Arbeitsrecht

Anspruch auf Berufsausbildungsförderung bei doppelter Staatsangehörigkeit

Aktenzeichen  B 3 K 17.740

Datum:
1.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24015
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG § 1, § 2, § 7 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Bei einem Studium der Rechtswissenschaften in Polen handelt es sich um eine Ausbildung nach § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BAföG. (Rn. 30 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Fachrichtung ist ein durch Lehrpläne, Ausbildungsordnungen (Studienordnungen), Ordnungen und/oder Prüfungsordnungen geregelter Ausbildungsgang, der auf einen bestimmten berufsqualifizierenden Abschluss oder ein bestimmtes Ausbildungsziel ausgerichtet ist und für den in der Regel die Mindestdauer sowie Zahl und Art der Unterrichtsveranstaltungen (Lehrveranstaltungen) festgelegt sind. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Vortrag eines polnischen Studierenden, die statusrechtliche Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit im Jahre 2016 habe ihn zu einer Neuorientierung seiner berufsfachlichen Lebensplanung veranlasst, so dass er sich nunmehr entschlossen habe, deutsches Recht unter Verzicht auf ein weiteres rechtswissenschaftliches Studium in Polen zu studieren, rechtfertigt nicht die Annahme eines wichtigen Grundes für einen Fachrichtungswechsel. (Rn. 38 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die polnischen Gesetze „Ustawa z dnia 8 grudnia 2017 r. o Sądzie Najwyższym“ (Gesetz v. 8.12.2017 über das Oberste Gericht) und „Ustawa z dnia 28 stycznia 2016 r. – Prawo o prokuraturze“ (Gesetz v. 28.1.2016 – Recht über die Staatsanwaltschaft), wonach Richter, Gerichtsassessoren und Staatsanwälte die ausschließliche polnische Staatsbürgerschaft nachweisen müssen, verstoßen gegen Art. 18 AEUV, indem sie Unionsbürger, die neben der polnischen auch noch eine weitere europäische Staatsbürgerschaft haben, diskriminieren. Sie sind damit europarechtswidrig und nicht anwendbar und können daher auch keinen wichtigen Grund für einen Fachrichtungswechsel begründen. (Rn. 41, 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, weil der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Gewährung von Ausbildungsförderung hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Ein Anspruch auf Ausbildungsförderung nach § 1 BAföG ist gegeben, wenn der Kläger die persönlichen Voraussetzungen nach den §§ 8 ff. BAföG erfüllt und kein Ausschluss der Förderung nach § 7 BAföG vorliegt.
Der Kläger gehört als Deutscher nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 BAföG zum leistungsberechtigten Personenkreis des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und die Aufnahme eines Studiums der Rechtswissenschaften zählt zu den förderfähigen Ausbildungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG.
Allerdings ist die Förderung seines Studiums der deutschen Rechtswissenschaften nach § 7 Abs. 3 BAföG ausgeschlossen. Der Kläger hat bereits eine Ausbildung nach § 7 Abs. 1 BAföG vom 01.10.2012 bis 30.09.2014 an der …Universität L … und anschließend vom 01.10.2014 bis 30.09.2017 an der …Universität P … in der Fachrichtung Recht mit dem Abschluss Diplom begonnen (1.), anschließend die Fachrichtung gewechselt, um an der Universität B … eine neue Ausbildung zu beginnen (2.), wobei für diesen Wechsel nicht die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 3 BAföG vorgelegen haben (3.).
1. Bei dem Studium der Rechtswissenschaften des Klägers in Polen handelte es sich um eine Ausbildung nach § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BAföG. Es war nach Inhalt und Ziel des dortigen Lernprogramms und Lehrangebots eine Ausbildung, die ihm einen berufsqualifizierenden Abschluss im Sinne des § 7 Abs. 1 BAföG vermittelt hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.10.1978 – Az. 5 B 68/78, Buchholz 436.36 § 7 BAföG Nr. 10).
Dem steht nicht entgegen, dass die in Polen absolvierte Ausbildung nicht nach §§ 2 und 3 BAföG förderfähig gewesen wäre (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, § 7 Rn. 47). Wurde die vorangegangene Ausbildung an einer Ausbildungsstätte im Ausland durchgeführt, kommt es darauf an, ob die dort besuchte Ausbildungsstätte den in § 2 Abs. 1, 2 und 3 BAföG bezeichneten, im Inland gelegenen Ausbildungsstätten i.S.v. § 5 Abs. 4 BAföG gleichwertig ist (BVerwG, Urteil vom 04.12.1997 – Az. 5 C 28/97). Sowohl die …Universität L … als auch die …Universität P … entsprechen grundsätzlich als Ausbildungsstätten den Hochschulen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG. Keine Rolle spielt es dabei, dass diese Ausbildungsstätten nicht im Förderbereich des BAföG liegen.
Die Gleichwertigkeit der Ausbildung wird auch dadurch belegt, dass das polnische Studium des Klägers in das Erasmus-Stipendienprogramm der EU einbezogen ist. Die spezifische besondere Fachkunde des Erasmus-Programms hinsichtlich der Ausbildungssysteme in den Zielstaaten seines Stipendienprogramms rechtfertigt es, ohne weiteres die erforderliche Gleichwertigkeit für die Ausbildung zu bejahen (Rothe/Blanke, BAföG, § 5 Rn. 18).
Auch die Tatsache, dass eine Anrechnung der erbrachten Prüfungsleistungen in Polen an der deutschen Universität nicht erfolgen konnte, spricht nicht gegen eine Gleichwertigkeit der Ausbildungsstätten. Die fehlende Anrechenbarkeit stellt lediglich ein Indiz für eine Ungleichwertigkeit dar, welches hier aber aufgrund der Natur des betriebenen Studiums nicht durchschlagen kann. Das Studium der Rechtswissenschaften ist keines genereller Natur, sondern stark geprägt von der jeweiligen nationalen Rechtsordnung, so dass die Anrechnung von Prüfungsleistungen aus anderen Rechtsordnungen schon deshalb nicht möglich ist. Demnach bestehen keine Zweifel daran, dass das polnische Studium der Rechtswissenschaften einem solchen in Deutschland gleichwertig ist.
2. Es handelt sich bei dem jetzigen Studium der Rechtswissenschaften des Klägers nicht um eine bloße Fortsetzung des polnischen Jurastudiums, sondern um eine andere Ausbildung im Sinne des § 7 Abs. 3 BAföG. Somit lag ein Fachrichtungswechsel vor.
Der Kläger hat das polnische Studium der Rechtswissenschaften im Sinne des § 7 Abs. 3 BAföG abgebrochen, als er zum Wintersemester 2017/2018 das Studium an der Universität B … begann. Dies zeigt sich daran, dass der Kläger keine seiner bisherigen Studienleistungen auf sein neues Studium anrechnen lassen konnte. Damit nahm der Kläger im Wintersemester 2017/2018 eine neue Ausbildung auf, die zwar wiederum die Bezeichnung „Studium der Rechtswissenschaften“ trägt, jedoch inhaltlich eine neue Fachrichtung darstellt. Nach der Definition in Tz 7.3.2 BAföG VwV ist eine Fachrichtung ein durch Lehrpläne, Ausbildungsordnungen (Studienordnungen), Ordnungen und/oder Prüfungsordnungen geregelter Ausbildungsgang, der auf einen bestimmten, berufsqualifizierenden Abschluss oder ein bestimmtes Ausbildungsziel ausgerichtet ist und für den in der Regel die Mindestdauer sowie Zahl und Art der Unterrichtsveranstaltungen (Lehrveranstaltungen) festgelegt sind. Bei Anwendung dieser Kriterien kann es keinem Zweifel unterliegen, dass es sich bei dem polnischen und dem deutschen Jurastudium um zwei völlig verschiedene Ausbildungsgänge mit in wesentlichen Teilen anders geartetem Lernstoff handelt, weil die Studieninhalte maßgeblich von der nationalen Rechtsordnung geprägt werden.
3. Somit hat der Kläger nach § 7 Abs. 3 BAföG nur dann einen Anspruch auf Ausbildungsförderung für sein Studium in Deutschland, wenn er aus wichtigem (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG) oder aus unabweisbarem (§ 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG) Grund die vorangegangene Fachrichtung gewechselt hat; bei Auszubildenden an Höheren Fachschulen, Akademien und Hochschulen ist der Wechsel aus wichtigem Grund jedoch nur bis zum Beginn des vierten Fachsemesters möglich.
3.1 Der Kläger hat keinen den Fachrichtungswechsel rechtfertigenden wichtigen Grund vorgetragen, so dass nicht darüber entschieden werden musste, ob der Wechsel unverzüglich oder rechtzeitig vor dem vierten Fachsemester erfolgte. Nach Tz 7.3.7 BAföG VwV ist ein wichtiger Grund für einen Abbruch der Ausbildung oder Wechsel der Fachrichtung nur gegeben, wenn dem Auszubildenden die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung nach verständigem Urteil unter Berücksichtigung aller im Rahmen des Gesetzes erheblichen Umstände einschließlich der mit der Förderung verbundenen persönlichen und öffentlichen Interessen nicht mehr zugemutet werden kann.
Der Kläger hat hierzu angegeben, die statusrechtliche Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit im Juli 2016 habe ihn zu einer Neuorientierung seiner berufsfachlichen Lebensplanung veranlasst, so dass er sich nunmehr entschlossen habe, deutsches Recht unter Verzicht auf ein weiteres rechtswissenschaftliches Studium in Polen zu studieren.
Diese Motivation rechtfertigt bei Anlegung der von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze zur Auslegung des § 7 Abs. 3 BAföG (vgl. BVerwG, Urteil vom 09. 07.1976 – Az. VII A 1/76) nicht die Annahme eines wichtigen Grundes für den Fachrichtungswechsel. Nach Tz 7.3.16 BAföG kann eine Tatsache nur dann als wichtiger Grund beachtlich sein, wenn sie dem Auszubildenden vor Aufnahme der bisher betriebenen Ausbildung nicht bekannt war oder in ihrer Bedeutung nicht bewusst sein konnte.
Die Möglichkeit der Anerkennung seiner deutschen Staatsangehörigkeit hatte für den Kläger spätestens seit dem Jahr 2007 bestanden. Seinen Großeltern väterlicherseits wurde bereits 2002 die deutsche Staatsangehörigkeit bestätigt. Durch die Ausarbeitung des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 wurde Art. 30 StAG neu gefasst. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 StAG ist die Feststellung zum Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit in allen Angelegenheiten verbindlich, für die sie rechtserheblich ist. Damit entfaltet die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit der Großeltern des Klägers seit 2007 Bindungswirkung auch für das statusrechtliche Verfahren des Klägers. Er hätte demnach seit dem Jahr 2007 seine deutsche Staatsbürgerschaft anerkennen lassen und somit auch zum Wintersemester 2012/2013 das Studium in Deutschland als Deutscher nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 BAföG und damit zum leistungsberechtigten Personenkreis des BAföG gehörend, beginnen können. Damit ist seine Situation gerade nicht mit dem durch das BVerwG (Urteil vom 10.04.2008 – Az. 5 C 12/07) entschiedenen Fall vergleichbar, da er bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt hatte, seine deutsche Staatsangehörigkeit feststellen zu lassen, wohingegen die Ehe mit einem Deutschen (wie in der oben genannten Entscheidung) kein einseitig beeinflussbares und vorverlagerungsfähiges Ereignis darstellt.
Zum anderen hat der Kläger angegeben, er könne nunmehr als Doppelstaatler keinen Beruf im polnischen öffentlichen Dienst ausüben. Nach dem „Ustawa z dnia 8 grudnia 2017 r. o Sądzie Najwyższym“ (Gesetz vom 08.Dezember 2017 über das Oberste Gericht) und dem „Ustawa z dnia 28 stycznia 2016 r. – Prawo o prokuraturze“ (Gesetz vom 28. Januar 2016 – Recht über die Staatsanwaltschaft) müssen Richter, Gerichtsassessoren und Staatsanwälte die ausschließliche polnische Staatsbürgerschaft nachweisen. Als Doppelstaatler ist dem Kläger dieses Berufsfeld demnach nunmehr verschlossen.
Allerdings stellt auch dies keinen wichtigen Grund für den Fachrichtungswechsel dar. Das „Berufsverbot“ für Doppelstaatler gilt nämlich nicht generell, sondern nur für die in den Gesetzen genannten Berufsfelder, also für die Staatsanwaltschaft und für die Richter. Mit der Ausbildung der Rechtswissenschaften in Polen stehen dem Kläger trotz der neuen Gesetze noch immer eine Vielzahl von beruflichen Möglichkeiten offen, die es ihm zumutbar machen, seine Ausbildung fortzusetzen. So haben polnische Absolventen grundsätzlich die Wahl, ein Referendariat in den Bereichen Rechtsanwalt, Rechtsberater, Justiziar, als Notar oder aber in der Richterschaft/Staatsanwaltschaft zu beginnen. Da der Einstieg in ein solches Referendariat jedoch reglementiert wird und von dem Bestehen einer Aufnahmeprüfung abhängt, geht ein Teil der Absolventen auch ohne Referendariat in Unternehmen, in Großkanzleien oder zum großen Teil in die öffentliche Verwaltung.
Im Jahr 2016 gab es in Polen 6.220 Absolventen der Rechtswissenschaften allein an öffentlichen Universitäten (Quelle: BDL GUS: https://bdl.stat.gov.pl/BDL/dane/podgrup/tablica, Stand 02.03.2018), wovon 2017 insgesamt 280 ein Referendariat als Richter oder Staatsanwalt beginnen konnten (140 Plätze für das Referendariat als Richter, 140 Plätze für das Referendariat als Staatsanwalt; Quelle: https://www.kssip.gov.pl/node/5061), also weniger als 5%. Von einem umfassenden Verbot für die juristische Berufstätigkeit des Klägers in Polen, die ihm die Fortsetzung seiner begonnenen Ausbildung unzumutbar machen könnte, kann damit nicht die Rede sein, wenn ihm eine juristische Tätigkeit versagt wird, die nur 5% der Absolventen offen steht.
Darüber hinaus verstoßen die oben genannten Gesetze gegen Art. 18 AEUV, indem sie Unionsbürger, die neben der polnischen auch noch eine weitere europäische Staatsbürgerschaft haben, diskriminieren. Sie sind damit europarechtswidrig und nicht anwendbar und können daher keinen wichtigen Grund für den Kläger begründen.
Zudem muss bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, also ob die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung nach verständigem Urteil unter Berücksichtigung aller im Rahmen des Gesetzes erheblichen Umstände nicht mehr zugemutet werden kann, eine Güter- und Interessenabwägung erfolgen. In deren Rahmen muss berücksichtigt werden, dass der Kläger bereits 5 Jahre in Polen für das Studium eingeschrieben war und damit trotz zweier Erasmus-Semester in Deutschland kurz vor seinem Abschluss stand, da das Jurastudium in Polen 5 Studienjahre als Regelstudienzeit umfasst. Damit verletzt er seine Obliegenheit zur verantwortungsbewussten, vorausschauenden und umsichtigen Planung sowie zur zügigen, zielstrebigen Durchführung seiner Ausbildung. Es fehlte ihm nur noch ca. ein Jahr bis zum voraussichtlichen Abschluss seines Studiums in Polen, während er in Deutschland mit seiner Ausbildung noch einmal ganz von vorne beginnen und weitere neun Semester Regelstudienzeit an der Universität B … studieren muss.
3.2 Auch ist kein unabweisbarer Grund gegeben, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann vorliegt, wenn eine Wahl zwischen der Fortsetzung der bisherigen Ausbildung und ihrem Abbruch oder dem Überwechseln in eine andere Fachrichtung nicht besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.02.2004 – Az. 5 C 6/03). Um zu klären, ob ein solcher Umstand vorliegt, ist eine Interessen- und Güterabwägung durchzuführen, in deren Rahmen es schlechterdings unerträglich erscheinen muss, den Auszubildenden unter den gegebenen Umständen an der zunächst aufgenommenen Ausbildung fest zu halten (Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG, § 7 Rn. 81)
Dies ist hier nicht ersichtlich, vor allem ist kein unabweisbarer Grund dadurch gegeben, dass das polnische Studium der Rechtswissenschaften den Kläger lediglich zur Berufsausübung in Polen befähigt hätte. Vielmehr hat der Kläger ein Studium der polnischen Rechtswissenschaften aufgenommen, mit dem Ziel in Polen als Jurist tätig zu sein und er hätte dieses Ziel auch erreichen können. Anhaltspunkte dafür, dass ihm die Fortsetzung dieser Ausbildung im Hinblick auf das damit angestrebte Ziel unmöglich ist, sind nicht zu erkennen. Zwar führt seine auch deutsche Staatsangehörigkeit nunmehr dazu, dass er nicht mehr in der polnischen Justiz tätig sein kann; im Übrigen ist die Tätigkeit als Jurist in Polen jedoch vielfältig und umfasst eine Vielzahl an denkbaren Einsetzungsgebieten, unter anderen als Rechtsanwalt oder Unternehmensjurist (s.o.).
4. Der Kläger kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, dass der Beklagte § 7 Abs. 2 Satz 2 BAföG nicht ausreichend geprüft hätte, da dessen Anwendungsbereich bereits nicht eröffnet ist. Dieser umfasst ausschließlich eine weitere Ausbildung nach abgeschlossener Erstausbildung (Rothe/Blanke, BAföG, 5. Auflage 2016, § 7 Rn. 22). Hier hat der Kläger sein Studium in Polen aber nicht abgeschlossen, sodass § 7 Abs. 2 BAföG nicht anwendbar ist und sich eine eingehende Prüfung durch den Beklagten erübrigte.
4. Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 188 Satz 2 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

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