Arbeitsrecht

Aufnahme eines ausgesetzten Verfahrens über den Versorgungsausgleich und dessen Durchführung

Aktenzeichen  0206 F 470/14

Datum:
13.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 124998
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VersAusglG § 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 3
BGB § 1965
FamFG § 218 Nr. 2

 

Leitsatz

2 Gemäß § 31 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 VersAusglG darf der überlebende Partner nicht bessergestellt werden, als er stünde, wäre der Ausgleich zu Lebzeiten des anderen Partners durchgeführt worden. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3 Haben beide Beteiligte Anrechte erworben, ergibt sich aber wegen der Werthaltigkeit nach Saldierungsberechnung ein Anspruch zu Gunsten des überlebenden Ehegatten, so erfolgt der Ausgleich nicht als Hin- und Her-Ausgleich, wie grundsätzlich nach dem VersAusglG vorgesehen, sondern nur in Höhe des Wertunterschieds der beiderseitigen Ausgleichswerte auf Basis der korrespondierenden Kapitalwerte zu Gunsten des überlebenden Ehegatten. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
1 Die Folgesache Versorgungsausgleich ist konkludent ausgesetzt und damit vom Verbund abgetrennt, wenn der damalige Richter in den Entscheidungsgründen ausführt, dass „zur Zeit“ ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das durch Endurteil des Amtsgerichts Bamberg im Verfahren 6 F 118/89 konkludent ausgesetzte Verfahren über den Versorgungsausgleich wird wieder aufgenommen.
2. Mit Wirkung ab 01.10.2013 wird der Versorgungsausgleich wie folgt durchgeführt:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. 58 120549 S 050) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe eines korrespondierenden Kapitalwertes von 23.989.39 € auf das vorhandene Konto 52…62 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 31. 03. 1989, übertragen. Dieser ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Gründe

1. Die am … 1971 geschlossene Ehe der Beteiligten wurde durch Scheidungsurteil des Amtsgerichts Bamberg vom 20.12.1989 geschieden.
Die Folgesache Versorgungsausgleich wurde jedenfalls konkludent ausgesetzt und damit vom Verbund abgetrennt, in dem der damalige Richter in den Entscheidungsgründen ausführte, dass „zur Zeit“ eine Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
Dies deshalb, weil damals ein Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik und der DDR fehlte.
Zwischenzeitlich ist mit dem VersAusglG eine Neuregelung des Versorgungsausgleichs erfolgt.
Nach Antrag der damaligen Antragsgegnerin vom 23.09.2013 wurde das Verfahren in den gleichen Beteiligtenrollen wieder aufgenommen und neue Auskünfte der Versorgungsträger angefordert.
Dabei ergab sich, dass der damalige Antragsteller bereits am 16.04.2006 in Dresden verstorben ist.
Die Ermittlung der sodann am Verfahren zu beteiligten Erben gestaltete sich als äußerst schwierig, es wurden immer wieder vom AG Dresden und AG Bernau bei Berlin etwaige Erben mitgeteilt, dann aber nach Zustellung des vorliegenden Antrages jeweils die Ausschlagungserklärung hinsichtlich des Erbes übermittelt.
Nach Beiziehung der Nachlassakten des damaligen Antragstellers und Anregung gegenüber dem AG Dresden, dass möglicherweise der Fiskalerbfall festzustellen sein könnte, nach Ausschlagung aller in Betracht kommenden Erben, wurde dort nach Durchführung weiterer Ermittlungen mit Beschluss vom 26.05.2016 zunächst die öffentliche Aufforderung gemäß § 1965 BGB angeordnet (Bl. 76 dA), sowie mit Beschluss vom 09.08.2016, Bl. 78 dA, der Fiskalerbfall festgestellt.
Nach ordnungsgemäßer Zustellung an den Freistaat Sachsen durch Postzustellungsurkunde am 25.01.2017 (eine Zustellung mittels Empfangsbekenntnis war nicht möglich, trotz mehrfacher Aufforderung wurde das Empfangsbekenntnis nicht zurückgesandt) als Erbe und zahlreichen Aufforderungen zur Stellungnahme wurde am 01.02.2017 mitgeteilt, dass dort von einer Stellungnahme abgesehen werde.
Nach Versendung einer vorläufigen VA-Berechnung und Anfrage zur Entscheidung ohne persönliche Anhörung im Bürowege wurde dies vom Antragsgegnervertreter bestätigt, Bl. 89 dA.
2. a) Die örtliche Zuständigkeit des hiesigen Gerichts ergibt sich zwar auf den ersten Blick nicht aus § 218 Nr. 2 FamFG.
Jedoch ist vorliegend durch Endurteil des Amtsgerichts Bamberg vom 20.12.1989 im Scheidungsverbundverfahren 6 F 118/89 tenoriert worden, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich aber konkludent, dass das Verfahren nur ausgesetzt wurde, weil dort ausdrücklich aufgeführt ist, dass „zur Zeit“ ein Versorgungsausgleich mangels Sozialversicherungsabkommen nicht stattfindet (Seite 6 des Endurteils).
Bei der Aussetzung des Versorgungsausgleichsverfahrens handelt es sich um eine Zwischenentscheidung, die das Verfahren über den Versorgungsausgleich nicht beendet (vgl. bspw. OLG Dresden, FamRZ 2005, 1572 f).
Deshalb bleibt das Ausgangsgericht zuständig, zudem bleibt auch die Aufnahme der Verfahrensbeteiligten gleich.
b) Grundsätzlich sind nach § 1 VersAusglG im Versorgungsausgleich die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. Die Ehezeit beginnt mit dem ersten Tag des Monats der Eheschließung und endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags (§ 3 Abs. 1 VersAusglG).
Anfang der Ehezeit: 01. 07. 1971
Ende der Ehezeit: 31. 03. 1989
Es ergäbe sich also folgende Berechnung:
Ausgleichspflichtige Anrechte
In der Ehezeit haben die beteiligten Ehegatten folgende Anrechte erworben:
Der Antragsteller:
Gesetzliche Rentenversicherung (37708,84 Euro = 73.752,08 DM)
1. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 19,6888 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 9,8444 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 73.752,08 DM oder 37.708,84 Euro.
Die Antragsgegnerin:
Gesetzliche Rentenversicherung (20,69 Euro = 40,47 DM)
2. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund hat die Antragsgegnerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 0,0107 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 0,0054 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 40,47 DM oder 20,69 Euro (13698,62 Euro = 26.792,17 DM).
3. Bei der Deutschen Rentenversicherung Bund hat die Antragsgegnerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 16,0351 Entgeltpunkten (Ost) erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 8,0176 Entgeltpunkten (Ost) zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 26.792,17 DM oder 13.698,62 Euro.
Übersicht:
Antragsteller
Die Deutsche Rentenversicherung Bund, Kapitalwert: 73.752,08 DM
Ausgleichswert: 9,8444 Entgeltpunkte
Antragsgegnerin
Die Deutsche Rentenversicherung Bund, Kapitalwert: 40,47 DM
Ausgleichswert: 0,0054 Entgeltpunkte
Die Deutsche Rentenversicherung Bund, Kapitalwert: 26.792,17 DM
Ausgleichswert: 8,0176 Entgeltpunkte (Ost)
Ausgleich:
Die einzelnen Anrechte:
Zu 1.: Das Anrecht des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ist nach § 10 I VersAusglG durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 9,8444 Entgeltpunkten zugunsten der Antragsgegnerin auszugleichen.
Zu 2.: Das Anrecht der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ist nach § 10 I VersAusglG durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 0,0054 Entgeltpunkten zugunsten des Antragstellers auszugleichen.
Zu 3.: Das Anrecht der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ist nach § 10 I VersAusglG durch interne Teilung mit einem Ausgleichswert von 8,0176 Entgeltpunkten (Ost) zugunsten des Antragstellers auszugleichen.
c) Anders liegt der Fall jedoch hier, weil der frühere Antragsteller bereits verstorben ist.
Es steht nach obigen Ausführungen fest, dass sich ein Ausgleich zu Gunsten der früheren Antragsgegnerin und damit nicht zu Gunsten der Erben ergäbe, weil der frühere Antragsteller die werthaltigeren Anrechte gebildet hat und damit insgesamt ausgleichspflichtig ist, was sich aus dem Vergleich des Werts der korrespondierenden Kapitalwerte sämtlicher Anrechte der Beteiligten ergibt.
Dabei ist es nach Überzeugung des Gerichts nicht geboten, die Anrechte mit unterschiedlicher Dynamik, wie vorliegend Entgeltpunkte und Entgeltpunkte Ost, vor der Saldierung bezogen auf den Zeitpunkt der Ausgleichsentscheidung anzugleichen, vgl. OLG Dresden vom 26.02.2014, Az. 20 UF 1350/13.
Gemäß § 31 I, II, III VersAusglG darf der überlebende Partner nicht bessergestellt werden, als er stünde, wäre der Ausgleich zu Lebzeiten des anderen Partners durchgeführt worden.
Haben beide Beteiligte – wie vorliegend – Anrechte erworben, ergibt sich aber wegen der Werthaltigkeit nach Saldierungsberechnung ein Anspruch zu Gunsten des überlebenden Ehegatten, so erfolgt der Ausgleich nicht als Hin- und Her-Ausgleich, wie grds nach dem VersAusglG vorgesehen, sondern nur in Höhe des Wertunterschieds der beiderseitigen Ausgleichswerte auf Basis der korrespondierenden Kapitalwerte zu Gunsten des überlebenden Ehegatten.
Es ist deshalb vorliegend zu Gunsten der Antragsgegnerin nur die Differenz der Anrechte, das heißt die Differenz zwischen dem Anrecht des verstorbenen Mannes, Ausgleichswert 9,8444 Entgeltpunkte, Kapitalwert 73.752,08 DM und den Anrechten der Frau, Ausgleichswert 0,0054 Entgeltpunkte, Kapitalwert 40,47 DM sowie 8,0176 Entgeltpunkte Ost (!!), Kapitalwert 26.792,17 DM auszugleichen, woraus sich die aus dem Tenor ersichtliche Berechnung ergibt:
Nach Kapitalwerten liegt die Differenz bei 73.752,08 DM – (40,47 DM + 26.792,17 DM OST) = 46.919,17 DM, umgerechnet 23.989.39 €.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 50 FamGKG.

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