Aktenzeichen S 8 AS 603/16
SGB X SGB X § 48 Abs. 1
Leitsatz
1. Abweichung vom Kopfteilprinzip bei der Aufteilung einer Nebenkostennachforderung. (amtlicher Leitsatz)
Bei der Aufteilung einer Nebenkostennachforderung ist eine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen dergestalt veranlasst, dass bei der Abrechnung im Fälligkeitsmonat nicht nur eine rein kopfanteilige, sondern auch eine zeitanteilige Berücksichtigung vorzunehmen ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Abänderung seines Bescheids vom 11. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2016 verpflichtet, der Klägerin für April 2016 weitere 289,60 EUR zu bewilligen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die zulässigerweise auf Leistungen für Kosten für Unterkunft und Heizung beschränkte Klage (vgl. zur Beschränkung BSG, Urteil vom 17. Februar 2016, B 4 AS 12/15 R) ist zulässig und hat in der Sache zum größten Teil Erfolg.
Die Klägerin hat Anspruch auf weitere Leistungen des Beklagten für April 2016 in Höhe von 289,60 EUR. Soweit der Bescheid des Beklagten vom 11. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2016 dem entgegensteht, ist er rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Als Rechtsgrundlage für die Bewilligung höheren Arbeitslosengeldes II in Form der Übernahme weiterer Kosten aus der Betriebs- und Heizkostennachforderung vom 30. März 2016 kommt § 40 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) i. V. m. § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) in Betracht. Eine Änderung in diesem Sinn ist in Höhe von 289,60 EUR eingetreten.
In Bezug auf die hier allein infrage kommenden Kosten für Unterkunft und Heizung sieht § 22 Abs. 1 SGB II vor, dass nicht nur laufend anfallende Kosten zu übernehmen sind
– und zwar in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Erfasst sind auch Leistungen für einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung. Soweit eine Nachforderung von Unterkunfts- und/oder Heizkosten in einer Summe fällig wird, gehört sie im Fälligkeitsmonat zum tatsächlichen, aktuellen Bedarf, wenn im Fälligkeitsmonat noch Bedürftigkeit besteht (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2015, B 14 AS 40/14 R).
Von den eingeforderten 306,89 EUR sind 289,60 EUR ein zusätzlich zu berücksichtigender Bedarf der Klägerin. Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass in der Regel eine kopfteilige Übernahme im Fälligkeitsmonat erfolgt (vgl. BSG, a. a. O.) und dass im hier maßgeblichen Monat der Fälligkeit, dem April 2016, auch die Tochter B. neben der Klägerin und den beiden weiteren, damals minderjährigen Töchtern I. und R. im Haushalt lebte. Hintergrund des Kopfteilprinzips ist aber eine generalisierende und typisierende Annahme dieses Aufteilungsmodus aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität. Eine gesetzliche Festschreibung existiert nicht und es ist anerkannt, dass Abweichungen vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen möglich sind (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2016, B 4 AS 2/15 R; Urteil vom 23. Mai 2013, B 4 AS 67/12 R).
Eine solche Abweisung hält das Gericht vorliegend für gerechtfertigt. Denn zu berücksichtigen ist auch, dass der im April 2016 aufgetretene einmalige Bedarf aus dem Jahr 2015 resultiert und in diesem Jahr die Tochter B. erst seit 19. Oktober 2015 bei der Klägerin wohnte. Für das Gericht liegt es bei dieser Gestaltung auf der Hand, dass Frau B. erst ab diesem Zeitpunkt am Verbrauch, welcher der streitigen Betriebs- und Heizkostenabrechnung zugrunde liegt, beteiligt war. Dem muss billigerweise dadurch Rechnung getragen werden, dass sie bei der Abrechnung im Fälligkeitsmonat nicht nur rein kopfanteilig, sondern auch zeitanteilig berücksichtigt wird.
Unter Abzug der Zahlung von 100 EUR, welche die Klägerin von ihrer Tochter B. für die Nebenkosten aus dem Jahr 2015 erhalten hat und der sogar mehr als den Anteil für die Zeitspanne 19. Oktober bis 31. Dezember 2015 ausmacht, ergibt sich damit bei einem noch offenen Rechnungsbetrag von 389,60 EUR ein weiterer Leistungsanspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten von 289,60 EUR.
Deswegen ist der Klage in dieser Höhe stattzugeben und sie im Übrigen abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Eine (teilweise) Kostenerstattung ist mangels relevanter Aufwendungen nicht angezeigt.
Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG bestehen nicht.