Arbeitsrecht

Anspruch auf Nachzahlung von rechtswidrig vorenthaltenen beamtenrechtlichen Dienstbezügen

Aktenzeichen  M 21 K 17.2886

Datum:
29.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 719
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 57 Abs. 2, § 75 S. 1 u. 2
BBesG § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 S. 1, § 12 Abs. 2 S. 2
BGB § 195, § 199 Abs. 4, § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1
BeamtVG § 52 Abs. 2 S. 2
ZPO § 222 Abs. 1 u. 2
BBG § 126

 

Leitsatz

1 Für beamtenrechtliche Besoldungsansprüche gilt seit dem 1.1.2002 die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2 Zur Bestimmung des Haftungsmaßstabs im Fall von Unterzahlungen kann auf die umfangreiche Judikatur zu den Fällen der Überzahlung von Dienstbezügen zurückgegriffen werden. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Verwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Beides ist hier der Fall.
Das Gericht hält an der im vorbereitenden Verfahren angedeuteten Rechtsauffassung, dass die Klage schon unzulässig sei, weil das nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BBG erforderliche Widerspruchsverfahren vorliegend offensichtlich nicht durchgeführt worden sei und die anwaltlich vertretene Klagepartei trotz mehrfacher gerichtlicher Hinweise bis zur gerichtlichen Entscheidung nichts zur Behebung dieser Sachurteilsvoraussetzung unternommen habe, nicht mehr fest. Aufgrund des seit der Vorlage der Behördenakte möglichen genauen Aktenstudiums stellt sich die Rechtslage vielmehr so dar, dass die Klage nach § 75 Satz 1 VwGO als Untätigkeitsklage zulässig ist, weil die Beklagte über den von der Klägerin durch ihre Bevollmächtigten spätestens mit dem Schreiben vom 23. Januar 2017 eingelegten Widerspruch bis zum Ablauf der dreimonatigen Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO ohne zureichenden Grund nicht mit einem förmlichen Widerspruchsbescheid, welcher den Anforderungen des § 73 Abs. 3 VwGO genügen müsste, entschieden hat. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Anspruch auf Nachzahlung von rechtswidrig vorenthaltenen beamtenrechtlichen Dienstbezügen im Sinne von § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 BBesG. Dieser Anspruch entsteht wegen der strengen Gesetzesbindung der Beamtenbesoldung (§ 2 Abs. 1 BBesG) kraft Gesetzes, es bedarf dazu also keiner Festsetzung durch Verwaltungsakt. Dementsprechend sind Bezügemitteilungen keine Verwaltungsakte, sondern, wie ihr Name auch sagt, bloße Mitteilungen über gesetzlich entstandene oder künftig entstehende Ansprüche. Zutreffende Klageart zur gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen auf Nachzahlung vorenthaltener Besoldung ist daher in der Regel die allgemeine Leistungsklage; in manchen Fällen kann ausnahmsweise eine Feststellungsklage zulässig sein.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist hierzu geklärt, dass Beamte vor Erhebung einer allgemeinen Leistungsklage oder einer Feststellungsklage die begehrte Leistung nicht zuvor bei ihrem Dienstherrn zu beantragen brauchen. Der nach § 126 Abs. 2 Satz 1 BBG (früher: § 126 Abs. 3 BRRG) vorgeschriebene Widerspruch kann unmittelbar auch gegen Handlungen des Dienstherrn erhoben werden, die keine Verwaltungsakte sind (BVerwG vom 28.06.2001 – 2 C 48.00 – BVerwGE 114, 350 = DokBer B 2001, 295 = ZTR 2001, 578 = DÖV 2001, 1042 = Buchholz 230 § 126 BRRG Nr. 21 = NVwZ 2002, 97 = PersV 2002, 23 = BayVBl 2002, 53 = DVBl 2002, 196 = ZBR 2002, 93 = IÖD 2002, 4 = DÖD 2002, 217 = RiA 2003, 145). Daraus folgt, dass der Dienstherr wiederum die begehrte Leistung vor Einlegung eines Widerspruchs nicht mit einem förmlichen, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehenen schriftlichen Verwaltungsakt abgelehnt zu haben braucht. Vielmehr kann der Dienstherr auch mit einer formlosen Mitteilung und sogar konkludent durch bloße Untätigkeit zum Ausdruck bringen, dass er die begehrte Leistung nicht erbringen werde.
Auf der Grundlage dieser Rechtslage ist das Gericht der Auffassung, dass an die Widerspruchseinlegung im vorliegenden Einzelfall derart geringe Anforderungen zu stellen waren, dass spätestens das Schreiben der Klagepartei vom 23. Januar 2017, welches mit einer Klageandrohung schließt, als Widerspruchseinlegung zu werten ist. Denn nachdem die Beklagte bereits in ihrer ersten Äußerung vom 7. November 2016 unter eingehender Darstellung der Rechtslage die – bereits damals hinreichend (auch zeitlich) konkretisierte – Nachalimentierung der Klägerin für die vor dem 1. Januar 2013 fällig gewordene Besoldungsdifferenz unmissverständlich abgelehnt und diese Ablehnung in den Schreiben vom 20. Dezember 2016 und 15. Februar 2017 noch zweimal ebenso entschieden bestätigt hat, genügte zur Widerspruchseinlegung im vorliegenden Fall eine bloße schriftliche, nicht weiter zu konkretisierende Erklärung der Klägerin, dass sie dies nicht hinnehmen werde. Da dieser Erklärungsinhalt dem Schreiben vom 23. Januar 2017 zu entnehmen ist, lief im vorliegenden Fall die Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO am 24. Januar 2017 an und nach § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB am Montag, den 24. April 2017 ab, so dass die am 13. Juni 2017 erhobene Klage von Anfang an zulässig war.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Nachzahlung der im Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis 30. September 2012 vorenthaltenen Differenz zwischen der gewährten Besoldung aus der Besoldungsgruppe A9 und der zustehenden Besoldung aus der Besoldungsgruppe A15. Die diese Leistungen ablehnenden (formlosen) Bescheide des DPMA vom 7. November 2016, 20. Dezember 2016 und 15. Februar 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 VwGO).
Die Beklagte kann sich erfolgreich auf die Verjährung der streitigen Ansprüche berufen.
Für beamtenrechtliche Besoldungsansprüche gilt seit dem 1. Januar 2002 die regel-mäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren, die nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem (1.) der Anspruch entstanden ist und (2.) der Gläubiger – hier die Klägerin – von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müsste. An der Verjährbarkeit von Besoldungsansprüchen hat sich durch die Neuregelung der Verjährungsvorschriften durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl I S. 3138) nichts geändert (BVerwG vom 15.06.2006 – 2 C 14.05 – ZBR 2006, 347 = IÖD 2006, 248 = ZTR 2006, 619 = DokBer 2006, 328 = Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 12 = Schütz/Maiwald BeamtR ES/C I 1 Nr. 23). Der Dienstherr ist nicht nur berechtigt, sondern nach dem Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 der Bundeshaushaltsordnung) grundsätzlich auch verpflichtet, gegenüber Besoldungs- und Versorgungsansprüchen die Einrede der Verjährung geltend zu machen. Damit wird dem Rechtsfrieden wie auch möglichen Beweisschwierigkeiten Rechnung getragen, ohne dass der Grundsatz der Alimentationspflicht prinzipiell in Frage gestellt wird (BVerwG, ebenda).
Das Gericht geht hinsichtlich der erst im zeitlichen Geltungsbereich des neuen Ver-jährungsrechts gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderlichen Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Anspruchs für den Anlauf der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB am Schluss des jeweiligen Anspruchsentstehungsjahres davon aus, dass bei der Klägerin grob fahrlässige Unkenntnis über die den Anspruch begründenden Umstände sowie die Person des Schuldners vorlag.
Zur Bestimmung des Haftungsmaßstabs kann auf die umfangreiche Judikatur zu den Fällen der Überzahlung von Dienstbezügen, also dem Gegenteil des hier vorliegenden Falls einer Unterzahlung, zurückgegriffen werden. Insoweit ist in der Rechtsprechung geklärt, dass Beamte gemäß § 819 Abs. 1, § 818 Abs. 4 BGB i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG grundsätzlich verschärft für die Rückzahlung überzahlter Dienstbezüge haften, wenn sie dem Dienstherrn eine aus ihren laufenden Besoldungsmitteilungen hervorgehende, zu ihren Gunsten unrichtige Angabe über Besoldungsmerkmale nicht melden; im Fall von Unterzahlungen kann nichts anderes gelten. Nach den genannten Vorschriften ist der Empfänger, der den Mangel des rechtlichen Grundes bei dem Empfang kennt oder ihn später erfährt, von dem Empfang oder der Erlangung der Kenntnis an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre. Der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes der Zahlung steht es gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Ein offensichtlicher Mangel in diesem Sinne liegt nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen dabei vor, wenn ihn der Empfänger nur deshalb nicht erkannte, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in außergewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen, also grob fahrlässig gehandelt hat. Dabei bedeutet „offensichtlich“ nicht „ungehindert sichtbar“. Offensichtlich ist eine Tatsache vielmehr schon, wenn sie der Erkenntnis auch durch andere als optische Wahrnehmung zugänglich ist, insbesondere wenn sie durch Nachdenken, logische Schlussfolgerung oder durch sich aufdrängende Erkundigung in Erfahrung gebracht werden kann (st. Rspr., z.B. BVerwG vom 08.02.1968 – II C 6.67 – ZBR 1968, 183). Offensichtlichkeit im Sinne von § 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG, § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG liegt vor, wenn dem Besoldungs- oder Versorgungsempfänger aufgrund seiner Kenntnisse auffallen muss, dass die ausgewiesenen Beträge nicht stimmen können. Ihm muss sich aufdrängen, dass die Bezügemitteilungen fehlerhaft sind; nicht ausreichend ist es, wenn Zweifel bestehen und es einer Nachfrage bedarf. Nicht erforderlich ist hingegen, dass außerdem die konkrete Höhe der Überzahlung offensichtlich ist (BVerwG vom 26.04.2012 – 2 C 4.11 – juris). Dem Besoldungsempfänger ist aufgrund der beamtenrechtlichen Treuepflicht zuzumuten, die ihm ausgehändigten Grundlagenbescheide und Besoldungsunterlagen auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und auf Überzahlungen zu achten. Er hat nachteilige Folgen zu erwarten, wenn er durch sein Verhalten die an sein eigenes Interesse anknüpfende Erwartung des Dienstherrn enttäuscht und dadurch seine beamtenrechtliche Treuepflicht verletzt, wobei der Umfang der Prüfungspflicht in einem angemessenen Verhältnis zu den ihm eröffneten Besoldungsmerkmalen stehen muss (BVerwG vom 25.11.1982 – 2 C 14.81 – BVerwGE 66, 251 = DVBl 1983, 504 = RiA 1983, 135 = ZBR 1983, 185 = DÖD 1983, 178 = DÖV 1983, 897 = Buchholz 235 § 12 BBesG Nr. 3).
Im vorliegenden Fall erfüllt die Klägerin die in der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für die Annahme grober Fahrlässigkeit bei der Wahrnehmung ihrer Überprüfungspflicht, weil sich ihr aufgrund der Besoldungsmerkmale in den ihr laufend zugegangenen Bezügemitteilungen hätte aufdrängen müssen, dass mit ihren Bezügen etwas nicht stimmen könne. Jedem Beamten, gleich in welcher Laufbahn und in welchem Statusamt er sich befindet, ist ohne Rücksicht auf etwa nicht vorhandene besoldungsrechtliche Spezialkenntnisse zu unterstellen, dass er die Kennzahlen seiner eigenen Besoldungsgruppe und Stufe, ggf. auch andere Grundmerkmale seiner Besoldung wie die Zahl seiner im Familienzuschlag berücksichtigungsfähigen Kinder und die Steuerklasse, in die er eingestuft ist, kennt und einzuordnen weiß (BVerwG vom 29.04.2004 – 2 A 5.03, Rn. 15 – Schütz/Maiwald BeamtR ES/C V 5 Nr. 53 = Buchholz 240 § 12 BBesG Nr. 31). Wenn nun bei der Klägerin unter der Rubrik „TarifGrup“ nicht die Zahl „15“ entsprechend der von ihr bei Wiederantritt ihres Dienstes nach ihrer Beurlaubung innegehabten Besoldungsgruppe, sondern die Zahl „9“ angegeben war, hätte das bei ihr zu der logischen Schlussfolgerung führen müssen, dass Anlass zu einer Überprüfung bestand. Jeder Beamte muss nämlich auch davon ausgehen, dass Gehaltsabrechnungen, die – äußerlich unschwer erkennbar – auf dem Einsatz von EDV-Systemen beruhen, zwar mit falschen Eingangsparametern „gefüttert“ sein können, aber in sich konsistent (logisch folgerichtig) sind, es also z.B. äußerst verwunderlich wäre, wenn die hier bei dem Besoldungsmerkmal „TarifGrup“ angegebene Schlüsselbzw. Kennzahl nicht untrennbar mit der dementsprechenden Tabellenzeile der Bundesbesoldungsordnung A, aus der sich stufenweise das Grundgehalt errechnet, verknüpft wäre. Diese Ungereimtheit einer gegenüber ihrer eigenen Besoldungsgruppe unplausiblen Kennzahl hätte der Klägerin Anlass geben müssen, sogleich die Besoldungsbehörde hierüber zu informieren, was nicht geschehen ist. Die Höhe der daraus resultierenden Unterzahlungen spielt dagegen hinsichtlich der Vernachlässigung der Überprüfungspflicht keinerlei Rolle. Es kommt hier also nicht darauf an, dass die Klägerin ihren Bezügen etwa nicht hat ansehen können, dass sie ihr in der gezahlten Höhe einen wesentlichen Teil der zustehenden Besoldung vorenthielten.
Dies führt grundsätzlich zur Anwendbarkeit des § 195 BGB mit der Folge, dass die in den Jahren 2001 bis 2012 monatsweise fällig gewordenen Ansprüche am 31. Dezember 2015 verjährt waren.
Verjährungshemmende Handlungen hat die Klägerin offensichtlich nicht vorgenommen.
Somit kommt es hier entscheidungserheblich darauf an, ob die Beklagte, obwohl sie haushaltsrechtlich dazu angehalten ist, die Einrede der Verjährung zu erheben, aus Gründen der Fürsorgepflicht oder nach Treu und Glauben ausnahmsweise daran gehindert sein könnte, sich auf die Verjährung zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG vom 15.06.2006, a.a.O.) kann die Geltendmachung der Einrede unter besonderen Umständen des einzelnen Falls als Verstoß gegen Treu und Glauben zu werten und damit unzulässig sein. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung erfordert aber ein qualifiziertes Fehlverhalten des Dienstherrn, das nicht notwendig schuldhaft zu sein braucht, aber angesichts der Umstände des Einzelfalls die Einrede der Verjährung deshalb als treuwidrig erscheinen lässt, weil der Beamte veranlasst worden ist, verjährungshemmende Schritte zu unterlassen. Unerheblich ist, ob der Bedienstete keine Kenntnis von den ihm zustehenden Ansprüchen hatte oder ob er von der rechtzeitigen Geltendmachung bewusst abgesehen hat, weil er nach Treu und Glauben davon ausgehen konnte, der Dienstherr werde sich nicht auf die Verjährung berufen (BVerwG vom 15.06.2006, a.a.O.). Regelmäßige Voraussetzung für den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist, dass der Schuldner eine Tätigkeit entfaltet und Maßnahmen trifft, die den Gläubiger veranlassen, verjährungsunterbrechende Schritte zu unterlassen, sei es auch nur, weil ihm infolge eines solchen Tuns Ansprüche unbekannt geblieben sind; nur zu eigenem Tun wird sich im allgemeinen der Schuldner durch Erhebung der Verjährungseinrede in einen gegen Treu und Glauben verstoßenden Widerspruch setzen können (BVerwG vom 26.01.1971 – VI C 71.65 – Buchholz 232 § 155 BBG Nr. 4; vom 25.11.1982 – 2 C 32.81 – BVerwGE 66, 256 = RiA 1983, 137 = ZBR 1983, 184 = DÖD 1983, 181 = Buchholz 232 § 155 BBG Nr. 8 = NVwZ 1983, 740 = DokBer B 1983, 113).
Diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall anzunehmen, sieht sich das Gericht bei Würdigung aller Umstände außerstande. Die Verjährung hat sich hier ohne eigenes positives Tun des Schuldners vollzogen. Sie ist eingetreten, nachdem die Besoldungsbehörde in durchaus beanstandungswürdiger Weise, die aber als solche den Verjährungseintritt grundsätzlich nicht zu hindern geeignet ist, bereits während der Beurlaubung der Klägerin in das elektronische Bezügeabrechungssystem eine falsche Besoldungsgruppe eingegeben und dies über Jahre hinweg bis zum Eintritt des Versorgungsfalls nicht bemerkt hat. Eine Veranlassung zur Unterlassung verjährungshemmender Schritte kann darin nicht erblickt werden. Die Klägerin kann insoweit nicht einmal damit argumentieren, sie sei von verjährungshemmenden Schritten dadurch abgehalten worden, dass sie nicht habe damit rechnen müssen, dass sich ihre vor ihrer Beurlaubung im System befindliche richtige Besoldungsgruppe nach ihrer Beurlaubung schon nicht geändert haben werde. Denn ihre Beförderung zur Regierungsdirektorin hat sich am 2. April 1994 ereignet, also während einer Zeit, in der sie sich noch bis 27. Juli 1995 ohne Dienstbezüge im Erziehungsurlaub befand. Daraus folgt, dass sie nach Wiederantritt ihres Dienstes doppelt Anlass gehabt hätte, ihre Besoldungsunterlagen daraufhin zu überprüfen, ob ihr nun anstelle der zuletzt zu zahlenden Besoldung aus der Besoldungsgruppe A14 neuerdings Bezüge aus der Besoldungsgruppe A15 gezahlt würden. Dies nicht getan zu haben, offenbart ein ungewöhnlich hohes Maß an Sorglosigkeit, welches jeden Zweifel an der Berechtigung der Beklagten zur Berufung auf die Forderungsverjährung beseitigt.
Ein Rückgriff auf die in § 78 Satz 1 SG verankerte Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist nicht möglich. Zwar ist im Rahmen der Prüfung des Einwands der unzulässigen Rechtsausübung die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht zu berücksichtigen. Stellt die Verjährungseinrede aber keine unzulässige Rechtsausübung dar, kann sie nicht wegen Verletzung der Fürsorgepflicht ermessensfehlerhaft sein (BVerwG vom 25.11.1982, a.a.O.).
Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Befristeter Arbeitsvertrag – Regelungen und Ansprüche

Dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einem befristeten Vertrag eingestellt werden, ist längst keine Seltenheit mehr. Häufig taucht der Arbeitsvertrag auf Zeit bei jungen Mitarbeitenden auf. Über die wichtigsten Regelungen und Ansprüche informieren wir Sie.
Mehr lesen