Aktenzeichen 4 AZR 51/14
§ 611 BGB
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Wiesbaden, 6. März 2013, Az: 2 Ca 420/12, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 22. Oktober 2013, Az: 13 Sa 569/13, Urteil
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 2013 – 13 Sa 569/13 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Entgeltansprüche der Klägerin und in diesem Zusammenhang über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen aufgrund vertraglicher Bezugnahme.
2
Die Klägerin ist bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin seit Juli 2002 als Buchhändlerin beschäftigt. In dem mit der Rechtsvorgängerin, der nicht tarifgebundenen B GmbH & Co. KG, geschlossenen Arbeitsvertrag vom 10. Juni 2002 heißt es ua.:
„§ 1 Probezeit und Anstellung
Der Arbeitnehmer wird mit Wirkung vom 01.07.2002 als
Buchhändlerin …
Tarifgruppe II/1 eingestellt.
…
§ 3 Gehaltszahlung
Tarifgehalt
€ 1.610,–
(Eintausendsechshundertundzehn)
… übertarifliche Bezüge sind bei Tariferhöhungen, bei Aufrücken in ein anderes Berufs- oder Tätigkeitsjahr oder bei Einstufung in eine höhere Beschäftigungsgruppe anrechenbar. Sie können im übrigen unter Einhaltung der in § 10 vereinbarten Frist gekündigt werden.
…
§ 4 Arbeitszeit
Die Arbeitszeit beträgt in der Woche 37,5 Stunden.
…
§ 13 Tarifverträge
Soweit sich aus diesem Vertrag nichts anderes ergibt, findet der Mantel- und Gehaltstarif des Einzelhandels Hessen in der zuletzt gültigen Fassung sowie die Betriebsordnung Anwendung.
…“
3
Im Dezember 2009 schlossen die B GmbH & Co. KG und die Klägerin einen befristeten „Nachtrag zum Arbeitsvertrag“ (nachfolgend: Nachtrag 2009), der ua. folgenden Inhalt hat:
„2. Arbeitszeit
Die wöchentliche Arbeitszeit … beträgt 18,00 Std./Woche.
3. Vergütung
Das monatliche Bruttoentgelt, bezogen auf 37,5 Std./Woche beträgt EUR 1.974,00.
Daraus errechnet sich bei einer Teilzeitbeschäftigung von 18,00 Std./Woche ein monatliches Bruttoentgelt von EUR 947,52.
…
6. Gültigkeit
Diese Vereinbarung tritt ab 26.12.2009 in Kraft und endet am 26.12.2010.
Alle anderen Bestimmungen des Arbeitsvertrages gelten unverändert fort.
…“
4
Zum 21. Dezember 2010 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin infolge einer Verschmelzung der Rechtsvorgängerin auf die ebenfalls nicht tarifgebundene Beklagte als aufnehmende Rechtsträgerin über. Am 23. Dezember 2010 schlossen die Parteien einen „Nachtrag zum Arbeitsvertrag“ (nachfolgend: Nachtrag 2010), der auszugsweise wie folgt lautet:
„2. Arbeitszeit
Die wöchentliche Arbeitszeit … beträgt 18,00 Std./Woche.
3. Vergütung
Das monatliche Bruttoentgelt, bezogen auf 37,5 Std./Woche, beträgt bis zum 31.03.2011 EUR 1.974,00. Daraus errechnet sich bei einer Teilzeitbeschäftigung von 18,00 Std./Woche ein monatliches Bruttoentgelt von EUR 947,52.
Das monatliche Bruttoentgelt, bezogen auf 37,5 Std./Woche beträgt ab dem 01.04.2011 EUR 2.012,50. Daraus errechnet sich bei einer Teilzeitbeschäftigung von 18,00 Std./Woche ein monatliches Bruttoentgelt von EUR 966,00.
…
6. Gültigkeit
Diese Vereinbarung tritt rückwirkend ab 27.12.2010 in Kraft und endet am 26.12.2011.
Alle anderen Bestimmungen des Arbeitsvertrages gelten unverändert fort.
…“
5
In einem weiteren „Nachtrag zum Arbeitsvertrag“ (nachfolgend: Nachtrag 2011) vereinbarten die Parteien:
„2. Arbeitszeit
Die wöchentliche Arbeitszeit … beträgt 18,00 Std./Woche.
3. Vergütung
Das Bruttomonatsgehalt wird auf die oben genannte Wochenarbeitszeit angepasst. …
6. Gültigkeit
Diese Vereinbarung tritt rückwirkend ab 27.12.2011 in Kraft und endet am 26.12.2012.
Alle anderen Bestimmungen des Arbeitsvertrages gelten unverändert fort.
…“
6
Die Beklagte zahlte zuletzt ein Entgelt in unveränderter Höhe von 966,00 Euro brutto.
7
Mit Schreiben vom 24. Mai 2012 hat die Klägerin die Beklagte ohne Erfolg aufgefordert, ihr für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 bis zum 30. April 2012 näher bezeichnete Differenzen zwischen den ihr geleisteten Zahlungen und dem tariflichen geregelten Entgelt nach dem „Tarifvertrag für den Hessischen Einzel- und Versandhandel“ zu zahlen.
8
Mit ihrer Klage hat die Klägerin ihre Zahlungsansprüche – erweitert um den Zeitraum bis einschließlich des Monats Januar 2013 -, weiterverfolgt und tarifliche Einmalzahlungen für die Jahre 2010 und 2012 aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung anteilig verlangt sowie die Feststellung der für die Vergütung maßgebenden Tarifverträge begehrt. Sie hat ausgeführt, der Arbeitsvertrag vom Juni 2002 enthalte eine unbedingte zeitdynamische Bezugnahme auf die jeweiligen tariflichen Entgeltbestimmungen.
9
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.410,72 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB nach näher bezifferter Maßgabe zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 96,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 2. Juli 2012 zu zahlen,
3.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr eine Vergütung nach dem zwischen der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Landesverband des Hessischen Einzelhandels e.V. sowie dem Handelsverband BAG Hessen, Verband der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels Hessen e.V. geschlossenen Gehaltstarifvertrag für den Einzel- und Versandhandel für Hessen in seiner jeweils gültigen Fassung ab dem 1. Februar 2013 zu zahlen.
10
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, der Arbeitsvertrag enthalte eine sog. statische Bezugnahme auf die bei Vertragsschluss geltenden Tarifverträge, wie das Wort „zuletzt“ in dessen § 13 zeige. Zudem sei das Entgelt individuell vereinbart worden. In § 3 des Arbeitsvertrags sei die Vergütung abschließend geregelt. Nichts anderes ergebe sich aus den Nachträgen zum Arbeitsvertrag. Eine etwaige Bezugnahmeregelung aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag sei durch Nr. 6 Satz 2 der jeweiligen Nachträge nicht zum Gegenstand einer erneuten rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht worden.
11
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.