Arbeitsrecht

Abgeltungsbereich der Rechtsanwaltsgebühr bei Überprüfung der Verfahrenskostenhilfe

Aktenzeichen  10 WF 973/18

Datum:
22.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
RPfleger – 2019, 96
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
RVG § 15 Abs. 2, Abs. 5 S. 2
FamFG § 76 Abs. 1
ZPO §§ 120a, § 124

 

Leitsatz

Ein im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt kann für seine Tätigkeit im Verfahren auf Überprüfung, ob sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten geändert haben (§ 120a ZPO), keine gesonderte Vergütung geltend machen, auch wenn die Entscheidung über die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe mehr als zwei Jahre zurückliegt (§ 15 Abs. 2 RVG). Der Auftrag zur Vertretung im Verfahren der Verfahrenskostenhilfe ist erst erledigt i. S. d. § 15 Abs. 5 S.2 RVG, wenn seit der Beendigung des (Haupt) Verfahrens vier Jahre vergangen sind (§ 120a Abs. 1 S.4 ZPO). (Rn. 9)
Zum Verfahren betreffend die Verfahrenskostenhilfe zählt auch das Verfahren auf Überprüfung, Abänderung oder Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe, zumal nach § 16 Nr. 3 RVG auch mehrere Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe in demselben Rechtszug als dieselbe Angelegenheit iSd § 15 Abs. 2 RVG gelten.  (Rn. 9 und 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

204 F 304/15 2018-06-11 Bes AGREGENSBURG AG Regensburg

Tenor

1. Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Regensburg vom 11.06.2018 wird zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
Die Beschwerdeführerin ist Rechtsanwältin und hat im vorliegenden Scheidungsverfahren den Antragsteller vertreten. Diesem war mit Beschluss vom 06.03.2015 Verfahrenskostenhilfe bewilligt und die Beschwerdeführerin als Verfahrensbevollmächtigte beigeordnet worden.
Mit Endbeschluss vom 21.09.2015 hat das Familiengericht die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.
Mit Verfügung vom 22.11.2017 hat das Familiengericht ein Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahren nach § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 120 a Abs. 1 Satz 1 ZPO eingeleitet, und die Aufforderung nach § 120 a Abs. 1 ZPO an die Beschwerdeführerin übersandt. Diese begehrt von der Staatskasse nunmehr die Zahlung einer Gebühr nach Nr. 3335 VV RVG für ihre anwaltliche Tätigkeit im Überprüfungsverfahren, zuzüglich der Post- und Telekommunikationspauschale, insgesamt 389,13 €.
Die Rechtspflegerin hat den Vergütungsantrag mit Beschluss vom 11.06.2018 zurückgewiesen und die Meinung vertreten, die Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Rahmen des Verfahrenskotenhilfüberprüfungsverfahrens rechtfertige nicht den Ansatz einer weiteren Gebühr, da es sich bei der Tätigkeit nicht um eine neue Angelegenheit gehandelt habe, § 15 Abs. 2 RVG. Weiterhin hat die Rechtspflegerin ausgeführt, dass das Überprüfungsverfahren noch zum Ausgangsverfahren gehöre, und die 2-Jahresfrist des § 15 Abs. 5 RVG frühestens mit Beendigung des Überprüfungsverfahrens beginne. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 11.06.2018 verwiesen.
Gegen den ihr am 19.06.2018 zugestellten Beschluss hat die Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 03.07.2018 im eigenen Namen Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, bei dem Überprüfungsverfahren handele es sich um eine neue kostenrechtliche Angelegenheit, die mit der früheren Verfahrensgebühr nicht abgegolten sei, da die 2-Jahresfrist des § 15 Abs. 5 RVG bereits mit Erlass der verfahrensabschließenden Entscheidung vom 21.09.2015 zu laufen begonnen habe. Da das Überprüfungsverfahren erst am 22.11.2017 eingeleitet worden sei, sei ihre Tätigkeit nach Nr. 3335 VV RVG zu vergüten.
Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
III.
Die Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Das Familiengericht hat zu Recht die beantragte Vergütungsfestsetzung abgelehnt, weil die Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahren bereits durch die im Juni 2015 gezahlte Vergütung abgegolten ist, § 15 Abs. 1 und 2 RVG.
Gemäß § 15 Abs. 2 RVG kann ein Rechtsanwalt Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Der Begriff der Angelegenheit ist im RVG selbst nicht ausdrücklich definiert. Allerdings stellen nach § 16 Nr. 2 RVG das Verfahren über die Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das die Prozesskostenhilfe beantragt worden ist, dieselbe Angelegenheit dar, wenn der Rechtsanwalt auch im Hauptsacheverfahren mandatiert war. Zum Prozesskostenhilfeverfahren zählt auch das Verfahren auf Abänderung oder Aufhebung der Verfahrenskostenhilfe (Hartmann, Kostengesetze, 42. Aufl., § 16 Rn. 4), zumal nach § 16 Nr. 3 RVG auch mehrere Verfahren über die Prozesskostenhilfe in demselben Rechtszug als dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG gelten. Dass das Verfahrenskostenhilfeüberprüfungsverfahren zum selben Rechtszug wie das Ausgangsverfahren gehört, hat der BGH zwischenzeitlich klar entschieden (BGH FamRZ 2011, 463 Rn. 19 ff.; FamRZ 2016, 1259 Rn. 6 ff.). Mit der Vergütung des Rechtsanwaltes für seine Tätigkeit im Hauptsacheverfahren ist daher auch seine Tätigkeit im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe und des Überprüfungsverfahrens nach § 120 a ZPO abgegolten, § 15 Abs. 2 RVG.
Ein weiterer Gebührenanspruch ergibt sich vorliegend auch nicht aus der Regelung des § 15 Abs. 5 RVG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift erhält ein Rechtsanwalt, der beauftragt wird, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, nachdem er in der Angelegenheit bereits tätig geworden war, dann nicht mehr Gebühren, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre. Nach § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG gilt aber die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt ist.
Die Voraussetzungen dieser Ausnahmevorschrift sind jedoch vorliegend nicht erfüllt:
Einerseits fehlt es bereits an einer neuen, beziehungsweise erweiternden Auftragserteilung durch den Antragsteller, da die Tätigkeit im Überprüfungsverfahren noch zum Ausgangsverfahren gehört (siehe oben). Selbst dann, wenn eine Beauftragung zu einer weiteren Tätigkeit vorliegen sollte, würde die Beschwerdeführerin keine zusätzliche Gebühr erhalten, da bei einer Beauftragung zu Verfahrensbeginn die Tätigkeit im Überprüfungsverfahren bereits mit der Vergütung der Tätigkeit im Hauptsacheverfahren abgegolten wäre, und somit die Regelung des § 15 Abs. 5 Satz 1 RVG zur Anwendung käme.
Hiervon abgesehen ist der frühere Auftrag nicht schon mit Erlass der Hauptsacheentscheidung vom 21.09.2015 erledigt i.S.d. § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG, da zum Auftrag auch die Abwicklung des Abänderungs- und Überprüfungsverfahrens nach § 120 a ZPO, beziehungsweise § 124 ZPO gehört. Insoweit schließt sich der Senat der Auffassung des OLG Frankfurt (FamRZ 2017, 992 Rn. 10 ff.) an, wonach die Frist des § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG frühestens mit Beendigung des Überprüfungsverfahrens beginnt.
Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2, 3 RVG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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