Arbeitsrecht

Anwaltliche Pflichtverletzung bei Verzicht auf den Versorgungsausgleich

Aktenzeichen  2 U 3/18

Datum:
11.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2019, 1968
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280 Abs. 1
VersAusglG § 19 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3
FamFG § 26, § 224 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Ein Rechtsanwalt muss dem Mandanten abraten, auf den Versorgungsausgleich zu verzichten, wenn der Verzicht für die Ehescheidung unter keinen in Betracht zu ziehenden Umständen erforderlich ist, jedoch den Verlust von Ansprüchen auf schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zur Folge hätte. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bestehen nur ausländische Versorgungsanrechte, aber keine inländischen ausgleichsreifen Anrechte, so kommt eine Billigkeitsentscheidung gem. § 19 Abs. 3 VersAusglG nicht in Betracht; bei der Ehescheidung muss das Gericht dann aussprechen, dass ein Versorgungsausgleich bei der Scheidung nicht stattfindet. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 O 629/17 2018-08-29 Endurteil LGBAMBERG LG Bamberg

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Bamberg vom 29.8.2018 (2 O 629/17) wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Schäden zu ersetzen, die ihr in Folge des Verzichts im Termin vom 13.1.2011 auf die Durchführung des Versorgungsausgleiches im Ehescheidungsverfahren vor dem Amtsgericht …, Az. 2 F …/10, entstanden sind und noch entstehen werden, insbesondere soweit damit ein (schuldrechtlicher) Versorgungsausgleich nach US-amerikanischen Bestimmungen hinsichtlich ausländischer Renten- und/oder Anwartschaften des (geschiedenen) Ehemannes der Klägerin, des Herrn A., ausgeschlossen ist.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung führt zur vollumfänglichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung entsprechend dem zuletzt gestellten Berufungsantrag der Klägerseite.
I.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet.
II.
Die Berufung hat auch in Gestalt des zuletzt gestellten Berufungsantrages vollumfänglich Erfolg.
1) Das Berufungsbegehren in Gestalt des Feststellungsantrages ist zulässig. Hinsichtlich des erstmals im Berufungsrechtszug gestellten Feststellungsantrages handelt es sich um eine zulässige Klagebeschränkung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO. Im Übrigen läge insoweit auch eine zulässige Klageänderung gemäß § 533 ZPO vor, da die Umstellung auf den Feststellungsantrag sachdienlich ist und das Feststellungsbegehren vollumfänglich auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat.
Das Feststellungsbegehren ist zulässig. Die Voraussetzungen einer zulässigen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO liegen vor. Insbesondere das Feststellungsinteresse ergibt sich aus der drohenden Verjährung, die aufgrund Kenntniserlangung frühestens während des Jahres 2015 bei Einreichung und Zustellung noch nicht abgelaufen war (siehe unten) und damit der Verjährungseintritt gehemmt werden soll.
Schließlich ist der Klägerin derzeit eine Bezifferung des von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruches mangels Kenntnis über die ehezeitlichen Anrechte ihres ehemaligen Ehegatten in den USA der Höhe nach nicht möglich. Eine erfolgreiche Erhebung einer Leistungsklage kommt daher derzeit für die Klägerin nicht in Betracht. Im Übrigen besteht auch keine (allgemeine) Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage (vgl. BGH NJW 2006, 2548). Vorliegend ist auch davon auszugehen, dass bei feststehender Schadenshöhe seitens der Beklagten auch ohne Geltendmachung des Leistungsanspruches Schadensersatzzahlungen erfolgen.
2) Der Feststellungsantrag ist auch vollumfänglich begründet, da die Beklagte ihre Beratungspflichten im Zusammenhang mit dem Zustandekommen der Verzichtsvereinbarung vom 13.1.2011 gegenüber der Klägerin, ihrer damaligen Mandantin, verletzt hat. Daher hat die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Anwaltsvertrag.
a) Das Amtsgericht hat die Ehe der Klägerin mit ihrem damaligen Ehemann unter Anwendung deutschen Sachrechts bei Annahme einer versteckten Rückverweisung (Art. 4, 17 Abs. 1 Satz 1 (idF bis 28.1.2013), 14 Abs. 1 Nr. 2 (idF bis 28.1.2019) EGBGB) geschieden. Für diesen Fall sieht Art. 17 Abs. 3 Satz 1 EGBGB (idF bis 28.1.2013) vor, dass der Versorgungsausgleich ebenfalls dem deutschem Recht unterliegt und durchzuführen ist, wenn ihn das Recht eines der Staaten kennt, denen die Ehegatten im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages angehören. Da die Beklagte seit Geburt Deutsche ist, ist nach dieser Fallgestaltung daher der Versorgungsausgleich nach deutschem Recht zu regeln. Gemäß § 2 VersAusglG unterfallen dem Versorgungsausgleich auch die Anrechte aus dem Federal Employees Retirement System (FERS) als auch die nach dem Uniformed Services Former Spouses Protection Act (USFSPA), da diese auf Rentenzahlungen gerichtet sind (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2018, 1661). Aufgrund seiner 7-jährigen Beschäftigung beim US-amerikanischen Militärdienst und seiner 11-jährigen nachfolgenden Beschäftigung im öffentlichen Dienst der USA als X-Beamter verfügte der damalige Ehemann der Klägerin bei Abschluss der Verzichtsvereinbarung am 13.1.2011 über entsprechende Rentenanwartschaften, die jedenfalls dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich (§§ 20 ff. VersAusglG) unterfielen. Mit der Verzichtsvereinbarung hat die Beklagte auch hierauf verzichtet. Die Vereinbarung vom 13.1.2011 kann nur so verstanden werden, zumal die Beklagte auch geltend macht, die Klägerin sei von ihr und dem Amtsrichter ausdrücklich darüber aufgeklärt worden, dass der Verzicht vollumfänglich wirke und damit auch die Ausgleichsansprüche außerhalb des Scheidungsverfahrens betreffe.
Auch unter der Prämisse, dass die Klägerin seitens der Beklagten über die vollumfängliche Wirkung der Verzichtsvereinbarung aufgeklärt wurde, liegt dennoch eine Fehlberatung insoweit seitens der Beklagten gegenüber der Klägerin vor.
Für die Belehrungspflichten eines Rechtsanwalts bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs gilt insbesondere folgendes:
Bei einer Schadensersatzklage gegen einen Rechtsanwalt trifft die Beweislast denjenigen, der eine Aufklärungs- oder Beratungspflicht verletzt und behauptet. Die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei, hier also die Beklagte als damals von der Klägerin mandatierte Rechtsanwältin, die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelfall beraten oder aufgeklärt worden sein soll. Dem Anspruchsteller obliegt dann gegebenenfalls der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft. Dies gilt auch, wenn der Mandant den Rechtsanwalt wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss oder der Ablehnung eines Vergleichs in Anspruch nimmt. So ist der Rechtsanwalt im Rahmen von Verhandlungen zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs verpflichtet, die Interessen des Mandanten umfassend und nach allen Richtungen wahrzunehmen und ihn vor vermeidbaren Nachteilen zu bewahren. Um dem Mandanten eine eigenständige Entscheidung über den Abschluss des Vergleichs zu ermöglichen, muss er ihm dessen Vor- und Nachteile darlegen. Auch ein ausdrücklicher gerichtlicher Vergleichsvorschlag vermag den Rechtsanwalt nicht von seiner Verantwortung bei der Beratung der Partei zu entbinden. Der Anwalt hat von einem Vergleich abzuraten, wenn er für die von ihm vertretene Partei eine unangemessene Benachteiligung darstellt und insbesondere begründete Aussicht besteht, im Falle einer streitigen Entscheidung ein wesentlich günstigeres Ergebnis zu erzielen. In diesem Fall greift die Vermutung ein, dass der Mandant dem Vorschlag des Anwalts, von einem Vergleichsschluss abzusehen, gefolgt wäre (vgl. BGH NJW 2016, 3430 m.w.N.). Ein Rechtsanwalt muss seinen Mandanten bei einer seitens des Gerichts empfohlenen Verfahrenshandlung über die wägbaren Prozessaussichten uneingeschränkt aufklären. Dabei trifft den Rechtsanwalt selbst die Pflicht, eine vom Gericht im Verlauf der Instanz vertretene Rechtsansicht im Interesse seines Mandanten zu überprüfen, selbst wenn sie durch Nachweise von Rechtsprechung und Schrifttum belegt ist. Zwar erscheint eine solche gerichtlicherseits geäußerte Rechtsansicht dann nicht unvertretbar, kann aber trotzdem unrichtig oder überholt sein. Kommt ein Fehler des Gerichts in Betracht, muss der Prozessanwalt die Möglichkeiten der Verfahrensordnung nutzen, um die zu Gunsten seines Mandanten sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend zur Geltung zu bringen, wie die Umstände es zulassen. Der Schutz des Mandanten gebietet es, dass diese Tatsachen und Argumente bei der gerichtlichen Entscheidung berücksichtigt werden können. Unterbleibt eine solche Einwirkung auf das Gericht, weil der Mandant entsprechend der gerichtlich empfohlenen Verfahrensweise handelt, so handelt der Prozessanwalt nur dann pflichtgemäß, wenn er zuvor den Mandanten zutreffend über die verbleibenden Möglichkeiten aufgeklärt hat, in der Instanz oder durch ein Rechtsmittel den Prozess zu einem günstigeren Ende zu bringen (vgl. BGH MDR 2013, 483).
Unter Berücksichtigung des Vorstehenden ergibt sich aus der behaupteten Fehlberatung seitens der Klägerin und den Darlegungen der Beklagten zum Umfang ihrer Beratungsleistung, dass die Beklagte ihren Pflichten nicht genügt hat. Die Beklagte hätte der Klägerin vielmehr von dem Abschluss der Verzichtsvereinbarung abraten müssen, weil der Abschluss der zustande gekommenen Verzichtsvereinbarung für die Ehescheidung unter keinen in Betracht zu ziehenden Umständen erforderlich war, jedoch den Verlust jedenfalls auf schuldrechtliche Versorgungsausgleichsansprüche zur Folge hatte.
Bei der erfolgten Ehescheidung nach deutschem Recht (Art. 17 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB in der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Fassung) aufgrund der Annahme einer versteckten Rückverweisung gem. Art. 4 EGBGB ist zwar der Versorgungsausgleich bei der Scheidung von Amts wegen durchzuführen. Vorliegend kam ein Ausgleich von Anrechten bei der Scheidung jedoch von vornherein nicht in Betracht, da die zu scheidenden Ehegatten keinerlei Versorgungsanwartschaften in Deutschland erworben hatten, vielmehr lediglich ausländische, und zwar USamerikanische Anrechte gegeben waren. Für Kindererziehungszeiten kommt der Erwerb von Anrechten in der inländischen gesetzlichen Rentenversicherung nur für die ersten 30 bzw. 36 Lebensmonate betreuter Kinder in Betracht. Die Voraussetzungen berücksichtigungsfähiger Kindererziehungszeiten gem. § 56 SGB VI liegen nicht vor. Die Kindeserziehung erfolgte bis zum 27.07.2009 ausschließlich in Amerika. Zu diesem Zeitpunkt war das jüngere Kind D. bereits 8 Jahre alt. Während des langjährigen Aufenthalts der Beklagten in Amerika bis zu ihrem Umzug im Jahr 2009 nach Deutschland stand die Klägerin auch in keinerlei hinreichend enger Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben (vgl. BSG, Urteil vom 10.11.1989, B 4 RA 39/98 R – Juris; BSGE 91,245 ff.). Damit war die Angabe der Beteiligten in der Sitzung vom 13.01.2011, es würden ausschließlich Anrechte in Amerika bestehen, zutreffend. Da ausländische Anrechte dem Versorgungsausgleich bei der Scheidung jedoch nicht unterliegen (vgl. § 19 Abs. 2 Nr. 4 VersAusglG) und inländische ausgleichsreife Anrechte nicht bestanden, kam auch eine Billigkeitsentscheidung im Hinblick auf inländische Anrechte gem. § 19 Abs. 3 VersAusglG vorliegend nicht in Betracht. Das Amtsgericht hätte unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände lediglich bei der Scheidung aussprechen müssen, dass ein Versorgungsausgleich bei der Scheidung nicht stattfindet. Hierauf hätte die Beklagte die Klägerin – und auch den Amtsrichter – hinweisen müssen.
Soweit § 224 Abs. 4 FamFG für diese Fallgestaltung als Ordnungsvorschrift fordert, dass in der Entscheidungsbegründung die für einen Wertausgleich nach der Scheidung in Betracht kommenden Anrechte zu nennen sind, hätten diese durch entsprechende Nachfrage an den in der Verhandlung vom 13.01.2011 anwesenden und auch persönlich angehörten damaligen Ehemann der Klägerin – ggf. auch durch Nachfrage bei der Klägerin, die die Beschäftigungsverhältnisse kannte – ausreichend geklärt werden können. Eine Aufklärung zur Höhe entsprechender Anrechte in Amerika wäre unter keinen Umständen erforderlich gewesen. Die Wiedergabe der Anrechte gem. § 224 Abs. 4 FamFG hat nur Erinnerungsfunktion für den Ausgleichsberechtigten für einen eventuellen späteren (schuldrechtlichen) Ausgleich. Die Aufklärungspflicht von Amts wegen nach § 26 FamFG ging für den Amtsrichter vorliegend daher nicht weiter, als § 224 Abs. 4 FamFG eine Aufklärung erforderte. Insbesondere § 19 Abs. 3 FamFG zwang nicht zu einer detaillierten Erforschung der Anrechte der Höhe nach, da – wie oben ausgeführt – mangels inländischer Anrechte eine Ermessensentscheidung gem. § 19 Abs. 3 VersAusglG nicht getroffen werden durfte. Das Bestehen der amerikanischen Anrechte war bekannt. Diese hätten durch entsprechende Nachfragen – soweit überhaupt erforderlich – ausreichend genau bezeichnet und nachfolgend in den Gründen des Scheidungsverbundbeschlusses genannt werden können. Eine weitergehende Aufklärung war nicht veranlasst. Soweit sich die Beklagte insoweit für ihre gegenteilige Auffassung (vgl. Schriftsatz vom 17.6.2019) auf OLG Stuttgart FamRZ 2015, 324 und MüKo/Siede § 19 VersAusglG Rn. 16 bzw. Johannsen/Henrich/Holzwarth § 19 VersAusglG Rn. 27 beruft, bleibt auszuführen, dass diesen Fundstellen eine zu treffende Entscheidung nach § 19 Abs. 3 VersAusglG zugrunde liegt. Solches kam hier nicht in Betracht.
Entgegen der seitens der Beklagten vorgetragenen damaligen Ansicht des Amtsrichters hätte somit die Ehescheidung ohne Einholung von Auskünften zu den amerikanischen Anrechten erfolgen können, so dass der Abschluss der Verzichtsvereinbarung für die Ehescheidung nicht erforderlich war.
Der sofortigen Scheidung stand im Übrigen die von der Klägerin durch Schriftsatz ihrer damaligen Verfahrensbevollmächtigten, der Beklagten, anhängig gemachte Folgesachesache elterliche Sorge entgegen. Hierzu wurde in der mündlichen Verhandlung keine abschließende Erklärung abgegeben. Einer sofortigen Scheidung stand somit § 142 Abs. 1 FamFG entgegen. Wenn die Klägerin damals entsprechend den Ausführungen der Beklagten eine sofortige Scheidung wollte, hätte sie die Klägerin auch über diesen Hinderungsgrund aufklären müssen.
Demzufolge hätte die Beklagte der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt von dem Abschluss der Verzichtsvereinbarung, mit dem der Verlust von Ansprüchen auf Teilhabe an den amerikanischen Anrechten ihres damaligen Ehemannes verbunden war, abraten müssen. Gegebenenfalls hätte die Beklagte dem Amtsrichter gegenüber diese Rechtslage darlegen müssen. Sowohl eine entsprechende Beratung der Klägerin als auch entsprechender Vortrag gegenüber dem Amtsgericht ist seitens der Beklagten unterblieben. Entsprechendes hat sie im Rahmen der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast auch ansatzweise nicht behauptet.
b) Für den Fall, dass unter Ablehnung einer versteckten Rückverweisung i. S. d. Artikel 4 EGBGB die Ehe gem. Artikel 17 Abs. 1 Satz 1 (in der Fassung bis 28.01.2013), Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 (in der Fassung bis 28.01.2019) EGBGB nach dem materiellen Scheidungsrecht des US-Bundesstaates Pennsylvania (früherer Wohnort der Familie und damaliger verbliebener Wohnort des damaligen Ehemannes) bzw. – weil nach dortigem Recht die Ehe wegen Nichterreichens einer erforderlichen längeren Trennungszeit noch nicht hätte geschieden werden können – gem. Artikel 17 Abs. 1 Satz 2 EGBGB (in der Fassung bis 28.01.2013) nach deutschem Recht zu scheiden gewesen wäre, hätte die Beklagte der Klägerin am 13.01.2011 ebenfalls von dem Abschluss der Verzichtsvereinbarung abraten müssen. In diesem Fall wäre gem. § 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB (in der Fassung bis 28.01.2013) der Versorgungsausgleich nur auf Antrag eines Ehegatten nach deutschem Recht durchführbar gewesen. Ein entsprechender Antrag lag zwar vor, stammte jedoch von der Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin selbst. Angesichts fehlender auszugleichender Anrechte machte dieser Antrag keinen Sinn. Im Übrigen hätte die Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin, also die Beklagte, diesen Antrag gem. § 22 FamFG zurücknehmen können. § 22 Abs. 4 FamFG wäre der Rücknahme deswegen nicht entgegengestanden, weil das Versorgungsausgleichsverfahren zwar ein Amtsverfahren ist, jedoch in der vorgenannten Fallgestaltung – wie oben ausgeführt – der Versorgungsausgleich ausnahmsweise nur auf Antrag durchgeführt werden darf.
c) Damit liegt eine Pflichtverletzung vor und es greift die Vermutung, dass die Klägerin dem pflichtgemäß zu erteilenden Rat der Beklagten, von der Verzichtsvereinbarung abzusehen, gefolgt wäre (vgl. BGH NJW 2016, 3430 Rn. 8 m. w. N.).
d) Zwar ist ein konkreter Schaden vorliegend noch nicht feststellbar. Ein Schadenseintritt ist jedoch jedenfalls möglich, was für das Feststellungsbegehren der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach ausreicht. Durch die Verzichtsvereinbarung hat die Klägerin auf sämtliche entsprechenden Ansprüche gegenüber ihrem damaligen Ehemann und auch auf eventuelle Ansprüche auf Teilhabe an Versorgungsanrechten gegen Versorgungsträger vollumfänglich verzichtet. Daher sind sowohl bereits eingetretene und noch nicht bezifferbare Schäden, als auch zukünftige Schadenseintritte möglich, jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. nur Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl. 2019, § 256 Rn. 21 m. w. N.). Eventuelle Vollstreckungsschwierigkeiten in den USA stehen der Feststellung der Schadensersatzpflicht nicht entgegen, da jedenfalls nicht feststeht, dass eine Vollstreckung unmöglich gewesen wäre und damit ein Schadenseintritt ausgeschlossen ist.
e) Der Schadensersatzanspruch ist auch nicht verjährt. Die Verjährung richtet sich vorliegend nach §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dabei beginnt die dreijährige Regelverjährung vorliegend dann zu laufen, wenn der Mandant des beauftragten Anwalts den Schaden und die Pflichtwidrigkeit des Beraters erkannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat (vgl. nur BGH NJW 2014, 993). Eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Umstände i. S. d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegen nicht schon dann vor, wenn dem Gläubiger Umstände bekannt werden, nach denen zu seinen Lasten ein Rechtsverlust eingetreten ist. Der Mandant eines Rechtsanwalts ist in der Regel nicht fachkundig, hat seine rechtlichen Belange vielmehr dem dazu berufenen Fachmann anvertraut und kann daher dessen etwaige Fehlleistungen – eben wegen seiner Rechtsunkenntnis – nicht erkennen. Die Fachkunde des Rechtsanwalts und das Vertrauen seines Auftraggebers begründen typischerweise im Rahmen eines Anwaltsvertrags eine Überlegenheit des Anwalts gegenüber seinem regelmäßig unkundigen Mandanten. Daher vermag der ungünstige Ausgang eines Rechtsstreits in erster Instanz grundsätzlich noch nicht die erforderliche Kenntnis i. S. d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu vermitteln. Vielmehr muss der Mandant nicht nur die wesentlichen tatsächlichen Umstände kennen, sondern auch Kenntnis von solchen Tatsachen erlangen, aus denen sich für ihn – zumal wenn er wie vorliegend juristischer Laie ist – ergibt, dass der Rechtsberater von dem üblichen rechtlichen Vorgehen abgewichen oder Maßnahmen nicht eingeleitet hat, die aus rechtlicher Sicht zur Vermeidung eines Schadens erforderlich waren. Nicht die anwaltliche Beratung, sondern erst der Pflichtenverstoß des Rechtsberaters begründen den gegen ihn gerichteten Regressanspruch (BGH NJW 2014, 993). Der Lauf der Verjährungsfrist konnte daher erst mit Ablauf desjenigen Jahres beginnen, zu dem die Klägerin darüber Kenntnis erlangt hat, dass sie den Verzichtsvergleich vom 13.01.2011 weder im vereinbarten Umfang noch in Teilbereichen, vielmehr überhaupt nicht hätte abschließen brauchen. Im Ergebnis zur gleichen Rechtsfolge hätte auch eine Vereinbarung geführt, dass lediglich auf den öffentlichrechtlichen Versorgungsausgleich bei der Scheidung, nicht jedoch auf sonstige Ausgleichsansprüche verzichtet werde. Hierüber ist die Klägerin jedoch frühestens im Jahr 2015 durch ihre vormaligen Rechtsberater aufgeklärt worden. Verjährungseintritt drohte daher vorliegend mit Ablauf des 31.12.2018. Damit hat die Einreichung der Klage beim Landgericht Bayreuth am 28.12.2017 mit nachfolgender Zustellung am 6.2.2018 den Ablauf der Verjährungsfrist wirksam gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt.
III.
Soweit die Klägerin ihr Berufungsbegehren nur noch auf den Feststellungsantrag stützt, ist im Übrigen eine teilweise Berufungsrücknahme gem. § 516 Abs. 1 und Abs. 2 BGB gegeben. In der Antragsbeschränkung der ursprünglichen Berufungsanträge liegt die Teilrücknahme der weitergehenden Berufung. Eine Zustimmung gem. § 269 Abs. 1 ZPO ist hierfür nicht erforderlich.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Klägerin hat im Ergebnis mit ihrem verbliebenen Feststellungsbegehren vollumfänglich Erfolg. Dieses Feststellungsbegehren bleibt hinter dem ursprünglich verfolgten Leistungsbegehren zurück. Dies ist mit einem Bruchteil von 1/5 zum Nachteil der Klägerin im Rahmen der Kostenquotelung zu berücksichtigen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO sind nicht zu Tage getreten. Der Entscheidung liegt die gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu Belehrungspflichten eines Rechtsanwalts und der Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz bei Beratungspflichtverletzungen zugrunde. Insoweit wird auf die zitierte Rechtsprechung verwiesen. Dies gilt unabhängig davon, ob im Scheidungsverbundverfahren auch ausländische Versorgungsanrechte gegenständlich sind. Auf diese sind die einschlägigen Normen des Verfahrensrechts und des materiellen Rechts, insbesondere des VersAusgG anzuwenden. Darauf hat sich daher auch die Tätigkeit und die Beratung durch den mandatierten Anwalt zu beziehen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Dies gilt entsprechend für die richterliche Amtsermittlungspflicht aus § 26 FamFG iRd § 244 Abs. 4 FamFG.
V.
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 44, 45, 47 GKG.

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