Arbeitsrecht

Altersversorgung von Bezirksschornsteinfegern

Aktenzeichen  21 BV 17.337

Datum:
24.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 28132
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
SchfHwG § 27 Abs. 1, § 31 Abs. 3, § 37 Abs. 2
SGB VI § 210 Abs. 3 S. 3

 

Leitsatz

1. § 210 Abs. 3 S. 3 SGB VI ist nicht in der Weise entsprechend anzuwenden, dass in der Zusatzversorgung entrichtete Beiträge in Gänze zu erstatten sind. Es ist in diesem Zusammenhang kein durchgreifender Grund ersichtlich, Bezirksschornsteinfeger anders zu behandeln als sonstige Selbständige. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Stets besteht eine Wahl zwischen der Beitragserstattung oder der Aufrechterhaltung der erworbenen Anwartschaften durch eine der fehlenden Wartezeit entsprechenden Nachzahlung der Beiträge. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Grundrecht auf Eigentum wird durch die anzuwendende Regelung des § 31 Abs. 3 SchfHwG i.V.m. § 210 Abs. 3 S. 3 SGB VI nicht verletzt. (Rn. 32 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es soll die Zusatzversorgung von Kleinanwartschaften und dem damit verbundenen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand entlastet werden. Zudem wird mit der Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister das berechtigte Gemeinwohlziel der Anpassung an die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts Rechnung getragen. (Rn. 39 – 44) (redaktioneller Leitsatz)
5. Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfegermeister ist nunmehr “normaler Handwerker”. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

12 K 13.1746 2014-02-06 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig. Die Berufungsbegründung enthält insbesondere den nach § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO erforderlichen „bestimmten Antrag“. Ein solcher wurde förmlich zwar erst mit Schriftsatz vom 5. Juni 2015 und damit nach Ablauf der Begründungsfrist gestellt, die zwei Monate nach der am 7. April 2014 erfolgten Zustellung des angegriffenen Urteils endete (§ 124 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Allerdings genügt es, wenn sich ein bestimmter Antrag den Berufungsgründen entnehmen lässt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 25 m.w.N.). Das ist hier der Fall, denn in der Berufungsbegründung ist abschließend formuliert, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben ist und den Anträgen des Klägers vollumfänglich zu entsprechen ist. Damit ist zweifelsfrei ausgedrückt, dass das erstinstanzliche Klagebegehren im Berufungsverfahren ohne Einschränkung weiterverfolgt wird. Dem entspricht im Übrigen auch der mit Schriftsatz vom 5. Juni 2015 förmlich gestellte Antrag, der in der Sache die Anträge der Klageschrift vom 19. April 2013 wortgleich wiederholt.
II.
1. Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm die Beklagte über die bereits geleistete hälftige Beitragserstattung (9.674,72 Euro) hinaus eine weitere Beitragserstattung gewährt, so dass auch der geltend gemachte Zinsanspruch nicht besteht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1.1 Der verfahrensgegenständliche Bescheid erging auf der Grundlage des § 31 Abs. 3 SchfHwG, wonach § 210 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in seiner jeweils geltenden Fassung entsprechend anzuwenden ist.
Gemäß § 210 Abs. 1a Satz 1 SGB VI werden Versicherten auf Antrag Beiträge erstattet, wenn sie von der Versicherungspflicht befreit sind und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben. Diese Voraussetzungen sind bei der gebotenen entsprechenden Anwendung der Vorschrift erfüllt. Die Zusatzversorgung der bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger (Zusatzversorgung) wurde zum 31. Dezember 2012 geschlossen und seit dem 1. Januar 2013 werden keine Beiträge mehr erhoben (§ 27 Abs. 1 SchfHwG). Der Kläger erfüllte im maßgebenden Zeitpunkt der Schließung die nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG für einen Anspruch auf Ruhegeld erforderlichen Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil er aufgrund seiner erst zum 1. Mai 2010 ausgesprochenen Bestellung noch nicht mindestens fünf Jahre Beiträge zur Zusatzversorgung entrichtet hatte („Wartezeit“).
Der damit dem Grunde nach bestehende Anspruch auf Beitragserstattung beläuft sich nach der Regelung des § 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI auf die Hälfte der Beiträge, wenn sie – wie hier – aufgrund einer selbständigen Tätigkeit entrichtet wurden.
§ 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI ist nicht in der Weise entsprechend anzuwenden, dass die vom Kläger in der Zusatzversorgung entrichteten Beiträge in Gänze zu erstatten sind. Es ist kein durchgreifender Grund ersichtlich, Bezirksschornsteinfeger insoweit anders zu behandeln als sonstige Selbständige im Rahmen der unmittelbaren Anwendung des § 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI. Ein solcher ist insbesondere nicht darin zu sehen, dass sich die Betroffenen wegen der Schließung der Zusatzversorgung aufgrund ihrer persönlichen Verhältnisse unter Umständen gezwungen sahen, eine Erstattung zu beantragen. Denn auch für die unmittelbare Anwendung des § 210 SGB VI kommt es nicht darauf an, ob sich die Versicherten aus freien Stücken für eine Beitragserstattung entscheiden. So sind etwa im Rahmen des § 210 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, wonach solchen Versicherten Beiträge erstattet werden, die nicht (mehr) versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben, die Gründe für die Beendigung der Rentenversicherungspflicht unerheblich (vgl. Kühn, in Kreikebohm, SGB VI, 5. Aufl. 2017, § 210 Rn. 4). Unabhängig davon hatte der Kläger – wie die übrigen Betroffenen auch – entgegen dem Berufungsvorbringen bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise die Wahl. Er konnte eine Beitragserstattung nach § 31 Abs. 3 SchfHwG i.V.m. § 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI verlangen oder die erworbenen Anwartschaften auf Ruhegeld, Witwen- und Witwergeld sowie Waisengeld durch eine der fehlenden Wartezeit entsprechende Nachzahlung der Beiträge aufrechterhalten. Die Option der Nachzahlung bestand gemäß der Übergangsbestimmung des § 31 Abs. 4 Satz 1 Schornsteinfegerhandwerksgesetz in der bis zum 21. Juli 2017 geltenden Fassung (SchfHwG a.F.) bis zum 30. Juni 2013. Schließlich bestehen auch deshalb keine rechtlichen Bedenken dagegen, § 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI entsprechend heranzuziehen, weil der Kläger aufgrund seiner Beitragszahlungen bis zur Schließung der Zusatzversorgung auch eine Absicherung bezüglich des Risikos der Berufsunfähigkeit (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 SchfG) und des Todes (§§ 31, 32 SchfG) erhalten hat.
1.2 Die so anzuwendende Regelung des § 31 Abs. 3 SchfHwG i.V.m. § 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI begegnet keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie verletzt nicht das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG). Als Inhalts- und Schrankenbestimmung trägt sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung und ist gleichheitsgerecht ausgestaltet.
1.2.1 Die zum 1. Januar 2013 (Art. 6 des Gesetzes zur Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister und zur Änderung anderer Gesetze) eingeführte Möglichkeit der hälftigen Erstattung der zur Zusatzversorgung bis zum 31. Dezember 2012 geleisteten Beiträge berührt den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG.
Ausgangspunkt ist insoweit die ebenfalls zum 1. Januar 2013 in Kraft getretene Bestimmung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG, nach der nur solche Versorgungsberechtigte (Alters-)Ruhegeld erhalten, die mindestens fünf Jahre Beiträge zur Zusatzversorgung entrichtet haben. Für den davon betroffenen Personenkreis trat der Erstattungsanspruch (§ 31 Abs. 3 SchfHwG i.V.m. § 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI) oder die daneben bestehende Möglichkeit, durch eine Beitragsnachzahlung gemäß § 31 Abs. 4 SchfHwG a.F. Anwartschaften auf Ruhegeld, Witwen- und Witwergeld sowie Waisengeld zu erwerben, an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2012 erworbenen Anwartschaften auf Ruhegeld und damit an die Stelle einer von der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition.
Eine in der Zusatzversorgung im Schornsteinfegerhandwerk erworbene Anwartschaft auf Ruhegeld weist die wesentlichen Merkmale des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG auf. Es handelt sich um eine privatnützig zugeordnete, durch nicht unerhebliche Eigenleistung erworbene vermögenswerte Rechtsposition, die nach ihrer objektiven Funktion der Existenzsicherung dient; es ist deshalb in diesem Zusammenhang unerheblich, dass der Kläger mit der gesetzlichen Rentenversicherung noch über weitere Möglichkeiten der Existenzsicherung verfügt (vgl. BVerfG, B.v. 12.2.1986 – 1 BvL 39/83 – BVerfGE 72, 9/21 und U.v. 28.4.1999 – 1 BvL 32/95 sowie 1 BvR 2105/95 – BVerfGE 100, 1/34).
1.2.2 Die Regelung des § 31 Abs. 3 SchfHwG i.V.m. § 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI ist eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie hat zur Folge, dass die in der Anwartschaft verkörperte Rechtsposition des Klägers sowie der übrigen Betroffenen, welche nicht mindestens fünf Jahre Beiträge zur Zusatzversorgung entrichtet haben (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG) und sich für eine Beitragserstattung entschieden haben, nicht vollständig verlorengeht, sondern umgestaltet wird.
Ein solcher Eingriff unterliegt den Grundsätzen, nach denen der Gesetzgeber in zu-lässiger Weise Inhalt und Schranken des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmen darf. Insoweit hat er die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers so-wie die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen und sich dabei in Einklang mit allen anderen Verfassungsnormen zu halten. Insbesondere muss jede Inhalts- und Schrankenbestimmung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Die Grenzen der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers sind indessen nicht für alle Sachbereiche gleich. Die Reichweite des Schutzes der Eigentumsgarantie bemisst sich zum einen danach, welche Befugnisse einem Eigentümer zum Zeitpunkt der gesetzgeberischen Maßnahme konkret zustehen. Soweit das Eigentum die persönliche Freiheit des Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich sichert, genießt es einen besonders ausgeprägten Schutz. Zum anderen ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhalts- und Schrankenbestimmung umso weiter, je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug und in einer sozialen Funktion steht. Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers wird darüber hinaus insbesondere durch die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse geprägt, in denen Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt werden. Zudem ist er an den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG als allgemeines rechtsstaatliches Prinzip auch bei der inhaltlichen Festlegung von Eigentümerbefugnissen und -pflichten gebunden (so BVerfG, B.v. 21.7.2010 – 1 BvL 8/07 – BVerfGE 126, 331/359 f.).
1.2.3 Die inmitten stehende Regelung genügt diesen Anforderungen.
a) Die Vorschrift des § 31 Abs. 3 SchfHwG i.V.m. § 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI dient einem legitimen Zweck, der im Interesse der Allgemeinheit liegt. Sie soll zusammen mit der Regelung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG (Wartezeit) die Zusatzversorgung von „Kleinanwartschaften“ und dem damit verbundenen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand entlasten und verfolgt mit den übrigen Regelungen zur Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister das berechtigte Gemeinwohlziel, die bisherige spezifische Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister den vor allem aufgrund der Vorgaben des Gemeinschaftsrechts geänderten rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen.
Das bisherige System der Gesamtversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister war durch deren besondere Stellung als beliehene, allein mit Kehr- und Überwachungsaufgaben in einem Bezirk zuständige Unternehmer („Schornsteinfegermonopol“) geprägt. Es handelte sich um eine beamtenversorgungsrechtlichen Grundsätzen nachgebildete, von einem erdienbaren Jahreshöchstbetrag aus-gehende (§ 30 SchfG) und gesetzlich angeordnete berufsständische Zusatzversorgung, die mit Ansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine aufeinander bezogene Gesamtversorgung darstellte. Dabei waren die Beiträge zur Zusatzversorgung, entgegen dem Berufungsvorbringen, in den Kehrgebühren als Teil der Geschäftskosten eingerechnet, denn die Kehrbezirke waren gemäß § 22 Abs. 1 Nr. 3 SchfG in der bis zum 28. November 2008 geltenden Fassung so einzuteilen, dass die Einnahmen des Bezirksschornsteinfegermeisters aus den regelmäßig wiederkehrenden Entgelten nach Abzug jener Beiträge und der notwendigen Geschäftskosten ein angemessenes Einkommen sicherten (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 14.12.2010 – OVG 1 B 33.09 – juris Rn. 21).
Seit dem vollständigen Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens vom 26. November 2008 (BGBl I S. 2242) am 1. Januar 2013 unterliegen die bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger nach weitgehender Beseitigung des Schornsteinfegermonopols im Wesentlichen dem freien Wettbewerb. Der hoheitliche Aufgabenbereich und damit auch die gebührenpflichtigen Tätigkeiten, wie sie den bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegern gemäß §§ 13, 14, 15, 16 und 26 SchfHwG verbleiben, sind auf etwa 15 v. H. der bisherigen (hoheitlichen) Tätigkeiten reduziert. Es entstand so ein Berufsbild, das mit der herkömmlichen Stellung der Bezirksschornsteinfegermeister wenig gemeinsam hat. Der bevollmächtigte Bezirksschornsteinfeger ist nunmehr „normaler Handwerker“ mit einem „Beleihungsannex“, der überdies – wenn auch mit der Option der Verlängerung – gemäß § 10 SchfHwG auf sieben Jahre befristet ist (vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens BT-Drs. 16/9237 S. 23; Schira/Schwarz, SchfHwG, S. 169).
Der Gesetzgeber sah zudem die finanzielle Tragfähigkeit der obligatorischen Zusatzversorgung mittel- und langfristig nicht als gesichert an, weil das System aufgrund der demografischen Entwicklung auf der Leistungsseite künftig sehr stark belastet werde, die Zahl der Kehrbezirke und folglich die Zahl der Beitragszahler durch die technische Entwicklung rückläufig sein werde und die bisherige Finanzierung über öffentlich-rechtliche Kehrgebühren wegen deren erheblichen Reduzierung nicht mehr möglich sei (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister und zur Änderung anderer Gesetze BT-Drs. 17/10749 S. 13).
All dem soll die Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister dadurch Rechnung tragen, dass die bisherige erwerbslebenslange Pflichtversicherung der Betroffenen in der gesetzlichen Rentenversicherung auf 18 Jahre abgesenkt wird, was der Pflichtversicherung der sonstigen selbständigen Handwerker entspricht, und das bestehende im Wesentliche umlagefinanzierte Zusatzversorgungssystem der Bezirksschornsteinfegermeister geschlossen wird (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister und zur Änderung anderer Gesetze BT-Drs. 17/10749 S. 13).
Das Ziel, die auf das bisherige Berufsbild abgestimmte Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister den veränderten Umständen anzugleichen, dient einer sachgerechten und tragfähigen Altersversorgung des betroffenen Personenkreises. Regelungen, die das System der Sozialversicherung den gewandelten Verhältnissen anpassen und diesen Veränderungen im Interesse der sozialen Sicherung Rechnung tragen, stellen mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG ein legitimes Gemeinwohlziel dar (vgl. BVerfG, B.v. 27.2.2007 – 1 BvL 10/00 – NJW 2007, 1577/1579).
b) § 31 Abs. 3 SchfHwG i.V.m. § 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI ist zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich; die Vorschrift ist überdies verhältnismäßig im engeren Sinn.
aa) Die in Rede stehende Regelung ist geeignet, den Gesetzeszweck zu fördern.
Sie betrifft von den bei Erlass des Gesetzes zur Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister und zur Änderung anderer Gesetze vorhandenen etwa 7.500 aktiven Mitgliedern der Beklagten mehr als 1.300 Mitglieder (vgl. das den Beteiligten zugeleitete Urteil des Senats vom 28.1.2015 – 21 BV 14.824 Rn. 47). Sie kann damit die letztlich in Abwicklung befindliche Zusatzversorgung in nennenswertem Umfang von Anwartschaften entlasten, deren vergleichsweise geringem Wert ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand gegenübersteht. Daneben eröffnet sie dem Personenkreis der kurzfristig Versicherten die Möglichkeit, die (hälftige) Beitragserstattung für eine anderweitige Altersabsicherung zu verwenden. Die Regelung trägt auch auf diese Weise dazu bei, die Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister an die geänderten Verhältnisse anzupassen.
bb) Die vom Kläger gerügte Bestimmung ist erforderlich. Dem Gesetzgeber stand unter Berücksichtigung des ihm zuzubilligenden Gestaltungsspielraums kein milderes, die Betroffenen weniger belastendes Mittel zur Verfügung, mit dem er das verfolgte Ziel ebenso gut hätte erreichen können.
Eine mehr als hälftige Erstattung der Beiträge wäre zur Zweckerreichung nicht ebenso gut geeignet. Sie hätte zwar die Versorgungsberechtigten, deren Anwartschaften auf Ruhegeld mangels erfüllter Wartezeiten nicht erhalten blieben, weniger belastet. Damit wäre allerdings eine entsprechend höhere Belastung des Versorgungssystems und wegen der Zuschusspflicht des Bundes (§ 36 Abs. 2 Satz 1 SchfHwG) letztlich der Allgemeinheit einhergegangen. Zudem durfte der Gesetzgeber berücksichtigen, dass die Beiträge nicht ohne eine Gegenleistung erbracht worden sind, weil der Kläger und die übrigen betroffenen Bezirksschornsteinfegermeister bis zum 31. Dezember 2012 für den Fall der Berufsunfähigkeit (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 SchfG) und des Todes (§§ 31, 32 SchfG) versichert waren.
Die vom Kläger als weniger belastend genannte „Aussetzung“ der Beitragspflicht für die von der Wartezeit Betroffenen ab Beginn der Beratungen des Gesetzes im Bundestag (27.9.2012 – vgl. Plenarprotokoll 17/195 S. 23384) wäre keine ebenso gut geeignete Maßnahme. Sie hätte die Zusatzversorgung nach der Schließung zwar ebenfalls dadurch finanziell entlastet, dass von ihr unter versicherungswirtschaftlichen Gesichtspunkten unerwünschte Risiken ferngehalten worden wären. Allerdings hätte sich das Beitragsaufkommen zulasten der Versorgungsanstalt um etwa 2.217.000 Euro verringert. Zugrunde gelegt sind dabei ein Beitragsausfall der Versorgungsanstalt im Jahr 2012 für die Monate Oktober 2012 bis einschließlich Dezember 2012, ein mittlerer monatlicher Beitrag in Höhe von 568,50 Euro (Beitrag Beitrittsgebiet: 532,00 Euro und Beitrag übriges Gebiet: 605,00 Euro) und 1.300 Betroffene, welche die Wartezeit des § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SchfHwG nicht erfüllten (vgl. das den Beteiligten zugeleitete Urteil des Senats vom 28.1.2015 – 21 BV 14.824). Nichts anderes würde im Übrigen gelten, wenn die vom Kläger nicht näher konkretisierte Zahl von etwa 1.000 Betroffenen zugrunde gelegt würde, weil auch in diesem Fall das Beitragsaufkommen in erheblichem Umfang geschmälert gewesen wäre (1.705.500 Euro).
Ebenso wenig gibt es für die Neuordnung der Altersversorgung der bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegermeister eine genauso taugliche, aber weniger belastende Maßnahme, als die Zusatzversorgung zu schließen und die Betroffenen in der gesetzlichen Rentenversicherung den übrigen selbständigen Handwerkern gleichzustellen. Die vom Gesetzgeber zunächst beabsichtigte Umstellung auf eine von der gesetzlichen Rentenversicherung unabhängige, isolierte Zusatzversorgung (vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens BT-Drs. 16/9237 S. 38) wäre schon nicht geeignet gewesen, die Altersversorgung der bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger an die der sonstigen selbständigen Handwerker anzupassen. Zudem ist es ohne Weiteres nachvollziehbar und vom Kläger auch mit dem Hinweis auf die angeblich gleich hoch gebliebene Anzahl der bei der Beklagten Versicherten nicht konkret widerlegt, dass die Zusatzversorgung wegen der geänderten Verhältnisse aus den vom Gesetzgeber erwogenen und bereits angeführten Gründen auf Dauer nicht tragfähig finanzierbar gewesen wäre.
cc) § 31 Abs. 3 SchfHwG i.V.m. § 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI belastet die Mitglieder der Versorgungsanstalt, welche die Wartezeit von fünf Jahren nicht erfüllen, bei der gebotenen Gesamtabwägung nicht unzumutbar.
Der Verweis der Betroffenen auf die Möglichkeit einer hälftigen Beitragserstattung ist ein schwerwiegender Eingriff in die Rechtsposition dieses Personenkreises. Die Gründe des öffentlichen Interesses, die für einen solchen Eingriff sprechen, müssen ein so hohes Gewicht haben, dass sie Vorrang haben vor dem Vertrauen des Bürgers auf den unveränderten Fortbestand seines Rechts, das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gesichert wird. Das ist hier der Fall.
Zu berücksichtigen ist dabei zunächst, dass dem Gesetzgeber ein erweiterter Ein-schätzungs- und Gestaltungsspielraum zustand. Sozialversicherungsrechtliche Anwartschaften weisen mehr als andere Eigentumspositionen neben dem personalen auch einen ausgeprägten sozialen Bezug auf. Sie sind Bestandteil eines Leistungssystems, dem eine besonders bedeutsame soziale Funktion zukommt. Die Berechtigung des einzelnen Eigentümers lässt sich von den Rechten und Pflichten anderer nicht lösen. Sie ist vielmehr eingefügt in einen Gesamtzusammenhang, der auf dem Gedanken der Solidargemeinschaft beruht. Dem Gesetzgeber sind deshalb insoweit im Grundsatz weite Grenzen bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gezogen, die sich allerdings in dem Maße verengen, in dem Rentenansprüche oder Rentenanwartschaften durch den personalen Bezug des Anteils eigener Leistungen des Versicherten geprägt sind (vgl. BVerfG, U.v. 28.2.1980 – 1 BvL 17/77 u.a. – BVerfGE 53, 257/292 f). Für die hier betroffenen Anwartschaften auf Ruhegeld, denen eine weniger als fünf Jahre mit Beiträgen belegte Mitgliedschaft bei der Versorgungsanstalt zugrunde liegt, war dieser personale Bezug schon aufgrund der vergleichsweise kurzen tatsächlich zurückgelegten Beitragszeit verhältnismäßig gering. Hinzu kommt, dass der Kläger und die übrigen Betroffenen für die bis zur Schließung der Zusatzversorgung eingezahlten Beiträge, wie bereits ausgeführt, eine Gegenleistung erhalten haben. Im Übrigen lag es bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise in der Entscheidung der Betroffenen, auf welchem Weg sie die Eingriffsintensität abmildern wollten. Sie konnten unter Berücksichtigung ihrer individuellen Verhältnisse wählen, sich durch Nachzahlung von Beiträgen (§ 31 Abs. 4 Satz 1 SchfHwG a.F.) die bis zur Schließung der Zusatzversorgung entstandene Anwartschaft auf (Alters-)Ruhegeld, auf Witwen- und Witwergeld sowie das Waisengeld zu erhalten oder eine hälftige Erstattung der gezahlten Beiträge zu verlangen. Schon deshalb ist auch die Pauschalierung unbedenklich, die mit einer stets hälftigen Erstattung verbunden ist. Schließlich durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass es insbesondere dem von der Regelung typischerweise betroffenen Personenkreis der jüngeren Bezirksschornsteinfegermeister möglich sein werde, sich nach der Schließung der Zusatzversorgung bei einer privaten Versicherungsgesellschaft vergleichbar abzusichern (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 21.12.2016 – 10 B 26.15 – juris Rn. 9 f.)
Nach allem ist es bei Abwägung dieser Umstände nicht zu beanstanden, dass es der Gesetzgeber im Interesse einer mit Blick auf das veränderte Berufsbild sachgerechten und finanziell tragfähigen Altersversorgung der Bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger für zumutbar erachtete, für den Anspruch auf Altersruhegeld eine Wartezeit von fünf Jahren und in diesem Zusammenhang (auch) die Möglichkeit einer hälftigen Beitragserstattung einzuführen.
c) Das Vertrauen der Betroffenen auf den (unveränderten) Fortbestand ihrer Anwartschaft überwiegt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht im Hinblick auf das „gestufte“ Vorgehen des Gesetzgebers das öffentliche Interesse an der Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister.
Das Schornsteinfegerhandwerksgesetz in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens vom 26. November 2008 sah unter anderem vor, die Zusatzversorgung unter Aufgabe des Systems der Gesamtversorgung losgelöst von der gesetzlichen Rentenversicherung fortzusetzen. Dabei sollte ein Anspruch auf Ruhegeld bei Berufsunfähigkeit im Grundsatz erst nach einer Wartezeit von fünf Jahren entstehen (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 SchfHwG 2008). Diese Vorschrift sollte – wie die übrigen Regelungen zur Versorgung der bevollmächtigten Bezirksschornsteinfeger – am 1. Januar 2013 in Kraft treten (Art. 4 Abs. 3 Gesetz zur Neuregelung des Schornsteinfegerwesens). Das trat nicht ein. Stattdessen hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister und zur Änderung anderer Gesetze vom 5. Dezember 2012 die Zusatzversorgung – wie dargelegt – aufgelöst. Dieses „gestufte“ Vorgehen führte schon deshalb nicht zu einem gesteigerten Vertrauensschutz der Betroffenen, weil die Erwartung auf das Wirksamwerden gesetzlicher Regelungen ebenso wenig geschützt ist, wie das bloße Vertrauen in die Fortgeltung gesetzten Rechts (vgl. zu Letzterem BVerfG, U.v. 3.4.2001 – 1681, 2491/94 u.a. – BVerfGE 103, 271/287). Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, inwieweit sich die Dispositionen des Klägers für den Fall geändert hätten, dass der Gesetzgeber die Zusatzversorgung sogleich zum 31. Dezember 2012 aufgelöst hätte.
c) Der Kläger wendet vergeblich ein, § 31 Abs. 3 SchfHwG i.V.m. § 210 Abs. 3 Satz 3 SGB VI verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Normgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Das Grundrecht ist vielmehr nur verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG, B.v. 27.2.2007 – 1 BvL 10/00 – NJW 2007, 1577/1580).
Die unterschiedliche Behandlung der Versorgungsberechtigten in Abhängigkeit davon, ob sie mindestens fünf Jahre Beiträge zur Zusatzversorgung entrichtet haben, ist durch gewichtige Gründe sachlich gerechtfertigt. Sie dient wie ausgeführt einer tragfähigen Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister und trägt so zu dem Gemeinwohlziel bei, die auf das bisherige Berufsbild dieses Personenkreises abgestimmte Altersversorgung den veränderten Verhältnissen anzupassen. Dabei ist ein Personenkreis betroffen, dessen Anwartschaften aufgrund der vergleichsweise kurzen tatsächlich zurückgelegten Beitragszeit im Vergleich zu den übrigen von der Schließung der Zusatzversorgung betroffenen Mitgliedern der Beklagten einen verhältnismäßig geringen Wert haben. Die in Abwicklung befindliche Zusatzversorgung wird damit in nennenswertem Umfang von Anwartschaften entlastet, deren vergleichsweise geringem Wert ein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand gegenüberstünde. Hinzu kommt, dass die Regelung des § 31 Abs. 3 SchfG jedenfalls in der Übergangszeit nach Schließung der Zusatzversorgung typischerweise jüngere Bezirksschornsteinfeger betraf, die so die Möglichkeit erhielten, die Beitragserstattung für eine vergleichbare Absicherung bei einer privaten Versicherungsgesellschaft zu verwenden.
2. Der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer entsprechenden Anwendung des § 210 SGB VI gerichtete Hilfsantrag des Klägers hat keine eigenständige Bedeutung, weil er seinem Gegenstand nach bereits im Hauptantrag enthalten ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
4. Die Entscheidung zur vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
5. Gründe gemäß § 132 Abs. 2 VwGO für die Zulassung der Revision gibt es nicht.

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