Aktenzeichen 4 AZR 822/09
§ 133 BGB
§ 157 BGB
§ 613a Abs 1 S 1 BGB
§ 21 Abs 1 PostPersRG
§ 1 TVG
§ 3 Abs 1 TVG
§ 4 Abs 1 TVG
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Leipzig, 12. November 2008, Az: 2 Ca 2677/08, Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht, 7. Oktober 2009, Az: 3 Sa 732/08, Urteil
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird unter deren Zurückweisung im Übrigen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Oktober 2009 – 3 Sa 732/08 – teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 12. November 2008 – 2 Ca 2677/08 – abgeändert, soweit es dem Feststellungsantrag über den 30. November 2008 hinaus entsprochen hat. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger sieben Zwölftel, die Beklagte fünf Zwölftel zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, welche tariflichen Regelungen aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.
2
Der nicht tarifgebundene Kläger ist seit 1971 als Arbeitnehmer bei der Beklagten und ihren Rechtsvorgängern beschäftigt. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 23. Mai 1991, der seinerzeit mit der Deutschen Bundespost Telekom geschlossen wurde, heißt es ua.:
„Für das Arbeitsverhältnis gelten die für das in Art. 3 des Einigungsvertrages genannte Gebiet vereinbarten Bestimmungen des Tarifvertrages für die Angestellten/Arbeiter der Deutschen Bundespost TELEKOM (TV Ang (Ost) bzw. TV Arb (Ost)) und der sonstigen für das genannte Gebiet vereinbarten Tarifverträge für die Angestellten/Arbeiter der Deutschen Bundespost TELEKOM in ihrer jeweiligen Fassung als unmittelbar zwischen den Vertragsparteien vereinbart.“
3
Im Zuge der sog. Postreform II wurden die Geschäftsbereiche der Deutschen Bundespost durch das Gesetz zur Umwandlung der Unternehmen der Deutschen Bundespost in die Rechtsform der Aktiengesellschaft (vom 14. September 1994, BGBl. I S. 2325, 2339 – Postumwandlungsgesetz – PostUmwG) privatisiert. Aus dem Geschäftsbereich, in dem der Kläger tätig gewesen war, entstand nach § 1 Abs. 2 dritter Spiegelstrich PostUmwG die Deutsche Telekom AG (nachfolgend DT AG). Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde zum 1. Januar 1995 gemäß § 21 Abs. 1 dritter Spiegelstrich des Gesetzes zum Personalrecht der Beschäftigten der früheren Deutschen Bundespost (vom 14. September 1994, BGBl. I S. 2325, 2353 – Postpersonalrechtsgesetz – PostPersRG) auf die DT AG übergeleitet.
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Die DT AG vereinbarte in der Folgezeit mit der Deutschen Postgewerkschaft (DPG) Tarifverträge, die ua. die zuvor zwischen der Deutschen Bundespost und der DPG geschlossenen Tarifverträge für die Arbeiter und Angestellten der Deutschen Bundespost in Ost und West (nachfolgend „TV Arb“ und „TV Ang“, ohne Unterscheidung West/Ost) für den Bereich der DT AG abänderten. Eine weitgehende Ablösung der vormals mit der Deutschen Bundespost geschlossenen und auch noch nachfolgend geänderten Tarifverträge erfolgte anlässlich der Einführung des „Neuen Bewertungs- und Bezahlungssystems – NBBS“ zum 1. Juli 2001 in einem gesonderten Übergangstarifvertrag, dem Tarifvertrag zur Umstellung auf das NBBS.
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Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers wurden stets die jeweiligen für ihn einschlägigen Tarifverträge der Deutschen Bundespost Telekom und später die der DT AG angewendet.
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Mit Wirkung ab dem 1. September 2007 wurde die Kundenniederlassung Spezial der DT AG, in der der Kläger beschäftigt war, von der Beklagten, einer Tochtergesellschaft der DT AG, übernommen. Die Beklagte wandte auf das infolge Betriebsübergangs auf sie übergegangene Arbeitsverhältnis des Klägers fortan den zwischen ihr und der Gewerkschaft ver.di vereinbarten Tarifvertrag zur Umsetzung des Beschäftigungsbündnisses (Umsetzungs-Tarifvertrag, UTV) in der Fassung vom 1. März 2004 an, der Abweichungen von den Tarifverträgen der DT AG enthält, ua. bei der Arbeitszeit und beim Entgelt. Mit Schreiben vom 23. April 2008 hat der Kläger die Beklagte erfolglos aufgefordert, künftig wieder die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden.
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Zum 1. Dezember 2008 erfolgte ein weiterer Betriebsübergang. Der Kläger widersprach diesem Übergang zur T GmbH mit Schreiben vom 26. November 2009. Seine Klage vom 28. Dezember 2009 auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zu der Beklagten unverändert fortbesteht, hat das Arbeitsgericht Bonn am 15. April 2010 abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht Köln hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers am 10. November 2010 zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat das Bundesarbeitsgericht am 18. August 2011 zurückgewiesen (- 8 AZN 400/11 -).
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Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass auf das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten die Tarifverträge der DT AG mit dem Regelungsbestand vom 31. August 2007 anzuwenden sind. Bei der im Arbeitsvertrag vereinbarten Bezugnahmeklausel handele es sich um eine kleine dynamische Bezugnahmeklausel, die das Tarifwerk der Deutschen Bundespost und später dasjenige der DT AG zur Anwendung bringe. Eine Tarifwechselklausel sei nicht vereinbart worden, weshalb der UTV nicht anzuwenden sei.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Beklagten die Tarifverträge der Deutschen Telekom AG Tarifstand 31. August 2007 anzuwenden sind.
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
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Die Feststellungsklage sei aus mehreren Gründen bereits unzulässig. Insbesondere sei das zugrunde liegende Rechtsverhältnis während des Rechtsstreits zu einem vergangenen geworden. Nach dem weiteren Betriebsübergang am 1. Dezember 2008 sei die Beklagte nicht mehr Arbeitgeberin des Klägers, der erst mit Schreiben vom 26. November 2009 und damit verspätet dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Betriebserwerberin widersprochen habe, was nunmehr rechtskräftig entschieden sei. Weiterhin habe der Kläger sein Klagerecht verwirkt. Spätestens mit Zugang des Unterrichtungsschreibens vom 26. Juli 2007 sei der Kläger über die ihm aus dem bevorstehenden Betriebsübergang erwachsenden rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen und die Auffassung der Beklagten zur Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel informiert gewesen. Bis zum Geltendmachungsschreiben vom 23. April 2008 sei er insgesamt neun Monate untätig geblieben, auch trotz monatlicher Vergütungsabrechnungen, aus denen die wirtschaftlichen Nachteile der Anwendung des UTV anstatt der Tarifverträge der DT AG deutlich abzulesen gewesen seien.
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Die Klage sei auch unbegründet, da mit dem Betriebsübergang die für die DT AG geltenden Tarifbestimmungen durch den bei ihr geltenden UTV ersetzt worden seien. Zwar sei die vertragliche Verweisung, die als Gleichstellungsabrede auszulegen sei, womöglich zunächst als sog. kleine dynamische Bezugnahmeklausel angelegt gewesen. Sie sei jedoch aufgrund besonderer Umstände ergänzend als begrenzte Tarifwechselklausel auszulegen. Ab dem 1. Juli 2001 habe eine planwidrige Regelungslücke bestanden, weil die Tarifverträge vom Wortlaut der Klausel nicht erfasst seien. Aus der zeitdynamischen Inbezugnahme des Tarifwerks der Deutschen Bundespost Telekom ergebe sich der Parteiwille, auch die Tarifverträge der DT AG und die ihrer Nachfolgeeinheiten in Bezug zu nehmen. Die Vertragspraxis der Parteien zeige auch deren Willen, die jeweils einschlägigen Tarifverträge anzuwenden. So habe der Kläger widerspruchslos die Anwendung der Tarifverträge der DT AG auf sein Arbeitsverhältnis akzeptiert. Zudem habe mit der Gewerkschaft ver.di stets diejenige Gewerkschaft gehandelt, die – früher noch als Deutsche Postgewerkschaft – die im Arbeitsvertrag benannten sowie die Nachfolgetarifverträge geschlossen habe. Es handele sich um eine unternehmensübergreifende und konzernbezogene Tarifeinigung mit Ablösungswillen. Diese Tarifsukzession setze sich mit der Aufgliederung in immer kleinere Konzerngesellschaften fort. Es sei Sinn und Zweck der Gleichstellungsabrede, gleiche Arbeitsbedingungen in dem jeweiligen Konzernunternehmen der DT AG sicherzustellen.
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Das Arbeitsgericht hat der Feststellungsklage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht für den Kläger zugelassenen Revision verfolgt dieser die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, wobei er die beantragte Feststellung auf die Zeit bis zum 30. November 2008 beschränkt und zusätzlich hilfsweise im Wege der Stufenklage Auskunfts- und Zahlungsanträge stellt. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.