Aktenzeichen 7 U 3570/15
BetrAVG § 1 Abs. 1 S. 1, § 16 Abs. 1
Leitsatz
1. Ob eine Leistung als betriebliche Altersversorgung gem. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrAVG einzustufen ist, richtet sich allein danach, ob die im Gesetz abschließend aufgezählten Voraussetzungen erfüllt sind: Die Zusage muss einem Versorgungszweck dienen, die Leistungspflicht muss nach dem Inhalt der Zusage durch ein im Gesetz genanntes biologisches Ereignis (Alter, Invalidität oder Tod) ausgelöst werden, und es muss sich um die Zusage eines Arbeitgebers aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses handeln (BAG BeckRS 2009, 58464). (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein arbeitsvertraglich begründeter Anspruch auf Zahlung eines Ruhegehalts, das nicht wegen eines biologischen Ereignisses iSv § 1 Abs. 1 BetrAVG gezahlt wird, ist nicht mit Vollendung des 65. Lebensjahres als Anspruch auf eine betriebliches Altersversorgung zu qualifizieren. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
5 HK O 25122/14 2015-08-27 Urt LGMUENCHENI LG München I
Gründe
Oberlandesgericht München
Az.: 7 U 3570/15
5 HK O 25122/14 LG München I
In dem Rechtsstreit
…
– Kläger und Berufungskläger –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
…
– Beklagte und Berufungsbeklagte –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
wegen Forderung
erlässt das Oberlandesgericht München -7. Zivilsenat- durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht …und den Richter am Oberlandesgericht …
am 03.03.2016
folgenden
Beschluss
I.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 27.08.2015, Aktenzeichen 5 HK O 25122/14, wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Dieser Beschluss und das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
IV.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 105.557,92 € festgesetzt.
Gründe:
I. Der Kläger, der vom 1.10.1992 bis 30.9.1997 als Vorstand ohne Unternehmensbeteiligung für Beklagte tätig war, verlangt die Anpassung der Ruhegehaltszahlungen, die die Beklagte an den Kläger aufgrund des Vertrages vom 12.10.1992 (Anlage K 1, künftig: AV) leistet.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Der Kläger behauptet erstmalig in der Berufungsinstanz (Seite 6 des Schriftsatzes vom 5.2.2016, Bl. 155 d. A.), der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten, Dr. M., habe bei Abschluss des AV gegenüber dem Kläger erklärt, dass eine Wertsicherungsklausel im AV entbehrlich sei, weil sich diese Anpassung bereits aus dem Gesetz ergäbe. Im Berufungsverfahren haben sich im Übrigen keine Änderungen oder Ergänzungen ergeben.
Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz folgendes:
1.Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 27.8.2016 abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab 1.4.2015 ein am 1. eines jeden Kalendermonats fälliges Ruhegehalt in Höhe von 8.278,25 € brutto zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 58.511,20 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Fälligkeit zu zahlen.
4.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.174,47 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.360,48 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit Fälligkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung des Klägers.
II. Der Senat übt sein eingeschränktes Ermessen („soll“) dahingehend aus, dass er die Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückweist. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch nicht geboten ist. Im Kern geht es um die Auslegung des AV. Außerdem hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 13.1.2016 wird Bezug genommen. Die Ausführungen im Schriftsatz des Klägers vom 5.2.2016 führen zu keiner abweichenden Bewertung. Hierzu ist folgendes zu bemerken:
Es kommt letztlich nicht auf eine Auslegung der Entscheidungen des BGH vom 16.3.1981, Az. II ZR 222/79 und vom 24.11.1988, Az. IX ZR 210/87 an, sondern vielmehr auf die Auslegung des AV. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der BGH in den genannten Entscheidungen, in denen allerdings vor allem hier nicht relevante konkursrechtliche Fragen zu klären waren, davon ausging, dass sich ein Übergangsgeld ab Erreichung der Altersgrenze in ein Altersruhegeld umwandeln kann (BGH vom 16.3.1981, Az. II ZR 222/79, Tz. 26 bei JURIS). Dies bedeutet aber nicht, dass der hier streitgegenständliche AV so auszulegen wäre, dass hier eine derartige Umwandlung vereinbart worden ist, die noch dazu Auswirkungen nicht nur auf konkurs- bzw. insolvenzrechtliche Fragestellungen hat, sondern auch im Übrigen die Anwendung der Bestimmungen des BetrAVG auslöst.
Der Kläger macht hier ausdrücklich (vgl. Seite 4 des Schriftsatzes vom 8.4.2015, Bl. 39 d. A.) keine Ansprüche aus § 12 Abs. 1 lit. a AV (dessen Voraussetzungen im Übrigen auch nicht gegeben sind, vgl. Ziffer 7 des Beschlusses des Senats vom 13.1.2016) geltend, sondern nur aus § 12 Abs. 1 lit. c AV. Gegenstand ist also ein vertraglich vereinbarter Anspruch, der gerade nicht durch ein biologisches Ereignis ausgelöst wird, mithin keine betriebliche Altersversorgung i. S. d. BetrAVG darstellt. Der AV bezeichnet den streitgegenständlichen Anspruch aus § 12 Abs. 1 lit. c AV als „Ruhegehalt“ und nicht etwa als Übergangsgeld. Damit wird deutlich, dass für den streitgegenständlichen Fall des § 12 Abs. 1 lit. c AV ein eigenständiger Anspruch auf lebenslange Zahlungen (sowie ggf. fortgesetzte Zahlung an die Witwe) begründet werden soll, so dass schon deshalb keine „Umwandlung“ eines – hier gar nicht als solches vereinbarten – „Übergangsgeldes“ in ein Altersruhegeld notwendig ist. Eine Auslegung des AV, dass eine derartige Umwandlung zu erfolgen habe, liegt im hier zu entscheidenden Fall schon deshalb fern. Hinzu kommt, dass im Fall des § 12 Abs. 1 lit. c AV die monatlichen Zahlungen, die der Kläger vereinnahmen darf, ohne für die Beklagte arbeiten zu müssen, vor Erreichung der Altersgrenze einsetzen und damit – im streitgegenständlichen Fall deutlich – vor dem in § 12 Abs. 1 lit. a AV genannten Zeitpunkt. Es ist daher auch nicht interessenwidrig, wenn der Kläger in dem Fall des § 12 Abs. 1 lit. c AV zwar bereits (hier deutlich) vor Erreichung der Altersgrenze Zahlungen erhält, diese aber nach der Altersgrenze ihren Charakter als „Ruhegehalt“ wegen vorzeitigen Ausscheidens behalten. Auch deshalb ist der AV nicht etwa so auszulegen, dass die für den Kläger günstigeren Regelungen des BetrAVG auch dann Geltung haben sollen, wenn wie hier ein Fall des § 12 Abs. 1 lit. a AV gerade nicht vorliegt. Es stand den Parteien frei zu vereinbaren, dass der Kläger eine betriebliche Altersversorgung mit den im Gesetz vorgesehenen regelmäßigen Anpassungen nur im Fall des § 12 Abs. 1 lit. a AV erhalten soll, also nur dann, wenn er bis zur Erreichung der Altersgrenze für die Beklagte arbeitet, und in den anderen Fallkonstellationen des aus § 12 Abs. 1 AV zwar gleichfalls substantielle Zahlungen bis zum Lebensende (sowie ggf. fortgesetzte Zahlung an die Witwe) erhalten soll, bei denen aber dann bzgl. der Anpassung an veränderte Umstände (Lebenshaltungskosten) nicht die Regelungen des BetrAVG Anwendung finden. Der Senat legt den AV so aus, dass die Parteien genau das vereinbart haben.
Soweit der Kläger auf Seite 6 des Schriftsatzes vom 5.2.2016 (Bl. 155 d. A.) geltend macht, dass das Vertragsverständnis, das die Beklagte (in Übereinstimmung mit dem Landgericht und dem Senat) in diesem Prozess vertritt, nicht dem entspreche, was der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Dr. M. bei Abschluss des AV als Rechtsansicht vertreten habe, führt auch dies offensichtlich nicht zum Erfolg der Berufung. Der Senat ist an die Rechtsansicht des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der Beklagten nicht gebunden. Die vom Kläger behauptete Tatsache, Herr Dr. M. habe bei Abschluss des AV Erklärungen abgegeben, kann zwar grundsätzlich Einfluss auf die Auslegung des AV haben. Gleichwohl greift dieser Vortrag des Klägers im Hinblick auf die drei nachfolgend dargestellten, unabhängig voneinander tragenden Erwägungen nicht durch: Der erst im Berufungsverfahren – noch dazu nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist – unterbreitete Vortrag ist verspätet (§ 531 Abs. 2 ZPO). Es fehlt an einem Beweisangebot. Es kann als wahr unterstellt werden, dass die Parteien für den hier nicht gegebenen Fall des § 12 Abs. 1 lit. a AV von einer Anpassung des Ruhegehaltes nach den gesetzlichen Bestimmungen ausgegangen sind; dass auch der hier streitgegenständliche Fall des § 12 Abs. 1 lit. c AV von der behaupteten Äußerung des Herrn Dr. M. erfasst sein sollte, wird schon nicht konkret behauptet.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Der Streitwert bemisst sich aus der Summe des Antrags zu Nr. 3 und aus dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Differenz zwischen der gezahlten Rente und der beanspruchten (§ 9 ZPO).