Arbeitsrecht

Anspruch auf Erholungsurlaub während der Mutterschutzfrist und Elternzeit

Aktenzeichen  34 Ca 745/18

Datum:
19.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 57764
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BEEG § 17 Abs. 4
MuSchG § 24
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 a,  § 46 Abs. 1

 

Leitsatz

Durch Beschäftigungsverbote verursachte Ausfallzeiten müssen zum Zwecke der Berechnung des Urlaubsanspruchs als tatsächliche Beschäftigungszeiten gezählt werden (vgl. Erfurter Kommentar § 24 MuSchG, Rn 1). Nach § 24 Satz 2 MuSchG kann der Urlaub, wenn er vor dem Beschäftigungsverbot nicht oder nicht vollständig erhalten wurde, nach dem Ende des Beschäftigungsverbotes von der Arbeitnehmerin als Resturlaub im Laufe des Urlaubsjahres oder im nächsten Urlaubsjahr genommen werden. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.486,15 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2017 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 1/10, die Beklagte zu 9/10.
4. Der Streitwert wird auf € 13.799,50 festgesetzt.

Gründe

I.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben (§ 46 Abs. 1 ArbGG i. V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG. Das Arbeitsgericht München ist örtlich zuständig (§ 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 12, 17 ZPO). Die Klage ist zulässig.
II.
Die Klage ist in Höhe von €1.486,15 brutto begründet, da die Klägerin für 14 Tage ihren Anspruch innerhalb der Verfallsfristen geltend gemacht hat. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
1. Grundsätzlich hat die Klägerin nach § 24 MuSchG sowie § 17 Abs. 4 BEEG Anspruch auf Erholungsurlaub während der Mutterschutzfrist und Elternzeit und Abgeltung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Durch Beschäftigungsverbote verursachte Ausfallzeiten müssen zum Zwecke der Berechnung des Urlaubsanspruchs als tatsächliche Beschäftigungszeiten gezählt werden (vgl. Erfurter Kommentar § 24 MuSchG, Rn 1). Nach § 24 Satz 2 MuSchG kann der Urlaub, wenn er vor dem Beschäftigungsverbot nicht oder nicht vollständig erhalten wurde, nach dem Ende des Beschäftigungsverbotes von der Arbeitnehmerin als Resturlaub im Laufe des Urlaubsjahres oder im nächsten Urlaubsjahr genommen werden. Schließt sich die Elternzeit unmittelbar an, ist der Urlaub nachfolgend gemäß § 17 Abs. 2 BEEG zu gewähren. Die Schutzfristen bestehen vor und nach der Entbindung nach § 3 Abs. 1 und 3 MuSchG insgesamt in Höhe von 12 Wochen. Nach § 17 Abs. 2 BEEG ist der Urlaub der vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig gewährt wurde, als Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren. Nach § 17 Abs. 3 BEEG ist der Urlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wenn er während der Elternzeit oder im Anschluss an die Elternzeit nicht gewährt werden konnte, abzugelten. Nach § 17 Abs. 1 BEEG kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht jedoch keine Kündigungsmöglichkeit mehr.
Hier kann unentschieden bleiben, ob der Klägerin wie von der Beklagten behauptet, ein Kürzungsschreiben vom 21.10.2013 zuging, sowie, ob dieses nur bezüglich der Elternzeit für das erste Kind gilt oder sich auch auf die sich anschließende zweite Elternzeit bezog, denn der Geltendmachung des Anspruches steht § 10 des Arbeitsvertrages mit der der darin geltenden Ausschlussfrist entgegen.
Nach § 10 Nr. 1 des Arbeitsvertrages sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben wurden. Der Abgeltungsanspruch entstand mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2017. Die Dreimonatsfrist endet daher mit dem 30.11.2017. Einer Wirksamkeit der Ausschlussfrist steht auch nicht eine Hinweispflicht des Arbeitgebers auf Urlaubsansprüche entgegen, da hier der Abgeltungsanspruch als Zahlungsanspruch Streitgegenstand ist.
Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit (vgl. Erfurter Kommentar zu §§ 194 bis 218, § 218 Rn. 32). Der Schuldner soll binnen einer angemessenen Frist darauf hingewiesen werden, welche Ansprüche gegen ihn noch geltend gemacht werden. Er soll sich darauf verlassen können, dass nach Fristablauf keine Ansprüche mehr gegen ihn erhoben werden. Der Ablauf der Ausschlussfrist führt zum Erlöschen eines nicht fristgerecht geltend gemachten Anspruchs. Geltendmachung heißt, die andere Seite zur Erfüllung eines bestimmten Anspruchs aufzufordern (vgl. Erfurter Kommentar, siehe oben, Rn 59). Der Schuldner muss erkennen können, um welchen Anspruch es sich handelt. Deshalb muss jede Forderung grundsätzlich nach Grund und Höhe sowie den Zeitraum, für den sie verfolgt wird, deutlich gemacht werden. Hier hat sich die Klägerin in ihrer Geltendmachung deutlich für 14 Urlaubsanspruch aus sechs Monaten Mutterschutzfrist entschieden. Die Beklagte musste darüber hinaus nicht damit rechnen, dass Ansprüche aus der Elternzeit geltend gemacht werden.
Die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist ist wirksam, ihr steht § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nach der Rechtsprechung des BAG zur Kollision von Ausschlussfristen und Mindestlohn (vgl. BAG, Urteil vom 18.09.2018 – 9 AZR 162/18) nicht entgegen, da der Arbeitsvertrag der Parteien vor dem 31.12.2014 und damit von der Einführung des Mindestlohngesetztes abgeschlossen wurde.
Innerhalb dieser wirksamen Frist hat die Klägerin mit ihrer Mail vom 25.10.2017 einen Urlaubsabgeltungsanspruch von 14 Tage geltend gemacht.
Darüber hinaus sind die Ansprüche der Klägerin verfallen. 14 Tage entsprechen einem Urlaubsabgeltungsanspruch von € 1.486,15 brutto bei einem täglichen Abgeltungsanspruch von € 106,15 brutto bezogen auf einen Monatslohn in Höhe von € 2.300,00 brutto. In dieser Höhe war der Klageantrag zuzusprechen, im Übrigen abzuweisen.
III.
Die Parteien tragen die Kosten des Rechtsstreits soweit sie unterlegen sind. Der Streitwert ist in Höhe des geltend gemachten Betrages nach § 3 ZPO festzusetzen. Beide Parteien können gegen diese Entscheidung Berufung zum Landesarbeitsgericht München nach der beiliegenden Rechtsmittelbelehrung einlegen.

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