Arbeitsrecht

Anspruch auf Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei Festsetzung von Versorgungsbezügen

Aktenzeichen  3 ZB 17.1413

Datum:
11.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 136972
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 19, Art. 20, Art. 22 S. 3-5, Art. 24 Abs. 4, Art. 85 Abs. 1 S. 2, Abs. 2
BayHSchPG Art. 7 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
BeamtVG § 55 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Es besteht ein Ermessen, Kann-Vordienstzeiten, in denen wissenschaftliche Qualifikationen für das Amt als Hochschulprofessor erworben wurden, in einem bestimmten Umfang als ruhegehaltsfähige Dienstzeit zu berücksichtigen; ein Anspruch hierauf besteht idR nicht, sondern lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Ermessensausübung zur Berückichtigung vordienstlicher Tätigkeiten ist es Intention des Gesetzgebers, Mischlaufbahn-Beamte annähernd gleichzustellen mit den sog. „Nur-Beamten“, eine Besserstellung gegenüber „Nur-Beamten“ ist nicht bezweckt. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 K 16.149 2017-06-01 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 6.217,20 € festgesetzt.

Gründe

Der auf die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils), des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere rechtliche Schwierigkeiten) und des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage, den Widerspruch vom 18. September 2015 gegen den das Ruhegehalt festsetzenden Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 31. August 2015 unter Berücksichtigung der Kann-Vordienstzeiten des Klägers ohne Anrechnung der privaten betrieblichen Altersversorgung ermessensfehlerfrei zu verbescheiden, zu Recht abgewiesen. Der Kläger, der als Professor (BesGr C3 kw) an der Hochschule A. im Dienst des Beklagten stand und am 30. September 2015 in den Ruhestand getreten ist, hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte seine Beschäftigungszeiten bei der Siemens AG (17.3.1975 bis 31.8.1975, 1.11.1975 bis 31.8.1976, 1.7.1981 bis 30.6.1991 und 1.7.1991 bis 28.2.1995) berücksichtigt, weil er aufgrund dieser Tätigkeit nicht nur eine gesetzliche Altersrente, sondern auch eine private Betriebsrente erworben hat, die zusammen mit der erdienten Versorgung zu einer Gesamtversorgung führen, die der eines sog. „Nur-Beamten“ entspricht.
1.1 Der Beklagte hat die fraglichen Vordienstzeiten nach Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG ermessensfehlerfrei (Art. 40 BayVwVfG, § 114 VwGO) nicht als wissenschaftliche Qualifikationszeiten (Art. 22 Satz 4 BayBeamtVG) berücksichtigt, weil die monatliche Gesamtversorgung des Klägers, der neben dem Ruhegehalt in Höhe von 3.478,25 € eine gesetzliche Altersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund in Höhe von 1.006,37 € sowie eine private Betriebsrente der Siemens AG in Höhe von 482,87 € bezieht, die Höchstgrenze des Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG in Höhe von 4.743,67 € übersteigt und der Kläger daher auch ohne Berücksichtigung dieser Vordienstzeiten eine Versorgung erhält, die der eines „Nur-Beamten“ entspricht. Zu den Einzelheiten der Berechnung, gegen die der Kläger keine Einwendungen erhoben hat, wird auf die Anlage zum Bescheid vom 31. August 2015 „Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit auf Grund von Ermessensvorschriften“ Bezug genommen.
Nach Art. 22 Satz 4 BayBeamtVG kann die nach erfolgreichem Abschluss eines Hochschulstudiums vor der Ernennung zum Professor liegende Zeit einer haupt-beruflichen Tätigkeit i.S.d. Art. 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BayHSchPG als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden, soweit sie als Mindestvoraussetzung für die Einstellung gefordert wird; im Übrigen kann eine nach erfolgreichem Abschluss eines Hochschulstudiums vor der Ernennung liegende Zeit einer hauptberuflichen Tätigkeit, in der besondere Fachkenntnisse erworben wurden, die für die Wahrnehmung des Amtes förderlich sind, bis zu fünf Jahren in vollem Umfang, darüber hinaus bis zur Hälfte als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden.
Die Berücksichtigungsmöglichkeiten des Art. 22 Satz 4 BayBeamtVG tragen den Besonderheiten des Hochschuldienstes Rechnung, indem sie darauf zugeschnittene Vordienstzeiten für ruhegehaltfähig erklären. Die Vorschrift dient in erster Linie dazu, geeignete Bewerber als Professoren zu gewinnen; darin erschöpft sich zugleich ihre Anreizfunktion (BayVGH, U.v. 5.4.2017 – 3 B 15.238 – juris Rn. 28). Die Bestimmung ist als Kann-Vorschrift ausgestaltet, um eine Doppelversorgung von Professoren zu vermeiden (vgl. LT-Drs. 16/3200 S. 467). Sie räumt der zuständigen Behörde ein Ermessen ein, Kann-Vordienstzeiten, in denen wissenschaftliche Qualifikationen für das Amt als Hochschulprofessor erworben wurden, in einem bestimmten Umfang als ruhegehaltfähige Dienstzeit zu berücksichtigen. Ein Anspruch hierauf besteht i.d.R. nicht, sondern lediglich ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (BayVGH, B.v. 1.6.2017 – 3 ZB 14.1030 – juris Rn. 6).
Im Rahmen der Ermessensausübung nach den Art. 19, 20 und 22 Sätze 3 bis 5 BayBeamtVG ist zu berücksichtigen, dass die Gesamtversorgung aus den dort genannten Tätigkeiten hervorgehenden Versorgungsleistungen und den nach diesem Gesetz zu leistenden Versorgungsbezügen die Höchstgrenze nach Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG nicht übersteigen soll (Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG). Diese Vorschrift entspricht der bisherigen Verwaltungspraxis, Kann-Vordienstzeiten i.d.R. nur insoweit zu berücksichtigen, als die Gesamtversorgung die Höchstgrenze nach § 55 Abs. 2 BeamtVG nicht überschreitet. Nach den Ermessensrichtlinien 2002 (vgl. Teil 6 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Versorgungsrecht – BayVV-Versorgung – vom 4.12.2002 StAnz 2003 Nr. 5, zuletzt geändert durch Bek. vom 14.5.2004 FMBl. S. 97) war eine Einschränkung der Anrechnung von Vordienstzeiten im Rahmen der Kann-Vorschriften der §§ 11, 12 und § 67 Abs. 2 BeamtVG dann geboten, wenn dem Versorgungsempfänger neben Versorgungsbezügen andere Versorgungsleistungen als die von § 55 BeamtVG erfassten Renten zustehen und diese zusammen die Höchstgrenze des § 55 Abs. 2 BeamtVG übersteigen. Mit der Aufnahme dieses Grundsatzes in Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG als Regelvorbehalt („soll“) sollte diese Verwaltungspraxis gesetzlich kodifiziert und dadurch eine Gleichbehandlung aller Ruhestandsbeamten sichergestellt werden (vgl. LT-Drs. 16/3200 S. 469).
Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zur Ausübung des Ermessens bei der Anrechnung von Kann-Vordienstzeiten. Danach muss die Ermessensentscheidung bei Berücksichtigung von Kann-Vordienstzeiten auf Erwägungen gestützt sein, die im Hinblick auf den Wortlaut und den Zweck der gesetzlichen Regelung sachgerecht sind (BVerwG, U.v. 19.11.2015 – 2 C 22.14 – juris Rn. 14). Der Zweck von §§ 10 bis 12 BeamtVG bzw. Art. 18 bis 20 BayBeamtVG besteht darin, Mischlaufbahn-Beamten mit berücksichtigungsfähigen Vordienstzeiten diejenige Altersversorgung zu ermöglichen, die sie erhalten würden, wenn sie die vordienstlichen Tätigkeiten im Beamtenverhältnis erbracht hätten (BVerwG a.a.O. Rn. 15). Damit wird eine (annähernde) Gleichstellung dieser Beamten mit sog. „Nur-Beamten“ bezweckt. Nichts anderes gilt für § 67 Abs. 2 BeamtVG bzw. Art. 22 Satz 4 BayBeamtVG. Die hinter dieser Vorschrift stehende Intention des Gesetzgebers, geeignete Bewerber als Professoren zu gewinnen, rechtfertigt nicht, solche Vordienstzeiten auch dann als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen, wenn und soweit sie nicht nur zu einer (annähernden) Gleichstellung, sondern zu einer Besserstellung gegenüber „Nur-Beamten“ führen (BVerwG a.a.O. Rn. 16).
Dies wäre der Fall, wenn die Altersversorgung durch Berücksichtigung derartiger Vordienstzeiten über das Ruhegehalt hinausginge, das der Beamte erreicht hätte, wenn er die Zeiten im Beamtenverhältnis verbracht hätte. Dem Zweck der genannten Vorschriften entspricht eine Ausübung des Ermessens, die darauf angelegt ist, eine versorgungsrechtliche Gleichstellung mit „Nur-Beamten“ zu erreichen. Folgerichtig wird das Ermessen dann rechtsfehlerfrei ausgeübt, wenn die Berücksichtigung von Vordienstzeiten abgelehnt wird, weil der Beamte andernfalls eine höhere Gesamtversorgung aus dem Ruhegehalt und einem anderen System der Alterssicherung erhalten würde, als wenn er diese Zeiten im Beamtenverhältnis abgeleistet hätte. Umgekehrt überschreitet der Dienstherr den ihm gesetzlich eröffneten Ermessensspielraum durch eine Praxis, die eine Schlechterstellung von Beamten mit berücksichtigungsfähigen Vordienstzeiten gegenüber „Nur-Beamten“ bewusst in Kauf nimmt (BVerwG a.a.O. Rn. 17). Will der Dienstherr die Besserstellung eines Beamten, der durch Vordiensttätigkeiten einen anderen Anspruch auf Versorgung erworben hat, gegenüber „Nur-Beamten“ verhindern, so muss er daher eine Vergleichsberechnung anstellen. Das Ermessen wird dabei im Regelfall rechtsfehlerfrei ausgeübt, wenn die Berücksichtigung der Vordienstzeiten abgelehnt wird, soweit die in diesen Zeiten erworbene andere Versorgung eine entsprechende Ruhegehaltseinbuße ausgleicht. Die Gesamtversorgung aus Ruhegehalt und anderer Versorgungsleistung darf aber nicht niedriger ausfallen als das bei Berücksichtigung der Vordienstzeiten erreichbare Ruhegehalt. Deshalb muss die zuständige Behörde das Ermessen so ausüben, dass die Summe aus auszuzahlendem Ruhegehalt und Rente die Höchstgrenze des § 55 Abs. 2 BeamtVG bzw. des Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG nicht unterschreitet. Die Nichtberücksichtigung von Vordienstzeiten wird ermessensfehlerhaft, wenn sie dazu führt, dass dem Beamten ein Ruhegehalt unterhalb der Höchstgrenze ausgezahlt und die Differenz nicht durch eine anderweitige Versorgung ausgeglichen wird. Nur in diesem Rahmen – also unterhalb der Höchstgrenze – kann auch Raum dafür sein, im Rahmen der Ermessensausübung den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls zugunsten des Beamten Rechnung zu tragen (BVerwG a.a.O. Rn. 18). Allerdings darf die Ruhegehaltfähigkeit von Vordienstzeiten nicht deshalb – ganz oder teilweise – abgelehnt werden, weil der Beamte neben seinem Ruhegehalt noch eine andere Versorgungsleistung erhält, die er ausschließlich oder weit überwiegend aus eigenen Mitteln finanziert hat. Der Dienstherr ist gehindert, Vordienstzeiten im Rahmen von Kann-Vorschriften unberücksichtigt zu lassen, wenn und soweit der Beamte mit eigenen Mitteln Altersvorsorge betrieben hat (BVerwG a.a.O. Rn. 19).
Vor diesem Hintergrund ist es, auch wenn die Tätigkeit des Klägers bei der Siemens AG als wissenschaftliche Qualifikationszeit i.S.d. Art. 22 Satz 4 BayBeamtVG gelten sollte, rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte diese Vordienstzeiten nicht als ruhegehaltfähig berücksichtigt hat, weil der Kläger aufgrund dieser Tätigkeit eine gesetzlichen Altersrente und eine private Betriebsrente erworben hat, die zusammen mit der von ihm erdienten Versorgung zu einer Gesamtversorgung führen, die die Höchstgrenze des Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG übersteigt. Da der Versorgungsbezug ohne Anrechnung der Vordienstzeiten mit 3.478,25 € höher ist als der höchstens erreichbare Versorgungsbezug in Höhe von 3.321,44 €, ist die Berücksichtigung der Vordienstzeiten nicht geboten, um eine Gleichstellung des Klägers mit einem „Nur-Beamten“ zu erreichen. Die Berücksichtigung der Vordienstzeiten würde vielmehr zu einer Besserstellung des Klägers gegenüber einem „Nur-Beamten“ führen.
Der Kläger hat diesbezüglich auch keine besonderen Umstände dargetan, die der Beklagte zu seinen Gunsten bei der Ermessensausübung beachten hätte müssen. Die Berufung darauf, dass es sich bei den von ihm geltend gemachten Zeiten um wissenschaftliche Qualifikationszeiten i.S.d. Art. 22 Satz 4 BayBeamtVG handle, aufgrund derer der Kläger besondere Fachkenntnisse erworben habe, die für die Wahrnehmung seines Amtes an der Hochschule A. Voraussetzung bzw. förderlich gewesen seien, genügt hierfür nicht. Entsprechendes gilt für das Vorbringen, dass die Betriebsrente ausschließlich privat finanziert worden sei. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der vom Kläger bezogenen Versorgung nicht um eine durch seinen damaligen Arbeitgeber finanzierte Betriebsrente i.e.S., sondern um eine Versorgungsleistung handelt, die ausschließlich bzw. weit überwiegend vom Kläger aus eigenen Mitteln finanziert worden wäre. Vielmehr ist nach Angaben des Klägers davon auszugehen, dass die Betriebsrente durch die Siemens AG finanziert wurde (vgl. Schriftsatz vom 11. August 2017 S. 9 unten). Jedenfalls hat der Kläger nicht dargelegt, dass er eigene Zahlungen i.S.v. Beiträgen hierzu geleistet hätte. Es ist deshalb nicht ermessensfehlerhaft, dass der Beklagte die Vordienstzeiten bei der Festsetzung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt hat. Vielmehr entspricht es dem Zweck des Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG, im Regelfall („soll“) Vordienstzeiten nicht zu berücksichtigen, aufgrund derer der Beamte eine Altersversorgung erworben hat, die zusammen mit der erdienten Versorgung die Höchstgrenze des Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG übersteigt. Einer weitergehenden Begründung hierfür bedarf es nicht.
1.2 Die vom Kläger hiergegen innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebrachten Einwände begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils.
(1) Entgegen der Ansicht des Klägers stellt die Nichtberücksichtigung der fraglichen Kann-Vordienstzeiten im Rahmen der Ermessensentscheidung nach Art. 22 Satz 4 i.V.m. Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG weder eine Verletzung der Bindungswirkung noch eine unzulässige Umgehung der Entscheidung des Bayerischen Verfassungs-gerichtshofs vom 11. Februar 2015 (Vf. 1-VII-13 – BayVBl 2015, 558) dar, mit der die Vorschrift des Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BayBeamtVG, die eine Anrechnung von sonstigen Versorgungsleistungen, die – wie insbesondere private Betriebsrenten – aufgrund einer Berufstätigkeit zur Versorgung des oder der Berechtigten für den Fall der Erwerbsminderung oder wegen Alters und der Hinterbliebenen für den Fall des Todes bestimmt sind, auf die Versorgungsbezüge vorsah, als unvereinbar mit dem Alimentationsprinzip (Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV) und deshalb für nichtig erklärt wurde.
Ein Verstoß gegen die Bindungswirkung der Entscheidung i.S.d. Art. 29 Abs. 1 VfGHG scheidet schon deshalb aus, weil der Verfassungsgerichtshof darin lediglich über die Vereinbarkeit von Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BayBeamtVG mit Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV zu befinden hatte. Dementsprechend enthalten die tragenden Gründe der Entscheidung auch keine Gerichte und Behörden bindenden Aussagen hinsichtlich Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG, die eine Anwendung dieser Vorschrift im Fall des Klägers verbieten würden.
In der Nichtberücksichtigung der fraglichen Kann-Vordienstzeiten nach Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG liegt aber auch keine unzulässige Umgehung der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, weil der Normzweck der Ruhensvorschriften des Art. 85 BayBeamtVG einerseits und der Berücksichtigungsvorschriften der Art. 19, 20 und 22 Sätze 3 bis 5 i.V.m. Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG andererseits nicht identisch ist. Zwar wird eine Besserstellung von Mischlaufbahn-Beamten regelmäßig bereits durch die Ruhensregelungen vermieden. Liegen deren Voraussetzungen aber nicht vor, muss dem Ziel der Vermeidung einer Besserstellung von Mischlaufbahn-Beamten im Rahmen der Berücksichtigungsvorschriften der Art. 19, 20 und 22 Sätze 3 bis 5 i.V.m. Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG Rechnung getragen werden (vgl. zu §§ 10-12, § 67 Abs. 2 BeamtVG BVerwG, U.v. 19.11.2015 a.a.O. Rn. 20).
Ein Wertungswiderspruch zu Art. 85 BayBeamtVG entsteht hierdurch nicht (BVerwG, U.v. 19.11.2015 a.a.O. Rn. 22). Die Ruhensvorschriften des Art. 85 BayBeamtVG regeln, welche Auswirkungen der Bezug einer Rente i.S.d. Art. 85 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG auf die Versorgungsbezüge hat. Grundgedanke ist dabei die Einheit der öffentlichen Kassen. Der Beamte soll insgesamt von der öffentlichen Hand eine angemessene Versorgung erhalten. Im Grundsatz erfolgt deshalb eine Kappung der Gesamtalimentierung auf im Einzelnen festgelegte Höchstgrenzen, sofern es sich dabei um von der öffentlichen Hand mitfinanzierte Renten i.S.d. Art. 85 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG handelt. Art. 85 BayBeamtVG knüpft damit an tatsächlich bestehende Versorgungsansprüche bzw. -anwartschaften an und begrenzt deren insgesamt zu gewährende Höhe (BVerwG a.a.O. Rn. 23). Art. 19, 20 und 22 Sätze 3 bis 5 i.V.m. Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG regeln dagegen die vorgelagerte Frage, welche nicht im Beamtenverhältnis verbrachten Zeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt werden können. Es geht dabei aber stets um Fiktionen, weil diese Zeiten tatsächlich nie im Beamtenverhältnis erdient worden sind. Die Berücksichtigung im Rahmen von Kann-Vorschriften führt zur Anrechnung der außerhalb des Beamtenverhältnisses verbrachten Arbeitszeiten als Dienstzeit in versorgungsrechtlicher Sicht. Damit soll eine Altersversorgung ermöglicht werden, die derjenigen entspricht, die der Beamte erhalten hätte, wenn er diese Vordienstzeiten bereits im Beamtenverhältnis verbracht hätte (BVerwG a.a.O. Rn. 24). Wäre der Betroffene schon in dieser Phase Beamter gewesen, hätte er indes i.d.R. aber keine anderweitigen Rentenansprüche erwerben können. Für die Doppelberücksichtigung der nicht im Beamtenverhältnis verbrachten Vordienstzeiten ist ein Sachgrund aber nicht ersichtlich (BVerwG a.a.O. Rn. 25). Hingegen bezweckt Art. 85 BayBeamtVG die Vermeidung einer Doppelversorgung aus öffentlichen Kassen. Dies ist ein anderer Gesichtspunkt als die Gleichstellung des Mischlaufbahn-Beamten mit „Nur-Beamten“ (BVerwG a.a.O. Rn. 26).
Daran ändert nichts, dass die Betriebsrente des Klägers laut Gesetzesbegründung zu Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG (vgl. LT-Drs. 16/3200 S. 468 f.) der Ruhensregelung des Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 BayBeamtVG unterlegen wäre, da – wie dargelegt – mit Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG ein anderer Gesetzeszweck als mit Art. 85 Abs. 1 BayBeamtVG verfolgt wird. Die Behauptung, Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG würde ausschließlich Versorgungsleistungen aus EU-Mitgliedstaaten erfassen, trifft nicht zu, da es sich hierbei – wie die Bezugnahme auf die bisherige Verwaltungspraxis zeigt – nur um einen beispielhaft genannten Anwendungsfall für die Vorschrift handelt.
Durch Nichtberücksichtigung von Kann-Vordienstzeiten, aufgrund derer der Beamte private Versorgungsleistungen erhält, die zusammen mit der übrigen Versorgung die Höchstgrenze des Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG übersteigen, wird das Alimentationsprinzip auch nicht verfassungswidrig eingeschränkt. Die Berücksichtigung von Kann-Vordienstzeiten als ruhegehaltfähige Dienstzeit, die sich versorgungserhöhend auswirkt, ohne dass insoweit eine Gegenleistung durch den Beamten erbracht wird, ist verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten. Demgemäß konnte der Gesetzgeber die Anrechenbarkeit von Kann-Vordienstzeiten als Ermessensregelung ausgestalten, die nach Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG zudem unter dem Regelvorbehalt („soll“) der Nichtüberschreitung der Höchstgrenze nach Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG durch die Gesamtversorgung des Beamten steht (BayVerfGH, E.v. 6.12.2017 – Vf. 15-VII-13 – Rn. 54). Zwar ist der durch Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV geschützte Grundsatz, dass die Ruhegehaltsbezüge die Zahl der Dienstjahre widerspiegeln müssen, verletzt, wenn der Beamte wegen der Anrechnung anderer privater Versorgungsleistungen weniger als 100% der von ihm erdienten Versorgung vom Dienstherrn erhält, weil Zeiten bei privaten Arbeitgebern nicht ruhegehaltserhöhend berücksichtigt werden (BayVerfGH, E.v. 11.2.2015 a.a.O. juris Rn. 57). Dies ist – wie unter 1.1 ausgeführt – hier aber nicht der Fall. Der Kläger wird infolge der Anrechnung der privaten Betriebsrente im Rahmen des Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG lediglich so gestellt wie ein „Nur-Beamter“, der sich eine entsprechende Versorgung erdient hat.
(2) Entgegen der Auffassung des Klägers kommt Art. 85 BayBeamtVG auch keine „Sperrwirkung“ zu, wonach Vorsorgeleistungen, die von Art. 85 BayBeamtVG nicht erfasst sind, auch im Rahmen des Art. 24 Abs. 4 BayBeamtVG nicht berücksichtigt werden dürften. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 19. November 2015 (a.a.O. Rn. 28) vielmehr ausdrücklich nicht an der gegenteiligen Aussage im Urteil vom 26. Januar 2012 (Az. 2 C 49.10 – juris Rn. 26) festgehalten. Damit ist auch die vom Kläger herangezogene entgegenstehende Rechtsprechung (OVG NRW, U.v. 12.12.2012 – 3 A 533/10; VG München, U.v. 21.12.2015 – 12 K 14.5686) überholt. Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass es in den Fällen zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen könne, in denen der private Arbeitgeber dem Beamten eine höhere Vergütung zahle, um diesem den Aufbau einer privaten Altersvorsorge zu ermöglichen (vgl. OVG NRW a.a.O. Rn. 92), ist ihm entgegen zu halten, dass es sich auch in diesen Fällen um eine durch den Arbeitgeber finanzierte private Altersversorgung handeln würde, die zu berücksichtigen wäre.
2. Besondere rechtliche Schwierigkeiten werden mit dem pauschalen Hinweis darauf, dass die Rechtsfrage,
ob im Rahmen der Ermessensausübung nach Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 19, 20 und 22 Sätze 3 bis 5 BayBeamtVG grundsätzlich anrechenbare Vordienstzeiten eines Beamten deshalb nicht angerechnet werden, da in dieser Zeit Ansprüche auf private Versorgungsleistungen erworben wurden, die über Art. 85 Abs. 1 BayBeamtVG jedoch nicht berücksichtigt werden dürfen,
ungeklärt sei, nicht in einer dem Darlegungserfordernis des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genügenden Weise geltend gemacht. Im Übrigen ist diese Frage nach dem unter 1. Ausgeführten in der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.
3. Gleiches gilt für die vom Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig angesehene Frage, ob es rechtlich zutrifft,
dass im Rahmen der Ermessensausübung nach Art. 24 Abs. 4 i.V.m. Art. 19, 20 und 22 Sätze 3 bis 5 BayBeamtVG grundsätzlich anrechenbare Vordienstzeiten eines Beamten deshalb nicht angerechnet werden, da in dieser Zeit Ansprüche auf private Versorgungsleistungen erworben wurden, die über Art. 85 Abs. 1 BayBeamtVG jedoch nicht berücksichtigt werden dürfen.
4. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 10.4 Streitwertkatalog (zweifacher Jahresbetrag des Unterschieds zwischen gewährtem und begehrtem Ruhegehalt, wie Vorinstanz).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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