Arbeitsrecht

Aberkennung des Ruhegehalts wegen Untreue

Aktenzeichen  16a D 15.1484

Datum:
28.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG BayDG Art. 13
StGB StGB § 266

 

Leitsatz

1 Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit eines Beamten, die seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. bei Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- oder Untreuehandlungen in der Regel anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen. Erschwernisgründe können sich zB aus der Anzahl und Häufigkeit der Taten, der Höhe des Gesamtschadens und der missbräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung ergeben (BVerwG BeckRs 2015, 46531) (Rn. 84) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Beamter, der als Kämmerer und Leiter der Finanzverwaltung in 12 Fällen über einen längeren Zeitraum Gelder von erheblicher Höhe durch Bewilligung von “Vorschüssen” an sich selber veruntreut, verliert endgültig das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit, so dass ihm das Ruhegehalt abzuerkennen ist.  (Rn. 85) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 10A DK 13.2131 2017-05-18 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Unter Abänderung von Ziff. I. des Urteils des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. Mai 2015 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist wie beantragt abzuändern und gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts (Art. 13 BayDG) zu erkennen.
1. Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder der Bevollmächtigte des Beklagten noch der Beklagte selbst zur mündlichen Verhandlung am 28. Juni 2017 erschienen sind. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wurde rechtzeitig am 13. April 2017 zur mündlichen Verhandlung geladen. In der Ladung wurde darauf hingewiesen, dass auch beim Ausbleiben eines Beteiligten ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (Art. 3 BayDG i.V.m. § 102 Abs. 2 VwGO, vgl. SächsOVG, U.v. 31.3.2010 – D 6 A 268/09 – juris Rn. 32). Daran ändert auch die Mitteilung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, er habe das Mandat niedergelegt, nichts. Wenn – wie im Berufungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 3 BayDG i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO) – Anwaltszwang besteht, wird der Widerruf der Vollmacht sowie die Niederlegung des Mandats nach Art. 3 BayDG, § 173 VwGO i.V.m. § 87 Abs. 1 Hs. 2 ZPO gegenüber dem Gericht erst mit der Anzeige der Bestellung eines anderen Prozessbevollmächtigten wirksam. Bis zur Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten können daher alle Prozesshandlungen wie Zustellungen gegenüber dem bisherigen Bevollmächtigten vorgenommen werden (SächsOVG, U.v. 31.3.2010 a.a.O. Rn. 33).
2. Formelle Mängel des Disziplinarverfahrens sind weder vom Beklagten geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich, insbesondere hatte der Beklagte in jeder Lage des Verfahrens Gelegenheit zur Äußerung nach Art. 22 BayDG. Eine Anhörung der Schwerbehindertenvertretung gemäß Art. 95 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 SGB IX konnte unterbleiben, weil sich der Beklagte im Zeitpunkt der abschließenden Anhörung nach Art. 32 BayDG bereits im Ruhestand befand. Nach dem Gesetzeszweck des § 95 SGB IX, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb bzw. die Dienststelle zu fördern (§ 95 Abs. 1 Satz 1 SGB IX), besteht keine Verpflichtung des Dienstherrn, die Schwerbehindertenvertretung in einem Disziplinarverfahren gegen einen schwerbehinderten Ruhestandsbeamten zu beteiligen, da dieser nicht mehr auf der Dienststelle beschäftigt ist (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09.3020 – juris Rn. 37).
3. Der vom Verwaltungsgericht festgestellte Sachverhalt hinsichtlich der vom Kläger dem Beklagten in der Disziplinarklage vorgeworfenen Anschuldigungspunkte 1) und 2) steht auch zur Überzeugung des Senats fest.
3.1 Anschuldigungspunkt 1 (Vorschusszahlungen in den Jahren 2001/2002)
Der Beklagte hat sich 2001 und 2002 folgende Beträge in Höhe von insgesamt 13.533,87 € von der Gemeindekasse auszahlen lassen:
(1) Beihilfevorschuss am 5. März 2001 in Höhe von 1.000,- DM [511,29 €]
(2) Beihilfevorschuss am 26. März 2001 in Höhe von 10.000,- DM [5.112,92 €]
(3) Reisekostenvorschuss am 22. Oktober 2001 in Höhe von 1.000,- DM [511,29 €]
(4) Vorschuss am 5. November 2001 in Höhe von 2.000,- DM [1.022.58 €]
(5) Gehaltsvorschuss am 28. Dezember 2001 in Höhe von 2.500,- DM [1.278,23 €]
(6) Beihilfevorschuss am 3. Mai 2002 in Höhe von 1.597,56 €
(7) Gehaltsvorschuss am 7. November 2002 in Höhe von 3.500,- €.
Der Beklagte, der als geschäftsleitender Beamter nach Nr. 2.1 der Dienstanweisung für das Finanz- und Kassenwesen vom 29. Juni 1981 über die Befugnis zu kassenrechtlichen Anordnungen verfügte und der als Kämmerer für die Verwaltung des Gemeindevermögens verantwortlich war, hat sich die Beträge (3) bis (7) wissentlich und willentlich eigenmächtig ohne Kenntnis des damaligen ersten Bürgermeisters W … angeordnet und sich mittels Auszahlungsanordnung von der Gemeindekasse auszahlen lassen, indem er gegenüber dem damaligen Kassenverwalter K … bzw. dessen damaligen Stellvertreter R …, denen gegenüber er weisungsbefugt war, vortäuschte, die Auszahlungen seien mit dem Bürgermeister abgestimmt, bzw. einen diesbezüglich bei diesen bestehenden Anschein ausnutzte, und so das Gemeindevermögen um diese Beträge vermindert. Hinsichtlich der Auszahlungen (1) und (2) ist nach der unwiderlegten Einlassung des Beklagten davon auszugehen, dass diese mit dem 2001 verstorbenen damaligen ersten Bürgermeister K … abgestimmt waren. Die Auszahlungsanordnungen waren dabei nicht vom anordnungsbefugten ersten Bürgermeister oder von einem anderen Anordnungsbefugten unterzeichnet und nicht mit einem Eingangsstempel der Kasse oder einem Prüfungsvermerk versehen. Die Auszahlungen wurden vom Kassenverwalter als sachlich und rechnerisch richtig abgezeichnet und angewiesen.
Ein Anspruch auf Auszahlung dieser Gelder bestand, wie der Beklagte wusste, nicht. Den Auszahlungen standen keine entsprechenden Ansprüche des Beklagten gegen die Gemeinde gegenüber. Die „Gehaltsvorschüsse“ (5 und 7) wurden unabhängig von dem ihm zustehenden Gehalt gezahlt, auf besonderen Haushaltsstellen für durchlaufende Gelder verbucht und nicht mit seinem Gehaltsanspruch verrechnet. Den „Beihilfevorschüssen“ (1, 2 und 6) lagen mangels entsprechenden Antrags keine Abschlagszahlungen (d.h. Vorschüsse im beihilferechtlichen Sinn) zugrunde, die auf Beihilfeansprüche des Beklagten angerechnet wurden. Bezüglich des „Reiskostenvorschusses“ (3) wurden keine Auslagen, die dem Beklagten im Zusammenhang mit einer Dienstreise entstanden, mit Reisekostenantrag geltend gemacht. Hinsichtlich des sonstigen „Vorschusses“ (4) fehlt es an der Angabe eines Rechtsgrundes dafür, weshalb dieser ausgezahlt wurde.
Der Beklagte hat nach Auszahlung der Gelder auch keine Bedingungen für deren Rückzahlung mit der Gemeinde vereinbart oder diese – mit Ausnahme der von ihm laut Sammel-Einzahlungsnachweis vom 5. Dezember 2001 am 5. bzw. 6. Dezember 2001 beglichenen Beträge in Höhe von 1.000,- DM und 2.000,- DM – nicht an die Gemeinde zurückgezahlt. Vielmehr hat er wissentlich und willentlich jeweils unter dem Betreff „Beihilfevorschuss“ nicht vorhandene Zahlungen vorgetäuscht und den 2001 verbliebenen Fehlbetrag in das Haushaltsjahr 2002 verschoben, indem er am 28. Dezember 2001 2.500,- DM (1.278,23 €) und am 18. April 2002 13.500,- DM (6.902,44 €) als Einsowie am 18. April 2002 8.500,- € (6.902,44 € sowie weiterer „Beihilfevorschuss“ in Höhe von 1.597,56 €) als Auszahlung verbucht hat, obwohl es sich dabei – mit Ausnahme der am 3. Mai 2002 erfolgten Auszahlung von 1.597,56 € – lediglich um fiktive Buchungen handelte. In der Folge hat er sich am 12. November 2002 weitere 3.500,- € als „Gehaltsvorschuss“ auszahlen lassen und den Fehlbetrag bis Ende 2002 auf 12.000,- € erhöht. Der Beklagte hat die ausstehenden Gelder auch in den nachfolgenden Jahren nicht zurückgezahlt. Erst nach Entdeckung der Buchungen durch den neuen Kämmerer R … 2007 hat er diesen darüber in Kenntnis gesetzt, dass noch ein Fehlbetrag in Höhe von 12.000,- € offen ist. 2008 hat der Beklagte mit dem ersten Bürgermeister W … vereinbart, den Fehlbetrag zzgl. Zinsen in Höhe von 5% (insgesamt 5.337,57 €) zurückzuzahlen. 12.000,- € hat der Beklagte sodann am 24. November 2010 zurückgezahlt. Zinsen in Höhe von 2.000,- € wurden am 30. November 2010 mit seinem Dezembergehalt verrechnet. Weitere 3.337,57 € Zinsen hat der Beklagte bis 28. Februar 2011 beglichen.
Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Aussagen der Zeugen W …, R … und S … vom 7. Mai 2013 im Disziplinarverfahren, der Stellungnahme des Zeugen K … vom 28. Juni 2013, der Akten der Staatsanwaltschaft P … im Verfahren Az.: …, der Aktenvermerke der Staatlichen Rechnungsprüfungsstelle am Landratsamt F.-… vom 16. November 2011 sowie vom 30. März 2012, der Auszahlungsanordnungen vom 5. März 2001, 26. März 2001, 22. Oktober 2001, 5. November 2001 und 7. November 2002, der Sammelzahlungsnachweise vom 5. Dezember 2001 und 18. April 2002, der Aktenvermerke R … vom 20. Juli 2010 sowie 17. und 19. August 2010 und S … vom 21. Oktober 2011 und der Einlassungen des Beklagten bei seiner Anhörung am 19. März 2013, im Schreiben vom 21. November 2011 und im Schriftsatz vom 18. August 2014.
Der Beklagte hat den Sachverhalt im Wesentlichen eingeräumt. Soweit er vorträgt, er habe vorgehabt, die Vorschüsse sobald wie möglich zurückzuzahlen, er habe dies wegen seiner schlechten finanziellen Lage aber nicht gekonnt, sieht der Senat dieses Vorbringen als unglaubwürdige Schutzbehauptung an. Dem steht schon entgegen, dass er den nach Rückzahlung von 3.000,- DM am 5./6. Dezember 2001 weiterhin verbleibenden Fehlbetrag nicht offengelegt, sondern im Gegenteil versucht hat, ihn durch Umbuchungen zu verschleiern. Er hat die Auszahlungen auch nicht durch Fehlzettel o.dgl. kenntlich gemacht, um damit nach außen eine Rückzahlungsabsicht zu bekunden, sondern den Fehlbetrag erst nach der Entdeckung 2007 eingeräumt. Auch hat er sich im gleichen Zeitraum, als er 3.000,- DM zurückgezahlt hat, erneut Vorschüsse in Höhe von 1.000,- DM bzw. 2.500,- DM bewilligt, so dass nicht von einer Rückzahlungsabsicht ausgegangen werden kann. Hiergegen spricht auch, dass er sich 2002 sowie 2007 weitere Vorschüsse über 5.097,56 € bzw. 5.510,74 € auszahlen ließ, obwohl er zu diesem Zeitpunkt die früheren Vorschüsse noch nicht zurückgezahlt hatte. Ebenfalls als unglaubhaft sieht der Senat das Vorbringen an, im März 2001 habe wegen eines Kuraufenthaltes eine Zahlung in Höhe von 10.000,- DM angestanden, für deren Ausgleich Beihilfe und Krankenkasse sechs bis acht Wochen gebraucht hätten, so dass er bei der Gemeinde einen Vorschuss beantragt habe. Der Beklagte hat hierzu lediglich eine handschriftliche Aufstellung vorgelegt. Nach Angaben des Zeugen R … hat er ihm zwar Aufstellungen zu angeblichen Abrechnungen mit der Beihilfe gezeigt und versichert, ihm stünden entsprechende Vorleistungen zu. Abschlagszahlungen hätte der Beklagte – wie er selbst einräumt – aber bei der Beihilfeversicherung, nicht bei der Gemeinde geltend machen müssen.
3.2 Anschuldigungspunkt 2 (Vorschusszahlungen im Jahr 2007)
Der Beklagte hat sich 2007 folgende Beträge in Höhe von insgesamt 5.510,74 € als Gehaltsvorschüsse von der Gemeindekasse auszahlen bzw. überweisen lassen:
(1) 6. Juni 2007: 2.200,-€ 65
(2) 4. Juli 2007: 200,- €
(3) 4. Juli 2007: 2.500,- € (abzüglich Gehaltsanspruch für Juli 2007)
(4) 17. September 2007: 1.500,- €
(5) 17. September 2007: 2.300,- €
Der Beklagte, der als geschäftsleitender Beamter nach Nr. 2.1 der Dienstanweisung für das Finanz- und Kassenwesen vom 29. Juni 1981 über die Befugnis zu kassenrechtlichen Anordnungen verfügte und der als Kämmerer für die Verwaltung des Gemeindevermögens verantwortlich war, hat sich die Beträge (1) bis (5) wissentlich und willentlich eigenmächtig ohne Kenntnis des damaligen ersten Bürgermeisters W … mittels des am 12. Januar 2007 erstellten Sammelauszahlungsnachweises für seine Bezüge bewilligt und sich von der Gemeindekasse auszahlen bzw. überweisen lassen, indem er gegenüber dem damaligen Kassenverwalter R …, dem gegenüber er weisungsbefugt war, vortäuschte, die Auszahlungen seien mit dem Bürgermeister abgestimmt, bzw. einen diesbezüglich bestehenden Anschein bei diesem ausnutzte, und so das Gemeindevermögen um diese Beträge vermindert. Ein Anspruch auf Vorleistung von Bezügen als „Beihilfevorschuss“ bestand, wie der Beklagte wusste, nicht; auch wurde nur die Zahlung (3) vom Juligehalt abgezogen. Die verbliebene Überzahlung in Höhe von 5.510,74 € wurde im November 2007 durch den neuen Kämmerer ohne Zutun des Beklagten mit dem Dezembergehalt verrechnet.
Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der Aussagen der Zeugen W … und R … vom 7. Mai 2013 im Disziplinarverfahren, der Akten der Staatsanwaltschaft P … im Verfahren Az.: …, der Aktenvermerke der Staatlichen Rechnungsprüfungsstelle am Landratsamt F.-… vom 16. November 2011 sowie vom 30. März 2012, des Sammelauszahlungsnachweises vom 12. Januar 2007, des Aktenvermerks K … vom 16. Juli 2007 sowie der Einlassungen des Beklagten bei seiner Anhörung am 19. März 2013, im Schreiben vom 21. November 2011 und im Schriftsatz vom 18. August 2014. Der Beklagte hat den Sachverhalt eingeräumt.
4. Der durch den Senat festgestellte Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu bewerten:
4.1 Der Beklagte hat aufgrund der eigenmächtigen Anordnung bzw. Bewilligung der Auszahlung von Vorschüssen aus der Gemeindekasse an sich eine Untreue in zwölf Fällen gemäß §§ 266, 53 StGB zu Lasten der Gemeinde begangen. Untreue i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB begeht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Gemessen daran erfüllen die im Anschuldigungspunkt 1) und 2) aufgeführten Vorschusszahlungen an den Beklagten den Treubruchtatbestand des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB (SächsOVG, U.v. 7.3.2014 – D 6 A 555/10 – juris Rn. 74).
Als Kämmerer der Gemeinde und Leiter der Finanzverwaltung oblag dem Beklagten die Pflicht zur Betreuung des Gemeindevermögens (BGH, B.v. 13.4.2011 – 1 StR 592/10 – juris Rn. 8). Die Aufgaben eines Gemeindekämmerers umfassen neben den Haushaltsangelegenheiten die Vermögens- und Schuldenverwaltung und die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel (BGH, B.v. 4.7.1961 – 1 StR 181/61 – juris Rn. 10). Der Beklagte hat die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht dadurch verletzt, als er 2001/2002 in sieben Fällen den Kassenverwalter angewiesen hat, aus der Gemeindekasse Vorschüsse an ihn zu zahlen, sowie sich 2007 in fünf Fällen selbst Vorschüsse aus der Gemeindekasse bewilligt hat, um sie für private Zwecke zu verwenden, obwohl ihm diese nicht bzw. jedenfalls noch nicht zustanden (BVerwG, U.v. 15.8.1989 – 1 D 61.88 – juris Rn. 16). Insoweit ist unerheblich, ob den Vorschüssen entsprechende Zahlungsansprüche gegen die Gemeinde gegenüber standen, mit denen sie verrechnet werden hätten können, da der Beklagte jedenfalls im Zeitpunkt der Auszahlung keinen Anspruch auf die Vorschüsse hatte und er sich einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil in Gestalt eines vorübergehenden Kredits verschaffte, der ihm so nicht zustand (BVerwG, U.v. 15.8.1989 a.a.O. Rn. 17). Eine Untreue wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Beklagte ggf. Ansprüche auf Beihilfeleistungen oder Reisekostenerstattung bzw. auf entsprechende Vorschüsse (Abschlagszahlungen) geltend machen hätte können (BVerwG, U.v. 15.8.1989 a.a.O. Rn. 12; siehe auch BGH, U.v. 7.5.1997 – 1 StR 638/96 – juris Rn. 9).
Durch die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht trat ein Vermögensnachteil bei der Gemeinde ein, deren Vermögen unmittelbar durch die Auszahlung in Höhe der veruntreuten Gelder vermindert wurde, ohne dass dem zugleich ein unmittelbarer Vermögensvorteil in entsprechender Höhe gegenüber gestanden wäre. Ein Schaden ist bei der – hier vorliegenden – unberechtigten Nutzung öffentlichen Vermögens für private Zwecke unproblematisch zu bejahen (Fischer, StGB, 64. Auflage 2017, § 266 Rn. 122). Der Vermögensnachteil liegt nicht allein in dem durch die unberechtigte – vorübergehende – Nutzung der Gelder entstandenen Zinsschaden, sondern auch in der – wenn auch nur vorübergehenden – unberechtigten Vorenthaltung gemeindlicher Gelder (schadensgleiche Vermögensgefährdung, vgl. BGH, U.v. 8.5.2003 – 4 StR 550/02 – juris Rn. 17). Die bloße Absicht, die Gelder zurückzuzahlen, steht dem nicht entgegen, da der eingetretene Vermögensnachteil dadurch nicht beseitigt wird.
Der Beklagte handelte bei Anordnung bzw. Bewilligung der Auszahlung der Gelder vorsätzlich im Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit sowie im Bewusstsein der Erlangung eines unredlichen Vermögensvorteils zu Lasten der Gemeinde, da er wusste, dass er jedenfalls im Zeitpunkt der Auszahlung keinen Anspruch gegenüber der Gemeinde auf Auszahlung der Gelder hatte; daran ändert auch nichts, dass die Auszahlungen vom 5. und 26. März 2001 nach Angaben des Beklagten mit dem damaligen ersten Bürgermeister abgestimmt waren. Selbst wenn der Beklagte jedoch von Anfang an beabsichtigt haben sollte, die Vorschüsse zurückzuzahlen, wäre insoweit bedingter Vorsatz zu bejahen, da der Beklagte einen entsprechenden Nachteil zu Lasten der Gemeinde zumindest billigend in Kauf genommen hat (BayVGH, U.v. 4.6.2014 – 16a D 10.2005 – juris Rn. 38).
Es kann offen bleiben, ob der Beklagte durch sein Verhalten auch eine Untreue in einem besonders schweren Fall (§ 266 Abs. 2 i.V.m. § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB) begangen hat, weil er seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 a) StGB) missbraucht hat, obwohl die Amtsträgereigenschaft erst die Täterqualifikation des § 266 StGB begründet (vgl. Fischer a.a.O. Rn. 190). Ebenfalls dahingestellt bleiben kann, ob der Beklagte durch die Buchungsmanipulationen 2001/2002 eine erneute Veruntreuung begangen hat (vgl. BGH, B.v. 20.5.1994 – 2 StR 202/94 – juris Rn. 3). Ebenso kann dahinstehen, ob der Beklagte durch sein Verhalten gegenüber dem Kassenverwalter zugleich einen Betrug i.S.d. § 263 StGB verübt hat (vgl. SächsOVG, U.v. 7.3.2014 a.a.O. Rn. 89).
4.2 Daneben hat der Beklagte durch eigenmächtige Anordnung bzw. Bewilligung der Auszahlung von Vorschüssen aus der Gemeindekasse auch gegen kassen- und verwaltungsrechtliche Vorschriften verstoßen (SächsOVG, U.v. 7.3.2014 a.a.O. Rn. 79). Durch Anweisung des Kassenverwalters bzw. seines Stellvertreters, ihm Vorschüsse auszuzahlen, hat der Beklagte gegen Art. 100 Abs. 2 Satz 3 BayGO verstoßen, wonach die Anordnungsbefugten nicht gleichzeitig die Aufgaben eines Kassenverwalters oder seines Stellvertreters wahrnehmen können. Die sachliche und rechnerische Feststellung der Richtigkeit wäre vor Erteilung der Anordnung auch von einer anderen Person zu treffen gewesen (§ 37 Abs. 2 Satz 3, § 40 Abs. 2 KommHV a.F.). Die Auszahlungsanordnungen waren entgegen § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 KommHV a.F. nicht vom Anordnungsbefugten unterzeichnet und entgegen § 49 KommHV a.F. nicht mit dem Eingangsstempel der Kasse und einem Prüfvermerk versehen. Hinzu kommt ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 BayVwVfG, wonach ein Beteiligter in eigenen Angelegenheiten nicht tätig werden darf, wenn die Entscheidung ihm selbst einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann. Dazu gehört ersichtlich die Bewilligung eines Vorschusses aus der Gemeindekasse an den anordnungsbefugten Kämmerer. Diese Entscheidung hätte vielmehr nur der gleichfalls anordnungsbefugte erste Bürgermeister treffen können.
5. Durch sein Verhalten hat der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gegen die ihm gegenüber der Gemeinde obliegenden Dienstpflichten verstoßen und dadurch ein einheitliches innerdienstliches Dienstvergehen begangen (Art. 84 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F., § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Er hat gegen die Pflichten verstoßen, die Gesetze zu beachten (§§ 266 Abs. 1, 53 StGB, Art. 62 Abs. 1 Satz 2 BayBG a.F., § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG), allgemeine Richtlinien zu befolgen (Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BayBG a.F., § 35 Satz 2 BeamtStG), den Dienst ordnungsgemäß zu erfüllen (Art. 64 Abs. 1 Satz 1 BayBG a.F., § 34 Satz 1 BeamtStG), das ihm übertragene Amt uneigennützig und nach bestem Gewissen auszuüben (Art. 64 Abs. 1 Satz 2 BayBG a.F., § 34 Satz 2 BeamtStG) sowie sich im Dienst achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG a.F., § 34 Satz 3 BeamtStG). Das Vorgehen des Beklagten war in sein Amt als Kämmerer bzw. geschäftsleitender Beamter der Gemeinde und in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden, weil er in dieser Eigenschaft gegenüber dem Kassenverwalter bzw. dessen Stellvertreter die Anweisung erteilte, Vorschüsse auszuzahlen, bzw. sich Vorschüsse bewilligte (BayVGH, U.v. 15.3.2017 – 16a D 14.1160 – juris Rn. 23).
6. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen der Gemeinde und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist nach Art. 14 Abs. 2 BayDG auf die Höchstmaßnahme zu erkennen. Da der Beklagte, wäre er noch im Dienst, aufgrund seines Fehlverhaltens nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis hätte entfernt werden müssen, ist ihm als Ruhestandsbeamten gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2, Art. 13 Abs. 1 BayDG das Ruhegehalt abzuerkennen.
6.1 Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss daher unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem angemessenen und gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12).
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen schuldhafter Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn sie, wären sie noch im Dienst, aufgrund eines solchen Verhaltens aus dem Beamtenverhältnis hätten entfernt werden müssen (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG). Nur so können die Integrität des Beamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 13).
6.2 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der jeweiligen Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 16).
Dabei kann offen bleiben, ob das Verhalten des Beklagten ein Zugriffsdelikt darstellt. Allerdings dürfte das Vorliegen eines Zugriffsdelikts hier wohl zu verneinen sein, weil der Beklagte – anders als in dem mit Urteil des Senats vom 4. Juni 2014 (a.a.O.) entschiedenen Fall eines Beamten, der allein über ein Dienstkonto verfügungsbefugt war – nicht durch Missbrauch seiner Anordnungsbefugnis unmittelbar auf Gelder der Gemeinde zugegriffen hat, sondern die Auszahlung erst durch den Kassenverwalter vorgenommen wurde (SächsOVG, U.v. 7.3.2014 a.a.O. Rn. 89), auch wenn dem Beklagten als Kämmerer das Gemeindevermögen anvertraut war. Auf die Einstufung des Dienstvergehens als Zugriffsdelikt zu Lasten des Dienstherrn oder einem diesem gleichgestellten Delikt kommt es indes nicht an. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vorsätzlich begangene Straftat des Beamten hervorgerufen worden ist, ist auch bei innerdienstlich verübten Straftaten nunmehr auf den gesetzlich bestimmten Strafrahmen abzustellen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 19). Vorliegend stellen die Untreuehandlungen zu Lasten der Gemeinde die schwersten Dienstpflichtverletzungen dar. Dies folgt schon daraus, dass für eine Straftat der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB ein Strafrahmen von bis zu fünf Jahren besteht. Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetzbuch als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vorsieht – hier sind es sogar bis zu fünf Jahre -, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 20) bzw. bei Ruhestandsbeamten bis zur Aberkennung des Ruhegehalts.
6.3 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Bemessungsentscheidung führt zur Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen der Gemeinde und der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 BayDG). Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit eines Beamten, die seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. bei Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- oder Untreuehandlungen i.d.R. anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen. Erschwernisgründe können sich z.B. aus der Anzahl und Häufigkeit der Taten, der Höhe des Gesamtschadens und der missbräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener Kenntnisse ergeben (BVerwG, B.v. 6.5.2015 – 2 B 19.14 – juris Rn. 11).
Die vollständige Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist vorliegend wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Aufgrund der Anzahl der Taten (12 Fälle) sowie der Höhe der veruntreuten Gelder von 19.044,34 € (13.533,87 € 2001/2002 sowie 5.510,74 € 2007), des dadurch für die Gemeinde entstandenen Zinsschadens in Höhe von (mindestens) 5.337,57 € sowie der früheren Stellung des Beklagten als Kämmerer und geschäftsleitender Beamter ist die Aberkennung des Ruhegehalts angemessen und erforderlich (BayVGH, U.v. 15.3.2017 – 16a D 14.1160 – juris Rn. 28). Die Veruntreuung hat zu einem eklatanten Vertrauensbruch und zu einem erheblichen Schaden geführt. Der Beklagte hat zudem im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt. Als geschäftsleitender Beamter repräsentierte er die Gemeinde nach innen und außen, als Kämmerer war ihm zudem die Verwaltung des Gemeindevermögens anvertraut. Dennoch hat er unter missbräuchlicher Ausnutzung seiner Amtsstellung und seiner Dienstbefugnisse über Jahre hinweg gemeindliche Gelder veruntreut, um sich aus rein eigennützigen Motiven einen ungerechtfertigten finanziellen Vorteil in erheblicher Höhe zu verschaffen. Erschwerend kommt hinzu, dass er zu diesem Zweck Mitarbeitern, denen gegenüber er weisungsbefugt war, vortäuschte, die Auszahlungen seien mit dem Bürgermeister abgesprochen, gegen kassen- und verwaltungsrechtliche Vorschriften verstieß sowie versuchte, die Taten durch fiktive Kassenbuchungen zu verschleiern. Ein weiterer Verbleib im Dienst der Gemeinde wäre deshalb weder dieser noch der Allgemeinheit zuzumuten gewesen, so dass ihm nach Eintritt in den Ruhestand das Ruhegehalt abzuerkennen ist.
6.4 Demgegenüber erreichen die zu Gunsten des Beklagten in die Bemessung der Disziplinarmaßnahme einzustellenden mildernden Umstände weder für sich allein genommen noch im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau ein solches Gewicht, dass von der Aberkennung des Ruhegehalts abgesehen werden könnte.
6.4.1 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist nicht zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass es sich bei dem vom Beklagten verübten Dienstvergehen nicht um ein Zugriffsdelikt gehandelt habe. Hierauf kommt es nach dem unter 6.2 Ausgeführten nämlich nicht an.
6.4.2 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts kann auch nicht zu Gunsten des Beklagten unterstellt werden, dass dieser von Anfang an beabsichtigt habe, die Vorschüsse wieder zurückzuzahlen, sobald er über die hierfür erforderlichen Mittel verfügen sollte. Von einer solchen Rückzahlungsabsicht kann nach dem unter 3.1 sowie 3.2 Ausgeführten nicht ausgegangen werden. Im Übrigen kommt es auch nicht darauf an, ob der Beklagte die Gelder tatsächlich nur vorübergehend in Anspruch nehmen und baldmöglichst zurückzahlen wollte. Ein Beamter ist nicht befugt, Geld des Dienstherrn diesem auch nur vorübergehend vorzuenthalten, um es zunächst für eigene Zwecke einzusetzen. Die bloße Wiedergutmachungsabsicht vermag eine mildere Beurteilung deshalb nicht zu rechtfertigen, da Gelder des Dienstherrn nicht dazu bestimmt sind, dem Kreditbedürfnis der mit der Verwaltung betrauten Beamten zu dienen (BayVGH, U.v. 4.6.2014 a.a.O. Rn. 67 m.w.N.). Diesbezüglich kann dem Beklagte auch nicht zugutekommen, dass er die Vorschüsse inzwischen vollständig (samt Zinsen) zurückgezahlt hat und dass der nach Rückzahlung der Vorschüsse verbleibende Zinsschaden deutlich unter 5.000,- € liegt. Unabhängig davon, dass die Höhe des dem Dienstherrn entstandenen Schadens nicht allein ausschlaggebend für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist, ergibt sich der Vertrauensverlust nicht aus dem materiellen Schaden, den der Dienstherr durch die Untreuehandlung erleidet, sondern bereits aus der unzulässigen Verwendung dienstlich anvertrauter Gelder aus eigennützigen Gründen selbst (BVerwG, U.v. 15.8.1989 a.a.O. Rn. 26). Ein Absehen von der Höchstmaßnahme würde allenfalls dann in Betracht kommen, wenn der Beklagte – jeweils vor drohender Entdeckung – entweder freiwillig den Schaden wiedergutgemacht oder sein Fehlverhalten offenbart hätte (BayVGH, U.v. 4.6.2014 a.a.O. Rn. 68). Hiervon kann aber nicht die Rede sein, da der Beklagte erst nach Entdeckung der Taten diese eingeräumt und die Gelder zurückgezahlt hat.
6.4.3 Entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts führt es auch nicht zu einer milderen Beurteilung, dass der Beklagte nicht verdeckt vorgegangen sei, sondern die Zahlungen gegenüber dem Kassenverwalter offengelegt und überprüfbare Spuren hinterlassen habe. Zwar hat der Beklagte die Gelder nicht heimlich aus der Kasse entnommen, sondern sich durch den jeweiligen Kassenverwalter auszahlen lassen. Doch kann dies nicht als offenes Vorgehen bezeichnet werden, weil der Beklagte bei der Auszahlung der Gelder gegenüber seinen Untergebenen vortäuschte, dass die Auszahlungen mit dem Bürgermeister abgesprochen seien, und somit betrügerisch vorging. Er hat zudem auch keine nachprüfbaren Spuren hinterlassen, indem er die Auszahlungen ohne die erforderliche Unterschrift eines Anordnungsberechtigten veranlasste, sondern vielmehr versucht, die Auszahlungen durch fiktive Buchungen zu verschleiern. Er hat nach Auszahlung der Gelder auch keine Bedingungen für deren Rückzahlung mit der Gemeinde vereinbart oder diese an den ausstehenden Fehlbetrag erinnert. Darüber hinaus würde auch eine offensichtliche Veruntreuung von Geldern der Gemeinde nicht zu einer milderen Beurteilung führen, da auch dann von einem endgültigen Vertrauensverlust auszugehen wäre.
6.4.4 Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts kann schließlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Auszahlung von Vorschüssen an den Beklagten in der Gemeinde bekannt gewesen und hingenommen worden sei. Zwar wussten der jeweilige Kassenverwalter bzw. dessen Stellvertreter um die Auszahlungen, doch hat der Beklagte diesen wahrheitswidrig vorgespiegelt, die Auszahlungen seien mit dem Bürgermeister abgesprochen, so dass diese auch keine Veranlassung sahen, den Bürgermeister zu informieren oder bei diesem nachzufragen. Als Untergebene des Beklagten hatten sie auch keinen Anlass, an dessen Angaben zu zweifeln. Sonstige Mitarbeiter der Gemeinde waren an den Auszahlungen nicht beteiligt. Nach der glaubhaften Aussage des ersten Bürgermeisters W … hat dieser erst durch Mitteilung des neuen Kämmerers R … von den Auszahlungen erfahren. Es erscheint zwar bedenklich, dass der Bürgermeister auch nach der Entdeckung der Veruntreuungen und Rückzahlung der Vorschüsse die Sache auf sich beruhen lassen und zunächst nichts gegen den Beklagten unternehmen wollte. Hieraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass der Bürgermeister den Beklagten bei der Bewilligung der Vorschüsse nicht genügend überwacht hätte. Ein Organisationsverschulden der Gemeinde ist deshalb auszuschließen. Im Übrigen würde auch eine mangelhafte Kontrolle durch die Gemeinde die Verantwortung des Beklagten nicht beseitigen.
6.4.5 Sonstige Milderungsgründe, die zu einem Absehen von der Höchstmaßnahme führen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Dem Beklagten ist zwar zu Gute zu halten, dass er sich bemüht hat, den Schaden wiedergutzumachen; die nachträgliche, zudem erst mehr als acht Jahre nach Auszahlung der Gelder erfolgte Rückzahlung führt jedoch nicht zu einer milderen Beurteilung des Dienstvergehens. Die Leistungen des Beklagten, der zuletzt 1978 mit „übertrifft die Anforderungen“ dienstlich beurteilt worden ist, waren nach den ihm gegenüber erhobenen weiteren Vorwürfen ungenügend; im Übrigen wäre eine überdurchschnittliche Diensterfüllung nicht geeignet, schwerwiegenden Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen. Anhaltspunkte für eine fehlende oder eingeschränkte Schuldfähigkeit des Beklagten i.S.d. §§ 20, 21 StGB bzw. für eine psychische Ausnahmesituation zum Zeitpunkt der Taten liegen nicht vor. Zwar hat er behauptet, dass er schon ab 2001 psychisch krank gewesen sei, doch gibt es keinen Beleg für diese Behauptung. Auch für eine überwundene negative Lebensphase fehlt es an Anhaltspunkten. Die vom Beklagten vorgetragenen schwierigen Lebensumstände (Einnahmeverluste, Krankheitskosten, eigene und Schulden der Tochter, Pflege der Mutter, Erkrankung der Ehefrau und eigene Erkrankungen) sind nicht von einem Gewicht, dass sie die schweren Verfehlungen in einem milderen Licht erscheinen lassen könnten. Solche familiären und finanziellen Schwierigkeiten können grundsätzlich jeden treffen und sind nicht geeignet, eine ausweglose Ausnahmesituation zu begründen. Auch kann nicht von einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage ausgegangen werden, in der der Beklagte keinen anderen Aus Weg gesehen hat, um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu sichern, da er sich mit der Finanzierung des Hausbaus u.a. übernommen hat; im Übrigen ist diese Phase auch nicht überwunden, da sich der Beklagte seit Anfang 2016 in Privatinsolvenz befindet. Angesichts der mehrfachen, über Jahre hinweg begangenen Veruntreuungen ist darüber hinaus eine persönlichkeitsfremde Augenblickstat zu verneinen. Die Tatsache, dass der Beklagte an diversen Erkrankungen leidet und schwerbehindert ist, führt ebenfalls nicht dazu, von der Aberkennung des Ruhegehalts abzusehen (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09.3029 – juris Rn. 101). Auch die Dauer des 2011 eingeleiteten Disziplinarverfahrens führt nicht zu einer Milderung, da es hinsichtlich der Höchstmaßnahme kein Disziplinarmaßnahmeverbot gibt (BayVGH, U.v. 9.4.2014 – 16a D 12.1439 – juris Rn. 79). Auch auf Verwirkung kann sich der Beklagte insoweit nicht berufen, da diese dem Disziplinarrecht fremd ist (BayVGH, U.v. 9.4.2014 a.a.O. Rn. 95).
7. Die Aberkennung des Ruhegehalts ist auch nicht unverhältnismäßig. Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Beamten staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Zudem darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den vom Beamten hinzunehmenden Einbußen stehen. Die Entfernung eines aktiven Beamten aus dem Beamtenverhältnis als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung auch die Zwecke der Generalprävention, der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels durchgreifender Milderungsgründe das Vertrauen endgültig zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, Rechnung tragen, erweist sich seine Entfernung aus dem Dienst daher als die erforderliche sowie geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme für den Beamten einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis – wie hier – endgültig zerstört, stellt die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen dar. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht dann nämlich auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Folge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen. Für Ruhestandsbeamte gilt nichts anderes. Ihnen ist bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen das Ruhegehalt abzuerkennen (BayVGH, U.v. 15.3.2017 a.a.O. Rn. 31).
Der Senat verkennt nicht, dass der Beklagte und seine Familie dadurch existentiell betroffen werden und dass der Beklagte aufgrund seines Alters und Gesundheitszustands auch keine Arbeit mehr finden und ausüben können wird. Ihm steht deshalb für die Dauer von sechs Monaten ein Unterhaltsbeitrag gemäß Art. 13 Abs. 2 BayDG zu. Auch ist er durch die Gemeinde in der Rentenversicherung nachzuversichern, so dass er ggf. eine Altersrente beantragen kann. Im Übrigen ist er auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen zu verweisen (BayVGH, U.v. 18.3.2015 a.a.O. Rn. 105).
8. Nach alldem war der Berufung des Klägers stattzugeben und dem Beklagten unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts das Ruhegehalt abzuerkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG. Das Urteil ist mit Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).

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