Aktenzeichen 6 ZB 14.1888
VwGO § 75
VwVfG § 38
Leitsatz
1 Aus einer falschen Auskunft kann sich nur ein Schadensersatzanspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung ergeben, nicht ein (Primär-) Anspruch auf Widerruf eines Sonderurlaubs. Ein Anspruch auf Widerruf aus einer Zusicherung (§ 38 Abs. 1 S. 1 VwVfG) kann wegen der fehlenden Schriftform nicht aus einer telefonischen Auskunft folgen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine Abwicklungszeit von weniger als drei Monaten zwischen der Inkenntnissetzung des Dienstherrn und dem Zeitpunkt des Widerrufs des Sonderurlaubs ist unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten angemessen. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
21 K 13.2804 2014-07-21 Urt VGMUENCHEN VG München
Tenor
I.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 21. Juli 2014 – M 21 K 13.2804 – wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,– Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, hat keinen Erfolg. Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Dieser Zulassungsgrund wäre begründet, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde (vgl. BVerfG, B. v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164; B. v. 23.3.2007 – 1 BvR 2228/02 – BayVBl 2007, 624). Das ist nicht der Fall.
Der Beklagte ist Beamter (Besoldungsgruppe A 12) des Bundeseisenbahnvermögens und der DB Projektbau GmbH zugewiesen. Für eine Tätigkeit bei der Bayerischen Oberlandbahn GmbH hat der Kläger mit Bescheid vom 23. März 2009 Sonderurlaub für die Zeit vom 1. März 2009 bis 28. Februar 2014 unter Anerkennung eines dienstlichen Interesses an der Beurlaubung erhalten. Wegen Aufhebung seines Arbeitsverhältnisses mit der Bayerischen Oberlandbahn zum 31. August 2012 hat der Beklagte mit Bescheid vom 6. September 2012 die Beurlaubung mit Ablauf des 31. Oktober 2012 widerrufen. Aufgrund der Kurzfristigkeit seines Widerrufsantrags sei ein Widerruf der Beurlaubung erst mit Ablauf des 31. Oktober 2012 möglich. Widerspruch und Klage mit dem Ziel, die Beurlaubung rückwirkend zum 31. August 2012 zu widerrufen, sind erfolglos geblieben. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf – frühere – Beendigung seines Sonderurlaubs habe. Unabhängig vom Inhalt des Telefonats des Klägers mit einer Mitarbeiterin des Beklagten am 4. Juni 2012 ergebe sich daraus mangels der erforderlichen Schriftform kein Anspruch des Klägers auf frühere Beendigung des Sonderurlaubs gemäß § 38 VwVfG. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus § 15 Abs. 2 SUrlV. Der Beamte müsse auf die organisatorischen Notwendigkeiten des Dienstherrn ebenso Rücksicht nehmen wie der Dienstherr seine zumutbaren Möglichkeiten ausschöpfen müsse, um der Verpflichtung auf Widerruf möglichst frühzeitig nachzukommen. Der Kläger habe unstreitig erstmals am 9. August 2012 alle wesentlichen Umstände mitgeteilt. Die Abwicklungszeit habe weniger als drei Monate gedauert. Dieser Zeitraum sei in Abwägung der widerstreitenden Interessen angemessen.
Der Zulassungsantrag des Klägers zeigt keine Gesichtspunkte auf, die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils begründen und weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedürften.
a) Der Kläger rügt, dass es sich bei der Auskunft der Mitarbeiterin des Beklagten vom 4. Juni 2012 nicht um eine Zusicherung, sondern um eine Auskunft handle. Der Kläger habe die Auskunft erhalten, dass ein Widerrufsantrag Anfang August 2012 ausreichen würde. Er habe ausdrücklich auf die Auflösung des Arbeitsvertrages mit der Beigeladenen zu 1. zum 31. August 2012 hingewiesen. Das Verwaltungsgericht habe den Wahrheitsgehalt der schriftlichen Aussage der Mitarbeiterin des Beklagten nicht überprüft und dem Kläger nicht zugebilligt, ebenfalls Fragen an die Mitarbeiterin zu stellen. Aufgrund des Vertrauenstatbestandes komme es auf die Aussage der Mitarbeiterin des Beklagten an.
Der Kläger verkennt mit diesem Einwand, dass seine Klage nur Erfolg haben kann, wenn ein Anspruch auf Widerruf des Sonderurlaubs zum 1. September 2012 besteht. Sein Vortrag, die – behauptete – Auskunft habe einen Vertrauenstatbestand geschaffen, legt schon entgegen der Anforderung des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht dar, auf welcher Rechtsgrundlage dieser Vortrag von Bedeutung sein soll. Die angeblich falsche Auskunft könnte allenfalls zu einem Schadensersatzanspruch wegen Fürsorgepflichtverletzung gegen den Beklagten führen (BVerwG, U. v. 21.9.2006 – 2 C 6/06 – juris Rn. 17), nicht aber zur Begründung eines (Primär-) Anspruchs auf Widerruf des Sonderurlaubs zum 1. September 2012. Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht geprüft, ob ein Anspruch des Klägers auf Erlass des Widerrufs zum 1. September 2012 aus § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gegeben sein könnte. Bei dieser Prüfung ist der Inhalt des Telefonats am 4. Juni 2012 jedoch, wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt, nicht entscheidungserheblich, weil es schon an der Schriftform als Wirksamkeitserfordernis für eine Zusicherung fehlt.
b) Der Kläger macht weiter geltend, er habe mit seinem Widerrufsantrag vom 9. August 2012 dem Beklagten sofort mitgeteilt, dass bei der DB Projekt Bau GmbH eine Stelle ab 1. September 2012 ausgeschrieben und dringendst zu besetzen sei. Daraus werde deutlich, dass der Beklagte entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gerade nicht seine zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft habe.
Dieses Vorbringen kann bereits dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht genügen. Denn es ist neu und steht in offenkundigem Widerspruch zur Aktenlage, weshalb es ohne Konkretisierung und Nachweise unschlüssig ist. Die bei den Akten befindlichen E-Mails des Klägers (ab 9.8.2012) an den Beklagten enthalten keinerlei Hinweise auf eine freie, für ihn geeignete Stelle ab 1. September 2012 bei der DB Projekt Bau GmbH. Auch seinen wöchentlichen E-Mails ab 2. September 2012, in denen er dem Beklagten seine Arbeitsbereitschaft mitteilt, weisen nicht auf eine solche freie Stelle hin.
c) Der Einwand, die Abwicklungszeit zwischen der vollständigen Inkenntnissetzung des Beklagten (am 9.8.2012) und dem Zeitpunkt des Widerrufs seines Sonderurlaubs (mit Ablauf des 31.10.2012) sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht mehr angemessen, vermag ebenfalls keine ernstlichen Zweifel zu begründen.
Das Verwaltungsgericht hat diesen Zeitraum von weniger als drei Monaten in Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten mit überzeugender Begründung für angemessen gehalten. Es ist nicht zu beanstanden, sondern vielmehr naheliegend, dass es bei dieser Wertung – zur normativen Anbindung – auf die Sperrfrist des § 75 VwGO für Klagen bei Untätigkeit von Behörden und die im Arbeitsvertrag des Klägers mit der Bayerischen Oberlandbahn GmbH vereinbarte dreimonatige Kündigungsfrist zurückgegriffen hat. Bei der Interessenabwägung darf ohne weiteres auch die mit dem Kläger vereinbarte Abfindung für die Auflösung seines Arbeitsvertrags mit der Bayerischen Oberlandbahn GmbH in Höhe von 28.000 Euro berücksichtigt werden, um eine besondere Härte auf Seiten des Klägers zu verneinen.
Im Ergebnis ist der von dem Beklagten gewählte Widerrufszeitpunkt mit dem Verwaltungsgericht nicht zu beanstanden. Dabei ist zulasten des Klägers zu berücksichtigen, dass er die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses zum 31. August 2012 und seine Freistellung bereits ab dem 23. April 2012 (§ 1 Abs. 2 des Aufhebungsvertrages v. 23.5.2012) entgegen seinen Pflichten (vgl. Bescheid vom 23.3.2009 über die Beurlaubung unter Hinweis auf § 13 ADAz. B.) nicht dem Beklagten umgehend und unmissverständlich angezeigt hat. Der Beklagte hat nach Kenntnis aller Umstände im August 2012 versucht, den Kläger so schnell wie möglich bei der DB Projekt Bau AG, der er zugewiesen ist, unterzubringen. Dass dies erst zum 1. November 2012 erfolgt ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten. Es bestehen keine Gründe, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aus Billigkeit gemäß § 162 Abs. 3 VwGO dem Kläger aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).