Arbeitsrecht

Ausbildungsförderung für Berufsausbildung nach Abbruch eines Studiums im Inland und vorherigem Erwerb eines Bachelor-Abschlusses im Ausland

Aktenzeichen  W 3 K 15.1196

Datum:
13.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG BAföG § 2, § 3, § 7 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 8 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Voraussetzung für die Anwendung von § 7 Abs. 2 BAföG, der allein eine “weitere Ausbildung” zum Gegenstand hat, ist, dass eine Erstausbildung im Sinne von § 7 Abs. 1 BAföG oder § 7 Abs. 1a BAföG berufsqualifizierend abgeschlossen worden ist. Wird hingegen die ursprüngliche Erstausbildung vor ihrem Abschluss abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt, richtet sich die Förderfähigkeit der “anderen Erstausbildung” nach § 7 Abs. 3 BAföG. (Rn. 19) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Erklärt ein Auszubildender, ihn habe die Perspektive, noch jahrelang studieren zu müssen, entmutigt und er habe sich deshalb für die Aufnahme einer Berufsausbildung entschieden, liegt hierin kein unabweisbarer Grund iSv § 7 Abs. 3 BAföG. (Rn. 20) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die Klage ist zulässig. Insbesondere war die Einbeziehung des Ablehnungsbescheides vom 22. Juli 2016 in die bereits anhängige Klage zulässig, weil dieser Bescheid den ursprünglich streitgegenständlichen Bescheid vom 11. November 2015 abgeändert hat.
Die zulässige Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung für den Besuch der Berufsfachschule für Holzbildhauer in … (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Klägerin gehört zu dem Personenkreis, der nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) dem Grunde nach Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung hat. Nach § 7 Abs. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung für die weiterführende, allgemeinbildende und zumindest für drei Schul- oder Studienjahre berufsbildender Ausbildung i.S.d. §§ 2 und 3 BAföG bis zu einem daran anschließenden berufsqualifizierenden Abschluss geleistet, längstens bis zum Erwerb eines Hochschulabschlusses.
Berufsqualifizierend ist ein Ausbildungsabschluss auch dann, wenn er im Ausland erworben wurde und dort zur Berufsausbildung befähigt (§ 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG). Die Klägerin hat in Usbekistan einen Bachelorabschluss erworben, der sie dort zur Berufsausübung befähigt hat. Die Anwendung von § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG setzt voraus, dass der Förderungsbewerber, der im Ausland einen dort berufsqualifizierenden Ausbildungsabschluss erworben hat, sich bei offener Möglichkeit einer Ausbildung im Inland für eine Ausbildung im Ausland entschieden hat. § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG gilt nicht für im Ausland berufsqualifizierende Ausbildungsabschlüsse, die ausländische Ehegatten deutscher Staatsangehöriger vor der Eheschließung im Herkunftsland erworben haben (BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 5 C 12/07 – juiris). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Hamburg (B.v. 27.1.2015 – 2 E 5/15) kann im Einzelfall eine Ausbildung im Inland, die ein ausländischer Auszubildender nach Abschluss einer Ausbildung im Ausland und Geburt eines deutschen Kindes aufgenommen hat, als Erstausbildung nach § 7 Satz 1 BAföG gefördert werden. Förderungsrechtlich ist allerdings die Aufnahme eines anderen Studienfaches in Deutschland nach berufsqualifizierendem Abschluss im Ausland als andere Ausbildung i.S.v. § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG nach erfolgtem Abbruch zu bewerten (BVerwG, U.v. 10.4.2008 – a.a.O.).
Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 BAföG für die Klägerin nicht anwendbar ist. Somit kommt es also darauf an, ob der Bachelorabschluss in Usbekistan die Klägerin zur Berufsausübung in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt hätte. Dafür spricht, dass grundsätzlich nach dem Bologna-Prozess die Bachelorprüfung als berufsqualifizierend anzusehen ist. Weiter spricht dafür, dass die Klägerin zum Aufbaustudium (Masterstudium) an der Universität in Jena zugelassen wurde. Gegen die Annahme, dass der Bachelorabschluss in Usbekistan die Klägerin zur Berufsausübung in der Bundesrepublik befähigt hätte, spricht, dass allein mit einem Bachelor in Sprachwissenschaft eine Tätigkeit im öffentlichen Schulsystem wohl nicht möglich ist.
Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil die Klägerin zum Masterstudium zugelassen wurde und das Masterstudium gemäß § 7 Abs. 1a BAföG noch als Erstausbildung angesehen wird. Wenn die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt die persönlichen Voraussetzungen nach § 8 BAföG erfüllt hätte, wäre das Masterstudium voraussichtlich förderungsfähig gewesen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt die Anwendung von § 7 Abs. 2 BAföG für die Ausbildung an der Berufsfachschule nicht in Betracht. § 7 Abs. 2 BAföG regelt allein die „weitere Ausbildung“. Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift ist deshalb, dass die Erstausbildung i.S.d. § 7 Abs. 1 oder § 7 Abs. 1a BAföG berufsqualifizierend abgeschlossen worden ist. Wird dagegen die ursprüngliche Erstausbildung – wozu im Fall der Klägerin auch das Masterstudium zählt – vor ihrem Abschluss abgebrochen oder die Fachrichtung gewechselt, richtet sich die Förderungsfähigkeit der „anderen Erstausbildung“ nach § 7 Abs. 3 BAföG (Ramsauer/Stallbaum, Kommentar zum BAföG, 6. Aufl., § 7 Rn. 64).
Nach § 7 Abs. 3 BAföG wird Ausbildungsförderung bei einem Abbruch des Studiums oder einem Fachrichtungswechsel nur gewährt, wenn der Wechsel 1. aus wichtigem Grund oder 2. aus unabweisbarem Grund erfolgt ist. Die Voraussetzung „wichtiger Grund“ gilt beim Hochschulstudium maximal nur bis zum Beginn des vierten Fachsemesters, beim Masterstudium nur bis zum Beginn des dritten Fachsemesters. Vorliegend hat die Klägerin ihre Ausbildung abgebrochen, weil sie den Besuch der Hochschule abgebrochen hat und nun eine Berufsfachschule besucht (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BAföG). Allerdings ist der Abbruch der Ausbildung erst nach Ablauf des vierten Fachsemesters an der Universität Jena erfolgt. Somit könnte die „andere Ausbildung“ – wenn nicht bereits der Wechsel vom Masterstudium zum Studium Lehramt als Fachrichtungswechsel anzusehen wäre – jedenfalls nur dann gefördert werden, wenn unabweisbare Gründe für einen Abbruch der Hochschulausbildung vorliegen würden. Solche unabweisbaren Gründe sind aber nicht ersichtlich. Abzustellen ist auf die Gründe, die der Förderungsbewerber selbst angegeben hat. Die Klägerin hat am 13. Juni 2016 erklärt, die Perspektive, noch jahrelang studieren zu müssen, habe sie entmutigt, so dass sie sich für eine Berufsausbildung entschieden habe. Darin ist aber kein unabweisbarer Grund zu erkennen. Ein solcher liegt nach der Rechtsprechung z.B. dann vor, wenn ein Sportstudent wegen einer durch einen Unfall verursachten Behinderung das Studium nicht mehr fortsetzen kann.
Somit hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung von Ausbildungsförderung für den Besuch der Berufsfachschule für Holzbildhauer in … Der Ablehnungsbescheid vom 22. Juli 2016 ist rechtmäßig.
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO abzuweisen.

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