Aktenzeichen 2 AZR 1045/08
§ 2 KSchG
§ 1 TVG
§ 2 TVG
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Frankfurt, 27. Juni 2007, Az: 17 Ca 196/05, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 26. November 2008, Az: 18 Sa 1194/07, Urteil
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 26. November 2008 – 18 Sa 1194/07 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung.
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Der 1956 geborene, verheiratete und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit 1986 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin tätig. Er bezog zunächst Vergütung nach dem Lohntarifvertrag für Arbeiter/Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe im Lande Hessen (HLT). Gemäß Vereinbarung vom 2. Juni 1989 wechselte er mit Wirkung zum 1. Mai 1989 in ein Angestelltenverhältnis und erhielt seither Vergütung auf der Grundlage des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT). Außerdem heißt es in der Vereinbarung:
„Für das neue Arbeitsverhältnis gelten die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) einschließlich der für die Flughafen Frankfurt/Main AG geltenden Zusatzbestimmungen, die betriebsüblichen Regelungen und die Dienstvorschriften. …“
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Auf dieser Grundlage war der Kläger zuletzt als Bereichsleiter in der Abteilung Bodenverkehrsdienste (BVD-F), Bereich Kundenservice, beschäftigt. Gemäß seiner Eingruppierung in die Vergütungsgruppe IVb erzielte er einen monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 3.410,29 Euro. Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses legte er erfolgreich die IHK-Prüfung zum „Flugzeugabfertiger“ ab.
4
Die Beklagte beschäftigt etwa 13.000 Arbeitnehmer. Sie betrieb ua. die Abfertigung von Luftfracht am Flughafen Frankfurt/Main in der Abteilung BVD-F. Dort waren ca. 600 Arbeitnehmer – darunter der Kläger – tätig.
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Im September 2003 beschloss die Beklagte, den Bereich BVD-F zur Vermeidung weiterer Verluste auf ein Tochterunternehmen, die Tradeport Frankfurt GmbH, zu übertragen. Während die Beklagte durch Verbandsmitgliedschaft an den BAT und den BMT-G II gebunden war und mit allen Arbeitnehmern die Geltung dieser Tarifwerke zwecks Gleichstellung vereinbart hatte, unterliegt die Tochtergesellschaft diesen Bindungen nicht. Die Tradeport Frankfurt GmbH ist stattdessen Mitglied in der Vereinigung des Verkehrsgewerbes Hessen e.V. und wendet die von dieser mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) abgeschlossenen Tarifverträge für die Arbeitnehmer des privaten Transport- und Verkehrsgewerbes in Hessen an.
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Als sich abzeichnete, dass die Mehrzahl der Beschäftigten der Abteilung BVD-F einem Betriebsübergang widersprechen würde, richtete die Beklagte im Bereich Bodenverkehrsdienste die neue Abteilung „Frachtservice“ ein (BVD-FS). In dieser Abteilung sollten widersprechende Beschäftigte aus der Abteilung BVD-F „aufgefangen“ werden. Die Arbeitnehmer sollten sodann im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei der Tradeport Frankfurt GmbH eingesetzt werden.
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Mit Schreiben vom 27. Oktober 2003 unterrichtete die Beklagte den Kläger über den beabsichtigten Betriebsübergang. Der Kläger und ca. 550 weitere Arbeitnehmer widersprachen dem Übergang.
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Unter dem Datum 19. Dezember 2003 schlossen der Hessische Arbeitgeberverband der Gemeinden und Kommunalverbände, dessen Mitglied die Beklagte ist, und ver.di, vertreten durch die Landesbezirksleitung Hessen, die Tarifvertragliche Vereinbarung Nr. 741 (TVb Nr. 741). Sie enthält Sonderregelungen zu BAT und BMT-G II für die Beschäftigten der Abteilung „Frachtservice“ bei der Beklagten. Sie gilt nach § 1 für alle Arbeitnehmer, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Tochtergesellschaft widersprochen haben. Sie sieht in § 2 ua. vor, dass die Arbeitnehmer „im Sinne der Beschäftigungssicherung“ verpflichtet sind, einen ggf. auch im Wege der Änderungskündigung angebotenen Arbeitsplatz in der Abteilung BVD-FS anzunehmen und für einen Entleiher tätig zu sein. Dabei ist grundsätzlich vorgesehen, dass der Einsatz bei der Tradeport Frankfurt GmbH erfolgt. Die TVb Nr. 741 regelt ferner, dass die Vergütung bei einer Beschäftigung in der Abteilung BVD-FS geringer als bisher ist. Nehmen die Arbeitnehmer die geänderten Arbeitsbedingungen im Sinne der Änderungskündigung nicht an, sind nach § 2 Abs. 6 TVb Nr. 741 Beendigungskündigungen zulässig, § 53 Abs. 3, § 55 Abs. 2 BAT und § 52 BMT-G II finden insoweit keine Anwendung.
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Am 22. Dezember 2003 wurde der Beklagten die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern erteilt. Am 30. Januar 2004 schloss sie mit der Tradeport Frankfurt GmbH einen Vertrag zur Übertragung des Frachtgeschäfts mit Wirkung zum 1. Juli 2004.
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Mit Schreiben vom 15. Dezember 2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien nach Anhörung des Betriebsrats zum 30. Juni 2005 und bot dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in der Abteilung BVD-FS zu den Bedingungen der TVb Nr. 741 an.
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Der Kläger, der nicht tarifgebunden ist, hat das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG angenommen und Änderungsschutzklage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, sein Arbeitsverhältnis sei gemäß § 53 Abs. 3 BAT ordentlich nicht kündbar. Daran habe sich durch die tarifvertraglichen Sonderregelungen nichts geändert. Die TVb Nr. 741 werde von der arbeitsvertraglich vereinbarten Bezugnahmeklausel schon gar nicht erfasst. Unabhängig davon seien die tarifvertraglichen Sonderregelungen unwirksam. Es fehle an einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung der handelnden Tarifvertragsparteien. Zudem sei es unzulässig, einen Tarifvertrag nur für eine bestimmte Abteilung oder einen Bereich eines Betriebs abzuschließen. Die Änderungen der Arbeitsbedingungen seien auch sozial ungerechtfertigt. Das Änderungsangebot sei unbestimmt, da es eine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Vertragsbedingungen eröffne. Es fehle an der Dringlichkeit der Änderungen, da er weiterhin dieselbe Tätigkeit verrichte, nur als Leiharbeitnehmer. Die Beklagte habe keine Sozialauswahl durchgeführt und den Betriebsrat fehlerhaft angehört.
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Der Kläger hat – soweit noch von Bedeutung – beantragt
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung der Beklagten vom 15. Dezember 2004 rechtsunwirksam ist.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, die TVb Nr. 741 sei wirksam. Die Änderung der Arbeitsbedingungen trage den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten nach Widerspruch des Klägers gegen den Betriebsübergang Rechnung. Das Änderungsangebot berücksichtige die wirtschaftlichen Gegebenheiten in dem umkämpften Markt des Frachtservice. Ein freier gleichwertiger Arbeitsplatz außerhalb der Frachtabfertigung sei weder im maßgeblichen Zeitraum ab September 2004 noch ab 2003 vorhanden gewesen. Einer Sozialauswahl habe es mit Rücksicht auf die Regelungen der TVb Nr. 741 nicht bedurft. Außerdem liege kein Auswahlfehler vor. Die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Sie habe dem Betriebsrat sämtliche aus ihrer Sicht kündigungsrelevanten Tatsachen mitgeteilt.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.