Aktenzeichen 8 W 60/17
ZPO § 104 Abs. 2 S. 3
Leitsatz
Dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt steht im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach den §§ 45 ff. RVG auch dann ein Anspruch gegen die Staatskasse auf Festsetzung der Umsatzsteuer zu, wenn die von ihm vertretene Partei zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (Anschluss OLG München JurBüro 2016, 632; OLG Hamburg MDR 2013, 1194; OLG Düsseldorf JurBüro 2016, 580; entgegen OLG Celle JurBüro 2014, 31).
Verfahrensgang
14 O 384/16 2017-05-08 Bes LGCOBURG LG Coburg
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Klägervertreter wird der Beschluss der Einzelrichterin des Landgerichts Coburg vom 08.05.2017 – Az.: 14 O 384/16 – aufgehoben.
II. Auf die Erinnerung der Klägervertreter wird der Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Coburg dahingehend abgeändert, dass die den Klägervertretern aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung auf 1.885,56 Euro festgesetzt wird.
III. Der Beschwerdewert wird auf 301,06 Euro festgesetzt.
IV. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Kosten werden nicht erstattet.
V. Eine weitere Beschwerde ist nicht zulässig.
Gründe
I.
Im zugrunde liegenden Rechtsstreit vor dem Landgericht Coburg hatte der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der F. GmbH einen Darlehensrückzahlungsanspruch in Höhe von 366.375,35 Euro gegen die Beklagte geltend gemacht und hierfür zuvor die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung der Klägervertreter beantragt.
Mit Beschluss vom 05.10.2016 hat das Landgericht Coburg die beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt und die Klägervertreter beigeordnet.
Das Streitverfahren wurde mit einem am 10.02.2017 vor dem Landgericht Coburg abgeschlossenen Vergleich beendet.
Mit Beschluss vom 23.03.2017 hat die Urkundsbeamte der Geschäftsstelle beim Landgericht Coburg die den Klägervertretern aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung auf 1.584,50 Euro festgesetzt und dabei die Berücksichtigung der ebenfalls zur Festsetzung angemeldeten Umsatzsteuer in Höhe von 301,06 Euro abgelehnt (Bl. 15-16 SH-PKH).
Die hiergegen gerichtete Erinnerung der Klägervertreter (Bl. 19-20 SH-PKH) hat das Landgericht Coburg – nach Nichtabhilfeentscheidung der Urkundsbeamtin vom 21.04.2017 (Bl. 30-31 SH-PKH) mit Beschluss der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer vom 08.05.2017 zurückgewiesen (Bl. 33-35 SH-PKH). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Umsatzsteuer auf die Vergütung der beigeordneten Rechtsanwälte sei nicht zu berücksichtigen, da der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Dem beigeordneten Rechtsanwalt sei für die Vertretung einer bedürftigen Partei gemäß §§ 45, 55 RVG keine höhere Vergütung zuzubilligen, als er ohne eine Beiordnung für die Vertretung einer nicht bedürftigen Partei beanspruchen könne.
Gegen diese ihnen am 15.05.2017 zugestellte Entscheidung haben die Klägervertreter mit Schriftsatz vom 17.05.2017, bei dem Landgericht Coburg eingegangen am selben Tag, Beschwerde eingelegt (Bl. 38-40 d.A.).
Die Einzelrichterin des Landgerichts hat der Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 23.05.2017 (Bl. 44-45 SH-PKH) nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die genannten gerichtlichen Entscheidungen, auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Coburg (Bl. 23-25 SH-PKH) sowie auf die Beschwerdebegründung der Klägervertreter Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 01.06.2017 wurde die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung dem Senat gemäß §§ 56 Abs. 3, 33 Abs. 8 RVG übertragen.
II.
Die gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde der Klägervertreter – der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt vorliegend den Betrag von 200,- Euro -hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Neufestsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Prozesskostenhilfevergütung.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht den beigeordneten Klägervertretern ein Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Umsatzsteuer aus der Staatskasse zu.
Für ihre Tätigkeit als Prozessbevollmächtigte des Klägers haben die beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Staatskasse Anspruch auf eine Vergütung im Sinne der §§ 45 ff. RVG; zu dieser gehören auch die Auslagen und damit – wegen VV-RVG Nr. 7008 -die Umsatzsteuer auf den Betrag der Vergütung (vgl. §§ 45 Abs. 1, 46 Abs. 1 RVG).
Die Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers, dem die Beschwerdeführer beigeordnet worden waren, wirkt sich auf die Höhe der Prozesskostenhilfevergütung nicht aus. Der Senat schließt sich damit der Rechtsauffassung der überwiegend in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG München JurBüro 2016, 632; OLG Hamburg MDR 2013, 1194; OLG Düsseldorf JurBüro 2016, 580) vertretenen Rechtsansicht an. Die Vorsteuerabzugsberechtigung der bedürftigen Partei, welcher der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist, kann sich auf die Höhe der Festsetzung der Prozesskostenvergütung gegenüber der Staatskasse nicht auswirken, weil Vergütungsschuldner gerade nicht die vom beigeordneten Rechtsanwalt vertretene Partei, sondern die Staatskasse ist, die insoweit an die Stelle der bedürftigen Partei tritt. Mit diesem Wechsel auf Honorarschuldnerseite wird auch der Schuldner hinsichtlich der Umsatzsteuer ausgewechselt. Damit liegt eine andere Konstellation vor als im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff ZPO, in dem die vorsteuerabzugsberechtigte obsiegende Partei vom erstattungspflichtigen Gegner die Erstattung der Umsatzsteuer nicht verlangen kann, weil sie die an ihren Rechtsanwalt gezahlte Umsatzsteuer ihrerseits von Finanzamt erstattet erhält, weshalb der Rechtsanwalt – auch bei der Kostenfestsetzung nach § 126 Abs. 1 ZPO – darauf verwiesen ist, die von ihm geschuldete Umsatzsteuer gegenüber seinem Mandanten geltend zu machen (vgl. BGH NJW-RR 2007, 285).
Das in Anlehnung an die abweichende Rechtsprechung des OLG Celle (Beschluss vom 04.10.2013, Az.: 2 W 217/13, abgedr. in JurBüro 2014, 31) vertretene Argument des Landgerichts Coburg, es sei kein Grund dafür ersichtlich, dem beigeordneten Rechtsanwalt für die Vertretung der bedürftigen Partei gegen die Staatskasse gemäß § 55 RVG eine höhere Vergütung zuzubilligen als er ohne eine Beiordnung für die Vertretung einer nicht bedürftigen Partei im Rahmen der Vergütungsfestsetzung von der Gegenseite oder aber im Rahmen der Festsetzung nach § 126 Abs. 1 ZPO beanspruchen könnte, ist auch nach Überzeugung des erkennenden Senats nicht tragfähig. In jener Entscheidung wird nicht ausreichend unterschieden zwischen dem Kostenerstattungsanspruch der Parteien untereinander, dem Gebührenanspruch des Anwaltes gegenüber seinem Mandanten und dem Vergütungsanspruch des PKH-Anwalts gegen die Staatskasse. Dass zwar die Staatskasse, nicht aber der unterlegene Gegner im Falle der Vorsteuerabzugsberechtigung der bedürftigen Partei zu einer Erstattung der Umsatzsteuer verpflichtet ist, ist deshalb system- und sachgerecht. Dass es sich bei der Staatskasse nicht um eine Partei des Prozesses handelt, ist insoweit unerheblich.
Den Klägervertretern steht somit neben der bereits festgesetzten Vergütung in Höhe von 1.584,50 Euro zusätzlich die hierauf anfallende Umsatzsteuer in Höhe von 301,06 Euro zu. Die aus der Staatskasse an sie zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung erhöht sich damit auf 1.885,56 Euro. In diesem Umfang war die Festsetzungsentscheidung abzuändern.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden auch im Beschwerdeverfahren nicht erstattet, § 56 Abs. 2 RVG).
Eine weitere Beschwerde ist nicht zulässig, §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 6 RVG.