Aktenzeichen M 10 K 16.5955
Leitsatz
1. Eine Entscheidung der Rechtsanwaltskammer, eine Auskunft zu gewähren bzw. abzulehnen, ist für einen Rechtssuchenden im Verwaltungsrechtsweg und für einen Rechtsanwalt im anwaltsgerichtlichen Verfahren überprüfbar. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Tätigkeit eines Rechtsanwalts als Insolvenzverwalter ist nicht der anwaltlichen Tätigkeit zuzuordnen, so dass auch die Berufshaftpflichtversicherung eines Rechtsanwalts diese Tätigkeit nicht mit umfassen muss. (Rn. 21 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Auskunftserteilung durch die beklagte Rechtsanwaltskammer München hinsichtlich der Berufshaftpflichtversicherung eines für sie als Insolvenzverwalter eingesetzten Rechtsanwalts.
Die Klägerin war als Geschäftsführerin der … GmbH tätig, welche im Jahr 2014 im Wege des Insolvenzverfahrens anteilig verkauft wurde. Zugeordnet war ihr als Insolvenzverwalter der beigeladene Rechtsanwalt. Die Klägerin trägt vor, gegen den Beigeladenen Schadensersatzansprüche zu haben, da dieser sich bei seiner Arbeit als Insolvenzverwalter schädigendes Fehlverhalten zu Schulden habe kommen lassen.
Mit Schreiben vom … Juni 2016 und … Juli 2016 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und beantragte Auskunft über den Namen, die Adresse und die Versicherungsnummer der Berufshaftpflichtversicherung des beigeladenen Rechtsanwalts.
Die Beklagte hörte daraufhin den Beigeladenen mit Schreiben vom 11. August 2016 zur Frage möglicher, der Bekanntgabe seiner Berufshaftpflichtversicherungsdaten entgegenstehender schutzwürdiger Interessen an. Dieser wies darauf hin, dass zum einen kein Mandatsverhältnis zwischen ihm und der Klägerin bestanden habe, da er dieser lediglich als Insolvenzverwalter zugeordnet gewesen sei, zum anderen die behaupteten Schadensersatzansprüche unbegründet seien.
Das Präsidium der Beklagten hat daraufhin in einer Sitzung am 10. November 2016 über den Antrag der Klägerin beraten und deren Anspruch als nicht gegeben angesehen. Es wurde beschlossen, das Auskunftsersuchen der Klägerin abzulehnen. Dies wurde der Klägerin mit Schreiben vom 30. November 2016 mitgeteilt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte zur Auskunftserteilung über die Berufshaftpflichtversicherung des beigeladenen Rechtsanwalts zu verpflichten.
Zugleich beantragt die Klägerin mit Schreiben vom … Dezember 2016,
ihr für diese Klage Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Auf Nachforderung vom 3. Februar 2017 hin reichte die Klägerin die erforderlichen Unterlagen (Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) für den Prozesskostenhilfeantrag mit Formular vom … Februar 2017 ein.
Die Beklagte beantragt,
1.Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
2.Die Klage wird abgewiesen.
Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2017 führt sie aus, dass die Klage zwar zulässig, aber unbegründet sei, da die Klägerin keinen Auskunftsanspruch gegenüber der Beklagten habe. Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe sei somit abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
Mit Beschluss vom 3. April 2017 wurde der frühere Insolvenzverwalter der Klägerin beigeladen. Dieser nahm mit Schriftsatz vom … April 2017 Stellung. Ein Mandatsverhältnis zur Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Darüber hinaus bestünden keinerlei Schadensersatzansprüche der Klägerin, der es auch an der Aktivlegitimation fehle. Es sei gerichtlich bereits mehrfach entschieden, dass keine Ansprüche der Klägerin gegen den Insolvenzverwalter bestünden, damit sei der Prozesskostenhilfeantrag auch mutwillig gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
1. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 VwGO eröffnet. Die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer, die Auskunft zu gewähren bzw. abzulehnen, ist – wie vorliegend – für den Rechtsuchenden im Verwaltungsrechtsweg (und für den Rechtsanwalt im anwaltsgerichtlichen Verfahren) überprüfbar (Tauchert/Dahns in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Auflage 2014, § 51 BRAO, Rn. 24; Anwaltsgerichtshof Stuttgart, B.v. 8.1.2008 – AGH 34/2007 (I), AGH 34/07 (I) – juris Rn. 6).
2. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten bleibt ohne Erfolg.
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO erhält auf Antrag diejenige Partei Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Prozesskostenhilfe ist bereits dann zu gewähren, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich. Es genügt eine sich bei summarischer Prüfung ergebende Offenheit des Erfolges.
Unabhängig von der finanziellen Situation der Klägerin hat ihre Klage nach summarischer Prüfung keine Erfolgsaussichten. Ein Auskunftsanspruch kann vorliegend nicht auf § 51 Abs. 6 Satz 2 BRAO gestützt werden. Danach erteilt eine Rechtsanwaltskammer Dritten zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auf Antrag Auskunft über den Namen und die Adresse der Berufshaftpflichtversicherung des Rechtsanwalts sowie die Versicherungsnummer, soweit der Rechtsanwalt kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Nichterteilung der Auskunft hat.
2.1 Offenbleiben kann, ob eine Auskunftserteilung über die Berufshaftpflichtversicherung eines Rechtsanwalts nach vorheriger Ablehnung der Auskunft über eine Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO oder im Wege einer allgemeinen Leistungsklage (vgl. § 43 Abs. 2 VwGO) zu verfolgen ist.
Soweit die Erteilung bzw. Versagung der begehrten Auskunft als Verwaltungsakt des Beklagten eingeordnet wird (fraglich, so aber Tauchert/Dahns in: Gaier/Wolf/Göcken, a.a.O. Rn. 24 unter Hinweis auf Anwaltsgerichtshof Stuttgart, B.v. 8.1.2008, a.a.O.: Die Verweigerung der Auskunft der Rechtsanwaltskammer gegenüber dem geschädigten Rechtsuchenden ist .. als Verwaltungsakt nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) einzuordnen, da die Rechtsanwaltskammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der Auskunftspflicht einer öffentlichrechtlichen Verpflichtung folgt), wäre die Verpflichtungsklage gegeben, andernfalls kann ein bloßes Auskunftsbegehren mit der Leistungsklage verfolgt werden.
2.2 Materiellrechtlich kann ein Auskunftsanspruch über die Berufshaftpflichtversicherung des Beigeladenen als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin nicht auf § 51 Abs. 6 Satz 2 BRAO gestützt werden.
Die Verpflichtung zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung eines Rechtsanwalts folgt aus § 51 Abs. 1 BRAO. Danach ist der Rechtsanwalt verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung zur Deckung der sich aus seiner Berufstätigkeit ergebenden Haftpflichtgefahren für Vermögensschäden abzuschließen und die Versicherung während der Dauer seiner Zulassung aufrechtzuerhalten.
Der Rechtsanwalt ist gemäß § 3 Abs. 1 BRAO der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Die Berufstätigkeit des Anwalts entspricht dem Begriff der anwaltlichen Tätigkeit in § 1 Abs. 1 RVG, der geprägt ist durch die Gewährung der berufstypischen Aufgaben mit Ausnahme der in § 1 Abs. 2 RVG genannten, nicht unbedingt anwaltsspezifischen Tätigkeiten (Vormund, Betreuer, Pfleger, Testamentsvollstrecker, Insolvenzverwalter, Vergleichsverwalter, Mitglied des Gläubigerausschusses oder des Gläubigerbeirats, Treuhänder, Zwangsverwalter, Schiedsrichter, Mediator) sowie als Abwickler einer Kanzlei nach § 55 BRAO, des Zustellungsbevollmächtigten nach § 30 BRAO und des Notarvertreters innerhalb von 60 Tagen eines Versicherungsjahres, soweit diese Tätigkeiten nicht überwiegend bzw. ausschließlich ausgeübt werden (Tauchert/Dahns in: Gaier/Wolf/Göcken, a.a.O., Rn. 5).
Danach ist eine Tätigkeit als Insolvenzverwalter nicht der anwaltlichen Tätigkeit zuzuordnen. Vielmehr ist nach § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO zum Insolvenzverwalter eine für den jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere geschäftskundige und von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängige natürliche Person zu bestellen, die aus dem Kreis aller zur Übernahme von Insolvenzverwaltungen bereiten Personen auszuwählen ist. Ein Anwalt kann damit jederzeit auch als Insolvenzverwalter bestellt werden – wie auch andere geeignete Personen -, die Tätigkeit als Insolvenzverwalter ist aber gerade nicht einem Anwalt vorbehalten und keine anwaltlich beratende und vertretende Tätigkeit.
Da die Tätigkeit als Insolvenzverwalter nicht anwaltliche Tätigkeit im vorgenannten Sinn ist, muss auch die Berufshaftpflichtversicherung eines Rechtsanwalts diese Tätigkeit nicht umfassen. Demgemäß greift auch der Auskunftsanspruch über die Berufshaftpflichtversicherung eines Anwalts nicht für dessen Tätigkeit als Insolvenzverwalter.
Da die Klage voraussichtlich erfolglos bleibt, ist der Klägerin auch keine Prozesskostenhilfe zu gewähren.
3. Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ergeht kostenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.