Arbeitsrecht

Anerkennung von unterhälftiger Beschäftigung als ruhegehaltsfähige Dienstzeit

Aktenzeichen  3 BV 19.875

Datum:
2.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24787
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 18 S. 1 Nr. 1, Art. 24 Abs. 3
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1
BeamtVG § 10, § 11

 

Leitsatz

1. Für die Beurteilung, ob Vordienstzeiten als hauptberuflich im Sinne des Art. 18 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG und damit ruhegehaltsfähig sind, kommt es nach Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Tätigkeit und nicht der Festsetzung der Versorgungsbezüge an. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die unterhälftige Vordienstzeit des Beamten vom 1. Oktober 1981 bis 31. August 1989 ist zu Recht nicht als ruhegehaltsfähige hauptberufliche Vordienstzeit anzuerkennen, da die Hauptberuflichkeit einer Tätigkeit nach den damals geltenden zulässigen landesrechtlichen Regelungen des bayrischen Versorgungsrechts die Hälfte der seinerzeit für bayerische Beamte geltenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden bzw. 39 Stunden voraussetzte (die Möglichkeit einer unterhälftigen Beschäftigung von Beamten in Bayern wurde erst mit Wirkung ab dem 1. Juli 1997 geschaffen). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 5 K 17.946 2019-03-26 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.094,04 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der 1951 geborene Kläger begehrt die Berücksichtigung weiterer Dienstzeiten als ruhegehaltfähig. Er stand zuletzt als Oberstudienrat an einem Gymnasium im Dienst des Beklagten und ist mit Ablauf des Monats Juli 2017 wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand getreten. Seine Versorgungsbezüge (ab 1.8.2017: mtl. 3.251,49 Euro) errechnete das Landesamt für Finanzen auf der Basis eines Ruhegehaltssatzes von 57,20 v.H.
Die Verpflichtungsklage des Klägers auf Neufestsetzung der Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung der Zeiten vom 1. Oktober 1981 bis 31. August 1989, während derer er als Lehrkraft in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis jeweils unterhälftig (10,12 und 13 Wochenstunden) beschäftigt war, hat das Verwaltungsgericht aus im Wesentlichen folgenden Gründen abgewiesen: Ausgehend von Art. 18 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG liege das Merkmal der Hauptberuflichkeit für die von dem Kläger in den streitgegenständlichen Zeiträumen ausgeübte Tätigkeit wegen seiner unterhälftigen Beschäftigung nicht vor. Maßgeblich sei die zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung (1.8.2017) für bayerische Beamte geltende Regelung des Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG, nach dessen eindeutigem Wortlaut auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der jeweiligen Dienstleistung abzustellen sei. Nach Nr. 24.3.4.1 BayVV-Versorgung habe zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Tätigkeit des Klägers, mithin vor dem 1. Juli 1997, der zeitliche Mindestbeschäftigungsumfang der Hauptberuflichkeit mindestens die Hälfte der seinerzeit für bayerische Beamte geltenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden (1.10.1974 bis 31.3.1989) bzw. 39 Stunden (1.4.1989 bis 31.3.1990) betragen. Diesen zeitlichen Umfang habe die Tätigkeit des Klägers in den streitgegenständlichen Zeiträumen jedoch unstreitig nicht erreicht.
Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung des Klägers. Das Urteil weiche von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 5.4.2017 – 3 B 15.238 – juris Rn. 30, mit Verweis auf BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 2 C 5.07 – juris Rn. 13) ab, der für die Frage der Hauptberuflichkeit auf die Rechtslage zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand abstelle, ohne die anderslautende Vorschrift des Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG zu berücksichtigen. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 25.5.2005 – 2 C 20.04 – juris Rn. 21) könne von einer hauptberuflichen Tätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht erst dann gesprochen werden, wenn diese mindestens die Hälfte der für Beamte geltenden Regelarbeitszeit in Anspruch nehme.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils vom 26. März 2019 und Abänderung des Bescheids des Beklagten vom 13. Juli 2017 sowie des Widerspruchsbescheids vom 6. November 2017
1. den Beklagten zu verpflichten, die Versorgungsbezüge des Klägers unter Berücksichtigung weiterer ruhegehaltfähiger Dienstzeiten vom 1. Oktober 1981 bis 31. August 1989 festzusetzen,
2. hilfsweise: den Beklagten zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts die Festsetzung der Versorgungsbezüge nach dem Bayerischen Beamtenversorgungsgesetz neu vorzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Über die Berufung konnte durch Beschluss entschieden werden, weil der Senat die Berufung des Klägers gemäß § 130a VwGO einstimmig für unbegründet erachtet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Parteien wurden hierzu gemäß § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO angehört.
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Verpflichtungsklage auf Neufestsetzung der Versorgungsbezüge des Klägers unter Berücksichtigung der Zeiten vom 1. Oktober 1981 bis 31. August 1989 abgewiesen. Der Bescheid vom 13. Juli 2017 über die Festsetzung der Höhe der Versorgungsbezüge des Klägers und der Widerspruchbescheid des Beklagten vom 6. November 2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Berufung ist daher zurückzuweisen (vgl. auch den vom Senat mit rechtskräftigem Urteil vom 15.5.2020 – 3 BV 18.216 – juris entschiedenen Parallelfall).
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Festsetzung der Versorgung nach der Sach- und Rechtslage des Eintritts in den Ruhestand vorzunehmen ist (BVerwG, U.v. 25.8.2011 – 2 C 22.10 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 3 ZB 16.868 – juris Rn. 20). Denn der Anspruch auf Ruhegehalt entsteht mit dem Beginn des Ruhestands (Art. 11 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG). Da der Kläger mit Ablauf des 31. Juli 2017 in den Ruhestand versetzt wurde, richtet sich die Festsetzung seines Ruhegehalts nach dem Bayerischen Beamtenversorgungsgesetz in der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen Fassung (BayVGH, U.v. 19.3.2020 – 3 B 18.2496).
Für die Beurteilung, ob die streitgegenständlichen Vordienstzeiten hauptberuflich im Sinne des Art. 18 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG und damit ruhegehaltsfähig sind, ist auf Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG abzustellen (vgl. auch Ziffer 18.1.8.1 BayVV-Versorgung). Danach kommt es für die Hauptberuflichkeit einer Tätigkeit u.a. darauf an, dass der (damalige) Beschäftigungsumfang im gleichen Zeitraum im Beamtenverhältnis zulässig gewesen wäre. Mit der Vorschrift des Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG stellt der Gesetzgeber klar, dass es auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Tätigkeit und nicht der Festsetzung der Versorgungsbezüge ankommt (LT-Drs. 16/3200, S. 468). Soweit der Senat mit Urteil vom 5. April 2017 (3 B 15.238 – juris Rn. 30) vor dem Hintergrund der Anerkennung ruhegehaltsfähiger Vordienstzeiten nach Art. 22 Satz 4 Halbsatz 2 BayBeamtVG in der Fassung vom 5. August 2010 den Eindruck vermittelt haben sollte, die Frage der Hauptberuflichkeit (auch i.S.v. Art. 18 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG) würde sich unter Außerachtlassung von Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG nach der Rechtslage zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand beantworten, hält er hieran nicht fest. Dies ergibt sich bereits aus seinem Beschluss vom 1. Juni 2017 (3 ZB 14.1030 – juris), in dem der Senat festgestellt hat, dass Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG eine Legaldefinition des Begriffs Hauptberuflichkeit enthält und daher auf den zulässigen Teilzeitumfang der seinerzeit für bayerische Beamte geltenden Arbeitszeit abzustellen ist (dort Rn. 8).
Auf die zum Beamtenversorgungsgesetz des Bundes ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 25.5.2005 – 2 C 20.04 – juris Rn. 21) kann sich der Kläger nicht berufen. Dieser Rechtsprechung lag mit §§ 10, 11 BeamtVG in der geltenden Fassung vom 20. September 1994 eine abweichende Rechtsgrundlage zugrunde (zur Entwicklung der Rechtsprechung vgl. Weinbrenner in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Dezember 2019, § 10 Rn. 55 ff.; OVG Saarl, U.v. 19.9.2011 – 1 A 207/11 – juris Rn. 41 ff. und Rn. 46 ff. zur Vereinbarkeit des vergleichbaren § 10 Satz 2 BBeamtVG SL mit höherrangigem Recht). Wohingegen bundesrechtlich das Merkmal der Hauptberuflichkeit gesetzlich nicht umschrieben ist (BVerwG, U.v. 25.5.2005 a.a.O. Rn. 19), hat der bayerische Landesgesetzgeber, dem infolge der Föderalismusreform I mit Wirkung ab dem 1. September 2006 u.a. die Gesetzgebungszuständigkeit für das Versorgungsrecht seiner Landesbeamten zugewachsen ist (BGBl. I 2006, S. 2034), mit Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG von seinem Recht Gebrauch gemacht, den Begriff der Hauptberuflichkeit für sich landesrechtlich selbst zu definieren (LT Drs. 16/3200, S. 468; Mohr in PdK Bay C-21, Stand 2017, BayBeamtVG Erl. 4 zu Art. 24). Dabei hat er sich dafür entschieden, als Kriterium einer Hauptberuflichkeit zu fordern, dass der Beschäftigungsumfang der Tätigkeit mindestens der im gleichen Zeitraum im Beamtenverhältnis zulässigen Teilzeitbeschäftigung entsprechen muss. Da die Möglichkeit einer unterhälftigen Beschäftigung von Beamten in Bayern erst mit Wirkung ab dem 1. Juli 1997 geschaffen wurde (Art. 80b BayBG in der damaligen Fassung), gilt nach Art. 24 Abs. 3 BayBeamtVG, dass unterhälftige Vordienstzeiten, die vor diesem Zeitpunkt liegen, nicht hauptberuflich ausgeübt wurden und daher nicht ruhegehaltfähig im Sinne des Art. 18 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG sein können. Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die Tätigkeit der Klägerin in den streitgegenständlichen Zeiträumen den seinerzeitigen zeitlichen Mindestbeschäftigungsumfang von mindestens der Hälfte der damals für bayerische Beamte geltenden regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden (1.10.1974 bis 31.3.1989) bzw. 39 Stunden (1.4.1989 bis 31.3.1990; vgl. Ziffer 24.3.4.1 BayVV-Versorgung) nicht erreicht (vgl. a. BayVGH, U.v. 15.5.2020 a.a.O. Rn. 14).
Mit seinem Einwand, nach seinen Lebensumständen habe die damals erfolgte Teilzeitbeschäftigung den Tätigkeitsschwerpunkt ausgemacht, gelingt es dem Kläger daher nicht, die landesrechtlichen Voraussetzungen der Hauptberuflichkeit zu erfüllen.
Aus den vorgenannten Gründen hat das Verwaltungsgericht die Klage auch hinsichtlich des auf Verbescheidung gerichteten Hilfsantrags zu Recht abgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2, § 191 VwGO und § 127 BRRG nicht erfüllt sind.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 GKG und folgt derjenigen des Erstgerichts. Der Senat verzichtet darauf, die für das wirtschaftliche Interesse des Klägers maßgebliche Differenz zwischen dem für das Jahr 2019 (vgl. § 40 GKG) gezahlten und dem begehrten Ruhegehalt neu berechnen zu lassen; denn es ist davon auszugehen, dass die für die Berechnung der Gerichtsgebühren nach Anlage 2 zu § 34 Abs. 1 Satz 3 GKG maßgebliche nächsthöhere Streitwertgrenze (8.000 Euro) auch im Falle einer Neuberechnung nicht erreicht wird.

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