Aktenzeichen DK 16.3544
StGB § 263 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 1
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 S. 3, § 47 Abs. 1 S. 2
Leitsatz
1. Die Disziplinargerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn diese offenkundig unrichtig sind und sie daher „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten (Rn. 16). (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Disziplinargerichte sind erst dann befugt, dem Vorbringen weiter nachzugehen und über eine Lösung zu entscheiden, wenn tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit i.S.d. Art. 55 Halbs. 2 BayDG ergeben kann (Rn. 17). (redaktioneller Leitsatz)
3. Außerdienstlich begangene Betrugshandlungen – ebenso wie die Beihilfe hierzu – weisen einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf (Rn. 24). (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Höhe des Gesamtschadens ist ein Erschwerungsgrund neben anderen, der bei einem Gesamtschaden von über 5000 € ohnehin schon die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ohne Hinzutreten weiterer Erschwerungsgründe rechtfertigen kann (Rn. 31). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Dem Beklagten wird das Ruhegehalt aberkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Dem Beklagten wird das Ruhegehalt aberkannt (Art. 13 Bayerisches Disziplinargesetz – BayDG).
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf.
2. Das Gericht geht von dem Sachverhalt aus, der in dem rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 19. Mai 2014 dargestellt ist.
Dieser Sachverhalt steht nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Halbs. 1 BayDG für das Gericht bindend fest. Nach diesen Vorschriften sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das denselben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, auch im gerichtlichen Verfahren bindend. Die gesetzliche Bindungswirkung dient der Rechtssicherheit. Sie soll verhindern, dass zu ein und demselben Geschehensablauf unterschiedliche Tatsachenfeststellungen getroffen werden (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.2014 – 2 B 60.14 – juris Rn. 10 f.; BayVGH, U.v. 21.12.2016 – 16a D 13.1335 – juris Rn. 86 ff.). Die Disziplinargerichte sind nur dann berechtigt und verpflichtet, sich von den Tatsachenfeststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils zu lösen und den disziplinarrechtlich bedeutsamen Sachverhalt eigenverantwortlich zu ermitteln, wenn diese offenkundig unrichtig sind und sie daher „sehenden Auges“ auf der Grundlage eines unrichtigen oder aus rechtstaatlichen Gründen unverwertbaren Sachverhalts entscheiden müssten. Dies ist etwa der Fall, wenn die Feststellungen im Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen stehen, aus sonstigen Gründen offenbar unrichtig oder in einem entscheidungserheblichen Punkt unter offenkundiger Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen sind. Hierunter fällt auch, dass das Strafurteil auf einer Urteilsabsprache beruht, die den rechtlichen Anforderungen nicht genügt. Darüber hinaus kommt eine Lösung in Betracht, wenn Beweismittel eingeführt werden, die dem Strafgericht nicht zur Verfügung standen und nach denen seine Tatsachenfeststellungen jedenfalls auf erhebliche Zweifel stoßen (BVerwG, B.v. 18.6.2014 – 2 B 55.13 – juris Rn. 21; B.v. 11.2.2014 – 2 B 37.12 – juris Rn. 38; BayVGH, U.v. 21.1.2015 – 16a D 13.1904 – juris Rn. 60).
Wird das Vorliegen der genannten Voraussetzungen geltend gemacht, so sind die Disziplinargerichte erst dann befugt, dem Vorbringen weiter nachzugehen und über eine Lösung zu entscheiden, wenn das Vorbringen hinreichend substantiiert ist. Nur pauschale Behauptungen oder bloßes Bestreiten genügen hierfür nicht. Es müssen vielmehr tatsächliche Umstände dargetan werden, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit i.S.d. Art. 55 Halbs. 2 BayDG ergeben kann. Insoweit reicht die bloße Möglichkeit, dass das Geschehen objektiv oder subjektiv auch anders gewesen sein könnte oder dass man dieses anders als das Strafgericht beurteilen könnte, für einen Lösungsbeschluss nicht aus (BayVGH, U.v. 21.1.2015 – 16a D 13.1904 – juris Rn. 61 f.).
Im vorliegenden Fall begründet das Vorbringen des Beklagten keinen Anlass für das Gericht, sich von der Bindungswirkung der Feststellungen des Strafurteils zu lösen. Der Beklagte trägt vor, die Lohnabrechnung sei nicht von seiner Ehefrau, sondern von Frau V. erledigt worden. Auch das Strafurteil geht nicht davon aus, dass die Ehefrau des Beklagten die Lohnabrechnung selbst vorgenommen hat. Ihr wird lediglich angelastet, die Heimarbeitsbücher, die die Grundlage für die Lohnabrechnung darstellten, als Leiterin der Schneekugelabteilung geführt und an die Abrechnungsstelle weitergeleitet zu haben. Der Beklagte führt weiter aus, er habe keine falschen Daten in das Aufzeichnungsheft geschrieben. Auch das Strafurteil geht davon aus, dass das an die Abrechnungsstelle weitergeleitete Heimarbeitsbuch nicht von ihm, sondern von seiner Ehefrau geführt wurde. Ihm wird schwerpunktmäßig vorgeworfen, gegen den Betrug seiner Ehefrau nicht eingeschritten zu sein. Der Beklagte meint weiter, es sei eine Lüge, dass seine Tochter und seine Schwester nicht mitgearbeitet hätten. Das Strafurteil legt insoweit zwar zugrunde (S. 9), dass diese „de facto selbst kaum oder keine Arbeiten leisteten und keinen Anspruch auf Lohn hatten“. Das Vorbringen des Beklagten erfüllt jedoch nicht die Anforderungen an ein ausreichend substantiiertes Vorbringen. Dies gilt auch, soweit er Bestätigungen von Nachbarn vorlegt, dass seine Tochter und seine Schwester mit im Keller gesessen seien und Heimarbeit verrichtet hätten. Selbst wenn dies zeitweise der Fall gewesen sein sollte, ist damit nicht der Nachweis erbracht, dass die gegenüber der Firma W. & P. abgerechneten Schneekugeln auch tatsächlich produziert wurden. Auch soweit der Beklagte Ermittlungsfehler rügt, ist sein Vortrag nicht ausreichend substantiiert. Er trägt insoweit vor, dass der Mitarbeiter, der für die Hauben-Produktionsmaschine verantwortlich gewesen sei, als Zeuge vernommen werden hätte müssen, dass die Anhörungen der anderen Mitarbeiterinnen der Schneekugelabteilung nicht bei den Akten seien und dass ein Abgleich der abgeleisteten Stunden mit den Stunden der Motivmaler erforderlich gewesen wäre. Es ist jedoch nicht ersichtlich, was sich aus den fraglichen Zeugenbefragungen ergeben hätte und in welchem Punkt der Argumentation diese das Strafurteil widerlegen hätten können. Ebensowenig können die Hinweise des Beklagten, mit denen er den Zeugenaussagen anderer Personen oder den von diesen vorgelegten Unterlagen den Beweiswert abzusprechen versucht, eine Lösung von der Bindungswirkung des Urteils begründen. Die bloße Äußerung von Zweifeln an Zeugenaussagen ist insoweit nicht ausreichend. Soweit der Beklagte vorträgt, Herr W. habe ausreichend Zeit gehabt, um alle Verkaufszahlen und sonstigen Daten zu seinen Gunsten zu verändern und Herr W. habe nun eine Kartonagenfirma gekauft, deren Besitzerin Frau Sch. sei, ist diese Angabe pauschal und enthält keinen Ansatzpunkt für die Annahme der Unrichtigkeit des Strafurteils oder einen Verstoß gegen Denkgesetze. Gleiches gilt für seine Äußerung, er bezweifle die Angaben der nur halbtags beschäftigten Zeugin Sch. zur Anzahl der täglich verarbeiteten Hauben.
Die Annahme des Strafurteils, der Beklagte und seine Ehefrau hätten eine Vielzahl von Schneekugeln abgerechnet, die jedoch nie produziert worden seien, wird zudem durch mehrere zahlenmäßige Unstimmigkeiten untermauert. Zum übersteigt die Zahl der von ihnen abgerechneten Hauben die Zahl der verkauften Hauben weit; die Gesamtzahl der verkauften Schneekugeln minus die Schneekugeln ohne blauen Hintergrund minus ein Ausschuss von 8% liegt weit unter der Anzahl der abgerechneten Schneekugeln. Außerdem zeigt ein Vergleich der abgerechneten Hauben mit dem von der Firma W. & P. getätigten Wareneinkauf für blaue Farbe und Verpackungsmaterial, dass diese nicht für die Zahl der abgerechneten Hauben ausreichen. Ferner haben der Beklagte und seine Ehefrau in dem fraglichen Zeitraum vom 1. September 2006 bis zum 30. September 2010 mehr Hauben abgerechnet als in den Jahren von 1994 bis 2002 mit höheren Verkaufszahlen, so dass sich der Umsatzrückgang – anders als in der Abrechnung des ebenfalls Schneekugeln bemalenden Herrn W. – nicht in den abgerechneten Hauben niederschlägt.
Der Beklagte hätte im strafgerichtlichen Ermittlungs- und Gerichtsverfahren auch ausreichend Gelegenheit gehabt, zur Sache auszusagen, die dargestellten Widersprüche aufzulösen oder Anregungen zu vorzunehmenden Ermittlungen zu geben. Gleiches gilt für seine Ehefrau, auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren. Stattdessen hat der Beklagte seine Aussage im strafrechtlichen Verfahren verweigert und seine Ehefrau dazu angeregt, ihre Aussage nicht fortzusetzen. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat er lediglich seinen Unmut über das Disziplinarverfahren geäußert, jedoch nicht zur Sache vorgetragen.
3. Durch die dem Beklagten zur Last gelegte Taten hat dieser außerdienstlich ein einheitliches Dienstvergehen begangen, weil er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat.
Durch sein Verhalten hat er gegen seine Pflicht, die Gesetze zu beachten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 27, § 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB), und gegen seine Pflicht, sich dem Beruf entsprechend achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG), verstoßen.
Im vorliegenden Fall liegt ein außerdienstliches Fehlverhalten des Beklagten vor. Dieses war weder formell in das Amt des Beamten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 29; BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 16b D 14.2351 – juris Rn. 66).
Die außerdienstliche Pflichtverletzung stellt auch ein Dienstvergehen dar. Als Dienstvergehen ist außerdienstliches Fehlverhalten von Beamten nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG dabei nur dann zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen der Bürger in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Davon ist hier auszugehen. Die Frage, ob und in welchem Umfang durch das außerdienstliche Verhalten eines Beamten das für sein Amt erforderliche Vertrauen beeinträchtigt wird, hängt in maßgeblicher Weise von Art und Intensität der jeweiligen Verfehlung ab. Dabei kommt vorsätzlichen Straftaten eine besondere Bedeutung zu. Maßgeblich ist auch, ob der Pflichtenverstoß des Beamten einen Bezug zu seinem Amt aufweist. Bezugspunkt hierfür ist das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn.34). Dies ist hier zu bejahen. Außerdienstlich begangene Betrugshandlungen – ebenso wie die Beihilfe hierzu – weisen einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte – wie der Beklagte – selbst erhebliche Vorsatzstraftaten begehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 35 f.). In der Rechtsprechung wird für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG zudem darauf abgestellt, dass das Fehlverhalten des Beamten ein Mindestmaß an Relevanz überschreitet. Dies ist anzunehmen bei einem gesetzlichem Strafrahmen von einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren (BVerwG, B.v. 18.6.2014 – 2 B 55.13 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 5.2.2014 – 16a D 12.2494 – juris Rn. 35). Hier sieht § 263 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 und § 27, § 49 Abs. 1 Nr. 2 StGB für die Tat des Beklagten eine Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten vor.
4. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG. Da der Beklagte, wäre er noch im Dienst, aufgrund seines Fehlverhaltens aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen, ist ihm als Ruhebestandsbeamter nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG das Ruhegehalt abzuerkennen. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist auch angemessen und erforderlich.
Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 36).
Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte, insbesondere nach den Höhe des entstandenen Schadens (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 16b D 14.2351 – juris Rn. 73).
Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahmebemessung bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen ist in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Die Orientierung zum Umfang des Vertrauensverlustes am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarische Ahndung von außerdienstlich begangenen Straftaten. Mit der Anknüpfung an die (im Tatzeitpunkt geltende) Strafandrohung wird zugleich verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Unwertgehalts eines Delikts an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen (BVerwG, U.v. 23.2.2012 – 2 C 38.10 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 25.10.2016 a.a.O. Rn. 75).
Für die disziplinarrechtliche Ahndung von außergerichtlichen Straftaten mit einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren und einem Bezug zum Amt des Beamten ist für die Maßnahmebemessung grundsätzlich auf einen Orientierungsrahmen bis zur Dienstentfernung abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 18). Beides liegt hier vor. Zum einen liegt die mögliche Freiheitsstrafe für Beihilfe zum gewerbsmäßigen Betrug bei 7,5 Jahren, zum anderen liegt wegen der Tätigkeit des Beklagten als Polizeibeamter auch ein Bezug zu seinem Amt vor.
Zur Bestimmung der Schwere des im Einzelfall begangenen Dienstvergehens kann im Fall einer außerdienstlich begangenen Straftat auf einer zweiten Stufe zunächst indiziell auf die von den Strafgerichten ausgesprochene Sanktion zurückgegriffen werden (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 18). Ist von den Strafgerichten bei einem außerdienstlich begangenen Dienstvergehen lediglich auf eine Geldstrafe erkannt worden, kommt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nur ausnahmsweise und bei Vorliegen disziplinarrechtlich bedeutsamer Umstände in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 13; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 38). Hier hat das Amtsgericht Kaufbeuren gegen den Beklagten eine Freiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung verhängt.
Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist damit hier die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts (Art. 13 BayDG). Im Hinblick auf die lange Dauer der Betrugstaten (insgesamt 49 Monate), den hohen Schaden (jedenfalls sich 50.829 €), das geplante und organisierte Vorgehen des Beklagten und seiner Ehefrau und der Inanspruchnahme des Vertrauens als Polizeibeamter erscheint die Verhängung der Höchstmaßnahme auch nicht unverhältnismäßig. Die Höhe des Gesamtschadens ist dabei ein Erschwerungsgrund neben anderen, der bei einem Gesamtschaden von über 5000 € ohnehin schon die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ohne Hinzutreten weiterer Erschwerungsgründe rechtfertigen kann (BVerwG, B.v. 6.5.2014 – 2 B 19.14 – juris Rn. 11).
Von der Rechtsprechung anerkannte oder sonstige Milderungsgründe sind nicht ersichtlich. Im Hinblick auf den hohen Betrugsschaden kommt der Gesichtspunkt der Geringwertigkeit hier nicht zum Tragen. Wegen der langen Dauer des Betrugszeitraums liegt auch keine persönlichkeitsfremde und einmalige Augenblickstat vor. Auch eine besondere psychische Ausnahmesituation des Beklagten oder eine wirtschaftliche Notlage sind weder geltend gemacht noch erkennen.
Zu seinen Gunsten spricht lediglich, dass er disziplinar-und strafrechtlich nicht vorbelastet ist. Bei der Schwere des begangenen Dienstvergehens kann aber allein dieser Umstand nicht zur Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Er stellt das normale Verhalten eines Polizeibeamten dar und ist nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens derart abzumildern, dass bei einem Beamten, der das in ihn gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat, von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. einer Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen werden könnte (vgl. BayVGH, U.v. 9.12.2015 – 16b D 14. 642 – juris Rn. 55).
Die Aberkennung des Ruhegehalts ist unter Abwägung des Gewichts des Dienstvergehens sowie des dadurch eingetretenen Vertrauensschadens und der mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehenden Belastung auch nicht unverhältnismäßig. Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst und die Aberkennung des Ruhegehalts als disziplinarische Höchstmaßnahmen verfolgen neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung die Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde seine Dienstaufgaben künftig pflichtgemäß erfüllen, ist die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Aberkennung des Ruhegehalts beruht dann auf einer schuldhaften schwerwiegenden Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (vgl. BayVGH, U.v. 9.12.2015 – 16b D 14. 642 – juris Rn. 58).
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.