Aktenzeichen 7 Ta 48/16
Leitsatz
1 Sind in einem GmbH-Geschäftsführervertrag Einschränkungen der Befugnisse des Geschäftsführers enthalten, die der Regelung des § 37 Abs. 1 GmbHG entsprechen, folgt allein daraus nicht die Arbeitnehmereigenschaft. Der Geschäftsführer, insbesondere der Fremdgeschäftsführer einer GmbH, nimmt lediglich die Vertretung der Gesellschaft wahr, er bestimmt indes nicht zwingend die Politik des Unternehmens. Es ist den Gesellschaftern auch unbenommen, festzulegen, in welchem Umfang sie dem Geschäftsführer finanziellen Handlungsraum geben wollen. Insoweit handelt es sich nicht um Weisungen im Sinne des § 106 GewO, sondern um die Bestimmung eines allgemeinen Handlungsrahmens. (red. LS Thomas Ritter)
2 Eine Weisungsgebundenheit im Sinne des § 106 GewO ist dann gegeben, wenn die Gesellschafter über den allgemeinen Rahmen hinaus regelnd das Handeln des Geschäftsführers bestimmen. (red. LS Thomas Ritter)
3 Der Verdienst sagt über die Weisungsgebundenheit eines Arbeitnehmers nichts aus. Vielmehr dient er allenfalls der Abgrenzung eines Leitenden Angestellten von einem einfachen Angestellten (vgl. § 5 Abs. 3 BetrVG). (red. LS Thomas Ritter)
Verfahrensgang
6 Ca 5250/15 2016-01-15 Bes ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg
Gründe
I.
Die Parteien streiten vorliegend um die Frage, ob der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist.
Zwischen den Parteien wurde am 13.05.2015 ein Geschäftsführeranstellungsvertrag geschlossen. Der Vertrag lautet auszugsweise:
§ 1 Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis (1) Der Geschäftsführer ist berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrags und einer etwaigen Geschäftsführungsordnung allein zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft allein zu führen. Weisungen der Gesellschafterversammlung sind zu befolgen, soweit Vereinbarungen diesem Vertrag nicht entgegenstehen. Die Gesellschaft kann weitere Geschäftsführer bestellen und die Aufgabenbereiche aller Geschäftsführer aufteilen und neu verteilen.
. . .
§ 2 des Vertrags regelt einzelne Aufgaben, § 3 die zustimmungspflichtigen Geschäfte. Insoweit wird auf den in Kopie vorgelegten Geschäftsführeranstellungsvertrag Bezug genommen (Bl. 45 ff d.A.).
§ 4 Dienstleistung lautet:
(1) Der Geschäftsführer hat seine volle Schaffenskraft sowie sein ganzes Wissen und Können in die Dienste der Gesellschaft zu stellen. Er ist nicht an die Einhaltung bestimmter Zeiten zur Erbringung seiner Tätigkeit gebunden, hat aber mindestens zu den betrieblichen Arbeitszeiten tätig und im Betrieb anwesend zu sein, soweit er nicht Dienstreisen oder ähnliches unternimmt.
. . .
Innerhalb des Zeitraums 10.06.2015 bis 02.09.2015 richtete Frau Da… D… verschiedene e-mails an den Kläger. Wegen des Inhalts wird auf die vorgelegten Kopien Bezug genommen (10.06.2015, Bl. 185 d.A.; 18.06.2015, Bl. 188 d.A.; 23.06.2015, Bl. 190 d.A.; 11.08.2015, Bl. 201 d.A.; 13.08.2015, Bl. 202 d.A.; 20.08.2015, Bl. 197 d.A.; 02.09.2015, Bl. 198 d.A.).
Der Kläger erhielt darüber hinaus von Herrn W… D… verschiedene e-mails. Insoweit wird auf die vorgelegten Kopien der e-mails vom 23.05.2015 (Bl. 217 d.A.), 25.05.2015 (Bl. 209 d.A.), 30.05.2015 (Bl. 216 d.A.), 16.07.2015 (Bl. 207 d.A.), 23.07.2015 (Bl. 206 d.A.), 28.08.2015 (Bl. 205 d.A.) und 03.09.2015 (Bl. 218 d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte kündigte den Geschäftsführervertrag mit Schreiben vom 10.09.2015 außerordentlich fristlos.
Mit Gesellschafterbeschluss vom 15.09.2015 berief die Beklagte den Kläger als Geschäftsführer ab. Am selben Tag kündigte die Beklagte erneut außerordentlich und fristlos.
Mit Schreiben vom 18.09.2015 an die Prozessvertreter des Klägers teilte die Beklagte die Kündigungsgründe mit. Wegen des Inhalts des Schreibens wird auf die vorgelegte Kopie Bezug genommen (Bl. 59 ff d.A.).
Der Kläger erhob am 01.10.2015 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Nürnberg.
Mit Beschluss vom 15.01.2016 erklärte das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als nicht gegeben und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht Nürnberg – Fürth.
Der Beschluss wurde dem Kläger am 22.01.2016 zugestellt.
Der Kläger legte gegen den Beschluss am 04.02.2016 sofortige Beschwerde ein.
Der Kläger macht geltend, sei Arbeitnehmer. Er habe einem umfassenden Direktionsrecht der Gesellschafter der Beklagten im Hinblick auf Zeit, Inhalt und Ort unterlegen. Er habe sich am Betriebssitz aufhalten und dort seine Tätigkeit erbringen müssen. Während der regulären Dienstzeit habe er beispielsweise nicht vom home-office aus arbeiten können. Er habe von ca. 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr am Betriebssitz tätig sein müssen und sei tätig gewesen.
Dass er den Weisungen der Beklagten habe Folge leisten müssen, ergebe sich auch aus dem Schreiben der Beklagten vom 18.09.2015, insbesondere aus den Ziffern 8, 20 und 22. Er habe an den zahlreichen von der Beklagten angeordneten Besprechungen teilnehmen müssen.
Der Kläger macht geltend, er sei zumindest arbeitnehmerähnlich gewesen.
Die Beklagte führt aus, die Regelung, wonach der Kläger den Weisungen der Gesellschafterversammlung folgen müsse, ergebe sich aus § 37 GmbHG. Auch die übrigen Bestimmungen des Geschäftsführervertrags seien üblich und sprächen keineswegs für eine Arbeitnehmereigenschaft.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 17a Absatz 4 Satz 3 GVG, sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO.
Die sofortige Beschwerde ist begründet.
Für den vorliegenden Rechtsstreit ist die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben.
Die Zuständigkeit ergibt sich aus § 2 Absatz 1 Nr. 3 a) ArbGG.
Der Kläger ist als Arbeitnehmer anzusehen.
Wie das Erstgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend ausgeführt hat, gilt vorliegend nicht die Fiktion des § 5 Absatz 1 Satz 3 ArbGG. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits als Geschäftsführer abberufen.
Der Kläger ist nach allgemeinen Gesichtspunkten als Arbeitnehmer anzusehen.
Arbeitnehmer sind durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit gekennzeichnet, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. In Anwendung des § 84 Absatz 1 Satz 2 HGB ist nicht Arbeitnehmer, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Arbeitnehmer ist in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers eingegliedert. Die Eingliederung zeigt sich insbesondere darin, dass der Beschäftigte dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 106 GewO). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt auch von der Eigenart und der Organisation der zu leistenden Tätigkeit ab. Manche Tätigkeiten können sowohl im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses als auch im Rahmen eines anderen Rechtsverhältnisses erbracht werden, andere regelmäßig nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Ein Arbeitsverhältnis kann auch bei Diensten höherer Art gegeben sein, selbst wenn dem Dienstverpflichteten ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbständigkeit verbleibt. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Widersprechen sich Vereinbarungen und tatsächliche Durchführung, so ist letztere maßgebend. Dabei kommt es auf eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls an (ständige Rechtsprechung; vgl. Bundesarbeitsgericht – Beschluss vom 13.07.1998 – 5 AZB 18/98; juris).
Gemessen an diesen Kriterien ist der Kläger als Arbeitnehmer anzusehen.
Allerdings ergibt sich die Arbeitnehmereigenschaft nicht bereits aus § 3 des Geschäftsführervertrags. Darin sind zwar Einschränkungen der Befugnisse des Klägers enthalten. Diese entsprechen indes der Regelung des § 37 Absatz 1 GmbHG. Der Geschäftsführer, insbesondere der Fremdgeschäftsführer einer GmbH nimmt lediglich die Vertretung der Gesellschaft wahr, er bestimmt indes nicht zwingend die Politik des Unternehmens. Es ist den Gesellschaftern auch unbenommen, festzulegen, in welchem Umfang sie dem Geschäftsführer finanziellen Handlungsraum geben wollen. Insoweit handelt es sich nicht um Weisungen im Sinne des § 106 GewO, sondern um die Bestimmung eines allgemeinen Handlungsrahmens.
Die Arbeitnehmereigenschaft ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte nach Auffassung des Klägers durch Frau D… und Herrn D… in seine Kompetenzen eingegriffen bzw. ihn als Geschäftsführer übergangen habe. Auch wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte die Beklagte dadurch nicht dem Kläger Weisungen erteilt, sondern allenfalls gegen den Geschäftsführervertrag verstoßen.
Eine Weisungsgebundenheit im Sinne des § 106 GewO ist dann gegeben, wenn die Gesellschafter über den allgemeinen Rahmen hinaus regelnd das Handeln des Geschäftsführers bestimmen.
Dies ist vorliegend gegeben.
Eine örtliche und zeitliche Vorgabe an den Kläger enthält der Geschäftsführervertrag in § 4, in dem geregelt ist, dass der Kläger sich zumindest während der betrieblichen Arbeitszeiten, d.h., von ca. 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr, im Betrieb aufzuhalten habe.
Darüber hinaus sind dem Kläger einzelfallbezogene Anweisungen gegeben worden.
Sowohl Frau Da… D… als auch Herr W… D… haben dem Kläger einzelne Anweisungen erteilt, die dieser auszuführen hatte.
Frau D… ist, wie die Beklagte unbestritten vorträgt, zu 50% Gesellschafterin der Beklagten und in der Funktion „Leitung Marketing“ angestellt.
Sie hat dem Kläger mit den oben dargestellten e-mails konkrete Vorgaben dahingehend erteilt, welche Aufgaben er zu erledigen habe und in welcher Weise. Beispielhaft ist insofern auf die e-mails vom 10.06.2015, 18.06.2015 und 02.09.2015 zu verweisen.
Auch Herr W… D… erteilte dem Kläger Weisungen.
Herr D… ist Berater der Beklagten. Dies ist zwischen den Parteien nicht streitig.
Die e-mails, die der Kläger von Herrn D… erhielt, stellen ihrem Wortlaut nach Anweisungen dar. Dies gilt insbesondere – auch dies ist lediglich beispielhaft – für die e-mails vom 30.05.2015, 16.07.2015 und 03.09.2015.
Dass vom Kläger erwartet wurde, dass er den Anweisungen Folge leistete, ergibt sich nicht zuletzt aus dem Schreiben der Beklagten vom 18.09.2015, in dem die Beklagte als Kündigungsgrund ausführt, der Kläger habe erforderliche Arbeiten trotz wiederholter Weisungen nicht erledigt.
Der Annahme, der Kläger sei Arbeitnehmer der Beklagten gewesen, steht nicht die Höhe seines Verdienstes entgegen. Der Verdienst sagt über die Weisungsgebundenheit eines Arbeitnehmers nichts aus. Vielmehr dient er allenfalls der Abgrenzung eines Leitenden Angestellten von einem einfachen Angestellten (vgl. § 5 Absatz 3 BetrVG).
Da der Kläger danach als Arbeitnehmer zu sehen ist, ist die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gegeben.
Auf die Frage, ob der Kläger als arbeitnehmerähnlich anzusehen ist, kommt es nicht mehr an.