Aktenzeichen 6 AZR 834/16
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Rostock, 16. Juni 2015, Az: 2 Ca 918/14, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, 7. Juni 2016, Az: 2 Sa 150/15, Urteil
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Juni 2016 – 2 Sa 150/15 – aufgehoben, soweit es der Berufung stattgegeben hat.
2. Insoweit wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers für Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen.
2
Die Beklagte betreibt öffentlichen Nahverkehr. Der Kläger ist seit 1982 bei ihr bzw. ihren Rechtsvorgängern als Kfz-Mechaniker in Vollzeit beschäftigt. Er arbeitet in der Werkstatt und leistet Schichtdienst. Der Schichtplan sieht auch Einsätze an Wochenenden und Feiertagen vor.
3
Bis zum 31. Dezember 2003 fand auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe – (BMT-G-O) vom 10. Dezember 1990 Anwendung. Seit dem 1. Januar 2004 gilt kraft beiderseitiger Tarifbindung der Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe Mecklenburg-Vorpommern (TV-N MV) vom 18. März 2003. Dieser enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:
„§ 9
Ausgleich für Sonderformen der Arbeit
(1)
1Der Arbeitnehmer erhält neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung einen Zeitzuschlag. 2Er beträgt für
…
c)
für Feiertagsarbeit
135 v. H.
…
des auf die Arbeitsstunde entfallenden Anteils des monatlichen Entgelts der Stufe 1 seiner Entgeltgruppe. …
4Die nach den vorstehenden Sätzen zu zahlenden Zeitzuschläge können auf schriftlichen Antrag im Verhältnis 1:1 in Zeit umgewandelt und dem Arbeitszeitkonto (§ 10) zugeführt werden.
…
(3)
Der Arbeitnehmer, der Wechselschichtarbeit im Sinne des § 8 Abs. 4 leistet, erhält eine Wechselschichtzulage von 110 Euro monatlich.
(4)
Der Arbeitnehmer, der Schichtarbeit im Sinne des § 8 Abs. 5 leistet, erhält eine Schichtzulage von 90 Euro monatlich.
(5)
Absatz 3 und 4 gilt nicht für Arbeitnehmer, die im Fahrdienst beschäftigt sind.
…
§ 20
Besondere Bestimmungen für AN im Fahrdienst
Besondere Bestimmungen für AN im Betriebs- und Verkehrsdienst – einschließlich Verkehrs- und Fahrmeister – (Fahrdienst) ergeben sich aus Anlage 3.
…
Anlage 3
Besondere Bestimmungen für Arbeitnehmer im Fahrdienst gemäß § 20 TV-N MV
…
§ 11
… 3Ferner werden in jedem Kalenderjahr so viele bezahlte freie Tage gewährt, wie lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage in dieses Jahr fallen.
…“
4
Nach einem Arbeitspapier der Beklagten vom 5. September 2012 wurde bzgl. der Gewährung freier Tage und der Bezahlung für Feiertagsarbeit die „Verfahrensweise im Fahrdienst“ zum Zwecke einer unternehmensweiten Vereinheitlichung auf die anderen Abteilungen übernommen. Als „maßgeblicher Grundsatz“ wurde in dem Arbeitspapier die Formulierung des § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV annähernd wörtlich wiedergegeben. Bei Arbeit an einem Wochenfeiertag werde demnach ein bezahlter freier Tag als Ausgleich gewährt und die Feiertagsarbeit neben der regulären Vergütung mit einem Zuschlag von 35 vH bezahlt.
5
Ein solcher Ausgleich von Feiertagsarbeit wurde auch beim Kläger vorgenommen. Mit mehreren an die Beklagte gerichteten Schreiben hat der Kläger jedoch einen Zeitzuschlag von 135 vH geltend gemacht. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben an den Kläger vom 14. Mai 2013 und an den gewerkschaftlichen Vertreter des Klägers vom 2. April 2014 ab. Im Schreiben vom 14. Mai 2013 bestätigte die Beklagte zwar unter Bezugnahme auf das Arbeitspapier vom 5. September 2012 die unternehmensweit einheitliche Vorgehensweise. Die sich daraus für die Arbeit an Wochenfeiertagen ergebenden Ansprüche seien jedoch durch die Gewährung eines bezahlten freien Tags und eines Zuschlags von 35 vH erfüllt worden.
6
Der Kläger meint, er habe bzgl. der Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen dieselben Ansprüche wie die im Fahrdienst Beschäftigten. Dies ergebe sich aus dem Arbeitspapier der Beklagten vom 5. September 2012 und der betrieblichen Praxis. Demnach habe er entsprechend § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV einen Anspruch darauf, unabhängig von der konkreten Diensteinteilung in jedem Kalenderjahr so viele bezahlte freie Tage gewährt zu bekommen, wie lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage in dieses Jahr fallen. Bei Arbeit an einem Wochenfeiertag habe er zudem zusätzlich zu seiner regulären Vergütung Anspruch auf den Zeitzuschlag iHv. 135 vH aus § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV, welcher auf seinen Antrag hin im Verhältnis 1:1 in Zeit umgewandelt und dem Arbeitszeitkonto zugeführt werden könne. Die Ansprüche aus § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV und § 9 Abs. 1 TV-N MV stünden nach Wortlaut und Tarifsystematik nebeneinander.
7
Der Kläger hat daher beantragt festzustellen,
1.
dass der Kläger Anspruch auf so viele zusätzliche bezahlte freie Tage hat, wie lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage in das Jahr fallen;
2.
dass über den Anspruch auf Bezahlung für Arbeit an Wochenfeiertagen hinaus der Anspruch auf Zahlung des Zeitzuschlags nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV und der Anspruch auf einen bezahlten weiteren freien Tag, wenn an einem lohnzahlungspflichtigen Arbeitstag gearbeitet worden ist, nebeneinanderstehen und eine Verrechnung unzulässig ist;
3.
dass über den Anspruch auf Bezahlung von Arbeit an Wochenfeiertagen hinaus die Ansprüche auf Zahlung eines Zeitzuschlags nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV sowie auf einen Ersatzruhetag nach § 11 Abs. 3 Satz 2 ArbZG, wenn an einem Wochenfeiertag gearbeitet worden ist, nebeneinanderstehen und eine Verrechnung unzulässig ist.
8
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach § 20 TV-N MV gelte § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV nur für die Arbeitnehmer im Fahrdienst und somit nicht für den als Kfz-Mechaniker beschäftigten Kläger. Er sei mit dem Fahrpersonal wegen unterschiedlicher Arbeitsbedingungen auch nicht vergleichbar. Dem Kläger sei kein übertariflicher Anspruch zugesagt worden.
9
Zudem könne der Kläger die streitgegenständlichen Feststellungen selbst dann nicht verlangen, wenn er ein Angehöriger des Fahrpersonals wäre. Auch für das Fahrpersonal bestünden die Ansprüche aus § 9 Abs. 1 TV-N MV und § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV nicht nebeneinander. Bei der Aufnahme des Zuschlags von 135 vH in § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV sei ungewollt nicht beachtet worden, dass die Arbeitnehmer im Fahrdienst nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV bereits bezahlte freie Tage gewährt bekommen. Es handle sich um ein Redaktionsversehen, welches durch die Protokolle der Tarifvertragsverhandlungen belegt werden könne. § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV und § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV hätten denselben Regelungszweck. Es sollte ein Ausgleich für die Belastung der Feiertagsarbeit geschaffen werden, sei es durch Auszahlung eines Zeitzuschlags oder durch Gewährung eines bezahlten freien Tags. Der einzige Unterschied zwischen § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV und § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV bestünde darin, dass der Arbeitnehmer im Falle des § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 TV-N MV selbst entscheiden könne, ob er sich den Zeitzuschlag iHv. 135 vH auszahlen oder als Gutschrift auf sein Arbeitszeitkonto buchen lassen wolle. Unabhängig davon, wie er sich entscheide, werde damit auch der Anspruch auf einen bezahlten freien Tag nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV erfüllt. Dies entspreche der Tarifpraxis.
10
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dieses Urteil teilweise abgeändert und im Urteilstenor festgestellt, der Kläger habe für jeden zahlungspflichtigen Wochenfeiertag Anspruch auf einen bezahlten freien Tag nach § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 7. Juni 2016 wurde aber ein Tenor mit der Feststellung verkündet, dass der Kläger Anspruch auf so viele zusätzliche bezahlte freie Tage habe, wie lohnzahlungspflichtige Wochenfeiertage in das Jahr fallen. Eine Berichtigung wurde nicht vorgenommen. In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, der zu 1. gestellte Antrag sei auf die Feststellung gerichtet, dass dem Kläger der Anspruch aus § 11 Satz 3 der Anlage 3 TV-N MV neben dem Anspruch aus § 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c TV-N MV zustehe. Mit diesem Inhalt sei der Antrag zulässig und begründet. Bezogen auf die Anträge zu 2. und zu 3. hat das Landesarbeitsgericht die Berufung zurückgewiesen. Die Klage sei insoweit unzulässig, da diese Anträge inhaltlich nicht über den Antrag zu 1. hinausgingen.
11
Gegen diese Entscheidung hat nur die Beklagte die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie begehrt damit die vollständige Zurückweisung der Berufung.