Arbeitsrecht

Abgewiesene Klage im Streit um Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

Aktenzeichen  BayAGH I-1- 8/15

Datum:
16.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Anwaltsgerichtshof
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BayAGVwGO BayAGVwGO Art. 15 Abs. 2
BRAO BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 3, § 15 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 33 Abs. 1, Abs. 3, § 79, § 80 Abs. 1, § 112c Abs. 1 S. 1, § 112e, § 194 Abs. 2 S. 1, S. 2
VwGO VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die Unfähigkeit des Rechtsanwalts, seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen ordnungsgemäß auszuüben, wird nach § 15 Abs. 3 S. 1 BRAO vermutet, wenn der Rechtsanwalt der rechtmäßigen Aufforderung der Rechtsanwaltskammer, ein Gutachten über seinen Gesundheitszustand einzuholen, nicht nachkommt. (redaktioneller Leitsatz)
Die Rechtsanwaltskammer ist berechtigt, den Rechtsanwalt zur Einholung eines Gutachtens über seinen Gesundheitszustand aufzufordern, wenn der Rechtsanwalt der Polizei vorwirft, seine Wohnung in Schwingungen zu versetzen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Das Urteil ist im Kostenausspruch gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV.
Der Streitwert wird auf 50.000,- € festgesetzt.

Gründe

I. Die Klage ist form- und fristgerecht (§ 74 I 2 VwGO) erhoben worden; eines Vorverfahrens bedurfte es nach Art. 15 II BayAGVwGO nicht. Der Senat konnte in Abwesenheit der Klägerin entscheiden, da diese ordnungsgemäß zum Termin geladen war und in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass auch bei ihrem Ausbleiben mündlich verhandelt und entschieden werden kann (vgl. Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 16.02.2016 einschließlich der dortigen Feststellungen; vgl. auch Schoch / Schneider / Bier / Riese / Ortloff, VwGO, 25. Aufl. 2013, § 102 Rd. 22).
II. Die Klage hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 I 1 VwGO).
Die Beklagte hat die Zulassung der Klägerin zu Recht nach § 14 II Nr. 3 BRAO widerrufen. Nach § 14 II Nr. 3 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, den Beruf eines Rechtsanwalts ordnungsgemäß auszuüben, es sei denn, dass sein Verbleiben in der Rechtsanwaltschaft die Rechtspflege nicht gefährdet. (vgl. BGH, BRAK-Mitt. 2008, 75). Hier ist gemäß § 15 III S. 1 BRAO gesetzlich zu vermuten, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage war, ihren Beruf ordnungsgemäß auszuüben und dadurch die Rechtspflege gefährdet ist, da sie mit rechtskräftigem Bescheid der Beklagten aufgefordert wurde, ein Gutachten über ihren Gesundheitszustand vorzulegen, was sie (bis heute) nicht getan hat. Die Voraussetzungen des § 14 III Nr. 3 BRAO lagen im allein maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids (grdl. BGH NJW 2011, 3234 ff.) durch die Beklagte vor, mit der Folge, dass die Zulassung der Klägerin zur Rechtsanwaltschaft widerrufen werden konnte.
1. Der Widerruf der Zulassung wurde vom Präsidenten der Beklagten als zuständigem Vertretungsorgan gemäß § 80 Abs. 1 BRAO unterzeichnet. Dem Bescheid lag ein wirksamer Beschluss des Präsidiums der Beklagten vom 26.06.2015 zugrunde, das gemäß § 79 BRAO die vom Vorstand übertragenen Aufgaben wahrnimmt.
2. Ist die Anordnung der Rechtsanwaltskammer an den Rechtsanwalt, ein Gutachten über seinen Gesundheitszustand vorzulegen, zu Recht erfolgt, weil hierfür hinreichende Anhaltspunkte gegeben waren, und ist der Rechtsanwalt dem ohne zureichenden Grund nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen, wird gemäß § 15 III S. 1 BRAO gesetzlich vermutet, dass er aus gesundheitlichen Gründen gemäß § 14 II Nr. 3 BRAO nicht nur vorübergehend unfähig ist, seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben (AGH Hamm, DStRE 2012, 910-912; rechtskräftig, vgl. Beschluss des BGH vom 16.12.2011, Az. AnwZ [B] 4/11).
In einem Schreiben der Staatsanwaltschaft Augsburg vom 25.07.2014 wurden Bedenken geäußert, dass die Klägerin nicht in der Lage sei, ihren Beruf als Rechtsanwältin auszuüben. Hierzu bezog sich die Staatsanwaltschaft auf Strafanzeigen der Klägerin, in denen sie der Polizei unter anderem vorwarf, ihre Wohnung in Schwingungen zu versetzen bzw. Kaltluft als auch Gerüche in ihre Wohnung eingeleitet zu haben. Weiterhin erstattete sie Anzeige, weil man an ihren Möbeln in der Kanzlei Metallplättchen angebracht hätte. Sie äußerte darüber hinaus den Verdacht, Dritte würden ihre Kanzleiräume unbefugt betreten und Akten bzw. einen Kommentar entwenden. In anderen Akten seien Eintragungen dergestalt vorgenommen worden, dass auf zwei Vertragsentwürfen Unterschriften „angebracht/nachgemacht“ worden seien, obwohl die Aktenschränke verschlossen gewesen seien.
Die Klägerin wurde hierzu von der Beklagten angehört. Die Klägerin hat den Inhalt dieser Strafanzeigen auch in ihrer Klage nicht in Zweifel gezogen. Soweit die Klägerin gegenüber der Beklagten lediglich am 15.10.2014 mit Fax antwortete, auf dem „Respekt Danke!“ handschriftlich vermerkt war, handelt es sich nicht ansatzweise um eine sachgerechte Auseinandersetzung mit dem auf der Hand liegenden Vorwurf, die Klägerin würde unter einer psychischen Erkrankung leiden, wodurch sie dauerhaft nicht in der Lage sein könnte, den Anwaltsberuf ordnungsgemäß auszuüben. Auch wenn es sich, wie die Klägerin in ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 21.09.2015 (Bl. 1/2 d.A.) vorbringt, um ein Zitat des Präsidenten der Beklagten gehandelt haben sollte, ändert das nichts an der Tatsache, dass aufgrund der Strafanzeigen und dem Inhalt der dort vorgebrachten Vorwürfe ausreichende Anhaltspunkte für eine psychische Störung vorhanden waren und sie sich hierzu hätte äußern können und müssen.
Die Beklagte hat der Klägerin deshalb zu Recht mit Bescheid vom 17.03.2015 aufgegeben, ein umfassendes Gutachten des Facharztes Dr. med. W. Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik, … A., über ihren Gesundheitszustand gemäß § 14 II Nr. 3 BRAO i.V.m. § 15 I Satz 1 BRAO bis zum 29.05.2015 vorzulegen. Der Bescheid vom 17.03.2015 wurde der Klägerin am 18.03.2015 mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Hiergegen wurde von der Klägerin keine Klage eingereicht. Ein entsprechendes Gutachten hat die Klägerin nicht vorgelegt.
Die Gutachtenanordnung nach § 15 Satz 1 BRAO hat erkennen lassen, mit welchen Fragen zum Gesundheitszustand des Rechtsanwalts sich der Gutachter befassen sollte. Die Präzisierung der gesundheitlichen Störung durch die Rechtsanwaltskammer war entbehrlich, da die Begutachtung an ein konkretes tatsächliches Geschehen anknüpfen sollte, das sich selbst erklärt und die anstehenden Fragen auch ohne zusätzliche Verbalisierung klar zutage treten lässt. Die ärztliche Einordnung und Bewertung der Verdachtsumstände ist Aufgabe des zu beauftragenden Arztes, nicht der Rechtsanwaltskammer (BGH, NJW-Spezial 2011, 287).
Auf die Frage, ob die Ablehnung des Präsidenten der Beklagten wegen Befangenheit oder die Aufforderung zum Rücktritt eine Gutachtensanordnung gerechtfertigt hätte, was abzulehnen wäre (vgl. hierzu auch BGH, a.a.O.), kommt es deshalb nicht an.
Soweit die Klägerin in der Klage die Anordnung auf Vorlage eines Gesundheitsgutachtens für willkürlich hält, ist dies verspätet, aber auch inhaltlich nicht nachvollziehbar begründet worden. Da die Klägerin die Gutachtensanordnung, die hier auf Grund des unbestrittenen Sachverhalts hinreichende Anhaltspunkte bot und von Willkür keine Rede sein kann (s.o.), rechtskräftig werden ließ und dann kein Gutachten vorgelegt hat, führt die Vermutungswirkung des § 15 III S. 1 BRAO dazu, den Widerrufsgrund des § 14 II Nr. 3 BRAO anzunehmen. Die Klägerin hat nicht dargelegt, weshalb sich nach Ablauf der ihr gesetzten Frist zur Vorlage des Gutachtens bis zum Widerrufsbescheid an der Sachlage etwas geändert hätte. Deshalb ist bereits aus rechtlichen Gründen der Einwand, die Beklagte hätte im Verfahren vor Anordnung der Begutachtung das jetzt als Anlage A 2 vorgelegte Telefax vom 15.10.2015 missachtet, irrelevant. Nur am Rande sei deshalb darauf hingewiesen, dass die Anlage A 2 lediglich 4 Seiten aufweist (in der Klage vom 21.09.2015 wurde ein „fünfseitiges Telefax“ in Bezug genommen), das auf drei Seiten jeweils eine Umkreisung von 2-i.V.-Unterschriften und eines Datums und hierzu jeweils einen schwarzen Pfeil hierauf aufweist. Es ist nicht verständlich und wird auch nicht erläutert, was die Klägerin damit zum Ausdruck bringen will. Dieses Verhalten bestätigt nur die gesetzliche Vermutung, dass die Klägerin den Beruf einer Rechtsanwältin nicht mehr ordnungsgemäß auszuüben imstande sein könnte. Es deutet darauf hin, dass die Klägerin von ihren Vorstellungen in krankhafter Weise derart beherrscht wird, dass dies sich zugleich und in schwerwiegender Weise auf ihre Fähigkeiten auswirkt, die Belange ihrer Mandanten noch sachgerecht und mit der gebotenen Sorgfalt wahrzunehmen (vgl. BGH, AnwZ [Brfg] 70/12 [juris]).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 112 c I 1 BRAO i. Verb. m. § 154 I VwGO.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 112 c I 1 BRAO i. Verb. m. § 167 VwGO und § 709 S. 2 ZPO.
V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 II 1 BRAO. Für die Festsetzung eines abweichenden Streitwerts nach § 194 II 2 BRAO bestand vorliegend keine Veranlassung.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Befristeter Arbeitsvertrag – Regelungen und Ansprüche

Dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem befristeten Vertrag eingestellt werden, ist längst keine Seltenheit mehr. Häufig taucht der Arbeitsvertrag auf Zeit bei jungen Mitarbeitenden auf. Über die wichtigsten Regelungen und Ansprüche informieren wir Sie.
Mehr lesen