen ihn oder seine Angehörigen und engen Freunde einen automatischen Übertritt in seinen Rechtskreis darstelle; alle kommerzrechtlichen Folgen seien somit ohne Vorankündigung sofort möglich. Jegliche Freiheitsberaubung und/oder Eingriff in die körperliche und/oder seelische Unversehrtheit seien eine schwere Entehrung und würden mit mindestens einem US-Dollar pro Sekunde des Übergriffs berechnet.
Die rechtmäßige politische Macht einer juristischen und/oder natürlichen Person sei unbedingt von deren Besitz einer kommerziellen Versicherung gegen öffentliche Schäden abhängig.
Der Beklagte spricht den Regierungen das Recht ab, „unversicherte Regeln und Statuten aufzustellen, welche Handel, freie bürgerliche Unternehmen oder alleinige Eigentumsrechte kontrollieren, ohne den Handel durch eine offene Verkündung des Kriegsrechts aufzuheben“.
Es sei Steuerbetrug, die Gerichte anzurufen, um einen Streit oder Meinungsverschiedenheiten zu regeln, die friedlich außerhalb und ohne das Gericht geregelt werden könnten.
Städte, Landkreise und Staaten seien kommunale Firmen ohne kommerzielle Realität.
In dem genannten Schreiben, wie auch in weiteren, im Tatbestand wiedergegebenen Schreiben droht der Beklagte den Adressaten an, dass jegliche von ihm ungewollte Handlung und unbillige Forderung gegen ihn oder seine Angehörigen einen automatischen Übertritt in seinen Rechtskreis darstelle und Ansprüche gegen den Adressaten auslöse. Der Beklagte spricht in diesem Zusammenhang von einem Übertritt in seine Sicherungsvereinbarung, die in jedem Einzelfall mit einem Wert von 330 Millionen USD belegt sei, sowie von Pfandrechten und Verzug der Betroffenen.
Jegliche Freiheitsberaubung und/oder Eingriff in die körperliche und/oder seelische Unversehrtheit seien eine schwere Entleerung und würden mit mindestens einem US-Dollar pro Sekunde des Übergriffs berechnet.
Der Beklagte stellt durch sein Handeln die Legitimität staatlichen Handelns in Frage. Er versucht, seine eigenen Rechtsgrundsätze („Maximen“) in Anwendung zu bringen, womit er die Gültigkeit der hiervon abweichenden staatlichen Regelungen und damit die Judikative als Teil der verfassungsrechtlichen Grundordnung in Frage stellt. Er behält sich vor, selbst über die Verbindlichkeit staatlicher Regelungen zu entscheiden. So hält er beispielsweise die StVO für sinnvoll und damit verbindlich.
Durch die von ihm geschaffenen rechtlichen Maximen und die Androhung, die Adressaten seiner Schreiben aus deren „kommerziellen Handeln“ in Haftung zu nehmen (Beitritt in eine Sicherungsvereinbarung über 330 Mio. USD), versucht der Beklagte, öffentliche bzw. private Stellen unter Druck zu setzen und zu dem von ihm gewünschten Verhalten zu veranlassen.
Reagieren diese auf eine erste und zweite Erinnerung nicht, werden sie von dem Beklagten darüber informiert, dass diese sich nunmehr in Verzug befinden und in Haftung genommen werden könnten.
Die vom Beklagten praktizierte Bekanntmachung „kommerzieller Ansprüche“, Mahnung (bzw. Erinnerung) und Ankündigung eines Pfandrechts oder einer „Sicherungsvereinbarung“ gehören zum typischen Handlungsmuster der Anhänger der Reichsbürgerideologie (vgl. Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, Umgang mit sogenannten Reichsbürgern, 2017, S. 15 f.).
Durch die ihm zur Last gelegte Handlungsweise hat der Beklagte – letztlich ohne Erfolg – versucht, sich von seiner Verpflichtung, fällige Abfallgebühren zu entrichten und die Kosten für den Bezug von Strom zu begleichen, zu entbinden.
Der Beklagte vertritt nunmehr sogar die Auffassung, aufgrund des Schweigens des Bayerischen Staatsministers der Finanzen und Heimat, Herrn …, auf die Schreiben vom 7. März 2019, 11. März 2019 und 16. März 2019 befinde sich dieser nunmehr im Verzug und schulde dem Beklagten eine Zahlung in Höhe von 20 Millionen USD, die er im Wege der Widerklage geltend mache.
Selbst im Disziplinarklageverfahren hat der Beklagte keinerlei Einsicht gezeigt, sondern sein Verhalten fortgesetzt und sich mit inhaltlich identischen Schreiben an den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Ansbach gewandt, um auch diesen in „kommerzielle Haftung“ nehmen zu können.
Mit dem ihm zur Last gelegte Verhalten hat der Beklagte die rechtlich zulässigen Grenzen, Kritik an bestehenden Zuständen zu üben oder bestehende rechtliche Regelungen in Gesetzen oder in der Verfassung in den dafür vorgesehenen verfassungsrechtlichen Verfahren ändern zu wollen, verlassen. Er stellt Teile der verfassungsrechtlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, nämlich Teile des Rechtssystems der Bundesrepublik Deutschland und die Legitimation staatlicher Stellen infrage und vertritt damit Gedankengut der „Reichsbürgerbewegung“.
Der Kläger ist zutreffend davon ausgegangen, dass die schriftlichen Äußerungen des Beklagten das Tatbestandsmerkmal des „Betätigens“ erfüllen. Dieses Merkmal erfordert eine gesteigerte Aktivität des Ruhestandsbeamten. Einmalige Handlungen ohne Außenwirkung können ohne Hinzutreten weiterer Faktoren regelmäßig nicht als Betätigung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gewertet werden. Anders verhält es sich, wenn durch nachhaltiges reichsbürgertypisches Verhalten eine Außenwirkung entsteht.
Dies ist vorliegend der Fall, da sich der Beklagte mit der Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises und mit den aufgeführten, an eine Vielzahl öffentlicher und privater Stellen gerichteten Schreiben, reichsbürgertypisches Verhalten bzw. reichsbürgertypische Thesen nach außen getragen hat. Welche Motivation der Beklagte beim Absenden der Scheiben gehabt hat, ist für die Frage des Vorliegens eines Dienstvergehens unerheblich (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 15.3.2018 – 10 L 9/17 -, juris Rn. 51).
Der Beklagte hat zwar wiederholt betont, dass er das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung anerkenne und „kein Reichsbürger nach den Vorstellungen des Tausendjährigen Reiches“ sei. Außenstehenden steht für die Beurteilung der inneren Einstellung einer Person jedoch lediglich der Rückschluss aus dem Verhaltens sowie den getätigten Äußerungen zur Verfügung. Ein möglicher (innerer) Vorbehalt ist deshalb unerheblich, soweit dieser nicht durch entsprechendes aktives Verhalten deutlich gemacht wird. Die bloße Behauptung die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen, genügt hierfür nicht, zeigen doch der dem Beklagten zur Last gelegte und auch nachgewiesene Sachverhalt sowie seine Äußerungen im Disziplinarklageverfahren, dass dies gerade nicht der Fall ist.
Der Beklagte hat mit seinem Verhalten zumindest grob fahrlässig gegen seine Verpflichtung aus § 47 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG verstoßen. Die Voraussetzungen eines (nicht vermeidbaren) Verbotsirrtums liegen nicht vor. Als ehemaligen Beamten waren dem Beklagten – auch aus der Ausbildung – die Bedeutung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekannt. Der Beklagte wurde anlässlich seiner Vereidigung über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst belehrt. Dem Beklagten hätten deshalb bei Anspannung seiner geistigen Kräfte und erforderlichenfalls nach entsprechender Aufklärung zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens kommen müssen (vgl. Zängl., a.a.O., MatR/II Rn. 116).
Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßen Ermessen, insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, dem Persönlichkeitsbild und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6/14 -, juris; U.v. 29.10.2013 – 1 D 1.12 -, BVerwGE 148, 192). Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden (BVerfG, B.v. 8.12.2004 – 2 BvR 52/02 -, BVerfGK 4, 243). Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat. Ruhestandsbeamten und -beamtinnen wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn sie, wären sie noch im Dienst, aus dem Beamtenverhältnis hätten entfernt werden müssen (Art. 14 Abs. 2 BayDG).
Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahme zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04 -, BVerwGE 124, 252).
Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 BayDG führt zur Aberkennung des Ruhegehaltes (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG).
Der Beklagte hat sich – wie ausgeführt – gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt und damit als Ruhestandsbeamtin ein sehr schweres Dienstvergehen begangen.
Auch von einem Finanzbeamten im Ruhestand ist zu erwarten, dass er die Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland und die staatlichen Gesetze respektiert und sein Handeln auch im Ruhestand danach bestimmt.
Es ist dem früheren Dienstherrn des Beklagten nicht zuzumuten, einen Beamten, die sich aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung betätigt hat und sich nach wie vor mit der Ideologie der Reichsbürgerbewegung identifiziert, weiterhin besoldungsrechtlich zu alimentieren.
Milderungsgründe, die zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung führen könnten, liegen nicht vor.
Anhaltspunkte, dass bei der Begehung des Dienstvergehens die Voraussetzungen des § 21 StGB (erheblich verminderte Schuldfähigkeit) vorgelegen haben, bestehen nicht. Bei der ärztlichen Untersuchung anlässlich der Ruhestandsversetzung wurde festgestellt, dass der Beklagte nicht psychisch krank ist, aber unbrauchbar für die Aufgaben eines Beamten sei. Auch in der mündlichen Verhandlung ergaben sich keine Erkenntnisse, die zu einer abweichenden Einschätzung zur Schuldfähigkeit des Beklagten führen würden.
Klassische oder sonstige Milderungsgründe liegen ebenfalls nicht vor.
Der Beklagte hat sich von seinem reichsbürgertypischen Verhalten nicht distanziert, sondern mit seinen an den Präsidenten des Verwaltungsgerichts Ansbach gerichteten Schreiben sogar fortgesetzt.
Zu Gunsten des Beklagten spricht, dass er bisher straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist.
Die Aberkennung des Ruhegehalts ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Beamten staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Zudem darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich seine Entfernung aus dem Dienst daher als die erforderliche sowie geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme für den Beamten einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis – wie hier – endgültig zerstört, stellt die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen dar. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen. Für Ruhestandsbeamte gilt nichts anderes. Ihnen ist bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen das Ruhegehalt abzuerkennen (BayVGH, U.v. 28.6.2017 – 16a D 15.1484 -, juris Rn. 92).
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei.

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