Aktenzeichen L 15 SF 39/14 E
RVG RVG § 15a Abs. 1, § 33 Abs. 3 S. 1, § 55, § 56 Abs. 2, § 58 Abs. 2, § 60 Abs. 1
SGG SGG § 197
Leitsatz
1. Die Staatskasse ist nicht Dritter im Sinn von § 15a Abs. 2 RVG im Falle der Bewilligung von PKH, sondern Kostenschuldner des Rechtsanwalts (Fortführung der Rechtsprechung des Senats vom 02.12.2015, Az.: L 15 SF 133/15). (amtlicher Leitsatz)
2. Bei parallelen Widerspruchs und Eilrechtsschutzverfahren (Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs) handelt es sich nicht um denselben Gegenstand im Sinne von Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG. Eine Anrechnung erfolgter Zahlungen auf die Geschäftsgebühr für die Tätigkeit eines im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwaltes im Widerspruchsverfahren auf die Verfahrensgebühr des Eilrechtsschutzverfahrens gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG, § 15a Abs. 1 RVG findet daher nicht statt. (amtlicher Leitsatz)
3. Die Bestimmung der Beschwer für die Staatskasse erfolgt unabhängig von einer anteiligen Kostenübernahme durch den Verfahrensgegner. (amtlicher Leitsatz)
4. Eine Erinnerung nach § 56 RVG führt anders als in den Fällen des § 4 JVEG nicht zu einer vollumfänglichen Neuentscheidung durch den Kostenrichter. Es erfolgt lediglich eine, bei nur teilweiser Anfechtung partielle, Überprüfung der vorangegangenen Entscheidung des Urkundsbeamten (Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats vom 08.01.2013, Az.: L 15 SF 232/12 B E). Eine vollumfängliche Prüfung erfolgt damit auch nicht im Rahmen der Beschwerde nach § 56 Abs. 2 RVG. (amtlicher Leitsatz)
5 Die Berechnung der Beschwer erfolgt schon aus Gründen der Rechtssicherheit rein formal nach der Differenz zwischen den Anträgen der Beteiligten und dem Tenor der Erinnerungsentscheidung. Sie erfolgt unabhängig von einer anteiligen Kostenübernahme durch den Verfahrensgegner, da anderenfalls die Zulässigkeit eines Rechtsmittels von Lebenssachverhalten abhängig wäre, die außerhalb des Streitgegenstandes des jeweiligen Verfahrens liegen, wie beispielsweise von Höhe und Zeitpunkt der Zahlung der außergerichtlichen Kosten durch den Antragsgegner. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
S 13 SF 17/14 E 2014-02-03 Bes SGWUERZBURG SG Würzburg
Tenor
I.
Auf die Beschwerde wird Ziffer III. des Beschlusses des Sozialgerichts Würzburg vom 3. Februar 2014 aufgehoben.
II.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Rechtsanwaltshonorars nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), das dem Beschwerdegegner nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) aus der Staatskasse (Beschwerdeführer) zusteht. Streitig ist die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr. Gegenstand ist weiter der Kostenausspruch im Erinnerungsbeschluss.
Im Antragsverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht Würzburg (SG), Az.: S 11 KR 505/13 ER, ging es um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des vom Kläger am 14.11.2013 eingelegten Widerspruchs (§ 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG) gegen die Rücknahme von Bewilligungsbescheiden bezüglich von Leistungen im Rahmen eines persönlichen Budgets durch den Bescheid vom 08.11.2013; die Beklagte hatte die sofortige Vollziehung dieses Bescheids angeordnet.
Am 14.11.2013 stellte der Kläger über seinen Bevollmächtigten, den Beschwerdegegner, den genannten Antrag im Eilrechtsschutzverfahren und beantragte die Gewährung von PKH. Diesem Antrag wurde mit gerichtlichem Beschluss vom 22.11.2013 entsprochen; der Beschwerdeführer wurde beigeordnet. Auf den Beschluss des SG im Eilrechtsschutzverfahren vom 22.11.2013, mit dem der Antrag des Klägers teilweise abgelehnt worden war, schloss sich das Beschwerdeverfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG), Az.: L 5 KR 403/13 B ER, an; in diesem wurde der Beschwerdeführer auf Antrag des Klägers mit Beschluss vom 09.12.2013 im Rahmen der PKH-Gewährung beigeordnet. Mit Beschluss des BayLSG vom 02.12.2013, berichtigt durch Beschluss vom 09.12.2013, wurde u. a. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den oben genannten Bescheid vom 08.11.2013 (auch mit Wirkung für die Zukunft) angeordnet.
Am 25.11.2013 bzw. 04.12.2013 beantragte der Beschwerdegegner, seine Vergütung für die Eilrechtsschutzverfahren Az.: S 11 KR 505/13 ER sowie L 5 KR 431/13 B ER festzusetzen und setzte dabei eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 550,00 EUR und eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3204 VV RVG in Höhe von 370,00 EUR an.
Mit Beschluss vom 24.01.2014 setzte die zuständige Urkundsbeamtin die Vergütung des Beschwerdegegners gemäß § 55 RVG auf insgesamt 755,65 EUR, im Einzelnen wie folgt fest:
1. Instanz:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG: 400,00 EUR
Post- u. Telekom.pauschale, Nr. 7002 VV RVG: 20,00 EUR
Zwischensumme: 420,00 EUR
19% Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG: 79,80 EUR
Zwischensumme mit Mehrwertsteuer: 499,80 EUR
abzüglich Ergebnis Vergleichsberechnung 208,25 EUR (str.)
Erstattungsbetrag: 291,55 EUR
2. Instanz:
Verfahrensgebühr, Nr. 3204 VV RVG: 370,00 EUR
Post- u. Telekom.pauschale, Nr. 7002 VV RVG: 20,00 EUR
Zwischensumme: 390,00 EUR
19% Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG: 74,10 EUR
Zwischensumme mit Mehrwertsteuer: 464,10 EUR
Erstattungsbetrag: 464,10 EUR
Gesamterstattungsbetrag: 755,65 EUR
Aufgrund des Beschlusses des BayLSG im Eilrechtsschutzverfahren vom 09.12.2013 habe zwar die Beklagte die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten, auf Antrag des Beschwerdegegners würden die festgesetzten Gebühren jedoch vorab aus der Staatskasse erstattet. Zusammenfassend sei von einem überdurchschnittlichen ER-Verfahren auszugehen; eine Verfahrensgebühr für das erstinstanzliche Verfahren in Höhe von 400,00 EUR sei aus ihrer, der Urkundsbeamtin, Sicht angemessen und vollkommen ausreichend.
Entsprechend ihrer Mitteilung vom „15.01.2013“ habe die Beklagte mitgeteilt, dass der Beschwerdegegner für das oben genannte Widerspruchsverfahren Kosten in Höhe von 499,80 EUR geltend gemacht habe, die bereits ausgezahlt worden seien. Nach dem ab 01.08.2013 geltenden Recht seien die Kosten für das vorausgegangene Verfahren auf die Gebühren des nachfolgenden anzurechnen. Vorliegend sei eine Vergleichsberechnung durchzuführen, wobei die Gebühren eines Wahlanwalts den Kosten eines im Wege der PKH-Gewährung beigeordneten Anwalts gegenüber zu stellen seien. Der Wahlanwalt dürfe nicht besser oder schlechter gestellt werden als der beigeordnete Rechtsanwalt. Daher sei vorliegend nach Anrechnung einer Geschäftsgebühr von 175,00 EUR (zuzüglich Umsatzsteuer) ein Differenzbetrag von 208,25 EUR gegeben, um diesen die Verfahrensgebühr bei der PKH-Festsetzung zu reduzieren sei. Somit ergebe sich für das erstinstanzliche Eilrechtsschutzverfahren lediglich ein Erstattungsbetrag von 291,55 EUR.
Gegen diese Kostenfestsetzung hat der Beschwerdegegner mit Schreiben vom 25.01.2014 Erinnerung erhoben und zur Begründung darauf verwiesen, dass eine Anrechnung nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG nicht zu erfolgen habe, da es sich vorliegend nicht um denselben Gegenstand in dem dort genannten Sinn handle.
Mit Beschluss des SG vom 03.02.2014 ist der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24.01.2014 abgeändert worden, soweit das Eilrechtsschutzverfahren Az.: S 11 KR 505/13 ER betroffen sei. Die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten sind vom SG auf 963,90 EUR festgesetzt worden. Zudem hat das SG in Ziffer III. des Beschlusses festgelegt, dass die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens der Beschwerdeführer als Erinnerungsgegner trage. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass es sich bei der vorliegenden Fallkonstellation gerade nicht um denselben Gegenstand von Widerspruchs- und Eilrechtsschutzverfahren handle. Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens sei die Überprüfung der Recht- bzw. Zweckmäßigkeit eines Ausgangsbescheids, wohingegen der Gegenstand eines Eilrechtsschutzverfahrens die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs darstelle. Einmal ginge es also um die Rechtmäßigkeit eines Bescheids und im weiteren Fall um die Frage, ob ein wie auch immer gearteter Bescheid vorläufig Geltung behalten solle oder nicht. Eine Gebührenanrechnung scheide somit aus.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer am 11.02.2014 Beschwerde erhoben und beantragt, die Kostenentscheidung des SG (Ziffer III. des Beschlusses) aufzuheben und die Vergütung aus der Staatskasse für das erstinstanzliche Eilrechtsschutzverfahren auf 755,65 EUR festzusetzen. Im angefochtenen Kostenbeschluss vom 24.01.2014 erfolge keine Anrechnung einer Geschäftsgebühr nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG, sondern eine Anrechnung nach § 58 Abs. 2 für die vom Beklagten für das Eilrechtsschutzverfahren erhaltenen Zahlungen in Höhe von 499,80 EUR.
Der Beschwerdegegner hat im Schriftsatz vom 14.03.2014 klargestellt, dass letztere Behauptung „gänzlich unzutreffend“ sei. Die von der Beklagten im Schriftsatz vom 15.01.2014 erwähnte Zahlung habe eindeutig die Gebühren für die Vertretung im Widerspruchsverfahren betroffen. Dies ergebe sich aus der nun vorgelegten Gebührenrechnung (des Beschwerdegegners) vom 18.12.2013 bezüglich des Widerspruchsverfahrens. Der Beschwerdegegner hat anwaltlich versichert, zu keiner Zeit eine Kostenerstattungsforderung bezüglich der oben genannten Eilrechtsschutzverfahren erhoben und keine Zahlung hierfür erhalten zu haben.
Im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, nach wie vor davon überzeugt zu sein, dass die Urkundsbeamtin des SG keine Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vor-, sondern den Versuch unternommen habe, im Rahmen einer „Vergleichsberechnung“ den Betrag zu ermitteln, der aufgrund der Zahlung von 499,80 EUR durch die Beklagte von der Staatskasse anzurechnen sei. Er hat darauf hingewiesen, dass wegen der Identität der gesetzlichen Vergütung mit der Wahlanwaltsvergütung und dem Umstand, dass die Beklagte nicht auf einer Anrechnung der Geschäftsgebühr bestanden habe, sich der identische Betrag für die zu zahlende Verfahrensgebühr errechne, als wenn die Urkundsbeamtin gleich selbst die Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgenommen hätte. Weiter hat der Beschwerdeführer hervorgehoben, dass eine Erstattungsverpflichtung der Beklagten auch für die Kosten des Widerspruchs- und Eilrechtsschutzverfahrens bestehe. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beklagte nicht auf einer Anrechnung im oben genannten Sinn bestanden habe; bei der vorgenommenen Vergleichsberechnung könne dies jedoch dahingestellt bleiben. Eine Anrechnung durch die Staatskasse nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sei jedoch auch grundsätzlich möglich, da der Beschwerdeführer an die Stelle des Klägers nach § 15a Abs. 1 RVG trete. In beiden Fällen sei jedoch nötig, dass es sich um denselben Gegenstand (von Widerspruchs- und Eilrechtsschutzverfahren) handle. Der Beschwerdeführer hat darauf hingewiesen, dass es jedenfalls gebührenrechtlich bei der Anrechnung nicht auf den Streitgegenstand ankomme, sondern darauf, ob es sich um denselben Gegenstand handle. Weiter hat er die Berücksichtigung von Synergieeffekten und die Intention der Anrechnungsvorschrift – nämlich die Verminderung von Überzahlungen bzw. Kostengerechtigkeit – thematisiert.
Der Beschwerdegegner hat hervorgehoben, eine Vergütung für die Vertretung im Widerspruchsverfahren in einer anderen Angelegenheit erhalten zu haben, als sie das gerichtliche Eilrechtsschutzverfahren darstelle. § 58 Abs. 2 RVG sei nicht einschlägig; eine Anrechnung nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sei nicht möglich. Er hat beantragt, das vorliegende Beschwerdeverfahren dem Senat zur Entscheidung zu übertragen, da es zu der neuen Rechtslage noch keine gefestigte Rechtsprechung gebe.
In einem weiteren Schriftsatz (08.05.2014) hat der Beschwerdeführer detailliert den Begriff der kostenrechtlichen Angelegenheit unter Berücksichtigung historischer Herleitungen beleuchtet und weitere Problemstellungen im Hinblick auf die Neuregelung von § 15a Abs. 2 RVG und die Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG unter Berücksichtigung zahlreicher Rechtsprechungsnachweise herausgearbeitet. Zusammenfassend ist er zu der Beurteilung gelangt, dass eine Anrechnung vorliegend wegen desselben Gegenstands geboten sei.
Im Schriftsatz vom 02.06.2014 hat der Beschwerdegegner darauf hingewiesen, dass § 58 Abs. 2 RVG nicht einschlägig sei mangels derselben kostenrechtlichen Angelegenheit. Derselbe Gegenstand im Sinne von Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG sei ebenfalls nicht gegeben. Gegenstand des Verfahrens auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs seien der Widerspruch als solcher und seine Rechtswirkungen. Hingegen sei Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens der mit dem Widerspruch angefochtene und damit zur Überprüfung gestellte Bescheid.
Am 05.11.2014 hat er mitgeteilt, dass vom Antragsgegner der Betrag von 968,90 EUR (inklusive Mahngebühren iHv. 5,00 EUR) an den Beschwerdeführer erstattet worden sei; die Staatskasse habe damit die von ihr getragenen Kosten vollumfänglich erstattet erhalten. Vor diesem Hintergrund bestünden, so der Beschwerdegegner, ernstliche Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers. Eine Belastung des Beschwerdeführers sei nicht erkennbar.
Hierauf hat der Beschwerdeführer (am 13.11.2014) darauf hingewiesen, dass sich die materielle Beschwer daraus ergebe, dass der Beschwerdegegner bei einer Zurückweisung der Beschwerde in den Genuss einer höheren Vergütung nach dem RVG kommen würde, als sie von Seiten des Gesetzgebers vorgesehen sei. Zudem hat der Beschwerdeführer auf die dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle übertragenen Überwachungsaufgaben hingewiesen. Im Hinblick hierauf könne man dem Vertreter der Staatskasse doch nicht die Beschwer streitig machen, wenn er – ohne Zulassung der Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung – die vom Gesetzgeber gewollte, aber bis dato nicht realisierte Deckelung der Vergütung mit einer Beschwerde erreichen wolle bzw. müsse. Zudem müsse wohl auch daran erinnert werden, dass die Staatskasse darüber hinaus durch die contra legem getroffene Kostenentscheidung in Ziffer III. des Tenors beschwert sei.
Mit Schriftsatz vom 08.12.2014 hat der Beschwerdegegner die Auffassung vertreten, dass es nicht Aufgabe des Bezirksrevisors sei, sicherzustellen, dass ein Rechtsanwalt nicht in den Genuss einer höheren Vergütung nach dem RVG komme, als der Gesetzgeber sie angeblich vorgesehen habe. Eine Überwachungsaufgabe gegenüber Rechtsanwälten sei den Bezirksrevisoren nicht übertragen. Hinsichtlich der Kostenentscheidung im angefochtenen Beschluss hat der Beschwerdegegner auf den Betrag von nur 27,00 EUR verwiesen, so dass insoweit bereits offensichtlich der Beschwerdewert nicht erreicht werde.
Am 22.12.2014 hat der Beschwerdeführer auch hierzu eingehend Stellung genommen und auf seine Aktivlegitimation, mit der gegen den Beschluss Beschwerde erhoben worden sei, verwiesen. Vorliegend handle es sich um einen Fall von grundsätzlicher Bedeutung hinsichtlich der Anrechnungsvorschriften von § 15a RVG, Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG und § 58 Abs. 2 RVG.
Mit Verweis auf die Rechtsprechung hat der Beschwerdeführer am 12.05.2015 davon berichtet, dass mittlerweile weder Rechtsanwälte noch Kostenrichter in ihren Entscheidungen nach § 197 SGG Zweifel daran hätten, dass es sich in der vorliegenden Fallkonstellation um denselben Gegenstand nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG handele.
Im Schriftsatz vom 17.06.2015 hat der Beschwerdegegner u. a. hervorgehoben, dass ein Verfahren nach Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsakts und das mit gleichem Ziel betriebene anschließende gerichtliche Eilverfahren denselben Gegenstand hätten. Vorliegend gehe es jedoch im Widerspruchsverfahren um die Überprüfung der Recht- und Zweckmäßigkeit des angefochtenen Bescheids.
Am 05.04.2016 hat der Beschwerdegegner Verzögerungsrüge erhoben.
Am 05.05.2016 hat er u. a. hervorgehoben, dass es beim Widerspruch um die Beseitigung des Aufhebungsbescheides, beim Antrag auf Eilrechtsschutz aber um eine Unterbindung der Vollziehung des Aufhebungsbescheides gegangen sei; eine Entscheidung in der Sache selbst – nämlich über die Aufhebung des Bescheids – sei in diesem Verfahren überhaupt nicht zu erreichen gewesen.
Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten dieses Verfahrens sowie des Erinnerungsverfahrens und des erstinstanzlichen Antragsverfahrens verwiesen.
II.
Die Beschwerde hat nur teilweise Erfolg.
Zuständig für die Entscheidung ist der Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG; es besteht keine Veranlassung, die Sache dem Senat als Gesamtspruchkörper vorzulegen (vgl. die Entscheidung des Senats vom 02.12.2015, Az.: L 15 SF 133/15).
Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall die Regelungen des RVG in ab 01.08.2013 geltenden Fassung gemäß dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Zweites Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl S. 2586, 2681 ff.). Denn der unbedingte Auftrag i. S.v. § 60 Abs. 1 RVG ist dem Beschwerdegegner nach dem 31.07.2013 erteilt worden.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Die Beschwerde ist statthaft, weil der Beschwerdeführer durch den Beschluss des SG mit mehr als 200,00 EUR beschwert ist (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG).
Dabei kann offen bleiben, ob – wie der Beschwerdegegner meint – hinsichtlich des fehlerhaften Tenors des Beschlusses des SG in Ziffer III. (s. unten) ein Beschwerdewert von (lediglich) 27,00 EUR gegenwärtig (verbindlich) festgestellt werden kann oder ob eine „typische Offenheit in der Sache“ gegeben ist und ob eine solche der Staatskasse eine rechtsmittelfähige Beschwer vermitteln könnte (vgl. den Beschluss des Senats vom 30.04.2013, Az.: L 15 SF 160/12 B, L 15 SF 161/12 B). Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer vorgetragenen Aspekte.
Denn jedenfalls ist der Beschwerdewert allein bereits durch die in Frage gestellte Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr erreicht, ohne dass die vom Beschwerdegegner vorgetragene Zahlung des Antragsgegners des Eilrechtsschutzverfahrens an den Beschwerdeführer hieran etwas ändern würde.
Die Berechnung der Beschwer erfolgt schon aus Gründen der Rechtssicherheit rein formal nach der Differenz zwischen den Anträgen der Beteiligten und dem Tenor der Erinnerungsentscheidung. Sie erfolgt unabhängig von einer anteiligen Kostenübernahme durch den Verfahrensgegner, da anderenfalls die Zulässigkeit eines Rechtsmittels von Lebenssachverhalten abhängig wäre, die außerhalb des Streitgegenstandes des jeweiligen Verfahrens liegen, vorliegend konkret von Höhe und Zeitpunkt der Zahlung der außergerichtlichen Kosten durch den Antragsgegner (vgl. z. B. LSG Hessen, Beschluss vom 23.06.2014, Az.: L 2 AS 568/13 B).
Die Beschwerde ist auch fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG eingelegt worden.
2. Die Beschwerde ist jedoch nur teilweise begründet.
a. Soweit das SG die notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer auferlegt hat (Ziff. III. des angefochtenen Beschlusses), ist die Beschwerde begründet.
Die Kostenentscheidung ist unzutreffend. Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden dabei nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss des SG ist daher insoweit aufzuheben.
b. Im Übrigen ist die Beschwerde unbegründet
(1) Eine Anrechnung der gezahlten Geschäftsgebühr in Höhe von 499,80 EUR (Widerspruchsverfahren) auf die Verfahrensgebühr (Eilrechtsschutzverfahren) hat entsprechend der zutreffenden Annahme des SG nicht zu erfolgen.
(aa) Wie der Senat in seinem Grundsatzbeschluss vom 02.12.2015 (Az.: L 15 SF 133/15) bereits im Einzelnen dargelegt hat, wurde mit der neu gefassten Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG nunmehr auch im sozialgerichtlichen Verfahren, in dem Betragsrahmengebühren entstehen, auf eine echte Anrechnungsregelung umgestellt (vgl. auch z. B. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Vorbemerkung 3 VV, Rdnr. 4). Soweit wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach Teil 2 (d. h. eine nach den Nrn. 2300 bis 2303 VV RVG) entsteht, wird diese Gebühr zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet; bei Betragsrahmengebühren beträgt der Anrechnungshöchstbetrag 175,00 EUR. Die in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgeschriebene Anrechnung führt dazu, dass im Rahmen der Kostenerstattung auch § 15a RVG unmittelbar Anwendung findet (so auch der Beschluss des Hessischen LSG vom 03.02.2015, Az.: L 2 AS 605/14 B; vgl. z. B. auch Müller-Rabe, a. a. O., Rdnr. 5).
Maßgeblich ist vorliegend somit § 15a Abs. 1 RVG (vgl. den o.g. Grundsatzbeschluss des Senats vom 02.12.2015, a. a. O.). Diese Vorschrift gilt auch dann, wenn der Anwalt im Weg der PKH beigeordnet worden ist (vgl. Hessisches LSG, a. a. O.). Der Senat folgt der Auffassung des SG, dass § 15a Abs. 2 RVG im Verhältnis gegenüber der Staatskasse keine Anwendung findet (vgl. auch Hessisches LSG, a. a. O.; Hessischer VGH, Beschluss vom 27.06.2013, Az.: 6 E 600/13, 6 E 602/13, 6 E 601/13; Hansens, RVGreport 2015, 299 ff.). Diese Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen eine Anrechnung von Leistungen eines Dritten im Außenverhältnis stattfindet. Die Staatskasse ist jedoch kein Dritter im Falle der Bewilligung von PKH, sondern Kostenschuldner des Rechtsanwalts (§ 45 Abs. 1 Satz 1 RVG). Sie tritt insoweit an die Stelle des Mandanten (vgl. z. B. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.05.2013, Az.: 18 W 68/13).
Eine Beschränkung des durch § 15a Abs. 1 RVG gewährten Wahlrechts des Rechtsanwalts infolge Anrechnung greift nur, wenn eine entsprechende Zahlung tatsächlich erfolgt ist, was hier ohne Weiteres der Fall ist. Aus Sicht des Senats bestehen keine Zweifel daran, dass der o.g. Betrag nicht auf die Gebühr für das gerichtliche Eilrechtsschutzverfahren, sondern für das Widerspruchsverfahren gezahlt worden ist. Dies ergibt sich schon aus der Kostenrechnung vom 18.12.2013, die der Beschwerdegegner vorgelegt hat.
(bb) Streitig bleibt, ob Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr vorliegend rechtfertigt. Diese Frage ist nach Auffassung des Senats zu verneinen. Maßgeblich ist, wie die Beteiligten im Erinnerungs- und vor allem im Beschwerdeverfahren umfangreich herausgearbeitet haben, ob es sich hinsichtlich des Widerspruchs- und des Eilrechtsschutzverfahrens um denselben Gegenstand im Sinne von Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG handelt. Entsprechend den zutreffenden Darlegungen des SG und des Beschwerdegegners ist dies bei der hier vorliegenden Konstellation gerade nicht der Fall. Denn Gegenstand eines Widerspruchsverfahrens ist die – dem Klageverfahren vorgeschaltete – Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Gegenstand des Eilrechtsschutzverfahrens in der hier vorliegenden Ausprägung ist jedoch nicht die inhaltliche Prüfung des Verwaltungsakts, sondern dessen Durchsetzbarkeit im weiteren Sinn bzw. die rechtlichen Wirkungen des Widerspruchs. Freilich verkennt der Senat nicht, dass auch eine inhaltliche Prüfung des Widerspruchs, somit des angefochtenen Verwaltungsakts, eine – jedenfalls gewisse – Rolle spielt. Im Hinblick auf das abweichende Prüfprogramm und insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach in (vor allem existenzsichernde Leistungen betreffenden) einstweiligen Rechtsschutzverfahren, umfassende Abwägungen unter Einbeziehung von Grundrechten des Antragstellers vorzunehmen sind, tritt die materiell-rechtliche Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts deutlich zurück (vgl. z. B. Straßfeld, Sgb 2008, 635, 638, zum Aufwand eines Rechtsanwalts in Eilverfahren, wenn er bereits im Widerspruchsverfahren tätig war).
Eine Anrechnung der in einem Widerspruchsverfahren entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr im Eilrechtsschutzverfahren ist vorliegend auch nicht mit gesetzgeberischen Motiven zu begründen (vgl. Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 209 zu der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG):
„Eine Anrechnung ist zunächst aus systematischen Gründen erforderlich. Nach der Definition in Abs. 2 der Vorbemerkung erhält der Rechtsanwalt die gerichtliche Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Der Umfang dieser anwaltlichen Tätigkeit wird entscheidend davon beeinflusst, ob der Rechtsanwalt durch eine vorgerichtliche Tätigkeit bereits mit der Angelegenheit befasst war. Eine Gleichbehandlung des Rechtsanwalts, der unmittelbar einen Prozessauftrag erhält, mit dem Rechtsanwalt, der zunächst außergerichtlich tätig war, ist nicht zu rechtfertigen.
Die Anrechnung ist aber auch erforderlich, um eine außergerichtliche Erledigung zu fördern. Es muss der Eindruck vermieden werden, der Rechtsanwalt habe ein gebührenrechtliches Interesse an einem gerichtlichen Verfahren. Dieses Interesse kollidiert zwangsläufig mit dem Bestreben einer aufwandsbezogenen Vergütung. Diesen unterschiedlichen Interessen wird die vorgeschlagene Anrechnungsregel gerecht.“
Vorliegend kann jedoch, wo der Rechtsanwalt die Geschäftsgebühr für die Tätigkeit im Widerspruchsverfahren geltend gemacht hat (s. oben), bereits nicht die Rede davon sein, dass er mit der Angelegenheit durch eine vorgerichtliche Tätigkeit bereits befasst gewesen sei; das Widerspruchsverfahren war dem Eilrechtsschutzverfahren nicht vorgeschaltet, sondern vielmehr dessen Gegenstand. Wegen der Besonderheiten eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes, in dem es regelmäßig um Eilbedürftigkeit und effektive Rechtsdurchsetzung geht, kann den Senat weiter auch das Argument des gebührenrechtlichen Interesses nicht überzeugen.
Schließlich spricht auch der Regelungszweck von § 15a RVG i. V. m. Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG nicht zwingend für eine Anrechnung in der vorliegenden Fallkonstellation. Zwar hat der Senat in dem Beschluss vom 02.12.2015 (a. a. O.) bereits dargelegt, dass er in § 15a Abs. 1 RVG eine Vorschrift zur Minderung staatlicher Belastungen sieht, da auch diese Vorschrift der Vermeidung von Überzahlungen und damit der Kostendämpfung dient. Hieraus lässt sich jedoch keine Veranlassung entnehmen, die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG übermäßig weit zu verstehen. Eine solche Festlegung wäre auch Aufgabe des Gesetzgebers, nicht jedoch eine der rechtsprechenden Gewalt.
Im Übrigen erschließt sich für den Senat schon mit Blick auf die Identität der Betragsrahmengebühren nicht, weshalb es vorliegend auf eine angeblich zu wahrende Parität zwischen der Vergütung eines Wahl- und eines beigeordneten Anwalts ankommen könnte (vgl. den Beschluss des Senats vom 02.12.2015, a. a. O.).
(2) Eine Prüfung durch den Senat, ob durch eine von der Kostenbeamtin gegebenenfalls fehlerhaft angenommene Höhe der Verfahrensgebühr insgesamt doch ein zu hoher Kostenansatz erfolgt und die Beschwerde daher doch begründet sein könnte, hat vorliegend nicht zu erfolgen. Daran, dass vorliegend eine Verfahrensgebühr von 400,00 EUR zutreffend ist, könnte nämlich im Hinblick darauf, dass nach Ansicht der Rechtsprechung für ein durchschnittliches Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Hinblick auf die Charakteristika dieser Verfahren nur eine abgesenkte Mittelgebühr entsteht, Zweifel bestehen (vgl. Beschluss des LSG Hessen vom 26.10.2015, Az.: L 2 SO 95/15 B; vgl. allerdings den Senatsbeschluss vom 11.04.2013, Az.: L 15 SF 43/12 B).
Eine solche Überprüfung findet jedoch – wovon der Beschwerdeführer im Schriftsatz vom 13.05.2016 zutreffend ausgegangen ist – nicht statt, da eine vollumfängliche Prüfung im Rahmen der Erinnerung nach § 56 Abs. 1 RVG und damit auch bei der Beschwerde nach § 56 Abs. 2 RVG nicht stattfindet (vgl. im Einzelnen den Beschluss des Senats vom 15.06.2016, Az.: L 15 SF 92/14 E).
Die Vergütung für den Beschwerdegegner ist daher wie folgt festzusetzen:
1. Instanz:
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG: 400,00 EUR
Post- u. Telekom.pauschale, Nr. 7002 VV RVG: 20,00 EUR
Zwischensumme: 420,00 EUR
19% Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG: 79,80 EUR
Erstattungsbetrag: 499,80 EUR
2. Instanz:
Verfahrensgebühr, Nr. 3204 VV RVG: 370,00 EUR
Post- u. Telekom.pauschale, Nr. 7002 VV RVG: 20,00 EUR
Zwischensumme: 390,00 EUR
19% Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG: 74,10 EUR
Erstattungsbetrag: 464,10 EUR
Gesamterstattungsbetrag: 963,90 EUR
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).