Arbeitsrecht

Ausbildungsförderung für Forschungspraktikum an ausländischer Hochschule

Aktenzeichen  RO 6 K 16.261

Datum:
26.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BAföG BAföG § 2 Abs. 1, Abs. 4, § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 5

 

Leitsatz

1 Entscheidend für die Gewährung von Ausbildungsförderung für Auslandspraktika ist nicht die tatsächliche Dauer des Auslandsaufenthalts, sondern die in der Ausbildungsordnung festgelegte Dauer (VGH München BeckRS 2004, 33865). (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Ein „Besuch“ einer Ausbildungsstätte iSv § 2 Abs. 1 S. 1 BAföG liegt vor, solange der Auszubildende der Ausbildungsstätte organisationsrechtlich angehört und die Ausbildung an der Ausbildungsstätte auch tatsächlich betreibt (BVerwG BeckRS 1987, 06490). Eine organisationsrechtliche Zugehörigkeit setzt in der Regel die Immatrikulation an der betreffenden Hochschule voraus. (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Aktive Forschung an Universitäten bildet einen essentiellen Bestandteil eines Hochschulstudiums und damit auch einen wesentlichen Bestandteil des Besuchs einer Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 BAföG. (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Bei einem Auslandsstudium stellt die Belastung mit finanziellen Verpflichtungen in Form von Studiengebühren keine Fördervoraussetzung im Sinne des Bundesausbildungsförderungsrechts dar. Denn durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz soll nicht die Begründung eines organisationsrechtlichen Status an der Ausbildungsstätte, sondern vielmehr die Durchführung einer förderungsfähigen Ausbildung gefördert werden (BVerwG BeckRS 2000, 30147722). (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Der Bescheid des Studierendenwerks Hamburg vom 25.9.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.1.2016 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum September 2015 bis März 2016 Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hiermit einverstanden waren.
II. Die zulässige Klage ist auch begründet, weil die Ablehnung des Antrags des Klägers auf Ausbildungsförderung durch Bescheid vom 25.9.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.1.2016 rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger besitzt einen Anspruch auf Ausbildungsförderung für den Zeitraum von September 2015 bis März 2016 gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG.
1. Der Beklagte ging zu Recht davon aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung gemäß §§ 2 Abs. 4, 5 Abs. 5 BAföG besitzt. Ein derartiger Anspruch scheidet schon deshalb aus, weil § 37a Abs. 1 Satz 2 der einschlägigen Fachprüfungs- und Studienordnung nur eine Praktikumsdauer von fünf Wochen vorsieht, § 5 Abs. 5 Satz 2 BAföG aber eine Mindestdauer von zwölf Wochen als Fördervoraussetzung festsetzt. Entscheidend für die Gewährleistung von Ausbildungsförderung für Auslandspraktika ist nicht die tatsächliche Dauer des Auslandsaufenthalts, sondern die in der Ausbildungsordnung festgelegte Dauer (BayVGH, U. v. 13.2.2001 – 19 B 01.1368).
2. Ein Anspruch des Klägers auf Ausbildungsförderung ergibt sich allerdings aus § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG.
Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG wird Auszubildenden, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, für den Besuch einer im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte Ausbildungsförderung gewährt, wenn er der Ausbildung nach dem Ausbildungsstand förderlich ist und zumindest ein Teil dieser Ausbildung auf die vorgeschriebene oder übliche Ausbildungszeit angerechnet werden kann. Diese Voraussetzungen werden vom Kläger erfüllt.
Der Kläger ist Auszubildender mit Wohnsitz im Inland, bei der B* … University handelt es sich um eine Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BAföG. Diese Ausbildungsstätte wurde vom Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum auch im Sinne dieser Vorschrift besucht.
Ein „Besuch“ einer Ausbildungsstätte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BAföG liegt vor, solange der Auszubildende der Ausbildungsstätte organisationsrechtlich angehört und die Ausbildung an der Ausbildungsstätte auch tatsächlich betreibt (BVerwG, U. v. 26.10.1978 – V C 41.77- juris; B. v. 13.11.1987 – 5 B 99/86 – juris). Eine organisationsrechtliche Zugehörigkeit setzt in der Regel die Immatrikulation an der betroffenen Hochschule voraus (BVerwG, B. v. 13.11.1987 – 5 B 99/86 – juris). Das regelmäßig verlässliche Beweiszeichen der Immatrikulation kann allerdings durch objektiv feststellbare Umstände sowohl widerlegt als auch ersetzt werden (BVerwG, U. v. 5.12.2000 – 5 C 25/00 – juris).
Der Kläger war als „visiting scholar“ in den Organisationsbetrieb der B* … University eingegliedert, da er hinsichtlich seiner Rechte und Pflichten den anderen Studierenden dieser Hochschule gleichgestellt war. Wie auch aus dem Schreiben des Professors U* … vom 18.2.2016 hervorgeht, besaß der Kläger das Recht, zusammen mit anderen Studierenden an Forschungs- und Lehrveranstaltungen der Universität teilzunehmen, und hatte aufgrund seines Studentenausweises auch Zugang zu universitären Einrichtungen wie Bibliotheken und Laboren. An dieser Bewertung ändert auch der Umstand nichts, dass offizieller Anlass des Auslandsaufenthalts des Klägers die Mitarbeit an zwei Forschungsprojekten dieses Professors war. Denn der Beklagte geht zu Unrecht davon aus, dass das Ableisten eines Forschungspraktikums sich vom üblichen Ausbildungsbetrieb unterscheide und nicht als Besuch einer Ausbildungsstätte nach § 2 Abs. 1 BAföG zu bewerten sei, da Forschungspraktika in der Regel „abgesondert“ in einem Forschungslabor der jeweiligen Hochschule erfolgen würden. Aktive Forschung an den Universitäten ist nämlich essentieller Bestandteil eines Hochschulstudiums und damit auch wesentlicher Bestandteil des Besuchs einer Ausbildungsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 BAföG. Im Übrigen nahm der Kläger ausweislich des Schreibens des Professors U* … vom 18.2.2016 zusätzlich zu seinen Forschungsaktivitäten auch an fakultätseigenen und interdisziplinären Seminaren und Workshops der Universität teil. Ebenso wie im vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall der sog. „Kleinen Matrikel“ unterlag der Besuch der B* … University durch den Kläger also im Ergebnis nur einer – für die Frage der Ausbildungsförderung unschädlichen – zeitlichen Beschränkung (BVerwG, U. v. 9.12.1982 – 5 C 64/80 – juris).
Gegen eine organisationsrechtliche Zugehörigkeit spricht auch nicht, dass der Kläger als „visiting scholar“ keine Studiengebühren zu entrichten hatte. Maßgeblich ist allein der Umstand, dass der Kläger unter dem Gesichtspunkt der ausbildungsbezogenen Rechte und Pflichten anderen Studierenden gleichgestellt war. Denn auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht hervor, dass die Belastung mit finanziellen Verpflichtungen in Form von Studiengebühren keine Fördervoraussetzung im Sinne des Bundesausbildungsförderungsrechts ist. Durch das Bundesausbildungsförderungsgesetz soll nämlich nicht die Begründung eines organisationsrechtlichen Status an der Ausbildungsstätte, sondern vielmehr die Durchführung einer förderungsfähigen Ausbildung gefördert werden (BVerwG, U. v. 5.12.2000 – 5 C 25/00 – juris).
Wie sich letztlich auch aus dem Schreiben des Professors U* … vom 18.2.2016 ergibt, hat der Kläger die Ausbildung an der B* … University auch tatsächlich betrieben und sowohl Lehrals auch Forschungsveranstaltungen besucht.
Schließlich war der Auslandsaufenthalt, der ein Semester dauerte und damit die Anforderungen nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BAföG erfüllte, der Ausbildung des Klägers gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BAföG auch förderlich und auf diese anrechenbar. In der Fachprüfungs- und Studienordnung ist nämlich zum einen in § 37a Abs. 2 Satz 2 ausdrücklich festgelegt worden, dass im Rahmen des Auslandsaufenthalts ein Forschungspraktikum durchzuführen ist, woraus sich dessen ausbildungsfördernde Charakter ergibt. Zum anderen sieht § 37a Abs. 2 Satz 2 der Fachprüfungs- und Studienordnung vor, dass für einen derartigen Auslandsaufenthalt insgesamt 20 Leistungspunkte anzurechnen sind.
III. Der Beklagte hat als unterliegender Teil gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten zu tragen.
Gemäß § 188 Satz 2 VwGO sind Verfahren der Ausbildungsförderung gerichtskostenfrei.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

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